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WAG 2018 § 74. Finanzierung der Anlegerentschädigung, BGBl. I Nr. 237/2022, gültig ab 01.02.2023

3. Hauptstück Aufsicht und sonstige Maßnahmen

1. Abschnitt Rechnungslegung, Anlegerentschädigung und Geschäftsaufsicht

§ 74. Finanzierung der Anlegerentschädigung

(1) Die Entschädigungseinrichtung hat ihre Mitgliedsinstitute zu verpflichten, jährliche Beiträge und zusätzlich für den Fall einer Auszahlung von Entschädigungen unverzüglich anteilsmäßige Beiträge zu leisten, um ihren Entschädigungsverpflichtungen nachzukommen. Die Beiträge der Mitgliedsinstitute müssen die Ansprüche gegen die Entschädigungseinrichtung sowie die Kosten, die durch die Tätigkeit der Entschädigungseinrichtung entstehen, decken. Die Mitgliedsinstitute haben der Entschädigungseinrichtung bis zum 30. Juni des Folgejahres die geprüften Jahresabschlüsse zu übermitteln sowie die sonstigen für die Beitragsleistung erforderlichen Daten, insbesondere auch Angaben zur Kundenzahl zu übermitteln. Die Entschädigungseinrichtung hat jene organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, die die unverzügliche Bemessung und Auszahlung der gesicherten Forderungen ermöglichen.

(2) Die jährlichen Beiträge betragen

1. bei Mitgliedsinstituten mit bis zu 100 Kunden 1 vT

2. bei Mitgliedsinstituten mit bis zu 1000 Kunden 2 vT

3. bei Mitgliedsinstituten mit ab 1001 Kunden 3 vT

der Umsatzerlöse jedes Mitgliedsinstituts aus Dienstleistungen gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 bis 10 aus dem jeweiligen Geschäftsjahr. Jene Mitgliedsinstitute, die die Voraussetzungen für die Einstufung als kleine und nicht-verflochtene Wertpapierfirmen gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2019/2033 nicht erfüllen und Kundengelder halten dürfen, haben zusätzlich zum Beitrag gemäß Z 1 bis 3 einen jährlichen Beitrag in der Höhe von 1 vT der Umsatzerlöse des Mitgliedsinstituts aus Dienstleistungen gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 bis 10 aus dem jeweiligen Geschäftsjahr zu leisten. Der so ermittelte Betrag ist vom jeweiligen Mitgliedsinstitut bis zum 30. Juni des Folgejahres an die Entschädigungseinrichtung zu leisten.

(2a) Die Entschädigungseinrichtung hat

1. bestehenden Mitgliedsinstituten, die die Voraussetzungen für die Einstufung als kleine und nicht-verflochtene Wertpapierfirmen gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2019/2033 nicht mehr erfüllen, und

2. neuen Mitgliedsinstituten, die die Voraussetzungen für die Einstufung als kleine und nicht-verflochtene Wertpapierfirmen gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2019/2033 gemäß ihrem Geschäftsplan nicht erfüllen werden, bei deren Aufnahme als Mitgliedsinstitut

einen zusätzlichen Beitrag in der Höhe eines jährlichen Beitrags gemäß Abs. 2 vorzuschreiben, sofern diese Mitgliedsinstitute eine oder mehrere der in § 3 Abs. 2 Z 6 bis 10 genannten Dienstleistungen betreiben. In Fällen gemäß Z 2 ist dieser Vorschreibung eine Berechnung der zusätzlichen Beitragsverpflichtung zugrunde zu legen, die von der Entschädigungseinrichtung anhand der Umsatzerlöse und Kundenzahl des Geschäftsplans des neuen Mitgliedsinstituts vorzunehmen ist. Nach Übermittlung des geprüften Jahresabschlusses und der sonstigen für die Beitragsleistung erforderlichen Daten gemäß Abs. 1 dritter Satz durch das neue Mitgliedsinstitut hat die Entschädigungseinrichtung dessen zusätzliche Beitragsverpflichtung in endgültiger Weise zu berechnen und die Differenz zur Vorschreibung von dem neuen Mitgliedsinstitut einzufordern oder diesem gutzuschreiben.

(3) Zusätzliche Beiträge (Sonderbeiträge) für den Fall einer Auszahlung von Entschädigungen sind dann zu leisten, wenn die von der Entschädigungseinrichtung auf Grund der jährlichen Beitragsleistung vereinnahmten Beträge nicht ausreichen, um ihren Entschädigungsverpflichtungen nachzukommen. Die Beitragsverpflichtungen der Mitgliedsinstitute sind von der Entschädigungseinrichtung zu ermitteln und die errechneten Beiträge den Mitgliedsinstituten anteilsmäßig nach dem Verhältnis der fixen Gemeinkosten gemäß § 1 Z 71 jedes Mitgliedsinstitutes aus dem vorhergehenden Geschäftsjahr zu den fixen Gemeinkosten aller Mitgliedsinstitute aus dem vorhergehenden Geschäftsjahr vorzuschreiben.

(4) Bis zum Erreichen eines Beitragsvermögens durch eingenommene jährliche Beiträge in Höhe von 5 vH der Umsatzerlöse aller Mitgliedsinstitute durch die Entschädigungseinrichtung hat die Entschädigungseinrichtung nach Maßgabe der Möglichkeiten den Differenzbetrag auf das der Entschädigungseinrichtung durch bereits eingenommene jährliche Beiträge zur Verfügung stehende Beitragsvermögen durch Versicherungsdeckung oder Bankgarantien, jeweils unter Einschluss von Schäden aus strafbarem Verhalten, und zwar mittels eines Teils der jährlichen Beitragsleistung, maximal aber mit der Hälfte davon, auszugleichen. Dies gilt auch, wenn das Beitragsvermögen unter 5 vH der Umsatzerlöse absinkt.

(5) Das Beitragsvermögen ist bis zur widmungsgemäßen Verwendung durch die Entschädigungseinrichtung mündelsicher zu veranlagen. Es bildet gemeinsam mit den allfälligen Ansprüchen gemäß Abs. 4 ein Sondervermögen, das durch die Entschädigungseinrichtung treuhändig zu verwalten ist. Über das Sondervermögen ist durch die Entschädigungseinrichtung jährlich gleichzeitig mit dem Jahresabschluss der Entschädigungseinrichtung Rechnung zu legen. Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Verwaltung des Sondervermögens hat jährlich durch einen Wirtschaftsprüfer zu erfolgen, welcher von der Entschädigungseinrichtung bestellt wird. Wegen Forderungen gegen die Entschädigungseinrichtung, die nicht aus Gründen von Entschädigungsverpflichtungen entstanden sind, darf in das Sondervermögen nicht Exekution geführt werden. Dem Konkurs der Entschädigungseinrichtung ist das Sondervermögen entzogen.

(6) Forderungsberechtigte aus sicherungspflichtigen Dienstleistungen gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 bis 10 können während eines Zeitraums von einem Jahr ab der Eröffnung des Konkurses oder der Mitteilung der zuständigen Behörde gemäß Anhang II Buchstabe b der Richtlinie 97/9/EG ihre Ansprüche bei der Entschädigungseinrichtung anmelden. § 46 Abs. 3 letzter Satz ESAEG ist anzuwenden.

(7) Die Entschädigungseinrichtung hat unverzüglich nach Ablauf des Anmeldungszeitraums Beiträge der Mitgliedsinstitute zur Deckung der Entschädigungsansprüche einzuheben. Die nach Abs. 3 zu bemessenden Beiträge sind für das einzelne Mitgliedsinstitut dadurch begrenzt, dass es im Geschäftsjahr ohne Anrechnung der jährlichen Beiträge gemäß Abs. 2 höchstens zu Beitragsleistungen im Ausmaß von 2,5 vH der fixen Gemeinkosten gemäß § 10 Abs. 6 aus dem vorhergehenden Geschäftsjahr verpflichtet ist. Die Mitgliedsinstitute können zur Leistung des Sonderbeitrages gemäß Abs. 3 innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren nur zwei Mal verhalten werden. Kann die Entschädigungseinrichtung die Auszahlung der gesicherten Ansprüche nicht voll leisten, so hat sie zur Erfüllung der restlichen Auszahlungsverpflichtungen Darlehen aufzunehmen oder Schuldverschreibungen auszugeben. Die Entschädigungseinrichtung, deren Mitgliedsinstitute oder Kunden der Mitgliedsinstitute haben aus dem Titel der Anlegerentschädigung keinen wie immer gearteten Anspruch gegen Gebietskörperschaften auf Zuschüsse, sonstige finanzielle Leistungen oder Haftungen. Der Bundesminister für Finanzen kann jedoch nach Maßgabe besonderer gesetzlicher Ermächtigung die Bundeshaftung für Darlehen oder Schuldverschreibungen der Entschädigungseinrichtung übernehmen, wenn dies zur Abwehr schwerer Schäden des Finanzplatzes erforderlich ist. Dem Bund steht bei Inanspruchnahme aus dieser Haftung ein Rückgriffsanspruch gegen die Entschädigungseinrichtung zu. Dieser ist auf einen Sonderbeitrag gemäß Abs. 3 begrenzt. Die Laufzeiten der Darlehen oder Schuldverschreibungen sind fristenkongruent mit der Fälligkeit des zweitfälligen Sonderbeitrages zu vereinbaren.

(8) Die Entschädigungseinrichtung hat zu gewährleisten, dass Forderungen eines Anlegers aus sicherungspflichtigen Dienstleistungen gemäß § 73 Abs. 3, die gemäß den Vorgaben des Abs. 6 angemeldet wurden, bis zu einem Höchstbetrag von 20 000 Euro oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden. Für die Bemessung und Auszahlung von Entschädigungen ist § 13 Abs. 2 ESAEG sinngemäß anzuwenden. Die Entschädigungseinrichtung ist berechtigt, Entschädigungsforderungen mit Forderungen des Mitgliedsinstituts aufzurechnen. § 19 Abs. 2 der InsolvenzordnungIO, RGBl. Nr. 337/1914, ist anzuwenden.

(9) Stehen der Feststellung der Forderungen oder der Aufbringung der Entschädigungswerte außergewöhnliche Hindernisse entgegen und kann auf Grund dessen die Frist gemäß Abs. 8 nicht eingehalten werden, so verlängert sich diese Frist um weitere drei Monate. Die FMA ist weiters auf Antrag der Entschädigungseinrichtung berechtigt, die Verlängerung der Frist um weitere drei Monate zu bewilligen, wenn dies auf Grund besonderer Umstände zur Abwehr eines volkswirtschaftlichen Schadens, insbesondere durch die Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems, erforderlich ist.

(10) Die Entschädigungseinrichtung hat die Beitragseinhebung gemäß Abs. 7 und die Entschädigungsauszahlungen treuhändig abzuwickeln. Sie hat zu diesem Zweck jeweils ein Verzeichnis aller Anlegerforderungen (Abs. 8) und der zu leistenden Beiträge (Abs. 7) zu erstellen. Beiträge gemäß Abs. 7 und Forderungen gemäß Abs. 8 sind unter der Bilanz auszuweisen und hat die Entschädigungseinrichtung keine Rückstellungen gemäß § 198 Abs. 8 UGB zu bilden. Eine Aufstellung des Treuhandvermögens ist als Anhang zum Jahresabschluss auszuweisen.

Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.atGesamte Rechtsvorschrift (RIS)

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