VwGH vom 13.09.2022, Ra 2021/11/0046
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M B in M (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zlen. 1. LVwG-302021/19/BMa/GSc und 2. LVwG-302022/19/BMa/GSc, jeweils betreffend Übertretungen des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird insoweit stattgegeben, als die angefochtenen Erkenntnisse in ihren Strafaussprüchen dahingehend abgeändert werden, dass die mit ihnen und mit den ihnen zugrundeliegenden Straferkenntnissen jeweils verhängten Ersatzfreiheitsstrafen entfallen. Im Übrigen wird die Revision abgewiesen.
Der Bund hat dem Revisionswerber jeweils Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40, insgesamt somit € 2.692,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Nach im Umfang der Straf- und Kostenaussprüche erfolgter Aufhebung der in der gegenständlichen Angelegenheit ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vom durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , E 3530-3531-10, wurde im fortgesetzten Verfahren mit den (nur noch die Straf- und Kostenfrage betreffenden) angefochtenen Erkenntnissen der Beschwerde des Revisionswerbers gegen zwei Straferkenntnisse der belangten Behörde, jeweils vom , insoweit stattgegeben, als die mit diesen Straferkenntnissen über den Revisionswerber aufgrund von im Jahr 2017 begangenen Übertretungen der §§ 22 Abs. 1 iVm. 28 Z 1 sowie der §§ 19 iVm. 26 Abs. 1 Z 1 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) pro Arbeitnehmer verhängten Geldstrafen durch jeweils eine Gesamtgeldstrafe in der Höhe von € 6.500,-- bzw. von € 1.500,-- sowie jeweils eine (Gesamt-)Ersatzfreiheitsstrafe ersetzt wurden. Weiters setzte das Verwaltungsgericht jeweils entsprechend der von ihm bemessenen Gesamtgeldstrafe den vom Revisionswerber zu entrichtenden Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens fest und sprach jeweils aus, der Revisionswerber habe keinen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu leisten. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde jeweils für unzulässig erklärt.
2Gegen diese Erkenntnisse erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Erkenntnis vom , E 2419/2020-5, ablehnte und diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom , E 2419/2020-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
3Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit u.a. vor, das Verwaltungsgericht habe abweichend von der hg. Judikatur und in Verkennung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom , Maksimovic u.a., C-64/18 ua., Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.
4Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5Im Hinblick auf das dargestellte Zulässigkeitsvorbringen erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt.
6Der Revisionsfall gleicht hinsichtlich der wesentlichen Gesichtspunkte jenem Ausgangsverfahren, über das mit hg. Erkenntnis vom , Ra 2020/11/0164 bis 0166, entschieden wurde. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird somit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des zitierten hg. Erkenntnisses verwiesen.
7Auch vorliegend entsprechen die angefochtenen Erkenntnisse den - im Revisionsfall auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden (vgl. 72 Abs. 10 letzter Satz der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021) - §§ 26 und 28 LSD-BG idF BGBl. I Nr. 174/2021 insofern, als jeweils nur eine Gesamtgeldstrafe ohne Abstellen auf eine Mindeststrafe verhängt wurde. Dennoch erweisen sich die Strafaussprüche der angefochtenen Erkenntnisse als rechtswidrig, weil das infolge des Maksimovic ua., in den Tatzeitpunkten maßgebliche Recht iSd. § 1 Abs. 2 VStG - aufgrund der sich aus dem zitierten Urteil ergebenden Unanwendbarkeit einzelner Bestimmungen des nationalen Rechts (u.a. des § 16 VStG, vgl. dazu , 0034, Rn 31 und 33) - bei sogenannten „Formaldelikten“ nicht die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen erlaubte und das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht iSd. § 1 Abs. 2 VStG insofern jedenfalls nicht günstiger ist. Die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen hatte daher zu unterbleiben.
8Somit erweisen sich die angefochtenen Erkenntnisse, soweit mit ihnen Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden, als inhaltlich rechtswidrig. Sie waren daher insoweit gemäß § 42 Abs. 4 VwGG abzuändern.
9Soweit sich die Revision hingegen gegen die Bemessung der Geldstrafe bzw. die Nichtanwendung des § 20 VStG wendet, gelingt es ihr nicht darzulegen, dass die verwaltungsgerichtliche Strafbemessung und die Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 20 VStG im Revisionsfall zu beanstanden wären. Hinsichtlich des im angefochtenen Erkenntnisses erfolgten Kostenausspruchs ist eine Rechtsverletzung ebenfalls nicht ersichtlich. Folglich war die Revision im Übrigen (Betreffend die Bemessung der Geldstrafe und den Kostenausspruch des Verwaltungsgerichts) abzuweisen.
10Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110046.L00 |
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