Suchen Hilfe
VwGH vom 17.03.2023, Ra 2022/08/0071

VwGH vom 17.03.2023, Ra 2022/08/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Schwechat in 2320 Schwechat, Sendnergasse 13a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W121 2248979-1/14E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (mitbeteiligte Partei: B R in M, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) sprach mit Bescheid vom gemäß § 10 AlVG aus, dass die Mitbeteiligte für den Zeitraum bis ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren habe, weil sie eine mögliche Beschäftigungsaufnahme als Finanzbuchhalterin vereitelt habe.

2Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie brachte vor, dass sie sich auf Grund des Vermittlungsvorschlags des AMS am per E-Mail beworben habe. Am sei eine schriftliche Absage ohne aktive Kontaktaufnahme, Rückfrage oder Kommentar erfolgt. Erst am sei die Mitbeteiligte auf einen „irrtümlichen Tippfehler meiner Gehaltsvorstellung“ in der Bewerbung aufmerksam geworden. Diese sei von ihr umgehend gelöscht worden. Bei einer aktiven Kontaktaufnahme seitens des potenziellen Dienstgebers hätte das sofort „abgeklärt“ werden können.

3Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das AMS die Beschwerde als unbegründet ab.

4Es stellte fest, dass die Revisionswerberin seit auf Basis der Höchstbemessungsgrundlage von € 5.100,-- Arbeitslosengeld beziehe. Sie habe Berufserfahrung als Bilanzbuchhalterin und Controllingerfahrung. Es sei vereinbart worden, dass das AMS sie bei der Suche nach einer Stelle als Bilanzbuchhalterin unterstütze.

5Am sei ihr eine Beschäftigung als Teamleiterin in der Finanzbuchhaltung bei der W. GmbH angeboten worden. Laut Inserat gelte für diese Position ein kollektivvertragliches Mindestgehalt von € 2.182,20 brutto pro Monat auf Basis Vollzeitbeschäftigung. Der Dienstgeber biete eine marktkonforme Überzahlung abhängig von Qualifikation und/oder Erfahrung.

6Die Mitbeteiligte habe dem AMS am gemeldet, dass sie sich beworben habe. Das Service für Unternehmen des AMS habe am gemeldet, dass die Mitbeteiligte laut Dienstgeber ein Gehalt von € 5.800,-- gefordert habe.

7Am habe die Mitbeteiligte niederschriftlich erklärt, dass sie sich mit Bewerbung und Lebenslauf auf dem Jobportal beworben hätte. Sie hätte bis dato keine Nachricht vom Dienstgeber bekommen. Zu der geforderten Entlohnung von € 5.800,-- wäre ihr im Lebenslauf ein Tippfehler unterlaufen; es sollte € 3.800,-- heißen. Sie hätte bei ihrem letzten Dienstgeber € 4.800,-- verdient. Mittlerweile hätte sie die Gehaltsforderung komplett aus ihrem Lebenslauf gelöscht.

8In rechtlicher Hinsicht führte das AMS aus, dass der potenzielle Dienstgeber auf Grund der im Lebenslauf genannten Gehaltsvorstellung von einer entsprechenden Entgeltforderung betreffend die angebotene Beschäftigung ausgegangen sei und die Mitbeteiligte daher nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Das Verhalten der Mitbeteiligten sei somit kausal für die Nichteinstellung gewesen. Ihr habe klar sein müssen und sie habe in Kauf genommen, dass eine mehr als doppelt so hohe Gehaltsangabe den Vorstellungen des Dienstgebers nicht entsprechen und in der Folge zu einer Nichteinstellung führen könne.

9Unaufmerksamkeit als solche sei kein Umstand, der als triftiger Grund eine solche Bewerbung rechtfertige. Solange die Mitbeteiligte Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehe, habe sie Verpflichtungen so wahrzunehmen, dass die Arbeitslosigkeit so rasch wie möglich beendet werden könne. Sie müsse entsprechende Vorkehrungen treffen, um Bewerbungen und Erledigungen ordnungsgemäß durchzuführen. Es liege in ihrer Sphäre, dass ihre Bewerbungsunterlagen richtig und vollständig an potenzielle Dienstgeber übermittelt würden.

10Wenn sie im Lebenslauf eine Gehaltsvorstellung angebe, ohne zu überprüfen, ob diese stimme oder mit der vom Dienstgeber angebotenen Entlohnung vereinbar sei, müsse ihr bewusst sein und habe sie daher in Kauf genommen, dass dies zum Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses führen könne. Die Überprüfung der in den Bewerbungsunterlagen gemachten Angaben sei ihr zumutbar und habe von ihr erwartet werden können.

11Der Tatbestand der Vereitelung nach § 10 AlVG sei daher erfüllt gewesen. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG - insbesondere die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsaufnahme innerhalb angemessener Frist - lägen nicht vor.

12Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag. Sie wiederholte ihr Beschwerdevorbringen und brachte ergänzend vor, dass sie ihre Bewerbungen immer in Kopie an das AMS weitergeleitet habe. Ihre Unterlagen seien ohne eine weitere Kontrolle zur Kenntnis genommen worden. Ohne eine „Klarstellung“ seitens des AMS habe die Mitbeteiligte daher ihre Tippfehler nicht korrigieren können.

13Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde statt und behob die Beschwerdevorentscheidung.

14Es stellte fest, dass der Mitbeteiligten bei der Gehaltsvorstellung im für die Bewerbung verwendeten Lebenslauf ein Tippfehler unterlaufen sei; statt wie gewollt € 3.800,-- brutto habe sie versehentlich € 5.800,-- brutto angeführt. Konkret sei folgende Formulierung in ihrem Lebenslauf enthalten gewesen: „Gehaltsvorstellung: 38,5 Stunden/Woche Brutto € 5.800,00 exklusive Pauschalierten Überstunden“. Sie wäre dazu bereit gewesen, die Stelle anzunehmen, auch wenn sie weniger als € 3.800,-- brutto pro Monat verdient hätte. Die Gehaltsvorstellung in ihrem Lebenslauf habe lediglich eine Wunschvorstellung darstellen sollen. Bei der Verwendung des den Tippfehler enthaltenden Lebenslaufs habe sie bloß die nach den Umständen notwendige und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen, indem sie den Lebenslauf vor der Übermittlung an den potenziellen Dienstgeber nicht noch einmal genau auf Tippfehler überprüft habe. Der Tippfehler sei ihr erst aufgefallen, nachdem sie die Absage vom potenziellen Dienstgeber erhalten habe. Daraufhin habe sie ihren Lebenslauf umgehend geändert.

15Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass sich der erkennende Senat im Rahmen der Beschwerdeverhandlung einen umfassenden persönlichen Eindruck von der Mitbeteiligten habe machen können. Auf Grund dieses persönlichen Eindrucks ergebe sich, dass die Mitbeteiligte die Arbeitsaufnahme keineswegs vorsätzlich vereitelt habe. Durch die schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben der Mitbeteiligten habe sich ergeben, dass diese offensichtlich bemüht gewesen sei, sich ordnungsgemäß zu bewerben, und einen Lebenslauf mit einem Gehaltswunsch von € 3.800,-- für die gegenständliche Bewerbung verwenden habe wollen. Glaubhaft habe sie dargelegt, dass sie auch bereit gewesen wäre, die Stelle zu einem niedrigeren Gehalt anzunehmen. Sie habe mehrfach glaubhaft beteuert, dass es sich bloß um ein Versehen gehandelt und sie sich beim verwendeten Lebenslauf vertippt habe. Sie habe zuletzt € 4.800,-- brutto verdient und, da ihr das AMS mitgeteilt habe, dass sie 75% des letzten Gehalts verlangen könne, im Lebenslauf € 3.800,-- anführen wollen. Da sie - wenn auch irrtümlicherweise - von 75% des letzten Gehalts ausgegangen sei, erscheine der Betrag von € 3.800,-- auch nachvollziehbar. Es sei auch nachvollziehbar, dass die Mitbeteiligte angesichts ihrer jahrelangen Arbeitserfahrung eine Gehaltsvorstellung von € 3.800,-- angeben habe wollen. Dass sie tatsächlich € 5.800,-- (einen Betrag, der weit über ihrem letzten Verdienst gelegen sei) angeben habe wollen, sei „aufgrund der glaubhaften Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft“.

16Im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs hätte der im Lebenslauf enthaltene Tippfehler aufgeklärt werden können, doch dazu sei es nie gekommen. Da der Mitbeteiligten der Tippfehler erst nach der Absage des potenziellen Dienstgebers aufgefallen sei, habe sie diesen nicht zu einem früheren Zeitpunkt aufklären können. Sie habe ihren Lebenslauf daraufhin aber - wie sie in der Beschwerdeverhandlung glaubhaft geschildert habe - umgehend ausgebessert.

17In rechtlicher Hinsicht verneinte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Mitbeteiligte ein vorsätzliches Verhalten an den Tag gelegt habe, das objektiv geeignet sei, die Arbeitsaufnahme zu vereiteln. Sie habe das Nichtzustandekommen des Arbeitsverhältnisses beim Verwenden des Lebenslaufs mit der versehentlich falschen Gehaltsvorstellung für die gegenständliche Bewerbung keineswegs in Kauf genommen, sondern sei bemüht gewesen, sich ordnungsgemäß zu bewerben. Dass ihr im für die Bewerbung verwendeten Lebenslauf ein Tippfehler passiert sei bzw. dass sie diesen einen Tippfehler enthaltenden Lebenslauf für die gegenständliche Bewerbung verwendet habe, könne im konkreten Einzelfall nicht als (bedingt) vorsätzliches Verhalten angesehen werden. Das Verhalten der Mitbeteiligten sei lediglich als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt und somit als fahrlässiges Verhalten einzustufen. Der von ihr tatsächlich gemeinte Betrag von € 3.800,-- sei in Anbetracht ihrer langjährigen Erfahrung als Bilanzbuchhalterin jedenfalls - auch vor dem Hintergrund des konkreten Stellenangebots - nicht als überzogene Gehaltsvorstellung einzustufen.

18Es entspreche auch durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Lebensläufe nicht an jede Bewerbung angepasst würden, sondern dies in der Regel nur bei den Bewerbungs-/Motivationsschreiben der Fall sei. Dass die Mitbeteiligte den Lebenslauf für die gegenständliche Bewerbung verwendet habe, ohne ihn genau auf Tippfehler zu überprüfen, sei nur als ein fahrlässiges Verhalten einzustufen.

19Da somit die Voraussetzungen für den Anspruchsverlust nach § 10 AlVG nicht erfüllt gewesen seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

20Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

21Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Amtsrevision hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

22Das AMS bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, dass das Bundesverwaltungsgericht von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, indem es eine bedingt vorsätzliche Vereitelungshandlung der Mitbeteiligten verneint habe. Bewerbungsunterlagen müssten aussagekräftig sein und dem jeweiligen Stellenangebot angepasst werden; es reiche nicht aus, allen potenziellen Dienstgeberinnen und Dienstgebern ein- und dieselben Unterlagen zu schicken. Wenn man Gehaltsforderungen schon in seinen Bewerbungsunterlagen anführe, müssten insbesondere diese Angaben überprüft und gegebenenfalls entsprechend geändert werden. Die Mitbeteiligte habe den verfahrensgegenständlichen Lebenslauf zumindest seit Juli 2021 bei Bewerbungen verschickt und diesen bis zur Einleitung des Verfahrens nach § 10 AlVG nicht mehr überprüft bzw. angepasst, obwohl sie in diesem Zeitraum mehrere Bewerbungen getätigt habe. Andernfalls hätte ihr im Zuge der Erstellung der nächsten Bewerbung sofort auffallen müssen, dass sie eine jedenfalls überhöhte Gehaltsvorstellung von € 5.800,-- angegeben habe. Vor allem auch vor dem Hintergrund der Ausbildung der Mitbeteiligten und ihrer Tätigkeit als Buchhalterin sei von ihr die Überprüfung der Angaben zu erwarten gewesen. Mit der Unterlassung einer Überprüfung habe sie in Kauf genommen, dass das Beschäftigungsverhältnis auf Grund der überhöhten Gehaltsvorstellung nicht zustande komme.

23Mit diesem Vorbringen ist das AMS im Ergebnis im Recht, sodass sich die Revision als zulässig und berechtigt erweist.

24Nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert eine arbeitslose Person, die sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen - bzw. unter näher umschriebenen Voraussetzungen acht Wochen - den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

25Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichtemacht.

26Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. zum Ganzen , mwN).

27Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon mehrfach ausgesprochen, dass es zwar zulässig ist, anlässlich eines Bewerbungsgespräches bestimmte Vorstellungen oder Wünsche bezüglich der Entlohnung zu äußern. Erfolgt aber im Hinblick darauf eine sofortige Absage des potenziellen Arbeitgebers oder führt die Bewerbung nicht sogleich zum Erfolg, weil sich etwa der Dienstgeber eine Entscheidung über die Anstellung vorbehält, so liegt es an der arbeitslosen Person, eine Klarstellung in der Richtung vorzunehmen, dass es sich bei ihren Äußerungen lediglich um eine Wunschvorstellung, nicht jedoch um eine konkrete Lohnforderung handelt und sie auch bereit wäre, zur kollektivvertraglichen Entlohnung zu arbeiten. Bei Unterlassung einer solchen Klarstellung nimmt die arbeitslose Person das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses in Kauf. Das gilt auch dann, wenn die Gehaltsvorstellung schriftlich geäußert worden ist: Wird eine Gehaltsvorstellung kundgetan, die Vereitelungsvorsatz indiziert, so muss im selben Schreiben darauf hingewiesen werden, dass es sich um eine disponible Vorstellung handelt (vgl. zum Ganzen , mwN).

28Im vorliegenden Fall hat die Mitbeteiligte in ihrem mit der Bewerbung auf eine Stelle mit einem kollektivvertraglichen Mindestentgelt von € 2.182,20 übermittelten Lebenslauf eine Gehaltsvorstellung von € 5.800,-- angegeben. Diese Gehaltsvorstellung wurde in keiner Weise relativiert, sondern durch Fettdruck des gesamten Absatzes („Gehaltsvorstellung: 38,5 Stunden/Woche Brutto € 5.800,00 exklusive Pauschalierten Überstunden“) sogar hervorgehoben. Es steht außer Frage - und wurde auch von der Mitbeteiligten nicht in Abrede gestellt -, dass eine derartige, das im Inserat genannte kollektivvertragliche Mindestentgelt um mehr als das Doppelte übersteigende Gehaltsvorstellung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber davon abzuhalten, die Bewerberin überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, sodass in der Folge kein Beschäftigungsverhältnis zustande kommt.

29Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings - den Behauptungen der Mitbeteiligten folgend - verneint, dass diese mit einem (bedingten) Vereitelungsvorsatz gehandelt habe. Bei der Gehaltsangabe sei ihr bloß ein Tippfehler unterlaufen, den sie erst im Nachhinein bemerkt habe.

30Selbst wenn die Mitbeteiligte aber keine Gehaltsvorstellung in Höhe von € 5.800,--, sondern nur in Höhe von € 3.800,-- äußern wollte, ist ihr auf Grund ihres Gesamtverhaltens bedingter Vorsatz anzulasten. Wird nämlich in den Bewerbungsunterlagen eine Gehaltsvorstellung genannt, die über das im Inserat Angebotene deutlich hinausgeht, so muss - zumal dann, wenn das Inserat (so wie hier) gar keine Aufforderung zur Angabe einer Gehaltsvorstellung enthalten hat - unter einem klargestellt werden, dass der Gehaltswunsch verhandelbar ist. Dies wurde von der Mitbeteiligten unterlassen. Stattdessen wurde, wie bereits erwähnt, die betreffende Passage durch Fettdruck eigens hervorgehoben, sodass der Eindruck entstehen musste, dass es sich dabei um einen für die Bewerberin besonders wichtigen Punkt handelte. Umso mehr wäre - gerade bei der Bewerbung auf eine Stelle als Buchhalterin - eine sorgfältige Überprüfung der genannten Zahl zu erwarten gewesen. Auch eine solche Überprüfung wurde von der Mitbeteiligten aber - wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt und die Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung selbst eingeräumt hat - unterlassen.

31Mit einem derartigen Verhalten - unaufgeforderte Nennung einer über das Angebot deutlich hinausgehenden Gehaltsvorstellung bereits in den schriftlichen Bewerbungsunterlagen, die einerseits nicht relativiert, sondern sogar hervorgehoben, und andererseits vor dem Versenden nicht genau auf Tippfehler überprüft wird - nimmt die Arbeitslose im Sinn eines bedingten Vorsatzes in Kauf, dass der potenzielle Dienstgeber die ihm zur Kenntnis gelangte Gehaltsvorstellung als überzogen erachtet und das Beschäftigungsverhältnis aus diesem Grund nicht zustande kommt.

32Da das Bundesverwaltungsgericht somit zu Unrecht den Vorsatz der Mitbeteiligten als Voraussetzung für den Anspruchsverlust nach § 10 Abs. 1 AlVG verneint hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022080071.L00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.

Fundstelle(n):
UAAAA-78694