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VwGH vom 14.04.2023, Ra 2020/08/0099

VwGH vom 14.04.2023, Ra 2020/08/0099

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der K GmbH in N, vertreten durch die Gruber Steuerberatung GmbH in 3393 Zelking, Gassen 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W178 2215100-1/5E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; mitbeteiligte Partei: E S in Z; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Österreichische Gesundheitskasse hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen einen Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, mit dem diese ausgesprochen hatte, der Mitbeteiligte unterliege auf Grund seiner Tätigkeit als Schweißer im Betrieb der revisionswerbenden Partei in der Zeit vom bis als deren Dienstnehmer der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-)Versicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 AlVG, als unbegründet ab. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

2Das Finanzamt A habe mit Bescheid vom („Haftungsbescheid für das Jahr 2014“) ausgesprochen, die revisionswerbende Partei werde als Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer in der Höhe eines bestimmten Betrages in Anspruch genommen. Der Bescheid verweise auf den Bericht vom über eine Außenprüfung bei der revisionswerbenden Partei. Dort werde ausdrücklich auf die Beschäftigung des Mitbeteiligten im Jahr 2014 eingegangen und im Ergebnis festgestellt, dass er als Dienstnehmer anzusehen sei und damit für ihn Lohnsteuerpflicht nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 bestehe. Zwar werde der für den Mitbeteiligten nachzuverrechnende Betrag mit Null festgestellt, weil gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 der Dienstnehmer als Steuerschuldner herangezogen worden sei; die gegenüber der revisionswerbenden Partei nachverrechnete Summe beziehe sich auf „andere Entgeltbestandteile“. Dass die Lohnsteuer nicht vom Arbeitgeber eingefordert worden sei, ändere jedoch nichts daran, dass für diesen Zeitraum und für diese Beschäftigung Lohnsteuerpflicht bestanden habe und rechtskräftig festgestellt worden sei. Gemäß § 4 Abs. 2 letzter Satz ASVG gelte der Erstmitbeteiligte somit als Dienstnehmer, weshalb die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG gegeben sei.

3Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung und in der Sache insbesondere vor, das Bundesverwaltungsgericht habe entgegen näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angenommen, dass mit dem Bescheid des Finanzamtes A vom („Haftungsbescheid für das Jahr 2014“) in gegenüber der revisionswerbenden Partei verbindlicher Weise über die Lohnsteuerpflicht für den Mitbeteiligten abgesprochen worden sei, und somit zu Unrecht daraus die Sozialversicherungspflicht des Mitbeteiligten abgeleitet. Die revisionswerbende Partei hätte - so die Revision weiter - gegen diesen Bescheid, mit dem der für den Mitbeteiligten nachzuverrechnende Betrag mit Null festgestellt worden sei, mangels Beschwer kein Rechtsmittel mit dem Argument, für den Mitbeteiligten würde keine Lohnsteuerpflicht bestehen, erheben können. Erst mit Bescheid vom habe „das Finanzamt“ die Haftung der revisionswerbenden Partei zur Abfuhr von Lohnsteuer betreffend den Mitbeteiligten ausgesprochen; dagegen habe die revisionswerbende Partei auch Beschwerde erhoben, weshalb dieser Bescheid noch nicht rechtskräftig sei.

4Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die Österreichische Gesundheitskasse eine Revisionsbeantwortung erstattete und die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragte, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5Die Revision ist zulässig und berechtigt.

6Die wesentliche Bedeutung der Verweisung auf die Lohnsteuerpflicht nach dem EStG 1988 in § 4 Abs. 2 ASVG liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darin, dass für jene Zeiträume, für welche die Lohnsteuerpflicht der betreffenden Person nach § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 EStG 1988 mit Bescheid der Finanzbehörde festgestellt ist, auch die Sozialversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG bindend feststeht. Eine solche bindende Wirkung kommt aber nur Bescheiden zu, die über die Lohnsteuerpflicht als Hauptfrage absprechen, in erster Linie also Haftungsbescheiden gemäß § 82 EStG 1988 (vgl. etwa , mwN).

7Das Bundesverwaltungsgericht sah im „Haftungsbescheid für das Jahr 2014“ des Finanzamtes A vom , den die revisionswerbende Partei nicht bekämpft habe, eine solche bindende Feststellung der Lohnsteuerpflicht des Mitbeteiligten, zumal im Bericht vom über eine Außenprüfung bei der revisionswerbenden Partei, auf den dieser Bescheid in seiner Begründung verweise, ausdrücklich auf die Beschäftigung des Mitbeteiligten im Jahr 2014 eingegangen und im Ergebnis festgestellt werde, dass er als Dienstnehmer anzusehen sei. Allerdings wurde dort - wie das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis auch selbst festhielt - der für den Mitbeteiligten gegenüber der revisionswerbenden Partei nachzuverrechnende Betrag mit Null festgestellt, weil gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 der Dienstnehmer als Steuerschuldner herangezogen worden sei. Die gegenüber der revisionswerbenden Partei mit dem „Haftungsbescheid für das Jahr 2014“ nachverrechnete Summe betraf somit die Haftung der revisionswerbenden Partei für die Lohnsteuer anderer bei ihr beschäftigter Personen.

8Die Revision macht vor diesem Hintergrund zu Recht geltend, dass mit dem „Haftungsbescheid für das Jahr 2014“ nicht in der revisionswerbenden Partei gegenüber verbindlicher Weise über die Lohnsteuerpflicht des Mitbeteiligten abgesprochen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat aus diesem Bescheid (sowie dem Umstand, dass die revisionswerbende Partei dagegen kein Rechtsmittel ergriff) somit zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Mitbeteiligten nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG abgeleitet.

9Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 VwGG abgesehen werden.

10Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Ein Ersatz der Eingabengebühr war nicht zuzusprechen, da diese im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG nicht zu entrichten war.

Wien, am 

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020080099.L00

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