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VwGH vom 02.02.2023, Ra 2021/10/0145

VwGH vom 02.02.2023, Ra 2021/10/0145

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision des Vizerektors für Studium und Lehre der Technischen Universität Wien gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W129 2243892-1/2E, betreffend Aufhebung und Zurückverweisung i.A. des Universitätsgesetzes 2002 (mitbeteiligte Partei: A T in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

11.1. Mit Bescheid des Vizerektors für Studium und Lehre der Technischen Universität Wien - des nunmehrigen Revisionswerbers - vom wurde der Mitbeteiligte, welcher - nach seinem Zulassungsansuchen - aufgrund seines an der Hochschule D absolvierten Bachelorstudiums „Architektur“ über den akademischen Grad „Bachelor of Engineering“ verfügt, gemäß den §§ 60 Abs. 1, 63 Abs. 1 sowie 64 Abs. 3 und 65 Universitätsgesetz 2002 - UG unter Erteilung einer Auflage (nämlich der Verpflichtung zur Absolvierung näher genannter Lehrveranstaltungen/Prüfungen während des Masterstudiums) zum Masterstudium der Architektur an der Technischen Universität Wien (TU Wien) für das Sommersemester 2021 zugelassen.

2Zur Begründung nahm der Revisionswerber eine Gleichwertigkeitsprüfung des vom Mitbeteiligten absolvierten Bachelorstudiums vor und erachtete die gemäß § 64 Abs. 3 UG vorgeschriebenen Prüfungen als „zur Herstellung der vollen Gleichwertigkeit“ erforderlich.

31.2. Mit dem angefochtenen Beschluss vom hob das Bundesverwaltungsgericht diesen Bescheid infolge einer Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Revisionswerber zurück, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuließ.

4Begründend führte das Verwaltungsgericht im Kern aus, der Revisionswerber habe den Sachverhalt ausschließlich anhand des UG beurteilt, obwohl das Abkommen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich, BGBl. III Nr. 6/2004 (im Folgenden: Abkommen über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich), als lex specialis heranzuziehen sei. Demnach eröffne der akademische Grad des Mitbeteiligten diesem den Zugang zu dem angestrebten Masterstudium an der TU Wien, wenn er den Mitbeteiligten in Deutschland zu einem Masterstudium berechtige, das dem an der TU Wien angestrebten Studium entspreche (Hinweis auf ). Die belangte Behörde hätte somit ermitteln müssen, ob in Deutschland ein Masterstudium oder -studiengang existiere, der dem Masterstudium „Architektur“ an der TU Wien entspreche, und - sollte dies zu bejahen sein - ob der akademische Grad des Mitbeteiligten diesem den Zugang zu dem genannten Masterstudium bzw. -studiengang in Deutschland eröffne. Mangels Berücksichtigung des Abkommens über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich habe der Revisionswerber in diesem Punkt „jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen“ und die notwendigen Feststellungen nicht getroffen. Eine Prüfung nach den - fallbezogen subsidiären - Bestimmungen des UG sei erst dann erforderlich, wenn dem Mitbeteiligten nicht schon aufgrund des Abkommens über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich der Zugang zum Masterstudium „Architektur“ an der TU Wien eröffnet sei.

5Das Nachholen der notwendigen Ermittlungen durch das Verwaltungsgericht selbst erweise sich „angesichts der Notwendigkeit, die offenen Fragen mit dem [Mitbeteiligten] und den internen Fachvertreterinnen und -vertretern zu erörtern“, und „angesichts der hohen Expertise im akademischen Umfeld“ des Revisionswerbers auch nicht als rascher und kostensparender als „im Wege“ durch den Revisionswerber.

62. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision.

7Das Verwaltungsgericht hat die Verfahrensakten vorgelegt. Der Mitbeteiligte hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof weiteres Vorbringen erstattet und Unterlagen vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

83.1. Artikel 4 des Abkommens der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich, BGBl. III Nr. 6/2004, lautet auszugsweise:

Artikel 4

Hochschulgrade und akademische Grade im Sinne des Artikels 2 Absätze 1 und 2 sowie Zeugnisse über gleichrangige Staatsprüfungen eröffnen den Zugang zu einem weiterführenden beziehungsweise einem weiteren Studium oder zu Studien mit dem Ziel der Promotion im jeweils anderen Staat in dem Ausmaß, in dem dies im Herkunftsstaat möglich ist, gegebenenfalls nach weiterer Maßgabe der für die Hochschulen im Aufnahmestaat geltenden Regelungen. [...]

[...]“

3.2. Das Universitätsgesetz 2002 - UG, BGBl. I Nr. 120/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 93/2021, lautet auszugsweise:

Zulassung zum Studium

§ 60. (1) Das Rektorat hat Personen, welche die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, auf Grund ihres Antrages mit Bescheid zum jeweiligen Studium zuzulassen.

[...]

Zulassung zu ordentlichen Studien

§ 63. (1) Die Zulassung zu einem ordentlichen Studium setzt voraus:

1.die allgemeine Universitätsreife,

2.die besondere Universitätsreife für das gewählte Studium,

3.die für den erfolgreichen Studienfortgang notwendigen Kenntnisse der deutschen oder, wenn das Studium in englischer Sprache abgehalten wird, der englischen Sprache; für die Zulassung zu einem Doktoratsstudium die für den erfolgreichen Studienfortgang notwendigen Kenntnisse der Sprache, in welcher das Studium abgehalten wird,

4.die künstlerische Eignung für die Studien an den Universitäten gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 bis 21,

5.die sportliche Eignung für sportwissenschaftliche Studien und

6.für die Zulassung zu einem Bachelor- oder Diplomstudium, nach Maßgabe des Vorliegens einer Verordnung des Rektorats für einzelne oder sämtliche Bachelor- oder Diplomstudien, zu deren Zulassung keine besonderen Zugangsregelungen bestehen, den Nachweis, dass die Studienwerberin oder der Studienwerber ein Verfahren zur Eignungsüberprüfung durchlaufen hat. [...]

[...]

Allgemeine Universitätsreife

§ 64. [...]

(3) Die allgemeine Universitätsreife für die Zulassung zu einem Masterstudium ist durch den Abschluss eines fachlich in Frage kommenden Bachelorstudiums, eines anderen fachlich in Frage kommenden Studiums mindestens desselben hochschulischen Bildungsniveaus an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung oder eines im Curriculum des Masterstudiums definierten Studiums nachzuweisen. Zum Ausgleich wesentlicher fachlicher Unterschiede können Ergänzungsprüfungen vorgeschrieben werden, die bis zum Ende des zweiten Semesters des Masterstudiums abzulegen sind. Das Rektorat kann festlegen, welche dieser Ergänzungsprüfungen Voraussetzung für die Ablegung von im Curriculum des Masterstudiums vorgesehenen Prüfungen sind.

[...]“

94. In seinem Zulässigkeitsvorbringen bringt der Revisionswerber im Wesentlichen - unter konkreten Hinweisen auf hg. Rechtsprechung - vor, der angefochtene Beschluss weiche aus näher genannten Gründen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit einer Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ab.

105. Die Revision ist aus diesem Grund zulässig; sie erweist sich auch als begründet.

115.1. Nach der ständigen, vom hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063, ausgehenden hg. Rechtsprechung zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit einer Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stellt die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa , sowie aus der jüngsten Rechtsprechung , jeweils mwN).

12Die (grundsätzliche) Anwendbarkeit des Abkommens über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich auf den Revisionsfall wird vom Revisionswerber nicht bestritten. Das Verwaltungsgericht stützt seine Aufhebung zunächst darauf, dass der Revisionswerber in diesem Zusammenhang keine Ermittlungsschritte gesetzt habe.

13Den Verwaltungsakten ist tatsächlich nicht zu entnehmen, dass sich der Revisionswerber ausdrücklich mit dem Abkommen über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich auseinandergesetzt hätte. Art. 4 Abs. 1 dieses Abkommens normiert allerdings - schon seinem Wortlaut nach - auch die Relevanz allfälliger weiterer nationaler Regeln im aufnehmenden Staat (arg. „gegebenenfalls nach weiterer Maßgabe der für die Hochschulen im Aufnahmestaat geltenden Regelungen“). Derartige Regelungen sind im österreichischen Recht im UG (vgl. insbesondere § 64 Abs. 3 UG) festgelegt. Mit Blick darauf hat der Revisionswerber Ermittlungen angestellt und Feststellungen getroffen.

14Vor diesem Hintergrund trifft die dem angefochtenen Beschluss zunächst zugrunde gelegte Ansicht, der Revisionswerber habe jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen (vgl. dazu die in Rz 11 zitierte Rechtsprechung), nicht zu. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit iSd § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist (vgl. etwa , mwN).

155.2. Die vom Bundesverwaltungsgericht letztlich ins Treffen geführte „Notwendigkeit, die offenen Fragen gemeinsam mit dem [Mitbeteiligten] und den internen Fachvertreterinnen und -vertretern zu erörtern“, sowie der Hinweis auf die „hohe Expertise im akademischen Umfeld der belangten Behörde“ (des Revisionswerbers) vermögen die Aufhebung und Zurückverweisung nicht zu tragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits festgehalten, dass weder das Erfordernis der Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. etwa , mwN) noch eine erforderliche Befragung von Sachverständigen oder überhaupt die Notwendigkeit der Einholung (weiterer) Gutachten im Allgemeinen eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen (vgl. , mwN). Auch das (vom Verwaltungsgericht erkennbar ins Treffen geführte) Argument, die belangte Behörde sei als „Spezialbehörde“ eingerichtet, wurde von der hg. Rechtsprechung bereits wiederholt als untauglich angesehen, um eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu begründen (vgl. , mwN).

166. Nach dem Gesagten lagen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde durch das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht vor.

17Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021100145.L00

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Fundstelle(n):
HAAAA-78629