3. Hauptstück Aufsicht und sonstige Maßnahmen
2. Abschnitt Aufsichtsbefugnisse und Verfahrensvorschriften
§ 90. Aufsicht
(1) Die FMA hat die Einhaltung dieses Bundesgesetzes sowie einer aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung, der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 und, soweit anwendbar, der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 sowie einer aufgrund dieser EU-Verordnungen oder der Richtlinie 2014/65/EU erlassenen delegierten Verordnung oder eines aufgrund von Art. 40 oder 41 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 erlassenen Beschlusses sowie eines für die Aufsicht über Rechtsträger gemäß § 26 relevanten technischen Standards im Sinne von Art. 10 bis 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 durch
1. Wertpapierfirmen,
2. Wertpapierdienstleistungsunternehmen,
3. Kreditinstitute gemäß § 1 Abs. 1 BWG hinsichtlich des 2. Hauptstücks dieses Bundesgesetzes und der Titel III und IV der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 und der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010,
4. Kreditinstitute und Finanzinstitute aus Mitgliedstaaten gemäß den §§ 9 ff BWG hinsichtlich der §§ 47 bis 67, 69, 70 dieses Bundesgesetzes, der Art. 36, 44 bis 70 der delegierten Verordnung (EU) 2017/565 und der Art. 14 bis 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014,
5. Wertpapierfirmen aus Mitgliedstaaten gemäß § 17 Abs. 1, die Tätigkeiten in Österreich über eine Zweigstelle ausüben, hinsichtlich der §§ 47 bis 67, 69, 70 dieses Bundesgesetzes, der Art. 36 und 44 bis 70 der delegierten Verordnung (EU) 2017/565, der Art. 14 bis 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014, der §§ 34 bis 38 und 41, § 93 Abs. 2 BWG, der Bestimmungen des Finanzmarkt-Geldwäschegesetzes – FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016 und des § 52 ESAEG,
6. Zweigstellen von Drittlandfirmen hinsichtlich der in § 23 Abs. 2 genannten Bestimmungen,
7. anerkannte Wertpapierfirmen mit Sitz in einem Drittland, Lokale Firmen und an einer österreichischen Börse tätige Mitglieder einer Kooperationsbörse (§ 37 Abs. 5 BörseG 2018) hinsichtlich des 2. Hauptstücks dieses Bundesgesetzes, der Titel III und IV der Verordnung (EU) Nr. 600/2014, §§ 39 Abs. 3, 41 BWG und der Bestimmungen des FM-GwG,
8. Versicherungsunternehmen im Rahmen des § 2 Abs. 2,
9. Verwaltungsgesellschaften gemäß § 5 Abs. 1 InvFG 2011 sowie AIFM gemäß § 4 AIFMG im Rahmen des § 2 Abs. 3,
10. genehmigte Veröffentlichungssysteme (APA) gemäß § 1 Z 60, die nach dem aufgrund von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 erlassenen delegierten Rechtsakt der Aufsicht der FMA unterliegen,
11. genehmigte Meldemechanismen (ARM) gemäß § 1 Z 62, die nach dem aufgrund von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 erlassenen delegierten Rechtsakt der Aufsicht der FMA unterliegen
zu überwachen und dabei auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Kapitalmarkt und auf die Interessen der Anleger Bedacht zu nehmen. Bei Vollziehung der genannten Bestimmungen hat die FMA der europäischen Konvergenz der Aufsichtsinstrumente und Aufsichtsverfahren Rechnung zu tragen. Zu diesem Zweck hat die FMA Leitlinien, Empfehlungen und anderen von ESMA beschlossenen Maßnahmen anzuwenden. Die FMA kann von diesen Leitlinien und Empfehlungen abweichen, sofern dafür ein berechtigter Grund, insbesondere ein Widerspruch zu bundesgesetzlichen Vorschriften, vorliegt.
(1a) Die FMA hat die Einhaltung
1. der Vorschriften der Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor und
2. der Vorschriften der Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EU) 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen
durch Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltung oder Anlageberatung anbieten, und Kreditinstitute gemäß § 1 Abs. 1 BWG, die Portfolioverwaltung oder Anlageberatung anbieten, laufend zu überwachen. Dazu stehen der FMA unbeschadet der Befugnisse, die ihr in diesen Verordnungen zugewiesen werden, insbesondere die Befugnisse gemäß Abs. 3 Z 1 und 2 zu.
(2) Die FMA hat auf Grund der ihr nach diesem Bundesgesetz zukommenden Aufgaben alle Untersuchungen durchzuführen und jene Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind,
1. um die Ordnungsmäßigkeit und Fairness des Handels mit Instrumenten, die auf einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates (§ 2 Z 5 BWG) zugelassen sind, beurteilen und sichern zu können;
2. um bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten die Wahrung der Interessen der Anleger im Sinne des 2. Hauptstücks zu gewährleisten;
3. um anderen Verwaltungsbehörden, insbesondere dem Bundesminister für Finanzen, der Europäischen Kommission, der ESMA und den zuständigen Behörden (Art. 4 Abs. 1 Nummer 40 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013) anderer Mitgliedstaaten, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem BWG und den für Kreditinstitute geltenden sonstigen Gesetzen (§ 69 Abs. 1 BWG) oder ihrer Aufgaben gemäß den Verordnung (EU) 596/2014, der Verordnung (EU) 600/2014 sowie den Richtlinien 2014/57/EU, 2014/65/EU, 2004/109/EG und 2013/36/EU erforderlichen Informationen zu erteilen und um die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch nach Abs. 5, 6 und dem 4. Abschnitt dieses Hauptstücks zu gewährleisten.
(3) In Ausübung der Zuständigkeiten gemäß Abs. 1 und Abs. 2 ist die FMA unbeschadet der ihr auf Grund anderer bundesgesetzlicher Bestimmungen zustehenden Befugnisse jederzeit ermächtigt,
1. in die Bücher, Schriftstücke und Datenträger der Rechtsträger gemäß Abs. 1 unabhängig von der technischen Ausgestaltung Einsicht zu nehmen und Kopien von ihnen zu erhalten;
2. von den Rechtsträgern gemäß Abs. 1 und ihren Organen Auskünfte zu verlangen und gemäß den Verwaltungsverfahrensgesetzen Personen vorzuladen und zu befragen;
3. durch eigene Prüfer, Abschlussprüfer oder sonstige Sachverständige vor Ort Prüfungen durchzuführen;
4. von den Rechtsträgern gemäß Abs. 1 bereits existierende Aufzeichnungen von Telefongesprächen und Datenübermittlungen anzufordern;
5. zur Unterbindung von Rechtsverletzungen und zur dauernden Gewährleistung der Einhaltung der Konzessionsvoraussetzungen Maßnahmen gemäß § 92 Abs. 8 dieses Bundesgesetzes in Verbindung mit § 70 Abs. 4 BWG zu treffen;
6. vorläufige Beschlagnahmen und Beschlagnahmen anzuordnen; die vorläufige Beschlagnahme erlischt, wenn nicht binnen vier Wochen von der FMA ein Beschlagnahmebescheid erlassen wird;
7. Durchsuchungen (§ 117 Z 2 und 3 lit. a StPO) durchzuführen; §§ 119 bis 122 StPO sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf Durchsuchungen gemäß § 117 Z 2 lit. b StPO die Verfahrensvorschriften gemäß § 153 Abs. 2, 4 bis 7 und 9 BörseG 2018 anzuwenden sind;
8. Maßnahmen gegen Geschäftsleiter gemäß § 92 Abs. 1 und Abs. 8 dieses Bundesgesetzes sowie gemäß § 70 Abs. 2 und 4 BWG zu treffen;
9. von den Abschlussprüfern und gesetzlichen Prüfungseinrichtungen von Rechtsträgern gemäß Abs. 1 Auskünfte einzuholen;
10. den Verdacht strafbarer Handlungen gemäß § 78 StPO einer Staatsanwaltschaft oder Sicherheitsbehörde anzuzeigen;
11. öffentliche Bekanntmachungen im Sinne von § 93 Abs. 2 Z 19 BörseG 2018 abzugeben;
12. Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung gemäß § 134 Z 2, § 135 Abs. 2 und § 137 Abs. 1 StPO (einschließlich der in § 76a StPO genannten Daten) zu verlangen und bereits zum Akt genommene Ergebnisse solcher Ermittlungshandlungen einzusehen und Kopien von ihnen zu erhalten, wenn ein begründeter Verdacht eines Verstoßes gegen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 besteht und diese Aufzeichnungen für eine Ermittlung in Zusammenhang mit diesen Verstößen von Belang sein könnten; auf die Auskunft über Daten der Nachrichtenübermittlung und die Überwachung von Nachrichten sind die Verfahrensvorschriften gemäß § 153 Abs. 3 bis 6 BörseG 2018 anzuwenden;
13. den Vertrieb oder Verkauf von Finanzinstrumenten oder strukturierten Einlagen auszusetzen, wenn die Bedingungen der Art. 40, 41 oder 42 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 erfüllt sind;
14. den Vertrieb oder Verkauf von Finanzinstrumenten oder strukturierten Einlagen auszusetzen, wenn der Rechtsträger gemäß Abs. 1 kein wirksames Genehmigungsverfahren für Produkte entwickelt hat oder anwendet oder in anderer Weise gegen die §§ 30 und 31 dieses Bundesgesetzes verstoßen hat;
15. im öffentlichen Interesse Maßnahmen gemäß Art. 42 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 durch Verordnung oder Bescheid festzusetzen.
Die in Z 1 bis 4 angeführten Befugnisse kann die FMA auch unmittelbar gegenüber vertraglich gebundenen Vermittlern sowie Wertpapiervermittlern ausüben.
(4) Die FMA ist zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten ermächtigt, soweit dies eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung der ihr nach diesem Bundesgesetz, dem Wertpapierfirmengesetz (WPFG) und dem BörseG 2018 übertragenen Aufgaben in folgenden Bereichen ist:
1. Konzessionen von Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen und die für die Erteilung maßgeblichen Umstände;
2. Leitung, verwaltungsmäßige und buchhalterische Organisation sowie interne Kontrolle und Revision von Wertpapierfirmen, Wertpapierdienstleistungsunternehmen und meldepflichtigen Instituten;
3. Zweigstellen und die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs;
4. Daten meldepflichtiger Geschäfte gemäß Titel IV der Verordnung (EU) Nr. 600/2014;
5. Beachtung der Bestimmungen des 2. Hauptstücks;
6. Beachtung der Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010;
7. Eigenkapital;
8. Qualifizierte Beteiligungen an Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen;
9. Jahresabschluss und Rechnungslegung;
10. aufsichtsbehördliche Maßnahmen gemäß § 92 Abs. 8 bis 10 und den §§ 27 und 28 WPFG;
11. Verwaltungsstrafen gemäß den §§ 94 bis 96, § 49 WPFG und den §§ 72, 75, 107, 154, 155 und 156 BörseG 2018;
12. Ermittlungen gemäß Abs. 3 und 7, § 3 Abs. 2 und 3 WPFG, § 93 Abs. 2 und § 140 Abs. 1 BörseG 2018, § 14 KMG 2019 und § 22b FMABG;
13. Informationen, die von zuständigen Behörden im Rahmen des Informationsaustausches gemäß den §§ 104 bis 111, der §§ 5, 7 und 40 bis 42 WPFG oder gemäß den §§ 101, 102 und § 140 Abs. 3 und 4 BörseG 2018 oder im Wege des § 21 FMABG erlangt wurden;
14. Zusammenarbeit beim Früherkennungssystem gemäß § 73 Abs. 10.
(5) Die Übermittlung von Daten gemäß Abs. 4 und von Daten, die die FMA gemäß ihren Befugnissen ermitteln kann, sowie der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen gemäß § 111 sind im Rahmen der Amtshilfe zulässig sowie an für Wertpapieraufsicht zuständige Behörden von Mitgliedstaaten, soweit dies für die Erfüllung von Aufgaben, die den Aufgaben der FMA nach diesem Bundesgesetz, dem BörseG 2018 oder der Verordnung (EU) 600/2014 entsprechen, oder für andere gesetzliche Aufgaben im Rahmen der Aufsicht über den Finanzmarkt der ersuchenden für Wertpapieraufsicht zuständigen Behörde erforderlich ist, und soweit ein begründetes Ersuchen vorliegt und die übermittelten Daten bei diesen Behörden einem dem Berufsgeheimnis gemäß § 14 FMABG entsprechenden Berufsgeheimnis unterliegen.
(6) Die Übermittlung von Daten gemäß Abs. 4 ist innerhalb desselben Rahmens, zu denselben Zwecken und mit denselben Beschränkungen wie an zuständige Behörden von Mitgliedstaaten gemäß Abs. 5 auch an Behörden von Drittländern, die den Aufgaben der FMA entsprechende Aufgaben wahrzunehmen haben, nur zulässig, soweit die übermittelten Daten bei diesen Behörden einem dem Berufsgeheimnis gemäß § 14 FMABG entsprechenden Berufsgeheimnis unterliegen und im Einklang mit Kapitel V der Verordnung (EU) 2016/679 stehen.
(7) Die FMA kann für die Zwecke der Zusammenarbeit und des Informationsaustausches gemäß Abs. 5 und 6, soweit dies für die Erfüllung von Aufgaben, die den Aufgaben der FMA nach diesem Bundesgesetz, dem BörseG 2018, dem KMG 2019 oder dem WPFG entsprechen, erforderlich ist oder dies für die Wahrnehmung von anderen gesetzlichen Aufgaben im Rahmen der Aufsicht über den Finanzmarkt einer ersuchenden für Wertpapieraufsicht zuständigen Behörde erforderlich ist und die ersuchende Behörde einem gleichartigen Ersuchen auf Zusammenarbeit und Informationsaustausch ebenso entsprechen würde, von ihren Befugnissen auch ausschließlich für Zwecke einer solchen Zusammenarbeit Gebrauch machen, auch wenn die Verhaltensweise, die Gegenstand der Ermittlung ist, keinen Verstoß gegen eine in Österreich geltende Vorschrift darstellt. Von allen ihren Befugnissen gemäß Abs. 3 Z 1 bis 4 und 9 kann die FMA für die Zwecke einer solchen Zusammenarbeit auch gegenüber natürlichen und juristischen Personen Gebrauch machen, die nicht oder in ihrem Herkunftsland zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Anlagetätigkeiten im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU zugelassen sind.
(8) Die FMA ist ermächtigt, durch Verordnung oder Bescheid Maßnahmen gemäß Abs. 3 Z 15 mit der Maßgabe festzusetzen, dass diese für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Verwaltungsgesellschaften gemäß § 5 Abs. 1 InvFG 2011, die Dienstleistungen gemäß § 5 Abs. 2 Z 3 oder 4 InvFG 2011 erbringen, oder AIFM gemäß § 4 AIFMG, die Dienstleistungen gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 oder Z 2 lit. a oder c AIFMG erbringen, gelten. Art. 42 Abs. 3 und 4 sowie Art. 43 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 sind auf solche Maßnahmen nicht anzuwenden.
(9) Das Landesgericht für Strafsachen Wien als Einzelrichter hat über einen Antrag der FMA nach Abs. 3 Z 6 oder 11 mit Beschluss (§ 86 StPO) zu entscheiden, wobei der Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit nach § 5 StPO anzuwenden ist. Die FMA hat ihren Antrag zu begründen (§ 102 Abs. 2 Z 2 bis 4; Anträge nach Abs. 3 Z 12 haben überdies die in § 138 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 StPO vorgesehenen Angaben zu enthalten) und dem Gericht samt den Akten zu übermitteln.
(10) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben durch die Bestimmungen des 14. Abschnitts des TKG 2021, unberührt.
(11) Die FMA kann als zuständige Behörde für den Titel II der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 durch Verordnung Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz gemäß Art. 4, 9 und Art. 18 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 sowie Aufschub für die Nachhandelstransparenz gemäß Art. 7, 11, Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 gewähren.
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