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SBBG § 8. Verfahren zur Feststellung des Scheinunternehmens, BGBl. I Nr. 64/2017, gültig von 23.05.2017 bis 24.05.2018

3. Abschnitt Maßnahmen gegen Scheinunternehmen

§ 8. Verfahren zur Feststellung des Scheinunternehmens

(1) Scheinunternehmen ist ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist,

1. Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmer/inne/n zu verkürzen, oder

2. Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.

(2) Ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens ist gegeben, wenn die Anhaltspunkte bei einer Gesamtbetrachtung ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach berechtigte Zweifel begründen, ob

1. die Anmeldung zur Sozialversicherung oder die Meldung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vom Vorsatz getragen ist, die in Folge der Anmeldung oder Meldung auflaufenden Lohn- und Sozialabgaben oder Zuschläge nach dem BUAG zur Gänze zu entrichten, oder

2. die Anmeldung zur Sozialversicherung vom Vorsatz getragen ist, dass die angemeldeten Personen eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.

Die Abgabenbehörden des Bundes haben die Ermittlungen hinsichtlich des Verdachtes auf Vorliegen eines Scheinunternehmens im Sinne dieser Bestimmung durchzuführen.

(3) Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens sind insbesondere:

1. Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbaren Instrumenten,

2. Unauffindbarkeit von für das Unternehmen tätigen Personen, die dem angegebenen Geschäftszweig entsprechen, an der der Abgabenbehörde oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebenen Adresse oder der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift,

3. Unmöglichkeit des Herstellens eines persönlichen Kontakts zu dem/der Rechtsträger/in oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin über die im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift oder die der Abgabenbehörde oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebene Adresse,

4. Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden oder Beweismittel durch die dem Unternehmen zuzurechnenden Personen,

5. Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen,

6. Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung des/der Dienstnehmers/Dienstnehmerin zur Sozialversicherung.

(4) Die für die Feststellung der Scheinunternehmerschaft zuständige Abgabenbehörde ist das Finanzamt der Betriebsstätte (§ 81 Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988), dem die Wahrnehmung der Angelegenheiten des vom betroffenen Unternehmen vorzunehmenden Steuerabzuges vom Arbeitslohn obliegt. Besteht ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens, ist dieser dessen Rechtsträger/in durch die Abgabenbehörde schriftlich mitzuteilen. Zum Zwecke der Klärung des Sachverhalts nach § 7 Abs. 1a Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), BGBl. Nr. 324/1977, hat die Abgabenbehörde die IEF-Service GmbH über das Bestehen eines Verdachts im Sinne des ersten Satzes schriftlich zu informieren.

(5) Die Zustellung dieser Mitteilung hat nach dem 3. Abschnitt des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, elektronisch ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Dabei gelten § 35 Abs. 6 zweiter Satz ZustG, § 35 Abs. 7 und, soweit er sich auf eine elektronische Zustelladresse bezieht, § 37 ZustG nicht.

(6) Ist die elektronische Zustellung nicht möglich, hat die physische Zustellung an die der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebene Adresse und an eine allfällig im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift, die als Abgabestellen im Sinne des § 2 Z 4 ZustG gelten, ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Die physische Zustellung wird auch dann bewirkt, wenn die Voraussetzungen des ZustG in Bezug auf die Anwesenheit des/der Empfängers/Empfängerin oder eines/einer Vertreters/Vertreterin nicht vorliegen oder das Dokument – insbesondere wegen Unauffindbarkeit des/der Empfängers/Empfängerin – nicht in eine für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen werden konnte. Bei Zustellung durch einen Zustelldienst oder ein Organ einer Gemeinde gilt die Zustellung am dritten Werktag nach Übergabe an den Zustelldienst oder die Gemeinde als bewirkt. § 26 Abs. 2 zweiter Satz ZustG ist nicht anzuwenden.

(7) Gegen den mitgeteilten Verdacht kann binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch bei der Abgabenbehörde erhoben werden. Der Widerspruch kann nur durch persönliche Vorsprache des/der Rechtsträgers/Rechtsträgerin oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin erfolgen.

(8) Wird kein Widerspruch erhoben, hat die Abgabenbehörde mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt. Für die Zustellung dieses Bescheids gelten die Abs. 5 und 6. Der rechtskräftige Bescheid ist allen Kooperationsstellen, der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen.

(9) Wird Widerspruch erhoben, hat die Abgabenbehörde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt, oder das Verfahren einzustellen. Die Feststellung als Scheinunternehmen gilt als wichtiger Grund im Sinne des § 102 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961. Für die Zustellung dieses Bescheids gilt die der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebene Adresse als Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustG. Die physische Zustellung wird auch dann bewirkt, wenn die Voraussetzungen des ZustG in Bezug auf die Anwesenheit des/der Empfängers/Empfängerin oder eines/einer Vertreters/Vertreterin nicht vorliegen oder die schriftliche Verständigung von der Hinterlegung – insbesondere wegen Unauffindbarkeit des/der Empfängers/Empfängerin – nicht in eine für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt, an der Abgabestelle zurückgelassen oder an der Eingangstüre angebracht werden konnte. Der rechtskräftige Bescheid oder das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ist allen Kooperationsstellen, der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen.

(10) Das Bundesministerium für Finanzen hat eine Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen im Internet zu veröffentlichen (Identität, Firmenbuchnummer und Geschäftsanschrift des Scheinunternehmens).

(11) Handelt es sich beim Scheinunternehmen um einen im Firmenbuch eingetragene/n Rechtsträger/in, so ist der rechtskräftige Bescheid oder das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Abgabenbehörde auch dem zuständigen Firmenbuchgericht zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen. Das Gericht hat aufgrund einer solchen Mitteilung von Amts wegen die Eintragung gemäß § 3 Abs. 1 Z 15a des Firmenbuchgesetzes (FBG), BGBl. Nr. 10/1991, vorzunehmen oder zu löschen. Handelt es sich beim Scheinunternehmen um eine Kapitalgesellschaft, so hat die Abgabenbehörde beim zuständigen Firmenbuchgericht gegebenenfalls auch einen Antrag auf Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG zu stellen.

(12) Auf das Verfahren sind die Vorschriften der BAO sinngemäß mit den vorgenannten und folgenden Besonderheiten anzuwenden:

1. Für die Mitteilung nach Abs. 4 gilt § 93 Abs. 3 bis 6 BAO sinngemäß. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass im Falle der Erhebung des Widerspruchs das ordentliche Verfahren eingeleitet wird.

2. Die Frist für die Einbringung einer Beschwerde nach § 243 BAO beträgt eine Woche. § 245 Abs. 3 BAO gilt nicht.

3. Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 308 Abs. 3 BAO beträgt zwei Wochen. Soweit die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den mitgeteilten Verdacht nach Abs. 7 versäumt wurde, hat die persönliche Vorsprache innerhalb der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung zu erfolgen. Die Frist nach § 309 BAO beträgt sechs Wochen.

4. Gegen Bescheide nach den Abs. 8 und 9 sind Beschwerden an das Bundesfinanzgericht zulässig. Die Beschwerde ist bei der Abgabenbehörde einzubringen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.atGesamte Rechtsvorschrift (RIS)

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