5. Hauptstück Strafrechtliche Bestimmungen und Verfahrensvorschriften
4. Abschnitt Weitere strafrechtliche Bestimmungen
§ 35. Vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung durch dieStaatsanwaltschaft
(1) Die Staatsanwaltschaft hat unter den in den Abs. 3 bis 7 genannten Voraussetzungen und Bedingungen von der Verfolgung einer Straftat nach den §§ 27 Abs. 1 und 2 oder 30, die ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden ist, ohne dass der Beschuldigte daraus einen Vorteil gezogen hat, unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig zurückzutreten.
(2) Die Staatsanwaltschaft hat unter den Voraussetzungen und Bedingungen der Abs. 3 bis 7 auch von der Verfolgung einer anderen Straftat nach den §§ 27 oder 30 bis 31a, einer Straftat nach den §§ 28 oder 28a, sofern der Beschuldigte an Suchtmittel gewöhnt ist, oder einer im Zusammenhang mit der Beschaffung von Suchtmitteln begangenen Straftat unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig zurückzutreten, wenn
1. die Straftat nicht in die Zuständigkeit des Schöffen- oder Geschworenengerichts fällt,
2. die Schuld des Beschuldigten nicht als schwer anzusehen wäre und
3. der Rücktritt nicht weniger als eine Verurteilung geeignet erscheint, den Beschuldigten von solchen Straftaten abzuhalten.
Ebenso ist vorzugehen, wenn der Beschuldigte wegen einer während der Probezeit nach Abs. 1 begangenen weiteren Straftat im Sinne des Abs. 1 verfolgt wird.
(3) Ein vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung setzt voraus, dass
1. eine Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend im Sinne des § 26 und
2. eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darüber eingeholt worden sind, ob der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 bedarf, um welche Maßnahme es sich gegebenenfalls handeln soll, ob eine solche Maßnahme zweckmäßig, ihm nach den Umständen möglich und zumutbar und nicht offenbar aussichtslos ist.
(4) Die Staatsanwaltschaft kann von der Einholung einer Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde absehen, wenn der Beschuldigte ausschließlich deshalb verfolgt wird, weil er
1. Stoffe oder Zubereitungen aus der Cannabispflanze, die in § 27 Abs. 1 Z 3 genannten Pilze oder einen psychotropen Stoff zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben, besessen, erzeugt, befördert, eingeführt oder ausgeführt oder einem anderen ausschließlich für dessen persönlichen Gebrauch angeboten, überlassen oder verschafft habe, ohne daraus einen Vorteil zu ziehen, oder
2. die in § 27 Abs. 1 Z 2 und 3 genannten Pflanzen oder Pilze zum Zweck der Gewinnung oder des Missbrauchs von Suchtgift ausschließlich für den persönlichen Gebrauch oder persönlichen Gebrauch eines anderen angebaut habe,
und wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme bedarf. Eine Stellungnahme ist jedoch einzuholen, wenn gegen den Beschuldigten innerhalb der letzten fünf Jahre vor diesem Strafverfahren bereits ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat nach den §§ 27 bis 31a geführt wurde.
(5) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat vor Abgabe ihrer Stellungnahme die Begutachtung des Beschuldigten durch einen mit Fragen des Suchtmittelmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinischpsychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammenzuarbeiten hat, zu veranlassen.
(6) Bedarf der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2, so hat die Staatsanwaltschaft den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung davon abhängig zu machen, dass sich der Beschuldigte – hat er einen gesetzlichen Vertreter, mit dessen Zustimmung – bereit erklärt, sich einer solchen Maßnahme zu unterziehen. Ist eine solche Maßnahme trotz der Bereitschaft des Beschuldigten, sich dieser zu unterziehen, nicht zweckmäßig, nach den Umständen nicht möglich oder nicht zumutbar oder offenbar aussichtslos, so hat die Staatsanwaltschaft, soweit dies möglich und zweckmäßig ist, den vorläufigen Rücktritt davon abhängig zu machen, dass sich der Beschuldigte – hat er einen gesetzlichen Vertreter, mit dessen Zustimmung – bereit erklärt, während der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen, die als Weisungen (§ 51 StGB) erteilt werden könnten.
(7) Der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung kann, wenn dies zweckmäßig ist, auch davon abhängig gemacht werden, dass sich der Beschuldigte – hat er einen gesetzlichen Vertreter, mit dessen Zustimmung – bereit erklärt, sich durch einen Bewährungshelfer betreuen zu lassen.
(8) Die Staatsanwaltschaft hat dem Beschuldigten mitzuteilen, dass die Durchführung eines Strafverfahrens gegen ihn unter den festgesetzten Bedingungen für eine Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig unterbleibe, und ihn in sinngemäßer Anwendung des § 207 StPO zu belehren. Vom Rücktritt von der Verfolgung ist der Beschuldigte, das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend und, wenn die Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 14 Abs. 1 Strafanzeige oder eine Stellungnahme erstattet hat, auch diese unverzüglich zu verständigen. Die Verständigung über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung ist dem Beschuldigten zu eigenen Handen zuzustellen. Der Lauf der Probezeit beginnt mit der Zustellung der Verständigung. Die Probezeit wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Im Übrigen sind die §§ 208 Abs. 3 sowie 209 StPO sinngemäß anzuwenden.
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