VwGH 20.10.2022, Ra 2022/12/0106
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 1 | Vom vierten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG 1989 ist beispielsweise die unternehmerische Vermietung von mit den Glücksspielgeräten fest verbundenen Banknotenlesegeräten erfasst. Eine Auslegung des Straftatbestandes der unternehmerischen Beteiligung iSd. § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG 1989 derart, dass etwa sämtliche Versorgungsunternehmen für Strom und Internet von einer Strafbarkeit erfasst würden, ist bei rechtsrichtiger Auslegung nicht zu befürchten, weil diese Unternehmer regelmäßig nicht mit Glücksspielgeräten fest verbaute Banknotenlesegeräte vermieten bzw. Verträge über die Weiterleitung von Spielaufträgen abschließen, sondern keine Kenntnis von der Tätigkeit ihres Auftragnehmers haben (vgl. ). |
Normen | |
RS 2 | Auch das entgeltliche Überlassen von Räumlichkeiten kann das vierte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erfüllen (vgl. ; , Ra 2017/17/0357; , Ra 2017/17/0488). Dies setzt aber insbesondere entsprechende Feststellungen zur subjektiven Tatseite der die Räumlichkeiten überlassenden Person voraus. Um dies beurteilen zu können, sind im Allgemeinen Feststellungen zum Kenntnisstand der sich unternehmerisch beteiligenden Person betreffend die Tätigkeit der Person erforderlich, die unmittelbar zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht (vgl. ) oder bedarf es der Feststellung anderer Anhaltspunkte - etwa aus der konkreten Ausgestaltung der (Unter)Mietverhältnisse - für eine subjektiv vorwerfbare unternehmerische Beteiligung iSd vierten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG (vgl. , Rz 13). Dies zeigt sich gerade bei der entgeltlichen Überlassung von Räumlichkeiten, wo - anders als bei mit Glücksspielgeräten fest verbauten Banknotenlesegeräten - für den Überlasser eine mögliche unternehmerische Beteiligung an verbotenen Ausspielungen nicht ohne besondere Indizienlage hinsichtlich der Nutzung des von ihm überlassenen Objektes erkennbar und somit subjektiv vorwerfbar ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/15/0144 E RS 3 |
Normen | GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 3 | Eine unternehmerische Beteiligung iSd. § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG 1989 setzt Kenntnis des Vermieters von der Veranstaltung von Glücksspielen voraus (vgl. ). |
Normen | GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 4 | Keinesfalls ist allein der Umstand, dass der Vermieter keine Kenntnis von der Nutzung des Mietobjektes zur Veranstaltung von Glücksspielen hat, als Sorgfaltsverstoß zu werten, der dazu führen könnte, dass eine unternehmerische Beteiligung im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG vorläge. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/17/0162 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Holzinger als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision der R K in B, vertreten durch die Hosp, Hegen Rechtsanwaltspartnerschaft in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 9a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , 405-10/1135/1/22-2022, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Salzburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Salzburg vom wurde die Revisionswerberin der zehnfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild iVm § 52 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt. Es wurden über sie zehn Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 3.000,- (sowie im Nichteinbringungsfall jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag) verhängt. Sie habe ein näher genanntes Lokal einem näher genannten Glücksspielveranstalter zur Verfügung gestellt, um fortgesetzt Einnahmen aus verbotenen Ausspielungen zu erzielen. Sie habe selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausgeübt und sei daher als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG zu betrachten. Sie habe sich somit an der Veranstaltung von Glücksspielen in Form verbotener Ausspielungen, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte, als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab, bestätigte das Straferkenntnis unter Konkretisierung des Tatvorwurfes und der angewandten Strafsanktionsnorm im Spruch, verpflichtete die Revisionswerberin zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 600,- je Spruchpunkt, insgesamt sohin € 6.000,-, und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit ihrer Revision bringt die Revisionswerberin unter anderem vor, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen getroffen, aus denen ableitbar wäre, dass die Revisionswerberin Kenntnis davon gehabt habe, dass in den von ihr vermieteten Räumlichkeiten illegales Glückspiel durchgeführt werde.
4 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die vorliegende Revision ist zulässig und berechtigt.
6 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt hat, kommt als Täter, der im Sinne des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, in Betracht, wer das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt. Dagegen ist mit dem vierten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Person gemeint, die nicht Veranstalter ist, sondern sich nur in irgendeiner Weise an der Veranstaltung unternehmerisch im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt (, mwN).
7 Zur Erfüllung dieses Tatbestandes bedarf es weder einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen den Spielern und dem an den Ausspielungen Beteiligten im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG, noch einer sonstigen „Ausübungshandlung“ bei der konkreten Durchführung der einzelnen Ausspielung des nach dieser letzten Variante zur Verantwortung gezogenen Beteiligten ( und 0022, mwN).
8 Von diesem Tatbild ist - wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits ausgesprochen hat - beispielsweise die unternehmerische Vermietung von mit den Glücksspielgeräten fest verbundenen Banknotenlesegeräten erfasst. Dabei hat der Gerichtshof jedoch auch festgehalten, dass eine Auslegung des Straftatbestandes der unternehmerischen Beteiligung im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG derart, dass etwa sämtliche Versorgungsunternehmen für Strom und Internet von einer Strafbarkeit erfasst würden, bei rechtsrichtiger Auslegung nicht zu befürchten sei, weil diese Unternehmer regelmäßig nicht mit Glücksspielgeräten fest verbaute Banknotenlesegeräte vermieten bzw. Verträge über die Weiterleitung von Spielaufträgen abschließen würden, sondern keine Kenntnis von der Tätigkeit ihres Auftragnehmers haben (, mwN).
9 Auch das entgeltliche Überlassen von Räumlichkeiten kann das vierte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erfüllen. Dies setzt aber insbesondere entsprechende Feststellungen zur subjektiven Tatseite der die Räumlichkeiten überlassenden Person voraus ().
10 Um dies beurteilen zu können, sind im Allgemeinen Feststellungen zum Kenntnisstand der sich unternehmerisch beteiligenden Person betreffend die Tätigkeit der Person erforderlich, die unmittelbar zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht, oder es bedarf der Feststellung anderer Anhaltspunkte - etwa aus der konkreten Ausgestaltung der (Unter)Mietverhältnisse - für eine subjektiv vorwerfbare unternehmerische Beteiligung iSd vierten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG. Dies zeigt sich gerade bei der entgeltlichen Überlassung von Räumlichkeiten, wo - anders als bei mit Glücksspielgeräten fest verbauten Banknotenlesegeräten - für den Überlasser eine mögliche unternehmerische Beteiligung an verbotenen Ausspielungen nicht ohne besondere Indizienlage hinsichtlich der Nutzung des von ihm überlassenen Objektes erkennbar und somit subjektiv vorwerfbar ist (, mwN).
11 Im Revisionsfall stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Vermietung des fraglichen Geschäftslokals zunächst mit Mietvertrag vom (befristet auf die Dauer von fünf Jahren) an R A erfolgt sei. Dieser befristete Mietvertrag sei mit einvernehmlich vorzeitig aufgelöst und gleichzeitig ein neuer, im Wesentlichen gleichlautender Mietvertrag auf drei Jahre befristet mit C I als Mieter, beginnend mit , abgeschlossen worden.
Im Frühjahr 2018 sei (im Zeitraum des Mietverhältnisses mit R A) die Veranstaltung von illegalem Glücksspiel festgestellt worden, wovon die Revisionswerberin auch schriftlich informiert worden sei. Daraufhin habe die von der Revisionswerberin beauftragte Hausverwaltung den damaligen Mieter schriftlich aufgefordert, dies bei sonstiger fristloser Beendigung des Mietverhältnisses umgehend zu unterlassen. Weitere Schritte (wie etwa eine spätere persönliche Nachschau, ob im Lokal noch Glücksspielautomaten aufgestellt wären), seien seitens der Revisionswerberin nicht erfolgt.
Im Rahmen einer weiteren Glücksspielkontrolle am seien wieder illegale Glücksspielautomaten vorgefunden, bespielt und beschlagnahmt worden. Davon sei die Revisionswerberin mit Schreiben der Finanzpolizei vom in Kenntnis gesetzt worden.
Bis auf die Präzisierung des Geschäftszweckes durch den Zusatz „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“ in dem neuen Mietvertrag mit dem Nachmieter C I habe die Revisionswerberin keine weiteren Veranlassungen getroffen. Insbesondere habe sie weder selbst im Geschäftslokal persönlich Nachschau gehalten, ob dort illegale Glücksspielautomaten aufgestellt seien, noch ihre Hausverwaltung dazu beauftragt.
Am habe die Finanzpolizei im Rahmen der nunmehr verfahrensgegenständlichen glücksspielrechtlichen Kontrolle im Lokal elf neue Spielautomaten vorgefunden.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes könne aus dem Umstand, dass die der Revisionswerberin von der Finanzpolizei in den Schreiben vom Frühjahr 2018 und vom zur Kenntnis gebrachten Veranstaltungen von illegalem Automatenglücksspiel in ihrem Mietobjekt nicht den im Tatzeitpunkt () aktuellen Mieter C I, sondern den Vormieter R A betroffen hätten, nicht die fehlende subjektive Vorwerfbarkeit abgeleitet werden. Der Mietvertrag sei über alleiniges Bestreben des bisherigen Mieters R A am vorzeitig einvernehmlich aufgelöst worden und sei dabei C I als Nachmieter präsentiert worden bzw. wäre C I von sich an die Revisionswerberin als Nachmieter herangetreten. Zudem habe sich das Geschäftslokal trotz Mieterwechsels im optischen Erscheinungsbild nicht verändert. Im Hinblick auf die Nutzung durch den Nachmieter wäre eine erhöhte Aufmerksamkeit der Revisionswerberin geboten gewesen, um bei weiteren verbotenen Ausspielungen sofort die entsprechenden Maßnahmen veranlassen zu können. Es wäre zumindest eine Nachschau bzw. Kontrolle durch die Vermieterin im vermieteten Lokal auf das Aufstellen von neuen illegalen Glücksspielgeräten im Mietobjekt auch nach dem Mieterwechsel geboten gewesen.
12 Wie schon die vorliegende Zulässigkeitsbegründung der Revision zutreffend geltend macht, reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Erkenntnis nicht aus, um die Annahme einer subjektiv vorwerfbaren Erfüllung des vierten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG nachvollziehbar zu begründen. Das Verwaltungsgericht stützt das angefochtene Erkenntnis maßgeblich drauf, dass seitens der Revisionswerberin aufgrund der Ergebnisse der glücksspielrechtlichen Kontrollen im von ihr vermieteten Lokal unter dem Vormieter und der näheren Umstände des Mieterwechsels sowie infolge des unveränderten optischen Erscheinungsbildes des Lokals nach dem Mieterwechsel eine erhöhte Aufmerksamkeit der Revisionswerberin hinsichtlich der Nutzung durch den Nachmieter geboten gewesen wäre. Insbesondere wäre eine Nachschau oder Kontrolle durch die Revisionswerberin betreffend das Aufstellen von neuen illegalen Glücksspielgeräten im Mietobjekt geboten gewesen.
13 Damit verkennt das Verwaltungsgericht aber, dass eine unternehmerische Beteiligung im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG Kenntnis des Vermieters von der Veranstaltung von Glücksspielen voraussetzt (). Keinesfalls ist allein der Umstand, dass der Vermieter keine Kenntnis von der Nutzung des Mietobjektes zur Veranstaltung von Glücksspielen hat, als Sorgfaltsverstoß zu werten, der dazu führen könnte, dass eine unternehmerische Beteiligung im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG vorläge ().
14 Das angefochtene Erkenntnis war daher unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
16 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022120106.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAA-78708