II. Abschnitt Der Anerbe
§ 3.
Gesetzliche Erbfolge.
(1) Sind bei der gesetzlichen Erbfolge nach dem Alleineigentümer eines Erbhofs mehrere Miterben berufen, so kann nur einer von ihnen, der Anerbe, Eigentümer des Erbhofs werden. Einigen sich die Miterben nicht über die Person des Anerben, so gelten für dessen Bestimmung folgende Regeln:
1. Leibliche Kinder gehen Wahlkindern vor; legitimierte Kinder stehen den ehelichen Kindern gleich.
2. Uneheliche Kinder der Erblasserin reihen hinter deren ehelichen Kindern; sie kommen außerdem nur dann als Anerbe in Betracht, wenn sie auf dem Erbhof erzogen worden sind.
3. Sind Abkömmlinge des Erblassers vorhanden, so haben diese den Vorzug vor dem überlebenden Ehegatten; dagegen reiht dieser vor den übrigen Verwandten. Unter Abkömmlingen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind auch Wahlkinder zu verstehen.
4. Miterben, die für einen anderen Beruf als den der Landwirtschaft erzogen wurden oder im Zeitpunkt des Todes des Erblassers seit mindestens zwei Jahren erzogen werden oder die anderweitig versorgt sind, scheiden als Anerbe aus, wenn in derselben Linie (§ 731 ABGB.) Miterben vorhanden sind, die für die Landwirtschaft erzogen wurden oder werden und nicht anderweitig versorgt sind.
5. Sind Abkömmlinge aus mehreren Ehen vorhanden und stammt der Erbhof ganz oder überwiegend von der Seite eines der früheren oder des letzten Ehegatten des Erblassers, so haben die Abkömmlinge des Erblassers mit diesem bestimmten Ehegatten den Vorzug.
6. Sind weder Abkömmlinge noch ein Ehegatte des Erblassers vorhanden und stammt der Erbhof ganz oder überwiegend von der Vaterseite oder von der Mutterseite, so haben die Erben von dieser bestimmten Seite den Vorzug.
(2) Bleiben bei der Auslese nach den vorstehenden Regeln immer noch mehrere Miterben übrig, die als Anerbe in Betracht kommen, so gilt für die Bestimmung des Anerben ferner folgendes:
1. Im Grade näher Verwandte gehen den im Grad entfernter Verwandten vor.
2. Unter gleich nahen Verwandten gebührt den männlichen Verwandten der Vorzug vor den weiblichen.
3. Unter gleich nahen Verwandten desselben Geschlechtes entscheidet je nach dem in der Gegend geltenden Brauch Ältesten- oder Jüngstenrecht; besteht kein Brauch, so gilt Ältestenrecht. Sind die mehreren in Betracht kommenden Miterben gleich alt, so entscheidet das Verlassenschaftsgericht. Es hat denjenigen von ihnen zum Anerben zu bestimmen, der als Landwirt am fähigsten ist oder am fähigsten zu werden verspricht. Ist dies nicht feststellbar, so sind allfällige Wünsche des überlebenden Ehegatten nach Tunlichkeit zu berücksichtigen; andernfalls hat das Verlassenschaftsgericht das Los entscheiden zu lassen.
(3) Das Bundesministerium für Justiz kann feststellen, welcher Brauch im Sinne des Abs. 2 Z. 3 in den einzelnen Gebieten Österreichs besteht oder ob ein bestimmter Brauch fehlt. Das Ergebnis dieser Feststellung ist mit bindender Wirkung durch Verordnung im Bundesgesetzblatt zu verlautbaren. Vor dieser Verlautbarung stellt das Verlassenschaftsgericht im Einzelfall den Brauch oder das Fehlen eines Brauches fest. Die spätere Verlautbarung hat auf die rechtskräftige Feststellung keinen Einfluß.
Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.atGesamte Rechtsvorschrift (RIS)
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