VwGH 27.07.2023, Ra 2021/16/0039

VwGH 27.07.2023, Ra 2021/16/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Graz-Stadt) in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/2100806/2019, betreffend Kraftfahrzeugsteuer (mitbeteiligte Partei: Z V in K, vertreten durch Mag. Philipp Tschernitz, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Glasergasse 2/I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Nach einer durchgeführten Verkehrskontrolle setzte das Finanzamt mit Bescheid vom gegenüber dem Mitbeteiligten die Kraftfahrzeugsteuer für näher angeführte Zeiträume - aufgrund widerrechtlicher Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Inland - fest.

2 Der dagegen gerichteten Beschwerde vom gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom keine Folge, woraufhin der Mitbeteiligte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurück und führte zur Begründung aus, der bekämpfte Bescheid sei nicht wirksam erlassen worden.

4 Dem Beschwerdeverfahren liege eine als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes vom betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer zugrunde. Dieser Erledigung - die dem Bundesfinanzgericht nur als „Zweitschrift“ vorgelegt worden sei - sei eine Abgabenfestsetzung durch die Finanzpolizei als Organ des Finanzamtes nicht zu entnehmen und weise als bescheiderlassende Behörde allein das Finanzamt aus. Bezüge zur Finanzpolizei gäbe es in diesem Dokument nicht.

5 Die als widerrechtlich iSd § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 beurteilte Verwendung des verfahrensgegenständlichen Kfz sei erstmals Organen des „FinPol-Teams“ X, einer beim Finanzamt eingerichteten „FinPol-Dienststelle“, im Zuge einer allgemeinen, „aus eigenem Antrieb“ durchgeführten Kontroll- und Aufsichtsmaßnahme bekannt geworden. Die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer sei Ausfluss dieser finanzpolizeilichen Aufsichtsmaßnahme gewesen.

6 Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes beziehe sich die Wortfolge „wie diese“ im Einleitungssatz des § 10b Abs. 2 AVOG 2010-DV auf den Umfang der vom Finanzamt auf die „FinPol“ übertragenen Zuständigkeit (hier: in jenem Umfang, in dem das Finanzamt bei einem Erstanlass zum Einschreiten aufgrund der Befassung anderer Organe als der Finanzpolizei, etwa eines „AP-Organs“, zur Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer nach § 10a Abs. 6 AVOG 2010-DV zuständig sei, ordne § 10b Abs. 2 AVOG 2010-DV diese Zuständigkeit der Finanzpolizei zu, wenn der Erstanlass zum Einschreiten bei einem „FinPol-Organ“ gelegen sei).

7 § 10b Abs. 6 AVOG 2010-DV stehe zu § 10a Abs. 5 AVOG 2010-DV im Verhältnis der Spezialität. Es sei nicht davon auszugehen, dass durch die Wortfolge „wie diese“ im Einleitungssatz des § 10b Abs. 2 AVOG 2010-DV eine - verfassungsrechtlich bedenkliche - Doppelzuständigkeit für die abgabenbehördliche Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer festgelegt werden sollte. Entsprechend sie die Zuständigkeit zur Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer bei der Finanzpolizei als Organ des und mit Wirkung für das Finanzamt gelegen.

8 In der verfahrensgegenständlichen Konstellation komme es aufgrund der Zuständigkeitsbestimmung des § 10b Abs. 2 Z 7 AVOG 2010-DV idF BGBl. II Nr. 6/2016 entscheidend darauf an, dass die im Gefolge der „FinPol-Maßnahmen“ durchgeführte Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer nicht durch irgendein Organ des Finanzamtes erfolgte, sondern durch Bedienstete jener Dienststelle der Finanzpolizei, der die amtshandelnden „FinPol-Organe“ zuzurechnen gewesen seien.

9 Die Gestaltung der angefochtenen Erledigung vom zur Kraftfahrzeugsteuer bringe eine Abgabenfestsetzung durch die Finanzpolizei nicht zum Ausdruck. Die Erledigung weise als erlassende Behörde allein das Finanzamt aus, ohne Anführung einer bei diesem Finanzamt eingerichteten Dienststelle der Finanzpolizei als (abgabenfestsetzendem) Organ des Finanzamtes.

10 Da die Erledigung vom der dafür allein zuständigen „FinPol-Dienststelle“ beim Finanzamt nicht zurechenbar sei, fehle es an einem für deren Bescheidqualität essentiellen Erledigungsmerkmal im Sinne des § 96 BAO. Nachdem das Finanzamt als solches - ohne Bezug zur dort eingerichteten „FinPol-Dienststelle“ - für die strittige Abgabenfestsetzung unzuständig gewesen sei, habe die als Bescheid intendierte Erledigung vom keine normative Wirkung entfalten können.

11 Da sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen eine rechtlich unwirksame Erledigung, die als Bescheid nicht existent geworden sei, gerichtet habe, sei sie als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

12 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit u.a. vorbringt, das Bundesfinanzgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach die Anführung einer (vermeintlich) unzuständigen Abgabenbehörde nicht zum Verlust der Rechtsqualität einer Erledigung als Bescheid führe. Ein von einer unzuständigen Behörde erlassener Bescheid sei vielmehr als rechtswidrig aufzuheben.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

14 Die Revision ist zulässig und begründet.

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen Bescheide, die in einem Abgabenverfahren ergehen (ebenso wie Bescheide im Verfahren nach dem AVG) bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, damit sie wirksam werden. Zu diesen Anforderungen zählt neben der Erkennbarkeit des Bescheidadressaten und dem normativen Abspruch insbesondere die Erkennbarkeit der bescheiderlassenden Behörde (vgl. , mwN).

16 Gemäß § 96 Abs. 1 BAO müssen schriftliche Erledigungen der Abgabenbehörden u.a. die Bezeichnung der Behörde enthalten.

17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde Rechnung getragen, wenn - nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstückes - erkennbar ist, von welcher Behörde die Erledigung erlassen wurde (vgl. , mwN). Ob und welcher Behörde eine Erledigung zuzurechnen ist, ist somit anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, des Spruches und seiner Einleitung, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung zu beurteilen (vgl. , mwN).

18 Fehlt die Bezeichnung der Behörde und enthält die Ausfertigung keinerlei Anhaltspunkte dafür, von welcher Behörde die Erledigung ausgeht, so liegt keine wirksame amtliche Erledigung vor (vgl. , mwN).

19 Ob die konkrete Behörde für die Erlassung des Bescheides zuständig ist, ist hingegen für dessen Gültigkeit irrelevant (vgl. , mwN).

20 Der verfahrensgegenständliche Bescheid betreffend Vorschreibung der Kraftfahrzeugsteuer weist - wie das Bundesfinanzgericht selbst festgestellt hat - als bescheiderlassende Behörde das Finanzamt Graz-Stadt aus. Ob dem Bescheid in irgendeiner Weise die Mitwirkung der Finanzpolizei entnehmbar ist, ist für dessen Wirksamkeit ohne Bedeutung (vgl. erneut ).

21 Der angefochtene Beschluss erweist sich daher schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen.

22 Für das fortgesetzte Verfahren wird - in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG - auf die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/15/0052, getätigten Ausführungen zur Frage der behördeninternen Approbationsbefugnis verwiesen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021160039.L00

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