Suchen Hilfe
VwGH vom 04.05.2023, Ra 2022/07/0218

VwGH vom 04.05.2023, Ra 2022/07/0218

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revisionen 1. der J E und 2. des H E, beide in W und beide vertreten durch Dr. Reinfried Eberl, Dr. Robert Hubner LL.M., Dr. Robert Krivanec, Dr. Günther Ramsauer, Mag. Walter Unzeitig LL.M. und Mag. Birgit Schnöll, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 44, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-1/724/1/5-2022, betreffend Aufhebung und Zurückverweisung in einer Angelegenheit des Wasserrechts (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau; mitbeteiligte Partei: F GesmbH in S, vertreten durch Mag. Hans Jörg Fuchs, Rechtsanwalt in 8970 Schladming, Vernouilletgasse 70), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Die mitbeteiligte Partei beabsichtigt im Zuge der Errichtung eines Restaurants die Schaffung von Erschließungswegen samt Zufahrtstunnel sowie eines Retentionsbeckens samt Zu- und Ableitungen.

2Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei unter anderem eine wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Retentionsbeckens samt Ableitung.

3Im Rahmen der vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung am erstattete ein dem Verfahren beigezogener wasserbautechnischer Amtssachverständiger ein Gutachten.

4Anlässlich dieser gutachterlichen Stellungnahme ergänzte die mitbeteiligte Partei die Projektunterlagen mit einer Nachreichung vom , woraufhin es mit zu einer weiteren Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen kam.

5Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde - soweit für das gegenständliche Verfahren maßgeblich - unter Spruchpunkt II. die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung von Erschließungswegen samt Zufahrtstunnel sowie eines Retentionsbeckens samt zugehörigen Zu- und Ableitungen im Bereich der Mittelstation F auf Teilflächen der Grundparzellen 202/2, 202/4, 202/5, 229/2, 648/3, 656/2 und 656/3 je KG H. unter Vorschreibung von näher dargestellten wasserbautechnischen Auflagen erteilt.

6Diesen Spruchpunkt II. des Bescheides der belangten Behörde hob das Verwaltungsgericht nach Einbringung einer Beschwerde durch die revisionswerbenden Parteien (Eigentümer unterliegender Grundstücke) mit dem angefochtenen Beschluss vom auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurück an die belangte Behörde (Spruchpunkt I.). Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

7Die Aufhebung und Zurückverweisung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die Behörde bestenfalls ansatzweise Sachverhaltsermittlungen durchgeführt habe. Es fehle an tragfähigen Sachverhaltsdarstellungen hinsichtlich des Abflussverhaltens der Einzugsflächen unter Angabe der jeweiligen Wassermengen. Auch ein Nachweis, dass für keinen Vorfluter eine Verschlechterung bzw. eine hydraulische Belastung entstehe, sei bereits im Bewilligungsverfahren zu erbringen. Ohne diese Ermittlungen sei es nicht möglich festzustellen, ob eine tatsächliche Beeinträchtigung der Revisionswerber vorliege. Die Behörde habe versucht, (versäumte) Ermittlungsschritte in das Beschwerdeverfahren zu verschieben bzw. diese in unzulässiger Weise im Überprüfungsverfahren nachzuholen.

8Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit den verba legalia.

9Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

10Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung, in der die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt wird.

11Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

12Zur Zulässigkeit bringen die revisionswerbenden Parteien ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die in näher zitierter Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG lägen gegenständlich nicht vor. Bei der dem Verwaltungsgericht vorgelegenen Sachlage hätte es ohne weitere Ermittlungen in der Sache selbst entscheiden müssen. Krasse bzw. besonders gravierende Ermittlungslücken bestünden nicht. Im Gegensatz zu den Ermittlungsschritten oder dem Ermittlungsergebnis seien vielmehr die Projektunterlagen ungeeignet bzw. unzureichend. Aber auch in jenem Fall, in dem die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden sei, bestehe die Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung in der Sache.

13Die Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig und auch berechtigt.

14Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheids streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl.  bis 0007, mwN).

15Dem Verwaltungsgericht ist zwar insoweit zuzustimmen, dass eine Verschiebung fehlender Nachweise in das Überprüfungsverfahren nicht zulässig ist, denn das Überprüfungsverfahren dient nicht dazu, das im Verfahren zur Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung (teilweise) versäumte Ermittlungsverfahren nachzuholen (vgl. ).

16Der belangten Behörde kann aber nicht vorgeworfen werden, jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, bloß ansatzweise ermittelt oder völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt zu haben.

17So führte die Behörde eine mündliche Verhandlung sowie einen Augenschein durch und zog einen wasserbautechnischen Amtssachverständigen für zwei Stellungnahmen bei. Dieser Sachverständige traf Aussagen zu einer hydraulischen Belastung eines näher genannten Vorfluters aufgrund der durch die Anlegung der Erschließungswege samt Zufahrtstunnel anfallenden Oberflächengewässer. Diesbezüglich erstattete er den Vorschlag eines Ausgleiches dieser Belastung durch Entwässerung eines Teileinzugsgebiets des betroffenen Vorfluters in das neue Retentionsbecken. Auch hinsichtlich der Reinigung der Verkehrsflächenwässer schlug er vor, diese separat zu sammeln, mechanisch vorzusäubern und sodann vor der Einleitung in die Retention über einen Mineralölabscheider zu reinigen. Einzelne Angaben hinsichtlich des Projektes seien aber offen. So sei nicht klar, welche Einzugsflächen direkt abflössen und welche in die Retentionsanlage entwässerten bzw. wie hoch die jeweilige Wassermenge sei. Nichtsdestotrotz kam der Sachverständige zu dem Schluss, dass bei Adaptierung des Projektes mit einer Beeinträchtigung fremder Rechte oder der Belastung eines der betroffenen Vorfluter nicht zu rechnen sei.

18Diese Ermittlungsergebnisse legte die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung dergestalt zugrunde, als sie davon ausging, dass bei Vorschreibung und Einhaltung der vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen vorgeschlagenen Auflagen keine nachteiligen Auswirkungen auf bestehende Rechte zu erwarten seien.

19Das Verwaltungsgericht begründete nicht, warum es die von ihm notwendig erachteten ergänzenden Ermittlungen (vgl. Rn. 7) nicht selbst im Interesse der Raschheit oder einer erheblichen Kostenersparnis vornehmen hätte können (vgl. zu dieser Begründungspflicht etwa bis 0017, mwN).

20Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, wenn (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen sind, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist (vgl. , mwN). Auch eine erforderliche Ergänzung eines Gutachtens bzw. Befragung von Sachverständigen oder überhaupt die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Gutachtens rechtfertigen im Allgemeinen nicht die Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (vgl. , mwN).

21Dass die Klärung der vom Verwaltungsgericht als offen angesehenen Fragen vor dem Hintergrund der Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde besonders schwierige umfangreiche Ermittlungen erfordere und diese den eigenen Ermittlungshorizont des Verwaltungsgerichts überstiegen, ist vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nicht zu sehen.

22Entgegen des kursorischen Begründungselements des Verwaltungsgerichts gibt es vor dem Hintergrund des Inhaltes des Behördenaktes auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die belangte Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen würden bzw. versucht habe, diese in das Beschwerdeverfahren zu verschieben.

23Im Ergebnis war der angefochtene Beschluss daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

24Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

25Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070218.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.

Fundstelle(n):
AAAAA-78692