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VwGH vom 02.02.2023, Ra 2022/13/0050

VwGH vom 02.02.2023, Ra 2022/13/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Bürgermeisters der Stadtgemeinde B, vertreten durch die Dr. Peter Lindinger, Dr. Andreas Pramer GesbR in 4020 Linz, Graben 18, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-450680/25/HW/VEP, betreffend Kanalbenützungsgebühren samt Säumniszuschlag und Mahngebühr (weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: H GmbH in B, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1Mit Bescheid vom setzte der Bürgermeister die Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2019 sowie für das erste Halbjahr 2020 samt Säumniszuschlag und Mahngebühr fest. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Bemessungsgrundlage ergebe sich aus dem Wasserverbrauch laut Ablesung der Messeinrichtung der Wassergenossenschaft.

2Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte darin im Wesentlichen geltend, mit der Zustimmung zur Einleitung von betrieblichen Abwässern in das öffentliche Kanalisationssystem sei der mitbeteiligten Partei die Einhaltung von entsprechenden Auflagen vorgeschrieben worden. Demnach sei die mitbeteiligte Partei dazu verpflichtet worden, Vorreinigungsanlagen zu verwenden und das Abwasser entsprechend vorzufiltern. Insbesondere sei auch eine induktive Mengenmessung vorgeschrieben worden. Im Jahr 2019 sei mittels Wasseruhr ein Wasserbezug aus der öffentlichen Wasserversorgung von 90.708 m³ festgestellt worden. Im Ablauf der Vorreinigungsanlagen sei jedoch lediglich eine Abwassermenge von 61.391 m³ gemessen worden. Die Verluste würden einerseits durch Verdunstung in den Dampfkesselanlagen auftreten. Anderseits würden erhebliche Mengen an Wasser den Produkten der mitbeteiligten Partei beigemengt und gelangten somit nicht in den öffentlichen Kanal. Aufgrund der kostenintensiven Vorreinigung der restlichen Abwässer werde das betriebliche Abwasser grundsätzlich feststofffrei und bezüglich organischer Fracht und Fette mit einer Reinigungsleistung von 60 - 80 % zur Ableitung gebracht. Die betrieblichen Abwässer überträfen häusliche Abwässer hinsichtlich Qualität und Quantität erheblich. Fachlich und branchenüblich bewertet sei ein Nachlass von 25 - 40 % des Gebührensatzes zu gewähren. Zu berücksichtigen sei eine Abwassermenge für den Betrieb von 61.391 m³, weiters häusliche Abwässer für Mitarbeiter von 3.900 m³ und häusliche Abwässer für Gäste und externe Besucher von 520 m³. Die Kanalgebührenordnung sei gesetzwidrig, da die Höhe der laufenden Gebühren mit dem doppelten Jahreserfordernis limitiert sei (§ 17 Abs. 3 Z 4 Finanzausgleichsgesetz 2017). Die Kanalgebührenordnung sei auch verfassungswidrig, da sie gegen den Gleichheitssatz verstoße; die Abgabe stehe in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Benützung.

3Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies der Bürgermeister die Beschwerde als unbegründet ab.

4Die mitbeteiligte Partei beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

5Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bürgermeisters und die Beschwerdevorentscheidung auf und verwies die Rechtssache an den Bürgermeister zur neuerlichen Entscheidung zurück. Es sprach aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei.

6Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die mitbeteiligte Partei sei grundbücherliche Eigentümerin von näher genannten Grundstücken samt dem darauf befindlichen Gebäude. Die Stadtgemeinde habe der mitbeteiligten Partei die Zustimmung zur Einleitung der betrieblichen Abwässer aus der Betriebsanlage in die Ortskanalisation der Stadtgemeinde und in weiterer Folge in die Kläranlage der Stadtgemeinde nach innerbetrieblicher Vorreinigung erteilt. Im Objekt befänden sich drei Wasserzähler. Die mitbeteiligte Partei bringe unter Vorlage einer fachlichen Bewertung konkret vor, dass der mitbeteiligten Partei u.a. eine Flotationsanlage vorgeschrieben worden sei, welche die Abwässer ähnlich einer Kläranlage vorreinige, womit das betriebliche Abwasser grundsätzlich feststofffrei und bezüglich organischer Fracht und Fette mit einer Reinigungsleistung von 60 % bis 80 % zur Ableitung gebracht werde. Im Ablauf der Vorreinigungsanlage seien im Jahr 2019 Abwassermengen gemessen worden, aus denen sich ergebe, dass über 30 % des Wasserbezugs nicht als Wasserverbrauch im Zusammenhang mit der Kanalbenützungsgebühr heranzuziehen seien. Dazu werde von der belangten Behörde ausgeführt, dass sie über keine Aufzeichnungen bzw. Messmethoden verfüge, um die von der mitbeteiligten Partei behaupteten Zahlen nachzuvollziehen; sie mache auch geltend, die Ergebnisse des von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Messgutachtens seien keine tauglichen Sachverhaltsfeststellungen. Es könne sohin nicht festgestellt werden, ob die im vorliegenden Fall anhand des gesamten Wasserverbrauchs der mitbeteiligten Partei berechnete Höhe der Kanalbenützungsgebühren in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung der Gemeinde stehe.

7Der festgestellte Sachverhalt ergebe sich aus dem Verfahrensakt und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung. Obwohl die belangte Behörde in Eingaben selbst festhalte, dass keine Aufzeichnungen bzw. Messmethoden zur Überprüfung der von der mitbeteiligten Partei behaupteten Zahlen bestünden, führe sie gleichzeitig aus, dass das von der mitbeteiligten Partei vorgelegte Messgutachten als Sachverhaltsfeststellung untauglich sei, die genaue Feststellung der eingeleiteten Abwässer der mitbeteiligten Partei in das Kanalisationssystem aufgrund der baulichen Situation vor Ort einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordere und jede Messung nur eine Momentaufnahme darstelle. In der mündlichen Verhandlung sei dies dahin ergänzt worden, dass ein Abstellen auf die eingeleitete Wassermenge am Problem der Verhältnismäßigkeit insofern vorbeigehe, als die auf die einzelnen angeschlossenen Anlagen entfallenden Kosten von zahlreichen anderen Faktoren (Lage, höchstmöglicher Abwassereintrag) abhingen. Es könne daher nicht mit ausreichender Klarheit festgestellt werden, ob zwischen der im vorliegenden Fall anhand des gesamten Wasserverbrauchs der mitbeteiligten Partei berechneten Höhe der Kanalbenützungsgebühren und der Leistung der Gemeinde ein Missverhältnis bestehe.

8Bei Benützungsgebühren könnten pauschalierende Regelungen getroffen werden, sofern sie den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprächen und im Interesse der Verwaltungsökonomie lägen. Es gelte aber auch in diesem Bereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Gebühr dürfe ein angemessenes Verhältnis zur Leistung nicht übersteigen. Die Beachtung dieser Verhältnismäßigkeit sei für die Gesetzmäßigkeit der Verordnungsbestimmung über die Kanalbenützungsgebühr eine unabdingbare Voraussetzung. Das Vorliegen einer solchen Unverhältnismäßigkeit sei etwa dann zu bejahen, wenn eine verhältnismäßig große Menge an bezogenem Wasser nicht in den Kanal eingeleitet werde. Auch im vorliegenden Fall sei bei gesetzeskonformer Auslegung der Kanalgebührenordnung diese teleologisch zu reduzieren. Die Benützungsgebühren seien unter Berücksichtigung der allenfalls im Wege der Schätzung zu ermittelnden Menge des tatsächlich in den Kanal abgeleiteten Abwassers zu bemessen.

9Aus dem Beschwerdevorbringen der mitbeteiligten Partei und der mit der Beschwerde vorgelegten fachlichen Bewertung ergäben sich für das Verwaltungsgericht gewichtige Gründe, dass ein erheblicher Teil des gesamten Wasserbezugs der mitbeteiligten Partei nicht als Abwasser in das Kanalsystem eingeleitet werde. Im Jahr 2019 wären demnach deutlich über 20.000 m³ des Wasserbezugs nicht in das Kanalsystem eingeleitet worden. Ob insoweit tatsächlich eine Unverhältnismäßigkeit zwischen der auf Basis des Wasserverbrauchs berechneten Höhe der Kanalbenützungsgebühren und der von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Leistung vorliege, könne aufgrund der derzeit vorliegenden Beweisergebnisse nicht abschließend beurteilt werden. Die belangte Behörde habe dazu ausgeführt, die Darstellung der mitbeteiligten Partei könne nicht als „gegeben angenommen werden“. Auch verweise die belangte Behörde in der mündlichen Verhandlung darauf, dass ein Abstellen auf die eingeleitete Wassermenge am Problem der Verhältnismäßigkeit insofern vorbeigehe, als die auf die einzelnen angeschlossenen Anlagen entfallenden Kosten nicht nur vom tatsächlichen Abwassereintrag, sondern von zahlreichen anderen Faktoren, wie Lage des angeschlossenen Objekts oder höchstmöglicher Abwassereintrag, abhängen würden.

10Für das Verwaltungsgericht bestünden somit Anhaltspunkte, dass die Kanalgebührenordnung im vorliegenden Fall teleologisch zu reduzieren sei, sodass die Kanalbenützungsgebühren unter Berücksichtigung der Menge des tatsächlich in den Kanal abgeleiteten Abwassers zu bemessen seien. Ob zwischen der im vorliegenden Fall anhand des gesamten Wasserverbrauchs der mitbeteiligten Partei berechneten Höhe der Kanalbenützungsgebühren und der Leistung der Gemeinde tatsächlich ein Missverhältnis bestehe und folglich eine gesetzeskonforme Auslegung der Kanalgebührenordnung erforderlich sei, könne jedoch auf Basis der vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht mit ausreichender Klarheit festgestellt werden.

11Gemäß § 278 BAO könne das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen unterlassen worden seien, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Im vorliegenden Fall lägen keine ausreichenden Ermittlungsergebnisse vor, um die konkrete Abgabenschuld der mitbeteiligten Partei feststellen zu können. Auch wenn die belangte Behörde die von der mitbeteiligten Partei mit der Beschwerde vorgelegte fachliche Bewertung für nicht tauglich erachte, so ergäben sich daraus zumindest deutliche Anhaltspunkte dazu, dass eine Unverhältnismäßigkeit zwischen der auf Basis des Wasserverbrauchs der mitbeteiligten Partei berechneten Höhe der Kanalbenützungsgebühren und der von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Leistungen vorliegen könnte. Dennoch seien von der belangten Behörde jegliche Ermittlungsschritte dazu unterlassen worden. Es sei aber davon auszugehen, dass gerade die belangte Behörde als Betreiberin der gemeindeeigenen Kanalisationsanlage Kenntnis über Informationen bzw. Unterlagen zur ziffernmäßigen Bestimmung der von ihr an die Eigentümer der an das Kanalnetz angeschlossenen Grundstücke zur Verfügung gestellten Leistung habe, aus denen sich in weiterer Folge allenfalls auch weitere zweckmäßige Ermittlungsschritte zur Feststellung der Verhältnismäßigkeit der anhand des gesamten Wasserverbrauchs der mitbeteiligten Partei berechneten Höhe der Benützungsgebühren zur Leistung der Gemeinde ergeben könnten. Es sei folglich davon auszugehen, dass die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden sei. Der angefochtene Bescheid sei daher aufzuheben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen gewesen.

12Obiter sei im Hinblick auf das Vorbringen der belangten Behörde, wonach die genaue Feststellung der eingeleiteten Abwässer der mitbeteiligten Partei einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordere und jede Messung nur eine Momentaufnahme darstelle, anzumerken, dass die Abgabenbehörde nach § 184 Abs. 1 BAO die Grundlagen für die Abgabenerhebung schätzen könne, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen könne. Die belangte Behörde werde daher in einem ersten Schritt zu ermitteln haben, ob die anhand des gesamten Wasserverbrauchs der mitbeteiligten Partei berechnete Höhe der Benützungsgebühren zur Leistung der Gemeinde in einem angemessenen Verhältnis stehe. Sofern diese Frage zu verneinen sei, werde die belangte Behörde in einem zweiten Schritt die Kanalbenützungsgebühren unter Berücksichtigung des tatsächlich in den Kanal abgeleiteten Abwassers zu ermitteln haben.

13Gegen diesen Beschluss wendet sich die vorliegende Revision der belangten Behörde. Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, es gebe keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob Verwaltungsbehörden bei der Vollziehung von Verordnungen ohne entsprechende gesetzliche Grundlage ein Ermittlungsverfahren bezüglich einer vom Adressaten behaupteten Unverhältnismäßigkeit durchzuführen hätten, die Verhältnismäßigkeit anhand eines einzigen, für den Aufwand keineswegs allein maßgeblichen Kriteriums zu prüfen hätten, und für den Fall, dass dieses Ermittlungsverfahren eine Unverhältnismäßigkeit ergeben sollte, berechtigt seien, gegen den eindeutigen Wortlaut der zu vollziehenden Vorschrift die Gebühr nach einem in der zu vollziehenden Vorschrift gar nicht genannten und auch keineswegs allein maßgeblichen Kriterium festzusetzen hätten; und somit im Ergebnis das vom Verordnungsgeber bestimmte pauschalierende Kriterium durch ein anderes nicht minder pauschalierendes Kriterium zu ersetzen hätten.

14Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung eingebracht. Beide Parteien haben in der Folge weitere Schriftsätze erstattet.

15Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16Die Revision ist zulässig und begründet.

17Gemäß § 4 Abs. 1 der Kanalgebührenordnung des Gemeinderates vom haben die Eigentümer der an das Kanalnetz angeschlossenen Grundstücke eine Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, die sich nach den festgelegten Gebührensätzen je Kubikmeter Wasserverbrauch berechnet. § 4 Abs. 3 und 4 der Verordnung sehen für bestimmte - hier nicht vorliegende Fälle - Mindestgebühren vor. § 4 Abs. 5 und 6 der Verordnung enthalten Sonderbestimmungen für landwirtschaftliche Liegenschaften sowie betreffend Senkgruben. Schließlich enthält § 4 Abs. 7 der Verordnung eine Sonderbestimmung für Grundstücke, von denen nur Niederschlagswässer abgeleitet werden. Nach § 7 der Verordnung sind für Gewerbebetriebe mit Lager- und Betriebshallen durch diese Kanalgebührenordnung bei der Kanalanschlussgebühr und der Kanalbenützungsgebühr privatrechtliche Regelungen nicht ausgeschlossen.

18Die Verordnung stützt sich betreffend die Kanalbenützungsgebühr (damals) auf § 16 Abs. 3 Z 4 Finanzausgleichsgesetz 2001. Nach dieser Bestimmung wurden die Gemeinden ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt, auszuschreiben.

19Im Rahmen der (gesetzes- und verfassungskonformen) Auslegung der Verordnung ist zu beachten, dass Benützungsgebühren der Leistung äquivalent sein müssen (vgl. z.B. ; , 2009/17/0088; vgl. weiters ; , B 182/73; , V 12/74). In Bezug auf den einzelnen Benützer müssen diese Gebühren in der Weise sachlich ausgestaltet sein, dass ihre Festsetzung in einer sachgerechten Beziehung zum Ausmaß der Benützung steht. Dieses Ausmaß kann unmittelbar (etwa durch die Menge verbrauchten Wassers) oder mittelbar (etwa nach der Anzahl der auf der Liegenschaft wohnenden Personen oder der Größe des Hauses oder Nutzfläche) berechnet werden. Der Berechnungsfaktor hat in einem sachlichen Zusammenhang zur Benützung zu stehen. Der Verordnungsgeber kann hiebei von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auch eine pauschalierte Gebühr festsetzen. Die Benützungsgebühr muss dabei nicht vom Ausmaß der konkreten Benützung im Einzelnen berechnet werden, weil Kosten nicht nur für die tatsächliche Leistung der Gemeinde entstehen, sondern auch für die Bereithaltung der Anlage als solche. Im Rahmen dieses Spielraumes hat der Verordnungsgeber darauf Bedacht zu nehmen, welcher Nutzen aus der Kanalisationsanlage vom Benützer durchschnittlich gezogen wird und welche Kosten dadurch entstehen, dem Benützer diesen Nutzen zu verschaffen. Hiebei kann der Verordnungsgeber die Tarife auch typisierend festlegen, wenn die tatsächliche Inanspruchnahme durch die Benützer - im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung: im Großen und Ganzen - miteinander vergleichbar sind. Die Berücksichtigung besonderer, vom Durchschnittsfall eklatant abweichender Gegebenheiten kann eine besondere Gebührenregelung erforderlich machen, wobei es verfassungsrechtlich zulässig ist, besondere Belastungen einer Gemeindeeinrichtung durch einzelne Benützer auch in Form einer privatrechtlichen Vereinbarung abzugelten. Wenn eine solche Vereinbarung zu einer Verringerung der Kosten für die Gemeinde führt, ist diesem Umstand unmittelbar in der Gebührenordnung selbst bei der Bemessung der von diesem einzelnen (speziellen) Benützer zu entrichtenden Gebühren in einer angemessenen, dem Ausmaß der - privatrechtlich eingetretenen - Entlastung des Haushalts der Gemeinde im Großen und Ganzen entsprechenden Weise Rechnung zu tragen (vgl.  u.a.).

20Die hier vorliegende Kanalabgabenordnung sieht in diesem Sinne auch die Möglichkeit einer privatrechtlichen Regelung vor, indem sie sie ausdrücklich nicht ausschließt. Im Hinblick auf die im gegebenen Zusammenhang zu berücksichtigende einschlägige Gesetzeslage (vgl. dazu auch ) ist darauf zu verweisen, dass nach § 11 Abs. 2 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 Bedingungen für die Einleitung in die öffentliche Kanalisation auch privatrechtlich vereinbart werden können (zum „Zusammenspiel von privatrechtlichen und hoheitlichen Gestaltungsakten“ vgl. auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Oö. Abwasserentsorgungsgesetz, BlgLT 577/1999, zu - damals - § 9; sowie die Erläuterungen zum Ausschussbericht, BlgLT 997/2001, zu § 11). Im vorliegenden Fall erfolgte die Einleitung - worauf auch von der mitbeteiligten Partei in der Beschwerde verwiesen wurde - nach Zustimmungserklärung der Gemeinde. Nach dieser - in den Verfahrensakten befindlichen - Zustimmungserklärung solle damit ein „Entsorgungsvertrag“ begründet werden, zu dessen Bestandteilen auch „Bestimmungen über Entgelte (Gebühren, Tarife)“ zählten.

21Das Verwaltungsgericht stützt seine Rechtsansicht im Wesentlichen auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/17/0229. Der Verwaltungsgerichtshof hat in jenem Erkenntnis - allerdings nur obiter - ausgeführt, die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit (im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes) sei für die Gesetzmäßigkeit der Verordnungsbestimmung über die Kanalbenützungsgebühr eine unabdingbare Voraussetzung. Werde diese nicht beachtet, dann seien die gesetzwidrigen Verordnungsbestimmungen von der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof bedroht. Bei gesetzeskonformer Auslegung der Verordnung - dem Verordnungsgeber sei nicht zu unterstellen, dass er eine gesetzwidrige Verordnung erlassen wollte - sei die dort zu beurteilende Regelung über die Bemessungsgrundlage auf den vom Verhältnismäßigkeitsrahmen zugelassenen Anwendungsbereich teleologisch zu reduzieren. Für die daher nicht (mehr) von der Verordnungsregelung erfassten Fälle seien die Kanalbenützungsgebühren nach der allenfalls im Wege der Schätzung zu ermittelnden Menge des tatsächlich in den Kanal abgeleiteten Abwassers zu bemessen.

22Die Rechtsfigur der teleologischen Reduktion (oder Restriktion) verschafft der ratio legis gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Voraussetzung ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den eigentlich gemeinten Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt oder willkürlich wäre. Die „verdeckte“ Lücke besteht im Fehlen einer nach der ratio notwendigen Ausnahme (vgl. ; vgl. ebenso RIS-Justiz RS0008979; vgl. auch ).

23Die hier zu beurteilende Verordnung enthält aber eine Ausnahmeregelung (§ 7 der Verordnung). Damit ist eine teleologische Reduktion im vorliegenden Fall schon deswegen nicht vorzunehmen, weil eine Ausnahmeregelung nicht (planwidrig) fehlt, wobei es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, ob die Verordnung samt Ausnahmeregelung höherrangigem Recht zur Gänze entspricht (vgl. z.B. ; , 2007/15/0282; vgl. auch - zu einer möglichen Subventionsvereinbarung - ). Der in Rz 20 angeführte „Entsorgungsvertrag“ könnte eine derartige Ausnahmeregelung enthalten.

24Im Übrigen ist aber auch nicht erkennbar, dass eine ausreichend konkret umschreibbare Fallgruppe nach den Grundwertungen oder Zwecken der Verordnung gar nicht getroffen werden soll. Es ist keine Besonderheit einer bestimmten Fallgruppe, dass nicht jedes ge- oder verbrauchte Wasser in den Kanal abgeleitet wird (etwa Gießen des Rasens in Hausgärten; vgl. ; , 2002/17/0231; vgl. auch ). Eine Berücksichtigung der jeweiligen Verwendung von bezogenem Wasser je nachdem, ob dieses in der Folge in eine Kanalisationsanlage eingeleitet wird, würde der pauschalierenden Wirkung der Verordnung entgegenstehen. Ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes iSd § 13 VwGG liegt schon deswegen nicht vor, weil die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in jenem Erkenntnis lediglich obiter erfolgten (vgl. ; , Ra 2021/13/0134).

25§ 278 Abs. 1 BAO normiert den Vorrang der Entscheidung in der Sache vor einer ausnahmsweisen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde. Eine solche Aufhebung ist jedenfalls unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Die Ausnahmebestimmung (der Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung) ist, an den Zielsetzungen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 orientiert, restriktiv (im Sinne eines engen Anwendungsbereiches) zu verstehen (vgl. z.B. ; , Ra 2017/15/0017, mwN). Dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung im vorliegenden Fall ausgehend von der aufgezeigten Rechtslage vorlägen, ist nicht erkennbar.

26Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

27Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb der diesbezügliche Antrag abzuweisen war (vgl. z.B. , mwN).

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022130050.L00

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