VwGH 08.03.2023, Ra 2022/03/0103
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | ProstG Wr 2011 §17 Abs2 litc |
RS 1 | § 17 Abs. 2 lit. c Wr ProstG 2011 stellt eine Blankettstrafnorm dar, womit der gesetzestechnische Vorgang der äußeren Trennung von Tatbild und Strafdrohung bezeichnet wird. |
Normen | |
RS 2 | Zwar sind auch Blankettstrafnormen zulässig; in einem solchen Fall muss aber der Tatbestand durch das Gesetz selbst mit genügender Klarheit als Verbotsnorm und damit als strafbarer Tatbestand gekennzeichnet sein, und zwar so, dass jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag. Eine Verpflichtung zu einem bestimmten Handeln oder zur Unterlassung einer bestimmten Tätigkeit muss in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ablesbar sein (Hinweis E des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 12.947 mwN; vgl. ferner das E des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 17.349; siehe auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/03/0066, vom , Zl. 99/03/0144, und vom , Zl. 2002/07/0140, jeweils mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2009/06/0189 E RS 6 |
Normen | ProstG Wr 2011 §17 Abs2 litc ProstG Wr 2011 §6 Abs1 litd ProstG Wr 2011 §6 Abs3 Prostituierten-SchutzV Wr 2011 SicherheitsvorkehrungenV Wr 2013 |
RS 3 | Die Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 1 lit. d iVm. Abs. 3 Wr ProstG 2011 enthält die gesetzliche Grundlage für zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände, und zwar zum einen für Sicherheitsvorkehrungen betreffend Prostitutionslokale - auf dieser Grundlage wurde die Wr SicherheitsvorkehrungenV 2013 erlassen - und zum anderen für Sicherheitsvorkehrungen betreffend den Schutz der Prostituierten - auf dieser Grundlage wurde die Wr Prostituierten-SchutzV 2011 erlassen. Vor diesem Hintergrund ist die Blankettstrafnorm des § 17 Abs. 2 lit. c Wr ProstG 2011 zu verstehen. Sie verweist für die Umschreibung des Tatbildes auf die "Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume". Darunter kann angesichts des zweigeteilten Regelungsgehaltes der Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 1 lit. d iVm. Abs. 3 Wr ProstG 2011 und der beiden auf dieser Grundlage ergangenen Verordnungen schon nach dem Wortlaut von Strafdrohung und Verordnungstiteln nicht die Wr Prostituierten-SchutzV 2011 gemeint sein. Vielmehr bezog sich die Strafdrohung des § 17 Abs. 2 lit. c Wr ProstG 2011 auf die bis in Kraft stehende Wr SicherheitsvorkehrungenV 1984 und erfasst seither die Wr SicherheitsvorkehrungenV 2013, welche die Vorgängerregelung ablöste. Übertretungen der Wr Prostituierten-SchutzV 2011 sind demnach nicht von der Strafdrohung des § 17 Abs. 2 lit. c Wr ProstG 2011 erfasst. |
Normen | ProstG Wr 2011 §6 Abs1 litd ProstG Wr 2011 §6 Abs3 Prostituierten-SchutzV Wr 2011 |
RS 4 | Zu den Vorgaben des § 6 Wr ProstG 2011 zählen gemäß Abs. 1 lit. d iVm. Abs. 3 leg. cit. die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten, wie sie in der Wr Prostituierten-SchutzV 2011 geregelt sind. |
Normen | VStG §31 VStG §32 Abs2 VStG §44a Z1 VStG §44a Z2 VStG §44a Z3 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §27 VwGVG 2014 §38 VwGVG 2014 §50 |
RS 5 | "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung. Ein Austausch der Tat durch das VwG durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes kommt nicht in Betracht (vgl. , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/05/0019 E RS 2 |
Normen | VStG §31 Abs1 VStG §32 Abs2 |
RS 6 | Eine zunächst unrichtige rechtliche Qualifikation eines Tatvorwurfs durch die Erstbehörde führt nicht dazu, dass eine Verfolgungshandlung unzureichend wäre. Eine Verfolgungshandlung hat sich auf alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente zu beziehen, hingegen ist nicht erforderlich, dem Beschuldigten die Subsumtion der ihm angelasteten Übertretung zur Kenntnis zu bringen; die rechtliche Qualifikation der angelasteten Verwaltungsübertretung ist für die Verfolgungsverjährung bedeutungslos (vgl die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze II2, unter E 107 ff zu § 32 VStG zitierte Judikatur). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2009/03/0024 E RS 1 (hier: ohne den ersten Satz) |
Normen | ProstG Wr 2011 §17 Abs1 litb ProstG Wr 2011 §2 Abs6 Prostituierten-SchutzV Wr 2011 VStG §44a Z1 VStG §44a Z2 VStG §44a Z3 |
RS 7 | Dem Beschuldigten wurde im Straferkenntnis zur Last gelegt, an einem näher bestimmten Ort zu einer näher bestimmten Zeit als Verantwortlicher iSd. § 2 Abs. 6 Wr ProstG 2011 ein Prostitutionslokal vorschriftswidrig - nämlich unter näher dargestellten Verstößen gegen konkrete Bestimmungen der Wr Prostituierten-SchutzV 2011 - betrieben zu haben. Dieser Tatvorwurf enthält sämtliche Sachverhaltselemente, welche einer Bestrafung nach § 17 Abs. 1 lit. b Wr ProstG 2011 zu Grunde liegen, weil der Beschuldigte als Verantwortlicher iSd. § 2 Abs. 6 Wr ProstG 2011 - im vorliegenden Fall als Betreiber des Prostitutionslokales - die Einstellung der Prostitutionsausübung unterlassen hat, obwohl die Prostitution in einem vorschriftswidrigen Gebäude - nämlich unter den genannten Verstößen gegen die Wr Prostituierten-SchutzV 2011 - ausgeübt wurde. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Nedwed, Mag. Samm, Dr. Faber und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-001/016/300/2022-2, betreffend Übertretung des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 (mitbeteiligte Partei: S N in W, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schwindgasse 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrigen Revisionswerberin vom wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe am an einer näher bestimmten Adresse in W als Verantwortlicher ein Prostitutionslokal unter Nichteinhaltung der „Verordnung über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten (Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 2021/46)“ (gemeint wohl: Nr. 45/2011 in der Fassung Nr. 16/2021) betrieben, indem das Lokal sowie die darin befindlichen sanitären Anlagen in einem nicht einwandfreien Zustand vorgefunden worden seien. Gemäß § 3 der Verordnung müsse in Lokalen bis 50 m2 mindestens eine benutzbare Dusche mit Warmwasser verfügbar sein. Gemäß § 4 der Verordnung müsse das Prostitutionslokal sauber und instandgehalten sein; die Sanitärbereiche müssten frei von Schimmelbildung sein. Im gesamten Lokal seien Beschädigungen und Verschmutzungen im großen Ausmaß an Böden, Wänden, Einrichtungsgegenständen sowie Sanitäranlagen festgestellt worden. In den Duschen sei es bereits zu Schimmelbildungen gekommen. In einigen Verrichtungszimmern sei die Beleuchtung nicht funktionstüchtig gewesen. Dadurch habe der Mitbeteiligte gegen „§ 6 Wiener Prostitutionsgesetz 2011, Betreiben eines Prostitutionslokals unter Nichteinhaltung der Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen“ verstoßen, weswegen über ihn gemäß § 17 Abs. 2 lit. c Wiener Prostitutionsgesetz 2011 - WPG 2011, LGBl. Nr. 24, eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben werde.
2 1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass der Mitbeteiligte keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, unter der Annahme, dass die Strafbestimmung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 auf den Inhalt einer Verordnung auf Grund des § 6 Abs. 3 WPG 2011 verweise, liege eine Verweisung auf einen Rechtsakt einer anderen Normsetzungsautorität vor. Dies sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dann verfassungswidrig, wenn es sich um eine dynamische Verweisung handle (Hinweis auf VfSlg. 12.947/1991). Eine Verweisung auf die im Spruch des Straferkenntnisses wohl zitierte „Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 16/2021“, und deren § 4 betreffend Hygienevorkehrungen scheide „allein auf Grund verfassungsrechtlicher Kautelen“ aus. Im Übrigen befänden sich in dieser Verordnung keine Vorgaben zur Beleuchtung eines Prostitutionslokals.
4 Verfassungsrechtlich zulässig sei hingegen eine statische Verweisung, wenn in der verweisenden Norm das Verweisungsobjekt ausreichend bestimmt festgelegt und die verwiesene Norm in einem den österreichischen Gesetzblättern vergleichbaren Publikationsorgan kundgemacht und auf die Fundstelle verwiesen werde (Hinweis auf VfSlg. 20.171/2017).
5 Vor diesem Hintergrund sei das Verweisungsobjekt in § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 weder hinreichend bestimmt (weil es eine „Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume“ nicht gebe) noch werde auf dessen Fundstelle (etwa durch Angabe der entsprechenden Nummer des Amtsblattes der Stadt Wien) hingewiesen. Diese Umstände müssten umso gravierender wirken, als es sich hier um einen Straftatbestand handle.
6 Überdies sei das Wiener Prostitutionsgesetz 2011 am kundgemacht worden und gemäß seinem § 20 Abs. 1 am in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt sei noch keine auf Grund des § 6 Abs. 3 WPG 2011 erlassene Verordnung in Kraft gestanden, auf welche (verfassungskonform) hätte statisch verwiesen werden können, zumal die „Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 45/2011“, erst am kundgemacht worden sei. Auch enthalte diese Verordnung keine Vorschriften, unter welche sich der Tatvorwurf des konkreten Falles „(i.e. Beschädigungen, Verschmutzungen und mangelnde Beleuchtung)“ subsumieren ließe.
7 Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Wiener Prostitutionsgesetz 2011 sei - soweit ersichtlich - einzig die „Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude beziehungsweise Gebäudeteile erlassen werden, ABl. der Stadt Wien Nr. 37/1984“, welche am in Kraft und am außer Kraft getreten sei, in Geltung gestanden. Diese Verordnung sei jedoch nicht auf Grund des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011, sondern des Wiener Prostitutionsgesetzes, LGBl. Nr. 7/1984, erlassen worden. Überdies habe diese Verordnung keine Vorschriften zur Hintanhaltung von Beschädigungen bzw. Verschmutzungen von Prostitutionslokalen enthalten; die Vorgaben dieser Verordnung betreffend Beleuchtung beschränkten sich auf Verbindungswege, nicht hingegen auf „Verrichtungszimmer“.
8 Im Ergebnis sei demnach auf Grund von verfassungsrechtlichen Überlegungen keine Verordnung ersichtlich, auf welche in § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 verfassungskonform verwiesen werde und welche Bestimmungen enthalte, nach denen die im konkreten Fall angelasteten Missstände zu ahnden wären. Die Bestrafung des Mitbeteiligten sei daher zu Unrecht erfolgt.
9 1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der belangten Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren durchgeführt, in welchem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete.
10 Der Verwaltungsgerichtshof gab der belangten Behörde, der Wiener Landesregierung und dem Mitbeteiligten iSd. § 41 Satz 2 VwGG die Möglichkeit, sich zur Strafbarkeit der dem Mitbeteiligten angelasteten Taten nach § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011 zu äußern, wozu die belangte Behörde und die Wiener Landesregierung Stellungnahmen erstatteten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 2. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 enthalte eine Blankettstrafnorm, was verfassungsrechtlich zulässig sei, und knüpfe tatbestandlich an die Verordnung Abl. der Stadt Wien Nr. 45/2011 an, welche auf Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 3 WPG 2011 erlassen worden sei.
12 Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der im Zulässigkeitsvorbringen angesprochenen Frage fehlt, welches die verletzten Verwaltungsvorschriften sind, die durch § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 zur Verwaltungsübertretung erklärt werden.
13 3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 - WPG 2011, LGBl. Nr. 24 in der Fassung LGBl. Nr. 71/2018, lauten (auszugsweise):
„Begriffsbestimmungen
§ 2. ...
(5) Prostitutionslokale sind zur Anbahnung oder Ausübung der Prostitution bestimmte oder verwendete Gebäude, Gebäudeteile oder andere geschlossene Räume. Die Regeln für Prostitutionslokale gelten bis zum Beweis des Gegenteils auch für Gebäude oder Gebäudeteile, von denen mit Grund vermutet werden kann, dass sie der Anbahnung oder der Ausübung der Prostitution dienen sollen. Insbesondere wird dies auf Grund der äußeren Gestaltung der Räume (wie zB Lichtreklame, bildliche Darstellungen, Bezeichnungen und Schriftzüge) oder weil sich darin eine oder mehrere Personen aufhalten, die ein Verhalten gemäß Abs. 2 setzen oder ein der Prostitutionsausübung zuordenbares äußeres Erscheinungsbild (Bekleidung) aufweisen, zu vermuten sein.
(6) Als Verantwortliche für Prostitutionslokale gelten alle Personen, die ein Prostitutionslokal betreiben oder in deren Eigentum (Miteigentum) oder faktischer Verfügung die für die Ausübung der Prostitution verwendeten Räume stehen. Als Verantwortliche gelten auch Verwalterinnen und Verwalter im Umfang ihrer Befugnis.
...
Prostitutionslokale
§ 6. (1) Gebäude oder Gebäudeteile dürfen zur Ausübung der Prostitution als Prostitutionslokale (§ 2 Abs. 5) nur verwendet werden, wenn
...
d) sie über ausreichende Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen verfügen, die einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen sowie dem Entstehen von Bränden vorbeugen und dem Schutz der Prostituierten dienen;
...
(3) Die näheren Vorschriften über die in Abs. 1 lit. d) und e) vorgesehenen Einrichtungen und Vorkehrungen sind von der Behörde durch Verordnung zu erlassen.
...
Ausübung von Prostitution
§ 9. ...
(5) Die Ausübung von Prostitution in einem Gebäude ist nur zulässig, wenn dieses als Prostitutionslokal den Vorgaben des § 6 entspricht.
...
Einstellung der Prostitutionsausübung
§ 12. (1) Verantwortliche für Prostitutionslokale (§ 2 Abs. 6) haben für die Einstellung der Prostitutionsausübung zu sorgen, wenn dadurch den Bestimmungen des § 4 und des § 9 Abs. 5 zuwidergehandelt wird, wenn die Rechtsfolge des § 11 Abs. 2 eingetreten ist oder wenn eine Untersagung gemäß § 13 erfolgte.
(2) Die Verpflichtung des Abs. 1 beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem Verantwortliche von der gesetzwidrigen Anbahnung oder Ausübung der Prostitution wussten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten wissen müssen.
...
Strafbestimmungen
§ 17. (1) Wer es als Verantwortliche oder Verantwortlicher für ein Prostitutionslokal gemäß § 2 Abs. 6, unterlässt,
...
b) für die Einstellung der Prostitutionsausübung gemäß § 12 Abs. 1 zu sorgen,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 3.500 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu drei Wochen, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe von 350 Euro bis 7.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.
(2) Wer als Verantwortliche oder Verantwortlicher gemäß § 2 Abs. 6 ein Prostitutionslokal
...
c) unter Nichteinhaltung der Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume;
...
betreibt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis 7.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.
...
Übergangs- und Schlussbestimmungen
§ 20. (1) Dieses Gesetz tritt mit dem übernächsten auf die Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über die Regelung der Prostitution in Wien (Wiener Prostitutionsgesetz) vom , LGBl. Nr. 7/1984 in der Fassung LGBl. Nr. 56/2010, außer Kraft.
...“
14 Das Wiener Prostitutionsgesetz 2011 wurde im LGBl. Nr. 24 am kundgemacht und trat gemäß seinem § 20 Abs. 1 mit in Kraft.
15 Die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 45/2011 (im Folgenden: Prostituierten-Schutzverordnung), ihre §§ 4 und 8 in der Fassung der Verordnung Abl. der Stadt Wien Nr. 16/2021, lautet (auszugsweise):
„Aufgrund des § 6 Abs. 1 lit. d) und Abs. 3 sowie § 7 Abs. 1 lit. b) des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 - WPG 2011, LGBl. für Wien Nr. 24/2011, wird verordnet:
Anwendungsbereich
§ 1. Diese Verordnung regelt Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen, die Gebäude und Gebäudeteile, die zur Ausübung der Prostitution verwendet werden, zum Schutz der Prostituierten aufweisen müssen.
...
Waschgelegenheiten und Duschen
§ 3. (1) In der Nähe der Toilette muss eine Waschgelegenheit vorhanden sein.
(2) Darüber hinaus muss in unmittelbarer Nähe der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Räume mindestens eine Dusche vorhanden sein.
(3) Waschgelegenheiten und Duschen müssen mit fließendem, warmem Wasser ausgestattet sein.
(4) Sofern die zur Ausübung der Prostitution verwendeten Räume eine Nutzfläche von insgesamt mehr als 50 m2 aufweisen, muss je weitere begonnene 50 m2 eine weitere Duschmöglichkeit vorhanden sein, die in ihrer Ausführung jeweils Abs. 1 bis 3 entsprechen muss.
Hygienevorkehrungen
§ 4. (1) Prostitutionslokale müssen sauber und instandgehalten werden.
(2) Prostitutionslokale müssen so gestaltet sein, dass eine Reinigung und Desinfektion möglich ist.
(3) Die Fußböden in Prostitutionslokalen sind stets in einem gereinigten Zustand zu halten. Böden, Wände, Tische und Ablageflächen im unmittelbaren Nahebereich der Ausübung der Prostitution sind in einwandfreiem Zustand zu halten, müssen leicht zu reinigen sein und sind stets unter Verwendung eines geeigneten Flächendesinfektionsmittels durch Wischdesinfektion zu desinfizieren.
(4) Die Sanitärbereiche müssen sich in sauberem Zustand und frei von Schimmelbefall befinden.
(5) Die baulich einen Teil des Prostitutionslokals bildenden Arbeitsgeräte sowie Einrichtungsgegenstände zur Ausübung der Prostitution müssen leicht zu reinigen bzw. zu desinfizieren sein.
(6) Die Liege- und Sitzflächen in den zur Ausübung der Prostitution verwendeten Räumen und die Flächen, die mit der Haut in Kontakt kommen, müssen nach jeder Benützung für sexuelle Dienstleistungen gereinigt und desinfiziert werden. Die hierfür erforderlichen Reinigungs- und Desinfektionsmittel sind stets im Prostitutionslokal bereit zu halten.
(7) In den zur Ausübung der Prostitution verwendeten Räumen sind verschließbare Müllbehälter in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen, die nach Befüllung zu entleeren sind.
...
Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen
§ 8. (1) Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
...
(3) Die Verordnung ABl. für Wien Nr. 16/2021 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
...“
16 Die Prostituierten-Schutzverordnung wurde im Abl. der Stadt Wien Nr. 45 vom kundgemacht und trat gemäß ihrem § 7 Abs. 1 (nunmehr: § 8 Abs. 1) mit in Kraft. Ihr § 4 wurde im Abl. der Stadt Wien Nr. 16 vom kundgemacht und trat gemäß § 8 Abs. 3 mit in Kraft.
17 Die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über Sicherheitsvorkehrungen in Prostitutionslokalen erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 29/2013, in der Fassung der Verordnung Abl. der Stadt Wien Nr. 32/2021 (im Folgenden: Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013), lautet (auszugsweise):
„Aufgrund des § 6 Abs. 3 des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 - WPG 2011, LGBl. für Wien Nr. 24/2011, geändert durch das Gesetz LGBl. für Wien Nr. 10/2013, wird verordnet:
Artikel I
Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen
§ 1. (1) Diese Verordnung regelt bauliche Sicherheitsvorkehrungen, die Prostitutionslokale (§ 2 Abs. 5 WPG 2011) aufweisen müssen.
...
Artikel II
Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen
(1) Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, mit der nähere Vorschriften über die Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude bzw. Gebäudeteile erlassen werden, Amtsblatt für Wien Nr. 37/1984, außer Kraft.
...“
18 Die Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013 wurde im Abl. der Stadt Wien Nr. 29 vom kundgemacht und trat gemäß ihrem Art. II Abs. 1 mit in Kraft.
19 3.2. § 5 des Wiener Prostitutionsgesetzes, LGBl. Nr. 7/1984, welches mit Inkrafttreten des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 außer Kraft getreten ist (§ 20 Abs. 1 WPG 2011), lautete (auszugsweise):
„Beschränkung der Prostitution
§ 5. ...
(5) Die zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude bzw. Gebäudeteile müssen Sicherheitsvorkehrungen aufweisen, die einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen sowie dem Entstehen eines Brandes vorbeugen. Die näheren Vorschriften über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen, insbesondere über die Bezeichnung der notwendigen Verbindungswege (Fluchtwege), der Notbeleuchtung und der Brandschutzeinrichtungen, werden von der Behörde durch Verordnung erlassen. ...
...“
20 Die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom , mit der nähere Vorschriften über die Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude bzw. Gebäudeteile erlassen werden, Abl. der Stadt Wien Nr. 37/1984 (im Folgenden: Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 1984), lautete (auszugsweise):
„Auf Grund des § 5 Abs 5 des Wiener Prostitutionsgesetzes, LGBl Nr 7/1984, wird verordnet:
Anwendungsbereich
§ 1. Diese Verordnung regelt Sicherheitsvorkehrungen, die Gebäude und Gebäudeteile (Einzelobjekte und Räume) aufweisen müssen, die zur Ausübung der Prostitution verwendet werden.
...“
21 4. Die Revision ist im Ergebnis auch begründet:
22 4.1. Das Verwaltungsgericht hob die von der belangten Behörde und nunmehrigen Revisionswerberin verhängte Strafe schon deswegen auf, weil es keine Verordnung gäbe, auf welche die Strafnorm des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 in verfassungsrechtlich zulässiger Weise verweisen könne. Eine Verweisung auf den Inhalt einer auf Grund von § 6 Abs. 3 WPG 2011 erlassenen Verordnung stelle eine dynamische Verweisung auf den Rechtsakt einer anderen Normsetzungsautorität dar. Eine statische Verweisung liege nicht vor, weil das Verweisungsobjekt nicht hinreichend bestimmt sei.
23 Dem hält die Revision entgegen, § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 enthalte keine verfassungsrechtlich unzulässige Verweisung, sondern eine verfassungsrechtlich zulässige Blankettstrafnorm, welche an die Tatbilder der Verordnung Abl. der Stadt Wien Nr. 45/2011 anknüpfe.
24 4.2.1. Gemäß § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Verantwortliche oder Verantwortlicher gemäß § 2 Abs. 6 WPG 2011 ein Prostitutionslokal unter Nichteinhaltung der „Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume“ betreibt.
25 § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 stellt eine Blankettstrafnorm dar, womit der gesetzestechnische Vorgang der äußeren Trennung von Tatbild und Strafdrohung bezeichnet wird.
26 Das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG verlangt für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens (vgl. hiezu VfSlg 13.785/1994). Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des § 1 Abs. 1 VStG und des Art. 7 EMRK der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen (vgl. etwa , mwH).
27 Blankettstrafnormen sind zulässig; auch in einem solchen Fall muss aber der Tatbestand durch das Gesetz selbst mit genügender Klarheit als Verbotsnorm und damit als strafbarer Tatbestand gekennzeichnet sein, und zwar so, dass jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag. Eine Verpflichtung zu einem bestimmten Handeln oder zur Unterlassung einer bestimmten Tätigkeit muss in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ablesbar sein (vgl. etwa , mwN).
28 4.2.2. Die Strafdrohung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 umschreibt das Tatbild nicht etwa als Verstoß gegen eine „auf Grund des § 6 Abs. 3 erlassene Verordnung“ oä., sondern mit einer (scheinbar) ihrem Titel nach spezifizierten Verordnung. Eine Verordnung mit (genau) diesem Titel besteht und - soweit ersichtlich - bestand auch in der Vergangenheit im Wiener Landesrecht nicht.
29 4.2.3. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung, der Kundmachung und des Inkrafttretens des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 stand allerdings die Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 1984 in Kraft, welche erst mit Inkrafttreten der Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013 mit außer Kraft getreten ist (Art. II Abs. 1 Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013). Diese beiden Verordnungen enthalten jeweils Bestimmungen über bauliche Sicherheitsvorkehrungen, welche Gebäude, Gebäudeteile und Räume aufweisen müssen, die zur Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution verwendet werden bzw. bestimmt sind, wie etwa Fluchtwege, Notausgänge, Beleuchtung und Brandschutz.
30 Die Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 1984 stützte sich auf die Verordnungsermächtigung des § 5 Abs. 5 Wiener Prostitutionsgesetz. Eine im Wesentlichen übereinstimmende Verordnungsermächtigung enthält § 6 Abs. 1 lit. d iVm. Abs. 3 WPG 2011, welcher die gesetzliche Grundlage der Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013 darstellt.
31 Die zuletzt genannte Verordnungsermächtigung wurde allerdings gegenüber ihrer Vorgängerbestimmung um „Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen“ erweitert, die „dem Schutz der Prostituierten dienen“. Nur auf diesen Teil der Verordnungsermächtigung stützt sich, wie der mit der gesetzlichen Verordnungsermächtigung übereinstimmende Verordnungstitel zeigt („Verordnung ... über die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten“), die Prostituierten-Schutzverordnung, welche Bestimmungen über sanitäre, hygienische und Alarmvorkehrungen sowie über Lüftung enthält.
32 Es zeigt sich somit, dass die Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 1 lit. d iVm. Abs. 3 WPG 2011 die gesetzliche Grundlage für zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände enthält, und zwar zum einen für Sicherheitsvorkehrungen betreffend Prostitutionslokale - auf dieser Grundlage wurde die Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013 erlassen - und zum anderen für Sicherheitsvorkehrungen betreffend den Schutz der Prostituierten - auf dieser Grundlage wurde die Prostituierten-Schutzverordnung erlassen.
33 Vor diesem Hintergrund ist die Blankettstrafnorm des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 zu verstehen. Sie verweist für die Umschreibung des Tatbildes auf die „Verordnung über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen der zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude, Gebäudeteile und Räume“. Darunter kann angesichts des zweigeteilten Regelungsgehaltes der Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 1 lit. d iVm. Abs. 3 WPG 2011 und der beiden auf dieser Grundlage ergangenen Verordnungen schon nach dem Wortlaut von Strafdrohung und Verordnungstiteln nicht die Prostituierten-Schutzverordnung gemeint sein. Vielmehr bezog sich die Strafdrohung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 auf die bis in Kraft stehende Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 1984 und erfasst seither die Sicherheitsvorkehrungen-Verordnung 2013, welche die Vorgängerregelung ablöste.
34 4.2.4. Übertretungen der Prostituierten-Schutzverordnung sind demnach nicht von der Strafdrohung des § 17 Abs. 2 lit. c WPG 2011 erfasst.
35 4.3. Hingegen ist das dem Mitbeteiligten vorgeworfene Verhalten nach § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011 mit Strafe bedroht:
36 4.3.1. Nach dieser Bestimmung begeht eine Verwaltungsübertretung, wer es als Verantwortliche oder Verantwortlicher für ein Prostitutionslokal gemäß § 2 Abs. 6 WPG 2011 unterlässt, für die Einstellung der Prostitutionsausübung gemäß § 12 Abs. 1 WPG 2011 zu sorgen.
37 § 12 Abs. 1 WPG 2011 bestimmt, dass Verantwortliche für Prostitutionslokale unter anderem dann für die Einstellung der Prostitutionsausübung zu sorgen haben, wenn dadurch der Bestimmung des § 9 Abs. 5 WPG 2011 zuwidergehandelt wird. Nach dieser Bestimmung wiederum ist die Ausübung von Prostitution in einem Gebäude nur zulässig, wenn dieses als Prostitutionslokal den Vorgaben des § 6 WPG 2011 entspricht.
38 Zu den Vorgaben des § 6 WPG 2011 zählen, wie bereits ausgeführt, gemäß Abs. 1 lit. d iVm. Abs. 3 leg. cit. die Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Prostituierten, wie sie in der Prostituierten-Schutzverordnung geregelt sind.
39 4.3.2. „Sache“ des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung. Ein „Austausch der Tat“ durch das Verwaltungsgericht durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes kommt nicht in Betracht. Eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) ist dagegen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zulässig, wenn es nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. etwa , mwN). Auch berechtigt eine nicht ausreichende Umschreibung der Tat im Sinn des § 44a Z 1 VStG das Verwaltungsgericht nicht, das Straferkenntnis zu beheben. Es ist vielmehr verpflichtet, in der Sache selbst zu entscheiden und dabei die Tat in einer dem § 44a Z 1 VStG entsprechenden Weise zu präzisieren, darf aber dabei die Tat nicht auswechseln (vgl. etwa , mwN).
40 Auch die zur Wahrung der Verfolgungsverjährung erforderliche Verfolgungshandlung hat sich lediglich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente zu beziehen, hingegen ist es nicht erforderlich, der beschuldigten Person die Subsumtion der ihr angelasteten Übertretung zur Kenntnis zu bringen; die rechtliche Qualifikation der angelasteten Verwaltungsübertretung ist für die Verfolgungsverjährung bedeutungslos. Eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG ist auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen; die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich (vgl. , mwN).
41 4.3.3. Auf dem Boden dieser Rechtslage war das Verwaltungsgericht nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die dem Mitbeteiligten angelasteten Verstöße gegen die Prostituierten-Schutzverordnung der richtigen Strafnorm - nämlich dem § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011 - zu unterstellen und damit die angewendete Gesetzesbestimmung iSd. § 44a Z 3 VStG zu präzisieren. Dem Mitbeteiligten wurde im Straferkenntnis vom zur Last gelegt, an einem näher bestimmten Ort zu einer näher bestimmten Zeit als Verantwortlicher iSd. § 2 Abs. 6 WPG 2011 ein Prostitutionslokal vorschriftswidrig - nämlich unter näher dargestellten Verstößen gegen konkrete Bestimmungen der Prostituierten-Schutzverordnung - betrieben zu haben. Dieser Tatvorwurf enthält sämtliche Sachverhaltselemente, welche auch einer Bestrafung nach § 17 Abs. 1 lit. b WPG 2011 zu Grunde liegen, weil der Mitbeteiligte als Verantwortlicher iSd. § 2 Abs. 6 WPG 2011 - im vorliegenden Fall als Betreiber des Prostitutionslokales - die Einstellung der Prostitutionsausübung unterlassen hat, obwohl die Prostitution in einem vorschriftswidrigen Gebäude - nämlich unter den genannten Verstößen gegen die Prostituierten-Schutzverordnung - ausgeübt wurde.
42 Weder erfolgt dadurch ein „Austausch der Tat“, noch wird ein Verhalten verfolgt, welches nicht von einer Verfolgungshandlung erfasst war.
43 Das Verwaltungsgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen haben, ob die dem Mitbeteiligten im Straferkenntnis vom zur Last gelegten Taten gegen § 17 Abs. 1 lit. b iVm. § 12 Abs. 1, § 9 Abs. 5 und § 6 Abs. 1 lit. d und 3 WPG 2011 iVm. Prostituierten-Schutzverordnung verstoßen. Gegebenenfalls wird es den Tatvorwurf iSd. § 44a Z 1 VStG entsprechend der verletzten gesetzlichen Bestimmung („... hat es unterlassen, für die Einstellung der Prostitutionsausübung zu sorgen, obwohl ...“) zu präzisieren haben.
44 4.4. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, hat es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
45 5. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
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Normen | B-VG Art18 Abs1 MRK Art7 ProstG Wr 2011 §17 Abs1 litb ProstG Wr 2011 §17 Abs2 litc ProstG Wr 2011 §2 Abs6 ProstG Wr 2011 §6 Abs1 litd ProstG Wr 2011 §6 Abs3 Prostituierten-SchutzV Wr 2011 SicherheitsvorkehrungenV Wr 2013 VStG §1 Abs1 VStG §31 VStG §31 Abs1 VStG §32 Abs2 VStG §44a Z1 VStG §44a Z2 VStG §44a Z3 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §27 VwGVG 2014 §38 VwGVG 2014 §50 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030103.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAA-78667