VwGH vom 04.10.2022, Ra 2019/06/0005
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer, die Hofrätin Mag. Rehak und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 50.38-2822/2018-4, betreffend eine Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Baugesetz (mitbeteiligte Partei: Y T in G, vertreten durch Dr. Franz M. Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/I; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Kostenbegehren der revisionswerbenden Partei wird abgewiesen.
Begründung
1Mit Eingabe vom brachte der Mitbeteiligte beim Stadtsenat der Stadt Graz als Bau- und Anlagenbehörde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht und Revisionswerber) eine Bauanzeige gemäß § 20 Z 1 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) betreffend eine „Werbeanlage für Leuchttafel E“ auf einem näher genannten Grundstück der KG L. ein. Die Bauanzeige enthielt unter Punkt „7. Zustimmungserklärung der Grundeigentümer/innen oder Bauberechtigten (wenn die Bauwerber/innen nicht selbst Grundeigentümer/innen oder Bauberechtigte sind)“ die Unterschrift eines Miteigentümers der Liegenschaft bzw. Wohnungseigentümers.
2Mit Erledigung vom erteilte die belangte Behörde dem Mitbeteiligten einen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 AVG mit einer Frist von drei Wochen. Unter Hinweis auf § 33 Stmk. BauG wurde dem Mitbeteiligten unter anderem mitgeteilt, dass die Unterfertigung der Pläne unvollständig sei. Diese müssten von allen Grundeigentümern unterfertigt werden.
3In weiterer Folge ersuchte der Mitbeteiligte mit Eingabe vom um Fristerstreckung für die Beibringung der fehlenden Unterschriften auf die Dauer von sechs Monaten.
4Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Anzeige des Mitbeteiligten zum plan- und beschreibungsgemäßen Anbringen einer Werbetafel aufgrund fehlender Unterlagen gemäß § 13 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 33 Abs. 2 Stmk. BauG mit der Begründung zurückgewiesen, dass die eingeräumte Frist ergebnislos abgelaufen sei.
5Der gegen diesen Bescheid vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) Folge gegeben und der Bescheid der revisionswerbenden Behörde behoben. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
6In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das LVwG im Wesentlichen fest, in einem Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG habe die Behörde konkret und unmissverständlich anzugeben, welche vom Gesetz geforderten Eigenschaften dem Anbringen fehlten.
7Es hänge von der Art der Bauführung ab, ob die Zustimmung aller Miteigentümer erforderlich sei oder nicht. Ob die Zustimmungserklärung - wie im Verbesserungsauftrag gefordert - aufgrund der Bauführung von sämtlichen Miteigentümern vorzulegen sei bzw. gewesen wäre, sei seitens der Behörde nicht geprüft worden. Nach § 29 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002) sei aufgrund der Betroffenheit eines allgemeinen Teiles der Liegenschaft, der der außerordentlichen Verwaltung zuzurechnen sei, ein Mehrheitsbeschluss ausreichend (Verweis auf zivilrechtliche Judikatur). Bei der gegenständlichen Werbeeinrichtung handle es sich demnach um eine gemäß § 29 Abs. 1 WEG 2002 der außerordentlichen Verwaltung unterliegende Veränderung eines gemeinsamen Liegenschaftsteiles, welcher eines Mehrheitsbeschlusses bedürfe. Da ein Mehrheitsbeschluss ausreichend sei, sei insoweit die Erteilung eines Verbesserungsauftrages dahingehend, dass die Unterschriften sämtlicher Miteigentümer nachzureichen seien, in diesem Umfang unzulässig.
8Ein Nachweis im Sinne des § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG sowie im Anwendungsfall § 33 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG sei bereits erbracht, wenn von den Bauwerbern nachgewiesen werde, dass (1.) in einer Eigentümerversammlung gemäß § 24 WEG 2002 ein Beschluss der Mehrheit betreffend die Zustimmung zum Bauvorhaben zu Stande gekommen sei, dass (2.) ein Anschlag des Beschlusses im Haus gemäß § 24 Abs. 5 WEG 2002 unter Angabe des Zeitpunktes dieses Anschlages, weiters (3.) eine Verständigung der überstimmten Miteigentümer über den Beschluss erfolgt sei und dass die Überstimmten diesen Beschluss innerhalb der vorgesehenen Fristen bei Gericht nicht angefochten hätten (Verweis auf hg. Judikatur).
9Ein Verbesserungsauftrag habe sich auf die Vorlage der genannten Nachweise zu beschränken. Da die revisionswerbende Behörde jedoch anstelle dieses Nachweises im Rahmen ihres Verbesserungsauftrages ausschließlich die (nicht erforderliche) Zustimmungserklärung sämtlicher Eigentümer gefordert habe, ohne die Möglichkeit der Erbringung der genannten Nachweise einzuräumen, sei die Zurückweisung des Antrags wegen Nichtentsprechung des Verbesserungsauftrags unzulässig gewesen.
10Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Unzuständigkeit bzw. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts.
11Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof beantragte der Mitbeteiligte, der Revision keine Folge zu geben.
12Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
13Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Amtsrevision unter anderem vorgebracht, nach (näher zitierter) Judikatur komme es in einer Verfahrenskonstellation, in der es strittig sei, ob dem Vorhaben nur eine Mehrheit der Miteigentümer oder sämtliche Miteigentümer zuzustimmen hätten, nicht allein bzw. zentral auf die Formulierung bzw. die Konkretisierung des Verbesserungsauftrags an, wenn der Zustimmungsnachweis weder in der einen noch in der anderen Form vorgelegt worden sei.
14Die Amtsrevision erweist sich angesichts dessen als zulässig. Sie ist auch begründet.
15§ 20 Stmk. BauG in der Fassung LGBl. Nr. 34/2015 und § 33 Stmk. BauG in der Fassung LGBl. Nr. 117/2016 lauteten auszugsweise:
„§ 20
Anzeigepflichtige Vorhaben
Anzeigepflichtig sind folgende Vorhaben, soweit sich aus § 21 nichts anderes ergibt:
...
3.Die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von
-Werbe- und Ankündigungseinrichtungen (Tafeln, Schaukästen, sonstige Vorrichtungen und Gegenstände, an denen Werbungen und Ankündigungen angebracht werden können, Bezeichnungen, Beschriftungen, Hinweise u. dgl.);
...
§ 33
Anzeigeverfahren
(1) Vorhaben im Sinne des § 20 müssen der Behörde nachweislich schriftlich angezeigt werden.
(2) Der Anzeige sind folgende Unterlagen anzuschließen:
...
2.In den Fällen des § 20 Z 2 bis 6
...
-die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist,
...“
16Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
17Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 Abs. 3 AVG hat die belangte Behörde im Verbesserungsauftrag konkret und unmissverständlich anzugeben, welche vom Gesetz geforderten Eigenschaften dem Anbringen fehlen (vgl. etwa ; , 2012/21/0260, jeweils mwN). Ferner kann nur ein dem Gesetz entsprechender Verbesserungsauftrag Grundlage für eine dem Gesetz entsprechende Zurückweisung des Antrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG sein (; vgl. auch ).
18In seinem Erkenntnis vom , 2010/06/0008, hatte der Verwaltungsgerichtshof jedoch - wie die Amtsrevision zutreffend vorbringt - eine mit dem vorliegenden Revisionsfall in entscheidenden Fragen vergleichbare - Fallkonstellation zu beurteilen. Dabei war die dort belangte Behörde bei Erteilung des Verbesserungsauftrages von der Auffassung ausgegangen, dass für die dort verfahrensgegenständliche Nutzungsänderung betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft die Zustimmung aller Miteigentümer erforderlich sei. In der Begründung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides hatte sie es allerdings dahingestellt sein lassen, ob eine Zustimmung aller Miteigentümer oder nur einer Mehrheit im Sinne des § 29 WEG 2002 erforderlich sei, weil die Beschwerdeführer auch keine liquide Zustimmung einer Mehrheit der Miteigentümer nachgewiesen hätten. Der Verwaltungsgerichtshof beurteilte die Zurückweisung des Bauansuchens gemäß § 13 Abs. 3 AVG wegen Unterlassung der aufgetragenen Verbesserung als rechtmäßig, weil die Stellungnahme der Beschwerdeführer im Verbesserungsverfahren ergeben habe, dass jedenfalls kein Beschluss der Eigentümerversammlung, die die Frage der Zustimmung zu dem verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben zum Gegenstand gehabt hätte, vorgelegen sei.
19Eine derartige Konstellation liegt auch im hier zu beurteilenden Revisionsfall vor. Der Mitbeteiligte hat in seiner Stellungnahme vom mitgeteilt, es sei abzusehen, dass nicht alle Eigentümer zustimmen würden, sodass ein „außerordentliches Gerichtsverfahren“ eingeleitet werden müsse. Er hat damit zu erkennen gegeben, dass jedenfalls kein Beschluss der Eigentümerversammlung vorgelegen ist.
20Vor diesem Hintergrund kann es daher auch im vorliegenden Fall dahinstehen, ob für das in Rede stehende Vorhaben nach § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG die Zustimmung aller Mit- bzw. Wohnungseigentümer erforderlich oder ein Mehrheitsbeschluss ausreichend war.
21Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss nämlich jedenfalls dann, wenn der Antragsteller dem Gesetz entnehmen konnte, mit welchen Belegen er sein Ansuchen auszustatten hatte, die gemäß § 13 Abs. 3 AVG einzuräumende Frist nur zur Vorlage bereits vorhandener Unterlagen, nicht jedoch zu deren Beschaffung ausreichen (vgl. dazu erneut ; vgl. ferner , jeweils mwN). Da sich aus der Stellungnahme des Mitbeteiligten vom im Verbesserungsverfahren ergab, dass jedenfalls kein Beschluss der Eigentümerversammlung über die Zustimmung zum verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben vorlag, konnte der Mitbeteiligte den Verbesserungsauftrag in keinem Fall erfüllen.
22Aus den genannten Gründen war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
23Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei (unter anderem) in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz (vgl. , mwN), weshalb ihr Kostenersatzantrag abzuweisen war.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019060005.L00 |
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