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VwGH vom 17.11.2022, Ra 2021/02/0014

VwGH vom 17.11.2022, Ra 2021/02/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision 1. des B in S und 2. der C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-002/094/11541/2019-24, betreffend Übertretungen des Wiener Wettengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien),

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des Spruchpunktes I., soweit dieser die Bestätigung des Strafausspruchs sowie die Maßgabe über den Ausspruch der Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG betrifft, im Umfang des Spruchpunktes II. über die Verpflichtung des Erstrevisionswerbers zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens, im Umfang des Spruchpunktes III. über die Verpflichtung des Erstrevisionswerbers zum Ersatz der Barauslagen gemäß § 52 Abs. 3 VwGVG sowie im Umfang des Spruchpunktes IV. über den Ausspruch der Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

und

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1Aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt ergibt sich, dass der Magistrat der Stadt Wien nach Durchführung einer Kontrolle einer Betriebsstätte nach dem Wiener Wettengesetz eine Aufforderung zur Rechtfertigung zunächst an den Geschäftsführer der zweitrevisionswerbenden Partei richtete und letztere auch Stellungnahmen abgab. Diese Schriftsätze wurden von den Rechtsanwälten, die auch im gegenständlichen Revisionsverfahren einschreiten, unter Berufung auf die ihnen erteilte Vollmacht erstattet. Laut Firmenbuchauszug sind die „C[...] S GmbH“ und die zweitrevisionswerbende Partei zwei unterschiedliche Gesellschaften.

2Mit dem Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde zu Spruchpunkt 1. dem Erstrevisionswerber als verantwortlichem Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG der zweitrevisionswerbenden Partei zur Last gelegt, dass diese am um 14 Uhr in einer näher genannten Betriebstätte, in der die zweitrevisionswerbende Partei die Tätigkeit als Wettunternehmerin durch acht Wettterminals und einen Wettannahmeschalter ausgeübt habe, insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz, wonach die Wettunternehmerin einer Betriebsstätte mit Wettterminals jedenfalls in geeigneter Weise dafür sorgen müsse, dass der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal und die Teilnahme an einer Wette nur volljährigen Personen ermöglicht werde, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises gemäß Abs. 1 nachgewiesen hätten und nicht gesperrt seien, nicht eingehalten habe, als sie keine geeigneten Maßnahmen getroffen habe, um den Zutritt zum Raum, in dem die Wettterminals aufgestellt gewesen seien, nur volljährigen Personen zu ermöglichen, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises gemäß Abs. 1 leg. cit. nachgewiesen hätten und nicht gesperrt seien, da bei Zutritt zu diesem Raum eine Kontrolle der Identität nur durch Scan der Membercard, mit welcher auch die Zutrittstür geöffnet werde, erfolgt sei, was kein geeignetes Mittel zur verlässlichen Identitätskontrolle darstelle und nicht den Einlass weiterer Kundinnen und Kunden, welche die Karteninhaberin bzw. den Karteninhaber begleiteten, sicherstelle.

3Zu Spruchpunkt 2. wurde dem Erstrevisionswerber als verantwortlichem Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG der zweitrevisionswerbenden Partei zur Last gelegt, dass diese am um 14 Uhr in der näher genannten Betriebstätte, in der die zweitrevisionswerbende Partei die Tätigkeit als Wettunternehmerin durch acht Wettterminals und einen Wettannahmeschalter ausgeübt habe, insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz, wonach vor dem Eingang zu Räumen mit Wettterminals, durch die Wettunternehmerin oder die verantwortliche Person auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche gut sichtbar und dauerhaft hinzuweisen sei, nicht eingehalten habe, als kein Hinweis auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche vor dem Zutritt zu dem Raum mit den Wettterminals angebracht gewesen sei.

4Wegen der Übertretung des § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 in der Fassung LGBl. Nr. 48/2016 zu Spruchpunkt 1., sowie wegen der Verletzung des § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 „idgF“ zu Spruchpunkt 2., wurde über den Erstrevisionswerber gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 „idgF“ iVm. § 9 Abs. 1 VStG „idgF“, zu Spruchpunkt 1. eine Geldstrafe von € 2.000,-- (Ersatzfreiheitstrafe 3 Tage und 20 Stunden) und zu Spruchpunkt 2. eine Geldstrafe von € 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 13 Stunden) verhängt und die Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.

5Schließlich wurde ausgesprochen, dass die C. S GmbH - d.h. eine von der Zweitrevisionswerberin verschiedene Gesellschaft - für die über den Erstrevisionswerber verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte.

6Dagegen erhob nur der Erstrevisionswerber Beschwerde.

7Aus dem Akt des Verwaltungsgerichts Wien ergibt sich, dass neben dem Erstrevisionswerber, dem Magistrat und Zeugen auch die C. S GmbH zu den Verhandlungsterminen geladen wurde, die zweitrevisionswerbende Partei wurde weder zu den Verhandlungsterminen geladen noch wurde sie in der Verhandlung als Partei behandelt.

8Mit dem gegenständlich angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Erstrevisionswerbers als unbegründet ab und bestätigte das bekämpfte Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass nicht die C. S GmbH sondern die zweitrevisionswerbende Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG hafte, und mit einer weiteren hier aber nicht zu erwähnenden Maßgabe (Spruchpunkt I.). Dem Erstrevisionswerber wurde ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren vorgeschrieben (Spruchpunkt II.). Auch wurde dem Erstrevisionswerber der Ersatz der Barauslagen auferlegt, die aus der Beiziehung eines nichtamtlichen Dolmetschers zur Vernehmung eines Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom entstanden sind (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die zweitrevisionswerbende Partei für „die verhängte Geldstrafe“, die Verfahrenskosten und die sonstigen in Geld bemessenen Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG hafte (Spruchpunkt IV.). Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig (Spruchpunkt V.).

9Das Verwaltungsgericht stellte fest, am seien im gegenständlichen Geschäftslokal acht Wettterminals und ein Wettannahmeschalter aufgestellt gewesen, welche im Eigentum der zweitrevisionswerbenden Partei gestanden seien. Die zweitrevisionswerbende Partei habe für diesen Standort über eine aufrechte, auf unbestimmte Dauer gültige Bewilligung zum gewerbsmäßigen Abschluss und zur gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten aus Anlass von sportlichen Veranstaltungen verfügt und Wetten an die C. Ltd. als Buchmacherin vermittelt. Der Erstrevisionswerber sei zum Tatzeitpunkt verantwortlicher Beauftragter der zweitrevisionswerbenden Partei gewesen, für das gegenständlichen Lokal sei keine verantwortliche Person gemäß § 5 Wiener Wettengesetz namhaft gemacht gewesen.

10Das Lokal habe der Zeuge G. betrieben, der im Jahr 2012 mit der C. Ltd. einen „Wettvermittlungsvertrag“ und im Jahr 2013 mit der zweitrevisionswerbenden Partei eine „Vereinbarung Leihstellung Ausstattung Wettvermittlungsstelle“ geschlossen habe. G. sei in beiden Verträgen als „Wettvermittler“ bezeichnet worden, an den Wettgewinnen des gegenständlichen Lokals umsatzbeteiligt gewesen, habe Miete für das Lokal an einen nicht näher genannten Vermieter - jedenfalls nicht an die zweitrevisionswerbende Partei - bezahlt und über keine Bewilligung nach dem Wiener Wettengesetz oder dem GTBW-G für das gegenständliche Lokal verfügt.

11Das Lokal habe aus einem Hauptraum bestanden, in dem sich acht Wettterminals und ein Wettannahmeschalter befunden hätten. An diesen Wettterminals hätten Wetten lediglich mittels Mitgliedskarte (Membercard) abgegeben werden können. Für die Auszahlung eines Gewinnes habe man sich an einen vor Ort befindlichen Mitarbeiter wenden müssen. Auf der Eingangstür zum Hauptraum habe sich lediglich ein in Folie befindlicher Zettel mit der Aufschrift „Eintritt nur für Kunden mit der C[...] MemberCard Zum Öffnen der Türe MemberCard am Scanner Einscannen! C[...]“ befunden.

12Zum Zeitpunkt der Kontrolle habe sich der Zeuge P. als einziger Mitarbeiter (von G.) und weder der Erstrevisionswerber noch jemand von der zweitrevisionswerbenden Partei vor Ort befunden. Zu seinen Aufgaben habe die Auszahlung von Geld, die Kontrolle, ob Personen Mitgliedskarten hätten bzw. die Ausweiskontrolle von Personen, die er nicht gekannt habe, gehört. Stammgäste seien nicht kontrolliert worden. Alle anderen habe er aufgefordert einen Ausweis herzuzeigen. Die Ausweiskontrolle habe nach dem Betreten des Lokals beim Pult des Mitarbeiters stattgefunden, welches sich rechts neben der Eingangstür im Inneren des Lokals befunden habe. Der Mitarbeiter habe immer allein im Lokal gearbeitet. Der Kontrollor habe das Lokal ohne Scannen einer Mitgliedskarte betreten können, weil das Scangerät neben der Eingangstür nicht aktiv gewesen sei. Er sei nach dem Zutritt von P. nicht nach einem Ausweis gefragt worden.

13Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit von Relevanz - auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, dass zum Tatzeitpunkt am gegenständlichen Standort die zweitrevisionswerbende Partei und nicht G. gewerbsmäßig als Wettvermittlerin tätig gewesen sei, ergebe sich daraus, dass G. zum Tatzeitpunkt über keine Bewilligung für das Lokal verfügt habe und die im Lokal aufgestellten Geräte im Eigentum der zweitrevisionswerbenden Partei gestanden seien und auf den Wetttickets die zweitrevisionswerbende Partei als Wettvermittlerin angegeben gewesen sei.

14Die zweitrevisionswerbende Partei sei im gegenständlichen Lokal Wettermittlerin und als solche gemäß § 2 Z 4 Wiener Wettengesetz eine Wettunternehmerin gewesen. Bei dem Lokal habe es sich um eine Betriebsstätte im Sinne des Wiener Wettengesetz gehandelt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen, wonach die Bestimmungen des § 19 Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 Wiener Wettengesetz idF LGBl. Nr. 48/2016 nicht auf jene Wettunternehmer anwendbar seien, welche ihre Tätigkeit aufgrund einer Bewilligung nach dem GTWB-G ausüben würden, sei § 19 Wiener Wettengesetz (mit Verweis auf § 27 leg. cit sowie der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa ) von den Revisionswerbern einzuhalten gewesen. Zum Tatzeitpunkt sei Personen, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises nicht nachgewiesen hätten und gesperrt gewesen seien, der Zutritt zum Lokal möglich gewesen.

15Das Erkenntnis wurde sowohl dem Erstrevisionswerber als auch der zweitrevisionswerbenden Partei jeweils zu Handen der auch im Revisionsverfahren einschreitenden Rechtsanwälte zugestellt.

16Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung der Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde () und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof () - fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision, zu der nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17Liegen - wie im vorliegenden Revisionsfall hinsichtlich des Schuld- und Straf- sowie des Haftungsanspruches - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen gerichteten Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. , mwN).

18Die Revision bringt zunächst vor, dass das Verwaltungsgericht erstmalig mit dem angefochtenen Erkenntnis gegenüber der zweitrevisionswerbenden Partei die Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Strafe und die Verfahrenskosten ausgesprochen habe. Dabei sei der Haftungsausspruch im behördlichen Straferkenntnis von niemandem angefochten worden. Dies stelle eine unzulässige, über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens hinausgehende Ausdehnung des Gegenstandes des Verfahrens dar. Auch sei der zweitrevisionswerbenden Partei kein Parteiengehör gewährt und diese nicht zur Verhandlung geladen worden.

19Die Revision erweist sich in diesem Umfang als zulässig.

20Zunächst ist festzuhalten, dass im bekämpften Straferkenntnis die zweitrevisionswerbende Partei nicht zur Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG herangezogen wurde. Das Verwaltungsgericht hat die zweitrevisionswerbende Partei nicht zur Verhandlung geladen und das angefochtene Erkenntnis beiden revisionswerbenden Parteien zu Handen der auch im Revisionsverfahren einschreitenden Rechtsanwälte zugestellt.

21Revisionslegitimation kommt u.a. jenen Personen zu, gegen die eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gerichtet war und denen gegenüber diese Entscheidung erlassen worden ist (vgl. ).

22Im vorliegenden Fall ergibt sich die Legitimation der zweitrevisionswerbenden Partei zur Erhebung der Revision aus dem Eingriff in ihre Rechtssphäre aufgrund der erstmaligen Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG im angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes.

23Die von der zweitrevisionswerbenden Partei geäußerten Zweifel an ihrer Legitimation zur Erhebung der Revision werden vom Verwaltungsgerichthof nicht geteilt, weil sie bereits im Verwaltungsstrafverfahren vor dem Magistrat durch jene Rechtsanwälte vertreten war, denen das angefochtene Erkenntnis für sie zugestellt wurde. Die in den Schriftsätzen an den Magistrat enthaltene Berufung auf die erteilte Vollmacht erfolgte ohne Einschränkung, sodass sie auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren gilt, das diesbezüglich in engem Verfahrenszusammenhang steht (vgl. zur Frage des Zusammenhangs grundsätzlich Hengstschläger/Leeb AVG § 10 Rz 18). Das behördliche und das verwaltungsgerichtliche Verfahren stellen (hinsichtlich der erteilten Vollmacht) eine Einheit dar (vgl. Walbert-Satek in Rosenkranz/Kahl AVG § 10 Rz 9; bis 0072; ). Der zweitrevisionswerbenden Partei wurde das angefochtene Erkenntnis sohin rechtswirksam zugestellt, sodass sie schon deshalb - ohne dass § 26 Abs. 2 VwGG näher zu prüfen wäre - zur Erhebung der Revision berechtigt war.

24Gemäß § 9 Abs. 7 VStG haften unter anderem juristische Personen für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

25Da die Haftungsbestimmung des § 9 Abs. 7 VStG es der Behörde freistellt, bei wem sie die Geldstrafe sowie die Verfahrenskosten eintreibt („Haftung zur ungeteilten Hand“), handelt es sich um eine Solidarhaftung, die nach nunmehr ständiger Rechtsprechung in Bezug auf die juristische Person eines Haftungsausspruchs im Straferkenntnis bedarf (vgl.  und 0075, mwN).

26Der Haftungsausspruch im bekämpften Straferkenntnis erfasste die C. S GmbH, ein eigenständiges Rechtssubjekt und nicht die zweitrevisionswerbende Partei.

27Das Verwaltungsgericht änderte diesen Haftungsausspruch, indem es die gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung herangezogene juristische Person austauschte, ohne dafür eine Begründung zu liefern und ohne die nunmehr zur Haftung herangezogene 2. Revisionswerberin dem Verfahren als Partei beigezogen zu haben.

28Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auch vor, dass trotz der Unbescholtenheit des Erstrevisionswerbers die Strafen nicht herabgesetzt worden seien und zudem aktenwidrig von keinen Sorgepflichten des Erstrevisionswerbers ausgegangen worden sei.

29Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (, mwN).

30Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Erstrevisionswerber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Ausführungen zu seiner Einkommens- und Vermögenssituation gemacht habe und keine besonderen Erschwerungs- oder Milderungsgründe hervorgekommen seien. Das Verwaltungsgericht gehe daher von durchschnittlichen Verhältnissen und keinen Sorgepflichten aus. Auch sei das Verschulden des Erstrevisionswerbers nicht als bloß gering zu werten. Aufgrund der ohnehin sehr niedrig bemessenen verhängten Strafe (€ 2.000,-- bzw. € 800,-- bei einem Strafrahmen jeweils bis zu € 22.000,--) sei die Strafe nicht weiter herabzusetzen gewesen.

31Hinsichtlich der Unbescholtenheit ist zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Bedachtnahme auf die behauptete Unbescholtenheit ausgeführt hat, dass die fehlende Auseinandersetzung mit der Unbescholtenheit nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt, wenn die entscheidende Behörde den ihr zukommenden Ermessensspielraum im Ergebnis nicht überschritten hat. Eine solche Ermessensüberschreitung wird hinsichtlich der Unbescholtenheit nicht aufgezeigt (vgl. ).

32Jedoch erweist sich die Revision im Hinblick auf die Aktenwidrigkeit zur Annahme, dass den Erstrevisionswerber keine Sorgepflichten träfen, auch als zulässig und berechtigt:

33Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind gemäß § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG nur bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (vgl. ).

34Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn sich die Behörde bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. , mwN). Wird in der Revision Aktenwidrigkeit geltend gemacht, handelt es sich dabei um einen Verfahrensmangel, dessen Relevanz im Hinblick auf den Verfahrensausgang aufgezeigt werden muss (vgl. , mwN).

35Entgegen der Aussage des Erstrevisionswerbers in der mündlichen Verhandlung vom stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Erstrevisionswerber keine Sorgepflichten habe und legte diese Feststellung seiner Strafbemessung zu Grunde. Hätte das Verwaltungsgericht die Sorgepflicht bei seiner Strafbemessung berücksichtigt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer anderen Strafbemessung gekommen wäre.

36Vor diesem Hintergrund erweist sich das angefochtene Erkenntnis in seinem Strafausspruch ebenso wie in den damit untrennbar zusammenhängenden Aussprüchen über die Kosten sowie die Barauslagen (vgl. , und ) und über die Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei (vgl. neuerlich und 0075) als inhaltlich rechtswidrig. Es war daher insofern vorrangig gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Zur Zurückweisung hinsichtlich des Schuldspruchs:

37Die Revision bringt vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf , RS 2) abgewichen, indem es die von G. ausgeübte Tätigkeit nicht als Vermittlung von Wettkunden an eine Buchmacherin gewertet habe, und es habe keine eindeutigen Feststellungen zu den von der zweitrevisionswerbenden Partei faktisch gesetzten Verhaltensweisen getroffen, aus welchen eine Wettunternehmertätigkeit der Revisionswerber abgeleitet werden könne.

38Zur Beantwortung der Frage, wer Vermittlerin oder Vermittler im Sinne des Wiener Wettengesetzes ist, ist maßgeblich, wie die Begriffsbestimmung in § 2 Z 3 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 48/2016 zu verstehen ist. Dieser zufolge ist „Vermittlerin oder Vermittler“, wer „Wetten, Wettkundinnen oder Wettkunden persönlich oder durch ihr oder sein Personal oder im Wege von Wettterminals (Z 8) gegen Entrichtung eines Wetteinsatzes zum Abschluss an eine Buchmacherin oder an einen Buchmacher oder andere Personen gewerbsmäßig weiterleitet“. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass „das Aufstellen oder der Betrieb von Wettterminals zweifellos eine Tätigkeit im Rahmen der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkunden ist“. (vgl. ).

39Der in der Zulässigkeitsbegründung der Revision angesprochene Rechtssatz 2 des Erkenntnisses , lautet:

„Das Vermitteln von Wettkundinnen und Wettkunden erfordert ein Tätigwerden des Vermittlers zur Zuführung von Wettkundinnen und Wettkunden an Buchmacher oder Totalisateure, das typischerweise durch eine Provision für jede abgeschlossene Wette honoriert wird (vgl.  bis 0191). Die Vermittlung von Wettkunden an Buchmacher und Totalisateure ist eine der Tätigkeit der Buchmacher und Totalisateure vorgeschaltete Tätigkeit. Sie erfolgt mittlerweile vielfach über Wettterminals und das Internet. Der Wettkundenvermittler schließt dabei nicht unmittelbar eine Wette ab oder vermittelt eine solche, sondern vermittelt vielmehr den Wettkunden an den Buchmacher oder den Totalisateur. Der Vermittler nimmt im Namen des Buchmachers oder Totalisateurs die Wetteinsätze ein und zahlt einen allfälligen Gewinn in dessen Namen auch wieder aus (vgl. ).“

40Ausgehend von den Feststellungen, dass zum Tatzeitpunkt die zweitrevisionswerbende Partei für das gegenständliche Lokal über eine Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1, 3 und 4 GTBW-G verfügte, die im Lokal befindlichen acht Wettterminals und der Wettannahmeschalter im Eigentum der zweitrevisionswerbenden Partei standen, sie auf den ausgestellten Wetttickets als Wettvermittlerin aufschien und auf der Eingangstür der Zutritt nur für Kunden der C. gestattet wird, zeigt die Revision keinen Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zum oben zitierten Rechtssatz auf, wenn das Verwaltungsgericht die Wettunternehmertätigkeit der zweitrevisionswerbenden Partei und nicht dem Zeugen G. zuordnet.

41Sofern die Revision noch geltend macht, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Angabe der richtigen Fundstelle der verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z 2 VStG) sowie der Strafsanktionsnorm (§ 44a Z 3 VStG) abgewichen sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof jüngst (im verstärkten Senat) in seiner Entscheidung festgehalten hat, dass sofern nicht aus besonderen Gründen - etwa aufgrund gestaffeltem, verzögertem oder später geändertem Inkrafttreten - für den Rechtsanwender Unsicherheit über die angewendete Fassung bestehen kann, eine Verletzung der Anforderungen des § 44a Z 2 und 3 VStG jedenfalls nicht vorliegt, wenn die angewendete Rechtsvorschrift in ihrer Gesamtheit mit der zuletzt (vor dem Tatzeitpunkt) erfolgten Novellierung zitiert wird, oder wenn die zuletzt vor dem Tatzeitpunkt erfolgte Novellierung bezogen auf einzelne Paragraphen oder Artikel der Rechtsvorschrift zitiert wird, ohne dass mit den zitierten Änderungen zwingend auch die jeweils konkret anzuwendende Untergliederung der Rechtsvorschrift geändert wurde. Selbst ein Unterbleiben der Angabe der Fundstelle kann aber dann keine Verletzung in einem subjektiven Recht der beschuldigten Person bewirken, wenn die herangezogene Rechtsvorschrift für diese aus dem Zusammenhang nicht zweifelhaft sein konnte.

42Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher im Lichte dieser jüngst ergangenen Judikatur nicht vor.

43Die Revision war in diesem Umfang zurückzuweisen.

44Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021020014.L00

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Fundstelle(n):
QAAAA-78597