zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 09.06.2023, Ra 2021/16/0067

VwGH vom 09.06.2023, Ra 2021/16/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/2100225/2021, betreffend Rechtsgeschäftsgebühr (mitbeteiligte Partei: H GmbH als Rechtsnachfolgerin der H L GmbH und O L GmbH in G, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Amtsrevision wird stattgegeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass es wie folgt lautet:

Die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1Die mitbeteiligte Gesellschaft ist Rechtsnachfolgerin der H.L. GmbH und der L.L. GmbH. Am wurde der gegenständliche Bestandvertrag zwischen den H.L. GmbH und der O.L. GmbH als Vermieterinnen und der P.S. GmbH als Mieterin abgeschlossen.

2Mit Bescheid vom wurde der Mieterin für dieses abgeschlossene Rechtsgeschäft gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG eine Bestandgebühr festgesetzt.

3Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der von der Mieterin erhobenen Beschwerde teilweise stattgegeben und der Bescheid mit geänderter Bemessungsgrundlage lt. der Beschwerde abgeändert.

4Am stellte die Mieterin als Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag.

5Diesen Vorlageantrag legte die revisionswerbende Behörde samt Vorlagebericht am dem Bundesfinanzgericht vor.

6Nach Eröffnung eines Konkursverfahrens wurde die Mieterin (die damalige Beschwerdeführerin) am amtswegig gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Das Bundesfinanzgericht stellte mit Beschluss vom das von der Mieterin geführte Beschwerdeverfahren ein.

7Mit Bescheid vom wurde der mitbeteiligten Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin der Vermieterinnen im besagten Bestandvertrag unter Berücksichtigung des § 28 Abs. 1 Z 1 GebG als Gesamtschuldnerin die restliche Mietvertragsgebühr iHv. 70.890,10 € gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG vorgeschrieben.

8Dagegen erhob die mitbeteiligte Gesellschaft Beschwerde, in der sie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Festsetzungsverjährung und die Aussetzung der Abgabeneinhebung gemäß § 212a BAO beantragte.

9Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und - sofern von gegenständlicher Relevanz - damit begründet, dass in Bezug auf die Festsetzungsverjährung durch die Behörde eine Verlängerungshandlung, nämlich die Vorlage und der Vorlagebericht vom , gesetzt worden sei und daher die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert worden sei.

10Die mitbeteiligte Partei stellte einen Vorlageantrag.

11Mit gegenständlich angefochtenem Erkenntnis vom gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Gesellschaft Folge und hob den bekämpften Bescheid ersatzlos auf. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

12Das Bundesfinanzgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - damit, dass die hier zu beurteilende Gebührenschuld am entstanden sei. Die Verjährungsfrist habe daher mit Ablauf des Jahres 2014 begonnen und gemäß § 207 Abs. 2 BAO (Verjährungsfrist fünf Jahre) sei die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres 2019 eingetreten. Die gegen die Festsetzung erhobene Beschwerde der damaligen Mieterin sei mit Beschwerdevorentscheidung vom erledigt worden. Der daraufhin eingebrachte Vorlageantrag vom sei am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt worden. Die im Jahr 2014 erlassene Beschwerdevorentscheidung habe keine Verlängerungswirkung, weil sie bereits vor Beginn der Verjährungsfrist erlassen worden sei. Seit diesem Zeitpunkt seien keine weiteren Handlungen der Abgabenbehörde erfolgt. Die Heranziehung der mitbeteiligten Partei sei mit Bescheid vom erfolgt. Gemäß § 209 Abs. 1 BAO bedürfe es nach außen erkennbarer Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches und zur Feststellung des Abgabenpflichtigen.

Mit Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/15/0001, zur Frage der rechtlichen Qualifikation des Vorlageberichts im Zusammenhang mit Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages bei Mangelhaftigkeit des Vorlageberichts, führte das Bundesfinanzgericht weiters aus, dass dem Vorlagebericht, welcher im Jahr 2015 dem Bundesfinanzgericht vorgelegt worden sei, keine die Verjährungsfrist nach § 209 Abs. 1 BAO verlängernde Wirkung zur Bemessung des Abgabenanspruches gegenüber der als Gesamtschuldnerin haftenden mitbeteiligten Gesellschaft zukomme. Da sohin im Verjährungszeitraum ( bis ) keine „fristverlängerungsfähige“ Handlung durch die Abgabenbehörde gesetzt worden sei, sei der Anspruch auf Festsetzung dieser Abgabe gegenüber der mitbeteiligten Gesellschaft mit Ablauf des Jahres 2019 verjährt. Dem Einwand der Behörde, dass durch den im Vorlagebericht enthaltenen Satz „Es wird daher beantragt, die Beschwerde nach Berichtigung der Bemessungsgrundlage für das 1. Vertragsjahr als unbegründet abzuweisen“ eine Geltendmachung des Abgabenanspruches zugemessen werden solle, könne nicht gefolgt werden.

13Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

14Die mitbeteiligte Gesellschaft erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

15Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, dass es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage gebe, ob die Beschwerdevorlage mitsamt Vorlagebericht an das Verwaltungsgericht und Verständigung darüber an die Partei des Beschwerdeverfahrens eine die Verjährung verlängernde Amtshandlung der Abgabenbehörde im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO darstelle.

16Die Revision ist zulässig und begründet.

17Das Recht eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

18Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 Satz 1 BAO u.a. bei den Gebühren für Rechtsgeschäfte fünf Jahre. Nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.

19Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen unternommen, so verlängert sich gemäß § 209 Abs. 1 BAO die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

20Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss eine die Verjährung verlängernde Amtshandlung aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten, nach außen wirksam und einwandfrei nach außen erkennbar sein. Nach außen in Erscheinung tretende Amtshandlungen sind (bei Zutreffen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen) unabhängig von ihrer rechtswirksamen Zustellung unterbrechungswirksam, wenn sie in ihrer rechtlichen Gestalt - etwa als Bescheidausfertigungen - als Behördenmaßnahmen über den Amtsbereich der Behörde hinaustreten und hierfür ein aktenmäßiger Nachweis besteht (vgl. ).

21Nicht nur bescheidmäßige Erledigungen stellen Amtshandlungen iSd § 209 BAO dar, sondern diese Eigenschaft kommt jeder nach außen erkennbaren Handlung zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches zu. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Amtshandlung konkret geeignet ist, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches, zu erreichen. Es genügt vielmehr, dass sie nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Dass der Abgabenschuldner im Zeitpunkt dieser Amtshandlung nicht mehr existiert und die Geltendmachung des Abgabenanspruches richtigerweise gegen dessen Rechtsnachfolger erfolgen muss, führt zu keiner anderen Beurteilung (vgl. ; , jeweils mwN).

22Die Verjährung wird auch durch an den Abgabepflichtigen gerichtete Vorhalte, Anfragen und Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen und Beweismitteln unterbrochen (vgl. neuerlich ).

23Bei Gesamtschuldverhältnissen wirken Amtshandlungen fristverlängernd gegen alle Gesamtschuldner (vgl. , mwN). Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates (, 91/13/0037, VwSlg. 7038/F) gilt das ausdrücklich auch für einen an einen Mitschuldner ergangenen Abgabenbescheid (vgl. ).

24Hier ist strittig, ob der Vorlagebericht nach § 265 BAO eine Amtshandlung zur Geltendmachung eines Abgabenanspruches darstellt, welche die Bemessungsverjährungsfrist verlängert.

25Die im Vorlagebericht des revisionswerbenden Finanzamts enthaltene Stellungnahme mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, ist auf die Erledigung der von der Mieterin erhobenen Beschwerde gegen die ihr vorgeschriebene Gebühr und im Sinne einer Aufrechterhaltung des bereits erlassenen Abgabenbescheids gerichtet und dient damit auch der Geltendmachung des Abgabenanspruches gegenüber einem Mitschuldner. Sie stellt eine nach außen wirksame und einwandfrei nach außen erkennbare Amtshandlung dar, die von der sachlich zuständigen Abgabenbehörde stammt. Daher ist der Vorlagebricht mit der Verlängerungswirkung nach § 209 Abs. 1 BAO versehen (vgl. das zur Unterbrechungswirkung nach § 238 Abs. 2 BAO ergangene und ebenfalls einen Vorlagebericht betreffende Erkenntnis ).

26Das vom Verwaltungsgericht zur Wirkung des Vorlageberichts herangezogene Erkenntnis , betraf hingegen die Frage eines Mängelbehebungsauftrags gemäß § 85 Abs. 2 BAO und ist für die Beantwortung der Frage der Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 209 Abs. 1 BAO nicht einschlägig.

27Nachdem die mitbeteiligte Partei sowohl in ihrer Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom als auch in ihrer Revisionsbeantwortung nur die Festsetzungsverjährung geltend macht und die Festsetzung der Rechtsgeschäftsgebühr sonst dem Grunde und der Höhe nach unberührt lässt, erweist sich die Sache als entscheidungsreif, weshalb gemäß § 42 Abs. 4 VwGG im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und weiteren Kostenersparnis in der Sache selbst dahingehend zu erkennen ist, dass die Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Gebührenbescheid vom als unbegründet abzuweisen ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021160067.L00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.