VwGH vom 06.07.2023, Ra 2022/07/0187
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision der F GmbH in R, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-966/004-2019, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha; mitbeteiligte Partei: G P in B, vertreten durch die PHH Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Julius-Raab-Platz 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1Mit Eingabe vom beantragte der Mitbeteiligte bei der belangten Behörde die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für die Wasserentnahme aus dem L.-Werkskanal zur Bewässerung eines näher genannten Grundstückes im Gesamtausmaß von 6,57 ha.
2Die revisionswerbende Partei ist Wasserberechtigte zum Betrieb einer kanalabwärts gelegenen Wasserkraftanlage.
3Der L.-Werkskanal ist ein künstliches Gewässer, das an dem K.-Wehr bei Seibersberg aus der L. ausgeleitet wird.
4Für den weiteren Verfahrensgang wird auf die hg. Entscheidungen vom , 2009/07/0099, , Ra 2015/07/0001, und , Ra 2019/07/0118, verwiesen.
5Zuletzt wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen den - nach einer Zurückverweisung an die belangte Behörde ergangenen - bewilligenden Bescheid vom mit Erkenntnis vom als unbegründet ab und erklärte eine Revision für nicht zulässig.
6Dieses Erkenntnis wurde in der Folge einer Erhebung einer außerordentlichen Revision vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2019/07/0118, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
7Im fortgesetzten Verfahren führte das Verwaltungsgericht Erhebungen betreffend vorhandener anderer Wasserbenutzungen im L.-Werkskanal durch. Konkret ersuchte das Verwaltungsgericht zunächst die belangte Behörde um Erhebung aller Wasserbenutzungsrechte am L.-Werkskanal, die sich örtlich oberhalb der Wasserkraftanlage der revisionswerbenden Partei befänden und zeitlich nach deren Bewilligung am verliehen worden seien. In Entsprechung dieses Ersuchens legte die belangte Behörde aus dem Wasserbuch entsprechende Wasserbenutzungsrechte am L.-Werkskanal vor.
8In der Folge wurde das Gutachten der Amtssachverständigen für Hydrologie der Oberflächengewässer vom eingeholt. Darin finden die von der belangten Behörde genannten Wasserrechte Berücksichtigung.
9Im Rahmen des zu diesem Gutachten eingeräumten Parteiengehörs machte die revisionswerbende Partei in ihrer Stellungnahme vom geltend, dass nicht nur jene Wasserrechte im Bezirk der belangten Behörde, sondern auch jene aus anderen Verwaltungsbezirken, über die sich der L.-Werkskanal erstrecke, zu berücksichtigen seien. Überdies seien neben jenen Berechtigungen am L.-Werkskanal auch jene ab dem Ursprung der L., somit sämtliche Berechtigungen im gesamten (oberhalb der Kraftwerksanlage) liegenden Flussverlauf des L.-Werkskanal und der L., heranzuziehen.
10Auf entsprechendes Ersuchen des Verwaltungsgerichts gaben die Bezirkshauptmannschaften Baden und Neusiedl am See bekannt, dass es keine Wasserbenutzungsrechte am L.-Werkskanal gäbe, die nach dem bewilligt worden wären.
11In einer weiteren Stellungnahme vom brachte die revisionswerbende Partei vor, dass darüber hinaus auch Grundwasserentnahmen, die aus bewilligten Wasserrechten resultierten, zu beachten seien. In diesem Zusammenhang stellte die revisionswerbende Partei einen Antrag auf ergänzende Erhebung bei den Bezirkshauptmannschaften Baden, Neusiedl am See und der belangten Behörde der nach dem bewilligten Grundwasserentnahmen, die sich im hydrologischen Einzugsbereich des L.-Werkskanals befänden. Der Einzugsbereich sei allenfalls durch eine vorangehende Sachverständigenbeurteilung einzugrenzen. Nach zusätzlicher Erhebung der entsprechenden Grundwasserentnahmen werde eine nochmalige Berechnung der nachteiligen Beeinträchtigung des Wasserbenutzungsrecht der revisionswerbenden Partei durch die Amtssachverständige für Hydrologie der Oberflächengewässer beantragt.
12Mit dem gegenständlich in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Partei erneut als unbegründet ab und legte die Bauvollendungsfrist neu bis fest. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
13Das Verwaltungsgericht traf Feststellungen zu Art und Umfang des verfahrensgegenständlichen Vorhabens sowie zu nach dem bewilligten Wasserrechten am L.-Werkskanal oberhalb der Wasserkraftanlage der revisionswerbenden Partei.
14Im Zuge seiner Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht - soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren wesentlich - aus, dass im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2019/07/0118, nicht gefordert werde, dass alle Wasserentnahmerechte am L.-Fluss, beginnend bei dessen Ursprung, zu berücksichtigen wären. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Hinblick auf den Summationseffekt nur die Berücksichtigung der Auswirkungen anderer, oberhalb der Wasserkraftanlage der revisionswerbenden Partei gelegener Wasserbenutzungen im L.-Werkskanal angesprochen. Gegen eine Berücksichtigung sämtlicher Wasserentnahmen oberhalb des K.-Wehrs und sohin oberhalb des Beginns des Werkskanals spreche weiters, dass sich die Wasserkraftanlage am Werkskanal befinde und lediglich das in der L. noch vorhandene Wasser für den Werkskanal zur Dotierung herangezogen werden könne. Es bestehe kein Recht darauf, dass eine bewilligte Wasserentnahmemenge bei fehlender Verfügbarkeit aus anderen Wasserrechten befriedigt werden müsse. Die von der revisionswerbenden Partei exemplarisch angeführten Grundwasserentnahmerechte beträfen nicht den Werkskanal, sondern ein anderes, parallel verlaufendes Gewässer, die „neue L.“. Dem Vorbringen, auch Grundwasserentnahmen würden zu einer sukzessiven Senkung der dotierten Wassermenge im Werkskanal führen, stehe der Umstand entgegen, dass es sich beim Werkskanal um ein künstliches Gerinne handle. Der Forderung der revisionswerbenden Partei, sämtliche Wasserrechte bei der Beurteilung des Summationseffektes zu berücksichtigen, sei mit dem im fortgesetzten Beschwerdeverfahren vorgenommenen Ermittlungsschritten entsprochen worden.
15Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
16Der Mitbeteiligte erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eine Revisionsbeantwortung, in der er die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
17Die belangte Behörde verzichtete ausdrücklich auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.
18Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19Zur Zulässigkeit der Revision macht die revisionswerbende Partei geltend, das Verwaltungsgericht habe - entgegen dem gleichgelagerten Vorbringen in der Stellungnahme vom - insbesondere die Wasserentnahmerechte aus dem Grundwasser nicht berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht habe trotz gleichlautenden Antrages keine Erhebungen durchgeführt, welche Wasserentnahmerechte am Grundwasser bestünden, und keine Ergänzung des Amtssachverständigengutachtens dahingehend eingeholt, inwieweit sich die bestehenden Wasserrechte gemeinsam mit dem zu bewilligendem Recht auf das Recht der revisionswerbenden Partei auswirkten. Überdies seien neben jenen Wasserrechten am L.-Werkskanal jedenfalls auch jene Wasserrechte ab dem Ursprung der L., aus der der Werkskanal ausgeleitet werde, heranzuziehen, wenn nicht auch jene der S. und der P., welche wiederum die L. speisten. Deshalb sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Summationseffekt abgewichen.
20Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.
21Bereits im den gegenständlichen Antrag des Mitbeteiligten betreffenden Erkenntnis vom , Ra 2019/07/0118, sprach der Verwaltungsgerichtshof Bezug nehmend auf den Summationseffekt aus, dass nach § 13 Abs. 1 WRG 1959 einem Bewerber um eine wasserrechtliche Bewilligung nicht das gesamte, am Ort seiner beabsichtigten Nutzung vorhandene Wasser ohne Berücksichtigung anderer bereits bestehender Nutzungen zugesprochen werden darf. Vielmehr verringern die für die Nutzung eines Wasservorkommens bereits erteilten wasserrechtlichen Bewilligungen die für den jeweiligen Bewerber rechtlich zur Verfügung stehende Wassermenge (abgesehen von der Möglichkeit der Einräumung von Zwangsrechten) insoweit, als sein Vorhaben - im Hinblick auf bereits bestehende zulässige Nutzungen mit gleichartigen Auswirkungen - bestehende anderweitige zulässige Nutzungen schmälern würde.
22Demgemäß kann bei Bestehen einer Mehrzahl hinsichtlich ihrer Auswirkungen gleichartiger, bereits wasserrechtlich bewilligter bzw. rechtmäßig bestehender Nutzungen eines Gewässers das Maß einer angestrebten ebensolchen Nutzung jedenfalls dann nicht ohne Bedachtnahme auf die durch diese Wasserrechte zulässige Minderung des Wasserdargebotes - auch wenn die Auswirkungen jeder einzelnen dieser Nutzungen unterhalb der Messgenauigkeit liegen - festgesetzt werden, wenn die Summe dieser Auswirkungen auf die Rechte anderer Wasserberechtigter auf Grund fachlich fundierter Berechnungen - im Fall von deren Unmöglichkeit auf Grund fachlich fundierter Schätzungen - ein die übliche Messgenauigkeit hydrologischer Daten erreichendes Ausmaß annimmt. Hierbei können nur die von solchen Entnahmeberechtigungen ausgehenden Auswirkungen in Betracht kommen, die nach Erteilung der beeinträchtigten Nutzungen - im Fall der revisionswerbenden Partei: Wasserkraftnutzung - verliehen wurden (vgl. zum Ganzen , sowie die Judikaturnachweise bei Bumberger/Hinterwirth, WRG - Wasserrechtsgesetz3 [2020] § 12 E39 ff).
23Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung führte der Verwaltungsgerichtshof weiter aus, dass sich das Verwaltungsgericht mit dem Vorbringen, wonach - neben den Auswirkungen des zu bewilligenden Vorhabens - auch eine Beurteilung der Auswirkungen anderer Wasserbenutzungen auf den der revisionswerbenden Partei zustehenden wasserrechtlichen Konsens geboten sei, auseinandersetzen hätte müssen. So hätte es nicht nur die Auswirkungen des vom Mitbeteiligten beantragten Vorhabens, sondern auch die Summe der damit vergleichbaren Auswirkungen anderer- offenbar oberhalb der Wasserkraftanlage der revisionswerbenden Partei gelegener - Wasserbenutzungen im L.-Werkskanal auf den der revisionswerbenden Partei zustehenden Konsens ermitteln müssen. Dabei hätte es nur jene Wasserbenutzungen, die zeitlich nach der Bewilligung der Wasserkraftanlage der revisionswerbenden Partei verliehen wurden, zu berücksichtigen gehabt (vgl. , Rn. 40).
24Im genannten Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hin (Rn. 32), dass dann, wenn aufgrund eines Summationseffekts durch andere Wasserberechtigte gerade noch keine Beeinträchtigung fremder Rechte vorliegt und diese Beeinträchtigung erst durch die Anlage des Bewilligungswerbers ausgelöst wird, dies der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung selbst dann entgegen steht, wenn von der Anlage des Bewilligungswerbers für sich alleine keine Beeinträchtigung fremder Rechte ausgeht. Dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn aufgrund des Summationseffekts durch andere Wasserberechtigte auch ohne die Anlage des Bewilligungswerbers bereits eine Beeinträchtigung fremder Rechte gegeben ist, somit von der Anlage des Bewilligungswerbers „für sich allein genommen“ keine Beeinträchtigung ausginge (vgl. dazu auch ; , 2001/07/0061).
25Rechtliche Folgerungen aus einem Gutachten, wonach eine Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts gemäß § 12 Abs. 2 WRG 1959 nicht vorliege, setzen aber zum einen Feststellungen über Inhalt und Ausmaß dieses Rechtes und zum anderen ein auf sachverständiger Ebene erfolgtes Eingehen auf dieses Recht und dessen allfällige Beeinträchtigung voraus (vgl. , mwN).
26Entscheidend für den Verfahrensausgang ist die Frage der Beeinträchtigung des der revisionswerbenden Partei erteilten Wasserbenutzungsrechtes. Im angefochtenen Erkenntnis fehlen aber konkrete Feststellungen über den Inhalt dieses Rechtes (weder der Bewilligungsbescheid vom noch der fallweise in diesem Zusammenhang in den Gutachten auch zitierte Bescheid vom erliegen in den vorgelegten Verwaltungsakten). Nach dem Befund der eingeholten Gutachten der Amtssachverständigen für Oberflächenhydrologie und den unwidersprochenen Behauptungen der revisionswerbenden Partei verfügt diese über ein Wasserbenutzungsrecht für eine Kraftwerksanlage am L.-Werkskanal mit einer Ausbauwassermenge von 10,6 m3/s. Demgemäß käme ihr daher ein Recht auf Entnahme von Wasser aus dem Kanal im Ausmaß von 10,6 m3/s zu.
27Entsprechend den obgenannten Grundsätzen wäre aber auch dann keine Bewilligung für eine weitere Wasserentnahme zu erteilen, wenn aufgrund des Summationseffekts durch andere Wasserberechtigte auch ohne die Anlage des Bewilligungswerbers bereits eine Beeinträchtigung fremder Rechte gegeben wäre. Dies gilt aber nicht nur für Situationen, in denen eine Beeinträchtigung bereits aufgrund des Summationseffekts durch andere Wasserberechtigte gegeben ist, sondern auch für Situationen, in denen aus anderen Gründen (etwa wegen zu geringer Wasserführung) bereits eine Beeinträchtigung des fremden Rechtes vorliegt. Wenn das der revisionswerbenden Partei eingeräumte Recht - aus welchen Gründen auch immer - nicht (mehr) befriedigt werden kann, es also beeinträchtigt wird, kann eine weitere Bewilligung (hier: zur Wasserentnahme) nicht erteilt werden, selbst wenn diese für sich genommen keine messbaren Auswirkungen hätte.
28Nun stellte die Amtssachverständige für Oberflächenhydrologie in ihrem Gutachten vom dar, dass die maximale Durchflussmenge im L.-Werkskanal mit etwa 9 m3/s angenommen werde. Die Schwankungsbreite des Durchflusses liege zwischen 0,5 m3/s und 9 m3/s. In ihrem Gutachten vom stellte sie fest, dass die Ausbauwassermenge im Werkskanal 10,6 m3/s betrage, diese aber an 280 Tagen pro Jahr unterschritten werde. Der Kanal könne daher einen Großteil des Jahres weniger als 10,6 m3/s Wasser führen. An diesen Tagen betrage der mittlere Durchfluss 6,7 m3 /s. Der Ausbaudurchfluss könne daher theoretisch aufgrund des natürlichen Dargebotes durchschnittlich nur an etwa 120 Tagen/Jahr erreicht werden.
29Dazu kommt, dass die der mitbeteiligten Partei erteilte Bewilligung insofern auf den faktischen Durchfluss im Kanal abstellt, als eine Entnahme für die Beregnung nur bei einer Wasserführung von mehr als 4 m3/s erlaubt sein soll; damit wurde auf die typische Niedrigwassersituation im Kanal reagiert.
30Angesichts dieser Angaben scheint es nun naheliegend, dass das Wasserbenutzungsrecht der revisionswerbenden Partei auch ohne die Anlage der mitbeteiligten Partei beeinträchtigt wird, steht ihr doch offenbar das Recht auf Entnahme von 10,6 m3/s, somit der gesamten Ausbauwassermenge des L.-Werkskanals, zu, die - angesichts der Schwankungsbreite im Durchschnitt gesehen - offenbar nicht erreicht wird. Eine Bewilligung der Anlage der mitbeteiligten Partei käme daher - unabhängig von einer von der Anlage der mitbeteiligten Partei ausgehenden Beeinträchtigung - nicht in Frage.
31Wenn das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen nun meint, dass das in diese Richtung gehende Vorbringen der revisionswerbenden Partei keine taugliche Einwendung im Rechtssinn wäre, weil damit keine Beeinträchtigung des Rechts des Betriebs der Wasserkraftanlage durch die Verwirklichung des mit dem angefochtenen (Hervorhebung im Original) Bescheid bewilligten zukünftigen Projektes geltend gemacht wird, setzt es sich in Gegensatz zu dem oben wieder gegebenen Grundsatz, dass eine Bewilligung für eine weitere Wasserentnahme auch dann nicht erteilt werden kann, wenn bereits der bestehende Zustand das Recht des Betriebs der Wasserkraftanlage beeinträchtigt.
32Auch mit seiner Rechtsansicht, wonach kein Recht darauf bestehe, dass eine bewilligte Entnahmemenge bei fehlender Verfügbarkeit der Ressource Wasser „aus anderen Wasserrechten“ befriedigt werden müsse, verkennt das Verwaltungsgericht erneut die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Summationseffekt. So geht es nicht darum, „eine bewilligte Entnahmemenge aus anderen Wasserrechten zu befriedigen“. Vielmehr ist nachvollziehbar zu ermitteln, ob die Summe der im Sinne der dargestellten hg. Judikatur relevanten Wassernutzungen im Hinblick auf den wasserrechtlichen Konsens der revisionswerbenden Partei eine Bewilligung der geplanten Wasserbenutzung des Mitbeteiligten noch möglich erscheinen lässt. Es handelt sich dabei um eine Art Rechenmodell, dessen Grundlage das Wasserbenutzungsrecht der revisionswerbenden Partei darstellt, das ungeachtet der faktisch zur Verfügung stehenden Wassermenge besteht und das (sollten Zwangsrechte nicht eingeräumt werden können) nicht beeinträchtigt werden darf.
33Mangels Feststellung dieses konkreten Rechts der revisionswerbenden Partei im angefochtenen Erkenntnis und der bestehenden Unklarheit darüber, auf welchen Bescheid sich dieses Recht gründet (die Rede ist von einem Bescheid vom , fallweise aber auch von einem Bescheid vom ), kann aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die derzeitig gegebene Situation (ohne die Anlage der mitbeteiligten Partei) gerade noch keine Rechte der revisionswerbenden Partei verletzt und es daher auf den Summationseffekt ankommt.
34Nur für diesen Fall wäre angesichts des Vorbringens der revisionswerbenden Partei im fortgesetzten Verfahren bei der Berechnung des Summationseffektes Folgendes zu beachten:
35Insoweit das Verwaltungsgericht und der Mitbeteiligte in seiner Revisionsbeantwortung argumentieren, dass sich aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2019/07/0118, ergebe, dass lediglich Wasserentnahmen am L.-Werkskanal im Rahmen des Summationseffektes zu berücksichtigen seien und durch das eben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes der Rahmen für die Prüfung des Summationseffektes in einer örtlichen Dimension festgelegt worden sei, ist auf die hg. Rechtsprechung hinzuweisen, wonach im einer Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof nachfolgenden Rechtsgang nach § 63 Abs. 1 VwGG eine Bindung an die im Vorerkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung, nicht aber hinsichtlich des Sachverhaltes besteht (vgl. , mwN). So ist es nach Aufhebung eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts durch den Verwaltungsgerichtshof den Parteien im fortgesetzten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht verwehrt, zum Sachverhalt neues Vorbringen zu erstatten, weitere Stellungnahmen abzugeben und auch neue Beweisanträge zu stellen (vgl. , oder , 2012/07/0276, und , Ra 2019/13/0088).
36Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung konnte sich das Verwaltungsgericht hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der revisionswerbenden Partei in ihren Stellungnahmen vom und zur Berücksichtigung zusätzlicher (Grund-)Wasserentnahmen an den mit dem Werkskanal in Zusammenhang stehenden Gewässern nicht darauf zurückziehen, dass hinsichtlich des Sachverhalts von einer Bindung an die Begründung des Erkenntnisses vom , Ra 2019/07/0118, auszugehen sei.
37Die revisionswerbende Partei verwies darin auf die Möglichkeit, dass nahe gelegene Grundwasserentnahmen (zu Beregnungszwecken) eine Auswirkung auf die Dotierung des L.-Werkskanals haben. Sie nannte in diesem Zusammenhang „exemplarisch“, also beispielsweise, zwei näher genannte Entnahmen. Selbst wenn diese wegen der Nähe zur „neuen L.“ keinen Einfluss auf das Wasserdargebot des L.-Werkskanals haben sollten, wie das Verwaltungsgericht - allerdings ohne sachverständige Prüfung - festhält, stellt dies noch keine abschließende fachliche Beurteilung zum Thema „Einfluss von Grundwasserentnahmen auf die Dotierung des L.-Werkskanals im in Frage kommenden hydrologischen Einzugsbereich“ dar; vielmehr wären hier amtswegige Ermittlungen und eine entsprechende sachverständige Beurteilung notwendig gewesen. Grundsätzlich können nämlich auch Entnahmen des Grundwassers im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung als hinsichtlich ihrer Auswirkungen gleichartige, bereits wasserrechtlich bewilligte bzw. rechtmäßig bestehende Nutzungen eines Gewässers qualifiziert werden (vgl. zur möglichen Beeinträchtigung der Wasserkraftnutzungen eines Flusses durch Grundwasserentnahmen zu Beregnungszwecken etwa , oder , 86/07/0004).
38Wenn das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang schließlich vermeint, fallgegenständlich stehe der Berücksichtigung von Grundwasserentnahmen der Umstand entgegen, dass es sich beim Werkskanal um ein künstliches Gerinne handle, dann ist diese Schlussfolgerung, welche eine Auswirkung von Grundwasserentnahmen auf ein - wenngleich künstliches - Gewässer kategorisch ausschließt, für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, denn diese Begründung entbehrt jeglicher - jedoch notwendigen - sachverständigen Beurteilung.
39Eine solche Beurteilung fehlt auch im Zusammenhang mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei in Bezug auf den Einfluss, den Nutzungen oberhalb der Wehranlage auf die Dotierung des Kanals haben können. Auf die Ausführungen unter Rn. 32 wird verwiesen.
40Da es das Verwaltungsgericht infolge einer unzutreffenden Rechtsansicht unterlassen hat, für das Verfahren notwendige Feststellungen zu treffen und erforderliche Ermittlungsschritte zu setzen, liegt ein sekundärer Verfahrensmangel vor, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen vorrangig aufzugreifender Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Auf das übrige Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision war daher nicht näher einzugehen.
41Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren auf gesonderten Zuspruch von Umsatzsteuer hat in der genannten Verordnung keine Deckung und war daher abzuweisen (vgl. , mwN).
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070187.L00 |
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