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VwGH vom 16.03.2023, Ra 2022/02/0214

VwGH vom 16.03.2023, Ra 2022/02/0214

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Graz in 8011 Graz, Europaplatz 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 30.9-6643/2022-2, betreffend Übertretungen nach dem TSchG (mitbeteiligte Parteien: 1. P in S, und 2. Tierschutzombudsperson Dr. Barbara Fiala-Köck in 8010 Graz, Stempfergasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Graz (Revisionswerberin) vom , GZ: 0592902019/0011, wurde die erstmitbeteiligte Partei wegen Übertretung des § 38 Abs. 3 iVm § 7 Abs. 5 und Abs. 1 Z 1 sowie § 4 Z 8 Tierschutzgesetz (TSchG) schuldig erachtet und über sie gemäß § 38 Abs. 3 TSchG eine Geldstrafe in der Höhe von € 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt.

2Dieses Straferkenntnis wurde der erstmitbeteiligten Partei im Wege ihres ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreters gemäß der Übernahmebestätigung am RSb-Rückschein am ordnungsgemäß zugestellt. Nach der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses stand für die Beschwerde gegen das Straferkenntnis eine Frist von vier Wochen nach dessen Zustellung zur Verfügung.

3Mit E-Mail vom übermittelte die erstmitbeteiligte Partei ihre mit datierte Beschwerde an die Revisionswerberin. Die Beschwerde war der Überschrift zufolge „gegen Straferkenntnis 0592902019/0011, erhalten “ gerichtet. In der E-Mail vom , mit der die erstmitbeteiligte Partei die Beschwerde bei der Behörde eingebracht hat, wird im Begleitschreiben mitgeteilt, dass dies die Beschwerde gegen das Straferkenntnis 0592902019/0011, das sie bekommen habe, sei. Die Revisionswerberin legte in der Folge die Beschwerde mit Schreiben vom dem Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) zur Entscheidung vor.

4Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG der Beschwerde Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VwGVG ein (Spruchpunkt I.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig (Spruchpunkt II.).

5Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, ausgehend vom als Zustellzeitpunkt sei die Beschwerdeerhebung grundsätzlich als verspätet zu werten. Die Beschwerde sei aber nach Ablauf der mit errechneten dreijährigen Strafbarkeitsverjährungsfrist im Sinne des § 31 Abs. 2 VStG bei der Revisionswerberin eingelangt, weshalb ungeachtet der verspäteten Beschwerdeeinbringung das Straferkenntnis aufgrund eingetretener Strafbarkeitsverjährung aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen gewesen sei.

6Dagegen richtet sich die vorliegende Revision der Amtsrevisionswerberin, die in der Zulässigkeitsbegründung darauf verweist, dass aufgrund einer verspäteten Beschwerde keine Sachentscheidung getroffen werden könne und die Strafbarkeitsverjährung keine Auswirkungen auf die Rechtskraft ihres Straferkenntnisses haben könne.

7Im Zuge der Einleitung des Vorverfahrens wurde der erstmitbeteiligten Partei Gelegenheit gegeben, zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung Stellung zu nehmen. Die erstmitbeteiligte Partei führte in ihrer Revisionsbeantwortung dazu aus, dass sie - zu diesem Zeitpunkt bereits unvertreten - am eine Beschwerde, allerdings in slowenischer Sprache, weil sie des Deutschen nicht mächtig sei, gegen das Straferkenntnis vom eingebracht habe. Sie habe daraufhin am ein Schreiben bekommen, woraufhin sie die (gegenständliche) Beschwerde am eingebracht habe. Ihrem Schreiben schloss die erstmitbeteiligte Partei eine Kopie ihrer in slowenischer Sprache verfassten Beschwerde vom sowie ihrer Beschwerde in deutscher Sprache vom bei.

8Die zweitmitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich inhaltlich der Revision anschloss.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9Die Amtsrevision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

10Das Straferkenntnis der Amtsrevisionswerberin wurde der erstmitbeteiligten Partei nachweislich und unstrittig am durch Übernahme durch ihren bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter zugestellt. Davon ausgehend endete die vierwöchige Beschwerdefrist mit Ablauf des .

11Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die ihm von der Revisionswerberin vorgelegte Beschwerde vom , bei der Revisionswerberin mit E-Mail der Erstmitbeteiligten vom eingebracht, sich als verspätet erweise, weil sie außerhalb der Beschwerdefrist eingebracht worden sei.

12Ausgehend von diesen Feststellungen erweist sich das angefochtene Erkenntnis bereits deshalb als rechtswidrig, weil das Verwaltungsgericht - wie die Amtsrevision zutreffend aufzeigt - von der falschen Rechtsansicht ausgegangen ist, dass eine nach einem rechtskräftig erlassenen Straferkenntnis verspätet eingebrachte Beschwerde eine Durchbrechung der Rechtskraft und ein Fortlaufen der Frist nach § 31 Abs. 2 VStG bewirken kann.

13Mit der Erlassung des Straferkenntnisses innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG wird der Eintritt der Strafbarkeitsverjährung verhindert. Dass bereits vor Erlassung des Straferkenntnisses im Verfahren Verjährung eingetreten sei, trifft nicht zu und wurde im Verfahren auch nicht behauptet. Indem das Verwaltungsgericht annahm, dass trotz Rechtskraft des Straferkenntnisses und damit trotz des rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens die Strafbarkeitsverjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 weiterlaufe und die durch verspätete Erhebung unzulässige Beschwerde an das Verwaltungsgericht ohne weiteres die Rechtskraft des Straferkenntnisses durchbrechen könne, behaftete es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit.

14Das Verwaltungsgericht hat es zudem verabsäumt, geeignete Erhebungen zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde durchzuführen.

15Bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde handelt es sich um eine Rechtsfrage gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, die, wenn Anhaltspunkte für die Verspätung vorliegen, von Amts wegen zu erfolgen hat. Das Verwaltungsgericht hat dazu nach amtswegigen Erhebungen Tatsachen festzustellen. Dabei ist der Partei vom Verwaltungsgericht auch außerhalb einer mündlichen Verhandlung bereits im Rahmen der amtswegigen Prüfung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde Gelegenheit zu geben, zu dabei hervorkommenden Tatsachen und Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen (vgl. , mwN).

16Da das Verwaltungsgericht von der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgegangen ist, ohne dies der Erstmitbeteiligten vorgehalten zu haben, unterliegt das zur Frage der Rechtzeitigkeit erstattete Vorbringen in der Revisionsbeantwortung auch nicht dem vor dem Verwaltungsgerichtshof herrschenden Neuerungsverbot (siehe dazu , mwN).

17Sollte es zutreffen, wie die Erstmitbeteiligte in ihrer Revisionsbeantwortung vorgebracht hat, dass sie bereits mit eine - wenn auch möglicherweise mangelbehaftete - Beschwerde eingebracht hat, erwiese sich die Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach die Beschwerde außerhalb der Beschwerdefrist eingebracht worden sei, als nicht zutreffend.

18Das Verwaltungsgericht wird sich im fortgesetzten Verfahren daher zunächst mit dem in der Revisionsbeantwortung erstatteten Vorbringen der Mitbeteiligten auseinanderzusetzen und geeignete Feststellungen zur Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung zu treffen haben.

19Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022020214.L00

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