VwGH vom 23.11.2022, Ra 2021/15/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Salzburg-Land in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100498/2020, betreffend Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides (mitbeteiligte Partei: H GmbH in H, vertreten durch die Schmitt & Schmitt Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H. in 1030 Wien, Strohgasse 25), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1Auf dem Grundstück der mitbeteiligten Partei hat das Finanzamt ein Pfandrecht vormerken lassen. Dafür sind Gebühren in Höhe von 19.586 € angefallen. Da die Mitbeteiligte das Grundstück veräußern wollte, forderte das Finanzamt die Entrichtung der aushaftenden Abgabenschuld und die Begleichung der Gebühr. Der Notar zahlte den Gesamtbetrag (Abgabenschuld und Gebühr) auf das Abgabenkonto ein.
2Mit Eingabe vom stellte die Mitbeteiligte einen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO. Begründend wurde ausgeführt, dass mit Buchungstag das Abgabenkonto der Mitbeteiligten unter dem Titel „Umbuchung/Finanzverwahrnisse“ mit einem Betrag von 19.586 € belastet worden sei. Über die Vorschreibung dieses Betrages sei nicht mit Bescheid abgesprochen worden; es fehle auch sonst an der Rechtsgrundlage für die Belastung des Abgabekontos. Es werde daher ersucht, die Belastung des Abgabenkontos zu stornieren, und es werde der Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO gestellt, in dem über die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Buchung abzusprechen sei.
3Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde gemäß § 216 BAO festgestellt, dass die Verrechnung rechtmäßig erfolgt sei. In der Begründung wurde ausgeführt, dass auf einer näher bezeichneten Liegenschaft der Mitbeteiligten zugunsten des Finanzamtes ein erstrangiges Pfandrecht über 1,626.968,61 € vorgemerkt worden sei. Im Zuge des Verkaufes dieser Liegenschaft habe der hierfür bestellte Vertreter der Mitbeteiligten mit dem Ersuchen um Lastenfreistellung mit dem Finanzamt Kontakt aufgenommen. Ihm gegenüber habe das Finanzamt seinen nach ABGB bestehenden Anspruch auf Ersatz der Kosten, welche anlässlich des Grundbuchgesuchs im Betrag von 19.586 € von der Abgabenbehörde an das Gericht bezahlt worden seien, geltend gemacht. Der Vertreter in der Grundbuchsache der Mitbeteiligten habe 1,646.554,61 € in einer Summe ohne Angabe eines besonderen Verwendungszwecks auf dem Zahlschein überwiesen. Da der Überweisung keine Aufteilung beigefügt gewesen sei, sei die Gesamtsumme zur Gänze auf dem Abgabenkonto zu verbuchen gewesen. Mit der Umbuchung vom sei der Betrag schließlich - korrekt - in Pfandrechtsablöse und Kostenersatz zu teilen gewesen, indem der am Abgabenkonto gebuchte Betrag von 19.586 € belastet und vom Finanzamt vereinnahmt worden sei. Dieser Vorgang sei aufgrund der Gebarungsvorschriften in der BAO zwingend in dieser Form auszuführen und stelle daher auch keine Abgabenvorschreibung dar. Die in Rede stehenden Kosten seien nicht mit Bescheid festzusetzen, weil es sich um keine Abgaben im Sinne der Bundesabgabenordnung handle und sie somit dem Abgabenkonto der Revisionswerberin auch nicht anzulasten seien. Dementsprechend sei aber auch die Zahlung zum Ersatz dieser Kosten nicht auf das Abgabenkonto der Mitbeteiligten zu buchen.
4Gegen diesen Abrechnungsbescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde, in der die Rechtmäßigkeit der Umbuchung sowie die Kostenbelastung dem Grunde nach bestritten wurden. Die Mitbeteiligte führte aus, die Pfandrechtsvormerkung sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen. Die Mitbeteiligte sei daher zur Begleichung der Gebühr nicht verpflichtet. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte die Mitbeteiligte einen Vorlageantrag.
5Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und änderte den Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend ab, dass die Buchung vom , mit der das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin mit 19.586 € belastet wurde, zu Unrecht erfolgte.
6Begründend führte es aus, aus § 214 Abs. 1 BAO ergebe sich, dass Zahlungen und sonstige Gutschriften auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen seien. Unstrittig sei, dass es sich bei dem am auf das Abgabenkonto gebuchten Betrag von 19.586 € (Lastschrift) um Grundbuchskosten, somit um zivilrechtliche Ansprüche handle. Strittig sei, ob diese Kosten auf dem Abgabenkonto verbucht werden dürften, um den Zahlungsbetrag in Pfandrechtsablöse und Kostenersatz zu teilen. Den auf dem Abgabenkonto verbuchten Grundbuchskosten liege kein Abgabenbescheid bzw. keine abgabenrechtliche Kostenvorschreibung zugrunde. Damit stehe fest, dass zivilrechtliche Ansprüche, wie hier Grundbuchskosten, welche keine Abgaben darstellten, nicht als Lastschrift auf dem Abgabenkonto verbucht/belastet werden könnten. Die Überweisung von 1,646.554,61 € stelle eine Saldozahlung dar, die seitens der Mitbeteiligten nicht aufgegliedert worden sei und für die keine Verrechnungsweisung (letzteres sei gemäß § 214 Abs. 4 BAO nur für Abgaben möglich) erteilt worden sei. Dazu sei darauf hinzuweisen, dass auch sonstige Saldozahlungen, selbst wenn der Zweck der Zahlung eindeutig betragsmäßig feststellbar sei, bei Vorliegen anderer älterer Abgabensprüche, nicht auf die gewollten Abgaben verrechnet werden könnten.
7Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zunächst in der Sachverhaltsschilderung anführt, im Zeitpunkt der Verbuchung der Einzahlung sei auf dem Konto der Mitbeteiligten ein Betrag in Höhe von 5.584,48 € an aushaftenden Abgaben, die nicht von der Pfandrechtsvormerkung betroffen gewesen seien, gebucht gewesen. Nach Verbuchung der Einzahlung sei daher auf dem Abgabenkonto ein Guthaben in Höhe von 14.001,72 € verblieben. Durch die Umbuchung des Betrages von 19.586 € sei auf dem Abgabenkonto wieder der Betrag von 5.584,48 € aushaftend gewesen. Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, das Bundesfinanzgericht sei davon abgewichen, dass nach herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung eine Buchung, die der Rechtslage oder den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspreche, nicht zur Erfüllung eines Tilgungstatbestandes im Sinne des § 211 BAO führe. Das Finanzamt habe eine der Rechtslage oder den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprechende Buchung von Amts wegen richtig zu stellen. Jener Teil der Überweisung, mit dem die Grundbuchskosten, welche weder Abgaben noch Abgabennebenansprüche im Sinne des § 3 BAO seien, getilgt hätte werden sollen, sei ohne adäquaten Titel und ohne schuldrechtlichen Grund einer Abgabenentrichtung auf dem Abgabenkonto als Gutschrift verbucht worden. Das Finanzamt sei zur Korrekturbuchung zwecks Herstellung der Rechtsrichtigkeit der Gebarungsverrechnung verpflichtet gewesen.
8Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der keine Kosten beantragt wurden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9Die Revision macht geltend, das Finanzamt sei zur Umbuchung deshalb berechtigt und sogar verpflichtet gewesen, weil es eine der Rechtslage oder den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprechende Buchung von Amts wegen richtig zu stellen gehabt habe.
10Dabei übersieht die Revision, dass die Einzahlung des Betrages in Höhe von 1,646.554,61 € auf das Abgabenkonto der Mitbeteiligten eine Zahlung ohne spezielle Verwendungswidmung darstellte, die folglich gemäß § 214 Abs. 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen war. Eine nicht der Rechtslage oder den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Buchung lag daher nicht vor. Auch eine unmittelbare Verwendung des auf dem Abgabenkonto bestehenden Guthabens im Sinne des § 215 Abs. 1 oder 2 BAO war nicht möglich, weil es sich bei den Grundbuchskosten um keine Abgabenschuldigkeiten handelte.
11Die revisionsgegenständlichen Grundbuchskosten stellen auch keine Vollstreckungskosten im Sinne des § 26 AbgEO dar, weil die Pfandrechtsvormerkung nicht in einem abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahren vorgenommen wurde (§ 3 Abs. 3 Satz 1 iVm § 3 Abs. 2 AbgEO; vgl Liebig, Die Abgabenexekutionsordnung2, § 26 AbgEO, Tz 14).
12Gemäß § 1438 ABGB kann eine Aufrechnung von Forderungen erfolgen, wenn diese richtig, gleichartig, und so beschaffen sind, dass eine Sache, die dem Einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem Andern entrichtet werden kann. Auch die Abgabenbehörden des Bundes sind berechtigt, eine Forderung des Bundes gegenüber einem Abgabepflichtigen aus Abgabenguthaben gegen den Bund gemäß § 1438 ABGB aufzurechnen (vgl. ; vgl. auch Stoll, BAO-Kommentar, 2481 f).
13Im Übrigen wurde durch das AbgÄG 2020, BGBl I 2019/91, in § 214 BAO der Abs. 9 mit folgendem Wortlaut eingefügt:
„(9) Unbeschadet der Vorschriften in den Abs. 1 bis 8 kann eine Aufrechnung (§ 1438 ff ABGB) von Forderungen der Abgabenbehörden mit Gegenforderungen des Schuldners mit Bescheid verfügt werden.“
14Die Erläuterungen zum Initiativantrag 983/A 26. GP 52 betreffend das AbgÄG 2020 führen aus, diese Bestimmung solle die „Zulässigkeit einer bescheidmäßigen Aufrechnungserklärung“ in Fällen normieren, in denen einer Forderung einer Abgabenbehörde eine Gegenforderung des Schuldners gegenübersteht.
15Für die Aufrechnung war vor der Erlassung des AbgÄG 2020 ein Bescheid nicht erforderlich; aber auch seit dem Inkrafttreten des § 214 Abs. 9 BAO ist eine Aufrechnung weiterhin auch ohne die Erlassung eines Bescheides möglich (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 214 Rz 41; Ellinger ua BAO3 § 214 Rz 59).
16Zu den Voraussetzungen für die Aufrechnung gehören, dass ein Guthaben des Abgabepflichtigen auf seinem Abgabenkonto besteht, mit dem aufgerechnet werden kann, und dass das Finanzamt eine - zumindest konkludente - Aufrechnungserklärung abgibt.
17Ein Guthaben bestand - da durch die Verbuchung der Einzahlung auf dem Abgabenkonto auch eine nicht von der Pfandrechtsbegründung betroffene aushaftende Schuld getilgt wurde - nur hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 14.001,72 €. Mit diesem Guthaben hätte - unter den Bedingungen des § 1438 ABGB - grundsätzlich eine Aufrechnung der Schuld erfolgen können. Ob (bereits) in der Umbuchung der Abgabenschuld vom Abgabenkonto der Mitbeteiligten eine konkludente Aufrechnungserklärung zu erblicken war (vgl. Dullinger in Rummel, ABGB3, § 1438 ABGB, Rz 12; Heidinger in Schwimann/Kodek, § 1438 ABGB, Rz 13), kann im Revisionsfall dahinstehen, weil die Revision gar nicht geltend macht, dass das Finanzamt eine Aufrechnung im Sinne des § 1438 ABGB vornehmen wollte, sondern nur - wie dargelegt unzutreffenderweise - in der Verbuchung der kompletten Saldozahlung von 1,646.554,61 € auf dem Abgabenkonto eine nicht der Rechtslage bzw. den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Buchung erblickt.
18Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150016.L00 |
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