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VwGH vom 25.01.2023, Ra 2019/04/0052

VwGH vom 25.01.2023, Ra 2019/04/0052

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der A F in K, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anton-Melzer-Straße 9/1. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W258 2134678-1/10E, betreffend Datenschutzbeschwerde wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde in 1030 Wien, Barichgasse 40-42; mitbeteiligte Partei: G K in K, vertreten durch Dr. Marschitz, Dr. Petzer und Dr. Telser, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Unterer Stadtplatz 24), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

11.1. Die mitbeteiligte Partei ist Trägerin eines näher bezeichneten Krankenhauses in K und verwendet ein elektronisches Patientendokumentationssystem („Patidok“) zur Führung der Krankengeschichten der in ihrer Anstalt behandelten Patienten. Die Revisionswerberin war in diesem Krankenhaus bis Juli 2016 angestellt. Sie unterzog sich im Jahr 2012 dort einem operativen Eingriff, in dessen Zusammenhang Gesundheitsdaten der Revisionswerberin in „Patidok“ gespeichert wurden.

21.2. Mit Schriftsatz vom erhob die Revisionswerberin bei der Datenschutzbehörde (belangte Behörde) Beschwerde gegen die mitbeteiligte Partei wegen Verletzung ihres Rechts auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten. Die Revisionswerberin brachte im Wesentlichen vor, sie führe vor der belangten Behörde mehrere Verfahren gegen die mitbeteiligte Partei wegen datenschutzrechtlicher Verstöße. Die mitbeteiligte Partei habe Korrespondenzen der Verfahren sowie Verfahrensinhalte rechtswidrig an den hiezu nicht berechtigten Verwaltungsdirektor des Bezirkskrankenhauses in K weitergeleitet, der diese Informationen wiederum rechtswidrig an seine Kanzleikraft, an den Datenschutzbeauftragten und an die von den Verfahren betroffenen Mitarbeiter des Bezirkskrankenhauses weitergeleitet habe. Der Kompetenzbereich eines Verwaltungsdirektors umfasse ausschließlich die Wirtschaftsführung, zur Führung von Verwaltungsverfahren sei er nicht befugt. Die Weiterleitung der Verfahrensdaten an den Verwaltungsdirektor, der auch weisungsbefugter personalverantwortlicher Vorgesetzter der Revisionswerberin sei, verletzte daher ebenso ihr Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten, wie die durch ihn veranlasste Weiterleitung der Verfahrensdaten an Dritte. Die Revisionswerberin beantragte daher (sinngemäß) die Feststellung dieser Rechtsverletzung. Darüber hinaus beantragte sie, die belangte Behörde möge der mitbeteiligten Partei auftragen, Datenverwendungen durch Unbefugte zu unterlassen, die Weiterführung der Datenverwendung von Amts wegen zu untersagen und hinsichtlich der erfolgten Weiterleitungen von Verfahrensdaten Sanktionen auszusprechen.

31.3. Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Beschwerde, soweit begehrt wurde, „entsprechende Sanktionen“ auszusprechen, „eine Unterlassung der Datenverwendung durch Unbefugte zu erwirken“ sowie „wegen Gefahr in Verzug und wegen wesentlicher unmittelbarer Gefährdung meiner schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen die Weiterführung der Datenverwendung vorläufig von Amts wegen anhand eines Mandatsbescheides zu untersagen“, mangels gesetzlicher Grundlage zurück. Im Übrigen wurde die Beschwerde von der belangten Behörde abgewiesen.

42. Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Darin machte sie im Wesentlichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Die Datenschutzbehörde verweise lediglich auf bisherige Verfahren, die jedoch auf Grund mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger Tatsachenfeststellungen allesamt nicht abgeschlossen seien. Der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Verfahrensakt zeige, dass es wiederholt an einer ordentlichen Beweiswürdigung fehle.

53.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das BVwG - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Beschwerde als unbegründet ab. Die weiteren Anträge der Revisionswerberin, das erkennende Gericht möge (a) die Befugnisse gemäß § 30 Abs. 2, 4, 6 und 6a DSG 2000 ausüben, (b) die belangte Behörde auffordern, die Empfehlung vom  öffentlich zu widerrufen, gänzlich zurückzunehmen und einem neuen Ermittlungsverfahren zu unterziehen, (c) Rechtsbelehrungen an die mitbeteiligte Partei und ihren berufsmäßigen Parteienvertreter erteilen, und (d) dem Verwaltungsdirektor der mitbeteiligten Partei zu untersagen, von extern mittels VPN auf Krankendaten und extramurale Bereiche wie auf die Drogenambulanz in W auf die Psychiatrie Tagesklinik zuzugreifen, wurden mangels Zuständigkeit zurückgewiesen. Die ordentliche Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

63.2. In der Begründung stellte das BVwG fest, dass die Verfahren vom Verwaltungsdirektor für die mitbeteiligten Partei und mit deren Wissen bearbeitet worden seien. Der Verwaltungsdirektor gebe in den Verfahren auch mit Wissen und Willen der mitbeteiligten Partei Stellungnahmen gegenüber der belangten Behörde ab. Sowohl der Verwaltungsdirektor als auch die mitbeteiligte Partei seien der Ansicht, dass die Aufgaben des Verwaltungsdirektors als wirtschaftlicher Leiter auch die Bearbeitung der datenschutzrechtlichen Agenden des Bezirkskrankenhauses K umfassten. Im Zuge der Bearbeitung der Verfahren übermittle der Verwaltungsdirektor bezughabende E-Mails und Schriftstücke an seine Sekretärin zur Führung der Korrespondenzakten und -archive. Die Sekretärin versende und übernehme bezughabende Postsendungen. Der Datenschutzbeauftragte unterstütze und berate den Verwaltungsdirektor in Angelegenheiten des Datenschutzes im Allgemeinen und bei der Bearbeitung der Verfahren im Besonderen.

7In seinen rechtlichen Ausführungen ging das BVwG davon aus, dass (in § 69 Abs. 4 und 5 DSG 2000) nicht ausdrücklich geregelt sei, welches Recht für Verfahren anzuwenden sei, die zum Zeitpunkt der geänderten Rechtslage vor dem BVwG anhängig gewesen seien. Auch wenn die Gesetzesmaterialien diesbezüglich keine weiteren Interpretationshilfen enthalten würden, habe der Gesetzgeber offenbar die neue Rechtslage - mit Ausnahme der Zuständigkeitsregelungen - auf sämtliche Sachverhalte anwenden wollen. Die planwidrige Lücke sei dahingehend zu schließen, dass auch auf Verfahren, die zum Zeitpunkt der Änderung der Rechtslage beim BVwG anhängig gewesen seien, die neue Rechtslage Anwendung finde. Dies gelte auf Grund der eindeutigen Anordnung in § 69 Abs. 5 DSG 2000 auch dann, wenn es - wie im gegenständlichen Fall - darum gehe, was zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtens gewesen sei.

8Die Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten sei zwar verboten, eine Ausnahme bestehe aber, wenn - wie hier - die Verarbeitung der Geltendmachung, Ausübung oder Abwehr von Rechtsansprüchen, sei es in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, erforderlich sei.

9Als juristische Person benötige die mitbeteiligte Partei für ihr Handeln natürlicher Personen. Grundsätzlich obliege es der mitbeteiligten Partei als für die Datenverarbeitung Verantwortliche, wen sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben beiziehe. Einschränkungen könnten sich aber aus den Rechtsgrundlagen ergeben, die ihre Aufgaben definieren oder näher ausgestalten würden. Da diese Rechtsgrundlagen auch den datenschutzrechtlichen Zweck der Datenverarbeitungen näher bestimmten, wäre ihr Verstoß auch ein Verstoß gegen den datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatz. Ein solcher Verstoß durch die mitbeteiligte Partei läge dann vor, wenn diese den Verwaltungsdirektor entgegen den einschlägigen Vorschriften mit der Führung von datenschutzrechtlichen Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren betraut hätte. Gegenständlich liege ein derartiger Verstoß aber nicht vor.

10Aus den gesetzlichen Grundlagen ergebe sich, dass dem Verwaltungsdirektor die Wirtschaftsführung und Wirtschaftsaufsicht über die Krankenanstalt obliege, die die wirtschaftlichen, administrativen und technischen Angelegenheiten der Krankenanstalten umfassten. Zu den wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten zählten dabei begrifflich auch Bearbeitung behördlicher und gerichtlicher Verfahren sowie die Abgabe diesbezüglicher Stellungnahmen. Dass der Verwaltungsdirektor gegen den Willen oder Anordnungen der mitbeteiligten Partei verstoßen hätte, habe nicht festgestellt werden können. Ein Verstoß gegen den Zweckbindungsgrundsatz könnte allerdings auch dann vorliegen, wenn der Verwaltungsdirektor im Zuge der Bearbeitung der Verfahren Daten rechtswidrig übermittelt hätte. Es bestünden keine Bedenken dagegen, dass der Verwaltungsdirektor seine Sekretärin zur Verwaltung der Post und E-Mailsendungen sowie zur Aktenverwaltung hinsichtlich der Verfahren der Revisionswerberin eingesetzt habe. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfe es dafür nicht. Selbiges gelte für die Beiziehung des Datenschutzbeauftragten. Es obliege letztlich dem Verwaltungsdirektor zu entscheiden, von wem er zur Erfüllung seiner Aufgaben Unterstützung benötige.

11Auch die Befassung der in den Verfahren der Revisionswerberin involvierten Ärzte erweise sich als unbedenklich. Es sei für die ordnungsgemäße Führung eines behördlichen Verfahrens, in dem es letztlich um ein angebliches Fehlverhalten der Ärzte gehe, erforderlich, die betroffenen Personen von den Vorwürfen in Kenntnis zu setzen und sie dazu zu befragen. Nichts Anderes habe der Verwaltungsdirektor getan.

12Die Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung begründete das BVwG damit, dass die Revisionswerberin ihren diesbezüglichen Antrag erstmals in ihrem Schriftsatz vom gestellt habe. Ein solcher Antrag müsse jedoch spätestens in der Beschwerde oder im Vorlageantrag gestellt werden. Überdies sei der Sachverhalt im gegenständlichen Verfahren grundsätzlich geklärt gewesen und hätten lediglich Rechtsfragen gelöst werden müssen.

134. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision. Im eingeleiteten Vorverfahren erstatteten die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung, in der jeweils die Zurück-, in eventu die Abweisung der Revision beantragt wird.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

141.1. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der weiteren Anwendbarkeit des DSG 2000 in seiner früheren Fassung vor Inkrafttreten der DSGVO vor. Das BVwG sei im angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen, dass die neue Rechtslage der DSGVO auf die im Zeitpunkt der Änderung der Rechtslage beim ihm anhängige Beschwerden anzuwenden sei. Die Frage des Bestehens einer (vom BVwG angenommenen) planwidrigen Lücke sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weil sich diese Frage in zahlreichen Datenschutzsachen, die beim BVwG anhängig seien, stelle. Diese Frage sei im vorliegenden Fall von erheblicher Bedeutung und Relevanz, weil die Lösung der gegenständlichen Rechtsfragen, die die Beschwerde aufwerfe und nunmehr an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen werden müssten, eine wesentliche Auswirkung auf den Ausgang des gegenständlichen Verfahrens habe. Schon deshalb sei die außerordentliche Revision zulässig.

151.2. Zu diesem Vorbringen ist auf die (zwischenzeitlich ergangene) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach in Fällen, in denen darüber abzusprechen ist, was zu einem konkreten vor Inkrafttreten der DSGVO und des DSG gelegenen Zeitpunkt rechtens ist, die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage, also das DSG 2000 idF BGBl. I Nr. 83/2013 Anwendung findet (vgl. , und ).

16Das BVwG hat demgegenüber zu Unrecht den maßgeblichen Sachverhalt nicht nach der zum Zeitpunkt des in Beschwerde gezogenen vor Inkrafttreten der DSGVO und des DSG gelegenen und abgeschlossenen Vorgangs, sondern nach der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechtslage beurteilt.

17Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, resultiert daraus für sich genommen aber dann keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, wenn die Entscheidung in der Rechtslage nach dem DSG 2000 Deckung findet (vgl. dazu nochmals ).

18Die Revision zeigt in diesem Zusammenhang auch nicht auf, dass der vom BVwG seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt unter Anwendung des DSG 2000 im Ergebnis rechtlich anders zu beurteilen gewesen wäre (vgl. in diesem Sinn schon mit näherer Begründung ).

192.1. Die Revision macht zudem geltend, dass das BVwG durch ein unzuständiges Mitglied des erkennenden Senats entschieden habe, weil die Beschwerdesache vom Geschäftsverteilungsausschuss grundlos der zunächst zugeteilten Richterin der Gerichtsabteilung W 227 abgenommen und der Gerichtsabteilung W 258 neu zugeteilt worden sei. Der korrekten Zusammensetzung eines Senats komme seit der Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erhebliche, über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zu. Es sei nämlich ständige Praxis des BVwG, neu eintretenden Richtern alte Beschwerdesachen, die zunächst anderen Gerichtsabteilungen zugewiesen worden seien, mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses neu zuzuteilen, ohne dass in der zuvor befassten Gerichtsabteilung ein Ableben, ein langer Krankenstand oder eine Karenz des betreffenden leitenden Richters vorgelegen wäre. Dies berühre insbesondere die Frage der Unabhängigkeit von Verwaltungsgerichten gegenüber den Behörden, deren Entscheidungen sie zu prüfen hätten, die Frage einer strukturellen Befangenheit, aber auch die Frage, ob der vom EGMR entwickelte Rechtsprechung entsprochen werde, wonach Gerechtigkeit nicht bloß geschehen, sondern auch erkennbar geschehen müsse und daher jeder Anschein einer Befangenheit von richterlichen Organen zu vermeiden sei.

202.2. Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

21Gemäß § 17 Abs. 1 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) wird jede im BVwG anfallende Rechtssache dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter oder Senat zugewiesen. Nach § 17 Abs. 3 BVwGG kann der Geschäftsverteilungsausschuss einem Einzelrichter oder Senat eine ihm zufallende Rechtssache durch Verfügung abnehmen, wenn der Einzelrichter oder Senat verhindert oder wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist (vgl. , mwN). Bei der hier vorgesehenen Möglichkeit der Abnahme einer einem Richter zufallenden Rechtssache handelt es sich um eine - auf der Grundlage des Art. 135 Abs. 3 B-VG beruhende - Ausnahme von der Festlegung der Zuständigkeit durch die Geschäftsverteilung nach im Vorhinein festgelegten Regeln (vgl. , mwN).

22Im vorliegenden Fall wurde mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom die Rechtssache der Revisionswerberin der Gerichtsabteilung W 227 abgenommen der Gerichtsabteilung W 258 neu zugeteilt. Dies wurde mit dem vergleichsweise hohen Aktenstand und unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass die Gerichtsabteilung W 227 aktuell keine Zuständigkeit für die Zuweisungsgruppe „Datenschutz“ habe, begründet. Deshalb sollten alle anhängigen Rechtssachen dieser Zuweisungsgruppe abgenommen und im allgemeinen Zuweisungsrad zugewiesen werden, um diese einer zeitnahen Erledigung zuzuführen.

23Eine Rechtswidrigkeit dieser Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses zeigt die Revision nicht auf (vgl. zu derartigen Verfügungen des Geschäftsverteilungsausschusses ).

243.1. Die Revision rügt weiter, das BVwG habe keine mündliche Verhandlung durchgeführt, obwohl weder das Beschwerdevorbringen unsubstantiiert gewesen noch der Sachverhalt unzweifelhaft festgestanden sei. Das BVwG habe ungeprüft die mangelhaften Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde übernommen. Auch habe die Revisionswerberin bereits im Zuge der Beschwerdeeingabe beantragt, den Obmann der mitbeteiligten Partei als Zeugen zu befragen.

253.2. Die Revision erweist sich in Hinblick auf dieses Vorbringen als zulässig und auch als begründet.

26Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass mit dem Antrag auf Einvernahme von Zeugen ein Verhandlungsantrag gestellt wird (siehe etwa , mwN). Vorliegend hat die Revisionswerberin in ihrer Bescheidbeschwerde die Einvernahme von Zeugen beantragt. Die auf den fehlenden Antrag abstellende Begründung des Verwaltungsgerichtes zur Unterlassung der Durchführung einer Verhandlung erweist sich somit als unzutreffend.

27Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG bereits wiederholt festgehalten, dass als Zweck der mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Verwaltungsgericht vor Augen stand. Ferner kommt eine ergänzende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung in Frage. Bei maßgeblichem sachverhaltsbezogenen Vorbringen einer beschwerdeführenden Partei ist ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Eine mündliche Verhandlung hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf Rechtsprechung des EGMR dann nicht für erforderlich erachtet, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. zu all dem zuletzt , mwN).

28Ausgehend davon vermag der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung des BVwG und der belangten Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung, dass der Sachverhalt im gegenständlichen Verfahren geklärt gewesen sei, in Hinblick auf das (oben verkürzt wiedergegebene) Beschwerdevorbringen der Revisionswerberin nicht zu teilen. Vielmehr hat die Revisionswerberin die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerügt und Tatsachenfragen aufgeworfen, die einer Erörterung in einer mündlichen Verhandlung bedurft hätten. Demnach hätte das BVwG hätte nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen.

29Eine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels ist bei einem rechtswidrigen Unterlassen einer nach Art. 47 GRC erforderlichen mündlichen Verhandlung nicht vorzunehmen (vgl. erneut , mwN).

304. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

31Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019040052.L00

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