VwGH vom 19.07.2023, Ra 2021/12/0078
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die Revision der Mag. D D in L, vertreten durch Heinzle Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W259 2240657-1/4E, betreffend Ermahnung gemäß § 109 Abs. 2 BDG 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bildungsdirektion für Vorarlberg), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Die Revisionswerberin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom wurde verfügt, die Revisionswerberin habe sich auf Grund des Verdachtes einer Ansteckung mit dem 2019-nCoV („2019 neuartiges Coronavirus“), im Zeitraum vom 2. bis einschließlich ausschließlich am Wohnsitz aufzuhalten.
3Mit Schreiben vom teilte die Bildungsdirektion für Vorarlberg der Revisionswerberin mit, sie habe, um an der konstituierenden Gemeindevertretungssitzung in L teilzunehmen, gegen den aufrechten und ihr zugestellten Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom verstoßen. Damit habe sie ein Verhalten gesetzt, das geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben zu erschüttern (§ 43 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979). Seitens der Bildungsdirektion für Vorarlberg als Dienstbehörde werde der Revisionswerberin auf Grund dieser Verletzung von Dienstpflichten eine schriftliche Ermahnung erteilt. Von einer Disziplinaranzeige an die Bundesdisziplinarbehörde werde gemäß § 109 Abs. 2 BDG 1979 Abstand genommen.
4Mit Antrag vom begehrte die Revisionswerberin, die Rechtswidrigkeit der im Schreiben vom der Bildungsdirektion für Vorarlberg gegen sie ausgesprochenen Ermahnung wegen Verletzung von Dienstpflichten mittels Bescheides festzustellen. Sie brachte zusammengefasst vor, sie habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die ihr gegenüber ausgesprochene Ermahnung rechtswidrig sei, um zu verhindern, dass ihr in den der Zustellung des Schreibens folgenden drei Jahren nach der hier anwendbaren Rechtslage mögliche dienstrechtliche Nachteile erwüchsen. Der Feststellungsantrag sei daher zulässig. Im Weiteren begründete die Revisionswerberin, weshalb ihrer Ansicht nach eine Dienstpflichtverletzung nicht vorliege.
5Mit Bescheid vom wies die Bildungsdirektion für Vorarlberg diesen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides als unzulässig zurück.
6Begründend wurde ausgeführt, nach übereinstimmender Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts komme einer Ermahnung im Sinne des § 109 Abs. 2 BDG 1979 ein normativer Inhalt nicht zu. Die Ermahnung sei nicht als Bescheid zu erlassen, ihr komme auch keine Rechtskraftwirkung zu. Sie könne auch vor dem Hintergrund der Rechtslage nicht als Bescheid gewertet werden. Dem Betroffenen stehe dagegen kein Rechtsmittel zu. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass für den Beamten gemäß § 111 Abs. 1 BDG 1979 das Recht bestehe, bei seiner Dienstbehörde schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen, um eine Entscheidung in der Sache zu bewirken.
7Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
8Begründend wurde ausgeführt, zutreffend gehe die belangte Behörde davon aus, dass die mit formlosem Schreiben vom ausgesprochene Ermahnung kein Bescheid sei. Das Schreiben weise nicht die förmliche Gliederung als Bescheid auf und könne vor dem Hintergrund der Rechtslage nach seinem Inhalt auch nicht als Bescheid gewertet werden. Dies werde von der Revisionswerberin auch nicht bestritten.
9Es sei daher zu prüfen, ob ein rechtliches Interesse der Revisionswerberin an der Erlassung eines Feststellungsbescheides darüber bestehe, ob die Ermahnung vom rechtswidrig sei.
10Vor dem Inkrafttreten des § 109 Abs. 2 BDG 1979 idF der 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61, sei dem Beamten im Zusammenhang mit der Ermahnung nach der Rechtsprechung keine Rechtsschutzmöglichkeit eingeräumt gewesen: Eine Ermahnung habe (auf Grund eines Größenschlusses aus § 121 Abs. 1 BDG 1979) zu keinen dienstrechtlichen Nachteilen des Beamten führen dürfen. Es habe auch keine ausdrückliche gesetzliche Anordnung bestanden, die an eine Ermahnung solche Rechtsfolgen geknüpft habe. Mangels Rechtsschutzbedürfnisses habe ein Beamter die gesetzgeberische Wertung, einen derartigen Rechtsschutz für bloße Bagatellfälle (in denen eine Ermahnung nach der Absicht des Gesetzgebers in Betracht gekommen sei) nicht vorzusehen, nicht dadurch unterlaufen können, dass er über die Frage, ob eine Ermahnung aus berechtigtem Grund erteilt worden sei oder nicht, die Durchführung eines Feststellungsverfahrens veranlasse (Hinweis auf ).
11In der gegenständlichen Beschwerdesache sei der Revisionswerberin darin beizupflichten, dass diese (alte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegendenfalls nicht anzuwenden sei. Denn gemäß § 109 Abs. 2 BDG 1979 in der geltenden Fassung dürfe nach Ablauf von drei Jahren ab Mitteilung an die Beamtin oder den Beamten eine Belehrung oder Ermahnung zu keinen dienstlichen Nachteilen führen; es seien die Aufzeichnungen über die Belehrung oder Ermahnung zu vernichten, wenn die Beamtin oder der Beamte in diesem Zeitraum keine weitere Dienstpflichtverletzung begangen habe. Es sei somit eine zukünftige Rechtsgefährdung gegeben, weil die Ermahnung innerhalb von drei Jahren ab Mitteilung der Ermahnung zu dienstlichen Nachteilen führen könne.
12In diesem Zusammenhang sei jedoch festzuhalten, dass das rechtliche Interesse an der Feststellung dann nicht bestehe, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens zu entscheiden sei. Zu anderen Verfahren, in denen die maßgebende Rechtsfrage geklärt werden könne, gehörten auch Disziplinarverfahren oder gerichtliche Verfahren (gemeint: Verfahren vor den ordentlichen Gerichten).
13Die belangte Behörde weise vor diesem Hintergrund in ihrem Bescheid darauf hin, dass gemäß § 111 Abs. 1 BDG 1979 für den Beamten das Recht bestehe, bei seiner Dienstbehörde schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen, um eine Entscheidung in der Sache zu bewirken. Die Selbstanzeige enthalte in der Regel kein Schuldeingeständnis des Beamten, sondern werde diesem die Möglichkeit gegeben, durch Anrufung der Disziplinarkommission wahrheitswidrigen Behauptungen, er habe eine Dienstpflichtverletzung begangen, entgegen zu treten. Zu diesem Rechtsbehelf werde er dann greifen, wenn die Dienstbehörde nichts tue, um den Betroffenen von einem solchen Verdacht zu befreien. Bei dem Rechtsinstitut der Selbstanzeige handle es sich um eine besondere (spezielle) disziplinäre Rechtsschutzmöglichkeit, die vergleichsweise im Strafverfahrensrecht keine Entsprechung finde. Sehe der Dienstvorgesetzte im Rahmen des Opportunitätsprinzips von einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde ab und verhänge er bloß eine Ermahnung, so stehe dem Betroffenen dagegen kein Rechtsmittel zu. In einem solchen Falle bestehe einerseits die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde an den nächsthöheren Dienstvorgesetzten zu wenden, andererseits habe der betroffene Beamte das Recht, bei seiner Dienstbehörde schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen. Solcherart zeige sich als wichtigste Wirkung der nicht disziplinären Natur der missbilligenden Ermahnung, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ nicht gelte und die Ermahnung den materiellen Disziplinierungsanspruch der Dienstbehörde nicht verbrauche. Daher sei die Zulässigkeit des beantragten Feststellungsbescheides zu verneinen, nachdem die Beschwerdeführerin die gegenständliche Rechtsfrage durch das Einleiten eines Disziplinarverfahrens gemäß § 111 BDG 1979 klären lassen könne.
14Der Vollständigkeit halber werde festgehalten, dass eine Ermahnung im Sinne des § 109 Abs. 2 BDG 1979 keine Disziplinarstrafe sei, sondern ein als Ausfluss des verfassungsgesetzlich normierten Weisungsrechtes dem Dienstvorgesetzten jederzeit zustehendes personalpolitisches Führungsmittel. Dies bedeute nicht zwingend, dass die Erteilung der Ermahnung in Form einer Weisung zu erfolgen habe, sondern bringe nur zum Ausdruck, dass Ermahnungen in jenem Bereich zulässig seien, in dem auch Weisungen erteilt werden könnten und sie insoweit Teil der mit der Stellung als Vorgesetzter verbundenen Leitungs- und Führungsgewalt (unter Hinweis auf Art. 20 Abs. 1 B-VG) seien. Die der Revisionswerberin erteilte Ermahnung sei nach ihrem Inhalt jedoch nicht als Weisung anzusehen, weil sie ihr keine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, was für eine Weisung nach § 44 BDG 1979 typisch wäre, auferlege, sondern sich darauf beschränke, ein bestimmtes von ihr gesetztes in der Vergangenheit liegendes Verhalten als Dienstpflichtverletzung zu werten. Dass damit eine Weisung für die Zukunft verbunden worden sei, sei der Ermahnung nicht zu entnehmen. Der Antrag der Revisionswerberin auf Erlassung eines Feststellungsbescheides sei somit zu Recht zurückgewiesen worden, nachdem ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf nicht zulässig sei. Die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage sei im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens zu entscheiden.
15Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis dahin abändern, dass der Bescheid der Bildungsdirektion für Vorarlberg vom in Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde dahin abgeändert werde, dass dem Antrag auf Feststellung stattgegeben und die Rechtswidrigkeit der gegenüber der Revisionswerberin ausgesprochenen Ermahnung wegen Verletzung von Dienstpflichten festgestellt werde. In eventu möge das angefochtene Erkenntnis aufgehoben werden.
16Die Bildungsdirektion für Vorarlberg erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision zurück-, in eventu als unbegründet abweisen.
17In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird ausgeführt, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob nach Inkrafttreten des § 109 Abs. 2 BDG 1979 idF BGBl. I Nr. 61/1997 die Rechtmäßigkeit einer Ermahnung zum Gegenstand eines Feststellungsbescheids gemacht werden könne. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2004/12/0032, habe diese Frage ausdrücklich offengelassen. Seit Inkrafttreten der genannten Bestimmung habe sich die Situation entscheidend geändert, denn nach der dadurch geschaffenen neuen Rechtslage könne die Ermahnung innerhalb von drei Jahren ab Mitteilung an die Beamtin oder den Beamten zu dienstlichen Nachteilen führen. Die Aufzeichnungen darüber seien drei Jahre aufzubewahren, im Falle einer weiteren Dienstpflichtverletzung in diesem Zeitraum auch darüber hinaus.
18Weiters mangle es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der im angefochtenen Erkenntnis vertretenen Rechtsauffassung, die Möglichkeit, gemäß § 111 Abs. 1 BDG 1979 die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen, stelle ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren dar, die Rechtsfrage, ob die Ermahnung zu Recht ausgesprochen worden sei, zu klären, weshalb das rechtliche Interesse an einer Feststellung der Rechtmäßigkeit der Ermahnung zu verneinen sei.
19Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt. Sie ist auch berechtigt.
20Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 gebildeten Senat erwogen:
21§ 109 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, Abs. 2 in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2015 - Dienstrechts-Novelle 2015, lautet:
„Disziplinaranzeige
§ 109. (1) Der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) hat bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft jeder Erhebung zu enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß § 84 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631, vorzugehen.
(2) Von einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde ist abzusehen, wenn nach Ansicht des Dienstvorgesetzten eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht. Diese ist dem Beamten nachweislich mitzuteilen. Eine Ermahnung oder Belehrung darf nach Ablauf von drei Jahren ab Mitteilung an den Beamten zu keinen dienstlichen Nachteilen führen und sind die Aufzeichnungen über die Belehrung oder Ermahnung zu vernichten, wenn die Beamtin oder der Beamte in diesem Zeitraum keine weitere Dienstpflichtverletzung begangen hat. Die Beamtin oder der Beamte ist von der Vernichtung der Aufzeichnungen nachweislich zu verständigen.
(3) Die Dienstbehörde hat, sofern es sich nicht um eine Selbstanzeige handelt, eine Abschrift der Disziplinaranzeige unverzüglich dem Beschuldigten zuzustellen.“
22Vor Inkrafttreten der 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61, lautete § 109 Abs. 2 BDG 1979 folgendermaßen:
„(2) Von einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde ist abzusehen, wenn nach Ansicht des Dienstvorgesetzten eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht.“
23Der Umstand, dass eine Ermahnung nicht mittels Bescheides zu erteilen ist, hindert nicht von Vornherein die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Der Verwaltungsgerichtshof spricht in ständiger Rechtsprechung aus, dass bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Erlassung eines Feststellungsbescheides auch in Bezug auf Weisungen (Dienstaufträge) ein rechtliches Interesse an der Erlassung eines Feststellungsbescheides zu bejahen ist. Gegenstand eines solchen Feststellungsverfahrens kann einerseits die Frage sein, ob die Befolgung einer Weisung zu den Dienstpflichten des Beamten gehört, das heißt, ob er verpflichtet ist, diese Weisung zu befolgen. Andererseits kann Gegenstand eines Feststellungsverfahrens auch die „schlichte“ Rechtswidrigkeit der Weisung sein, also eine solche, die die Pflicht zu ihrer Befolgung nicht berührt; ein Recht auf eine solche bescheidförmige Feststellung der Rechtmäßigkeit von Dienstaufträgen besteht jedoch bloß dann, wenn durch einen Dienstauftrag die Rechtssphäre des Beamten berührt wird (vgl. etwa , mwN).
24Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt, oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse rechtfertigt nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. etwa , mwN).
25Zutreffend ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass gemäß der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 65/2015 des § 109 Abs. 2 BDG 1979 eine Rechtsgefährdung des Beamten durch Erteilung einer Ermahnung darin liegt, dass erst nach Ablauf von drei Jahren ab Mitteilung an die Beamtin oder den Beamten eine Ermahnung zu keinen dienstlichen Nachteilen führen darf. Ob nach dem Wortlaut der hier anwendbaren Fassung des § 109 Abs. 2 BDG 1979 auch noch dienstliche Nachteile beim Beamten eintreten dürfen, wenn er in den drei Jahren eine weitere Dienstpflichtverletzung begangen hat, wie in den Gesetzesmaterialien zu § 109 Abs. 2 BDG 1979 idF BGBl. I Nr. 65/2015 ausgeführt wird (25. GP RV 585 S. 2), muss im vorliegenden Revisionsfall nicht geklärt werden. „Dienstliche Nachteile“ sind Nachteile, die den Dienst betreffen und umfassen somit jedenfalls auch dienstrechtliche Nachteile.
26Das Bundesverwaltungsgericht vertrat weiters die Rechtsansicht, dass ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf betreffend die Ermahnung nicht zulässig sei, weil die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens, nämlich des über Selbstanzeige eingeleiteten Disziplinarverfahrens entschieden werden könne.
27Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das BDG 1979 von einem abgestuften Verfahren ausgeht, dessen erster Schritt grundsätzlich beim Dienstvorgesetzten liegt, der im Rahmen der ihn treffenden Verpflichtung zur Dienstaufsicht Vorerhebungen vorzunehmen und dann zu entscheiden hat, ob eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht, oder ob die Dienstbehörde zu befassen ist; bei diesen im Vorfeld eines Disziplinarverfahrens zu treffenden Maßnahmen handelt es sich noch nicht um ein förmliches Disziplinarverfahren. Erst mit der Erstattung der Disziplinaranzeige bzw. Selbstanzeige nach § 111 BDG 1979 bei der Dienstbehörde beginnt das dienstbehördliche Disziplinarverfahren, auf das die in § 105 BDG 1979 genannten Verfahrensregeln anzuwenden sind (vgl. ). Die Ermahnung ist auch keine Disziplinarstrafe (vgl. § 92 BDG 1979).
28Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage vor der Dienstrechts-Novelle 2015, nach der eine Ermahnung zu keinen dienstrechtlichen Nachteilen des Beamten führen durfte, ausgesprochen, dass sich als wichtigste Wirkung der nicht disziplinären Natur der missbilligenden Ermahnung zeigt, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ nicht gilt und die Ermahnung den materiellen Disziplinierungsanspruch der Dienstbehörde nicht verbraucht (vgl. ). Diese Rechtsansicht kann für die hier anwendbare Rechtslage, mit der in § 109 Abs. 2 BDG 1979 das Erleiden von dienstlichen Nachteilen für den Beamten ab Mitteilung der Ermahnung jedenfalls für drei Jahre nicht ausgeschlossen wird, nicht aufrechterhalten werden. Gemäß § 121 Abs. 1 BDG 1979 darf nämlich eine Dienstpflichtverletzung über eine Disziplinarstrafe hinaus zu keinen dienstrechtlichen Nachteilen führen. Wurde somit bereits eine Ermahnung wegen einer Dienstpflichtverletzung erteilt, verbleibt für die zusätzliche Verhängung einer Disziplinarstrafe in derselben Sache kein Raum. Schon aus diesem Grund ist ein über Selbstanzeige gemäß § 111 BDG 1979 eingeleitetes Disziplinarverfahren kein Verfahren, in dem die Rechtsfrage zu klären ist, ob eine Dienstpflichtverletzung vorliegt, die eine Ermahnung rechtfertigt. Ein anderes Verfahren, in dem diese Frage zu klären wäre, wurde vom Verwaltungsgericht nicht genannt und ist auch nicht ersichtlich.
29Da somit die Voraussetzungen zur Erlassung eines Feststellungsbescheides vorliegen, wäre der Antrag der Revisionswerberin auf Erlassung eines Feststellungsbescheides vom nicht zurückzuweisen gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher den vor ihm bekämpften Zurückweisungsbescheid vom ersatzlos aufheben und der Bildungsdirektion für Vorarlberg die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auftragen müssen. Weil das Bundesverwaltungsgericht insofern die Rechtslage verkannte, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
30Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021120078.L00 |
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