Richtlinie des BMF vom 10.04.2024, 2024-0.127.137
6. Steuerschuld
6.1. Steuerschuldentstehung, Steueranmeldung, Fälligkeit
6.1.2. Steuerschuld - Steueraussetzungsverfahren

6.1.2.4. Steuerschuld wegen Unregelmäßigkeiten im Verfahren der Steueraussetzung

Neben den abgabenrechtlichen Konsequenzen sind bei Feststellung von Unregelmäßigkeiten immer auch finanzstrafrechtliche Aspekte zu prüfen.

Entsteht eine Steuerschuld im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten, sind in den VSt-Ges für den jeweiligen Steuerschuldtatbestand oftmals mehrere Steuerschuldner vorgesehen. Die Auswahl des primär zur Entrichtung heranzuziehenden Steuerschuldners ist von der jeweiligen Situation bzw. vom Ermittlungsergebnis abhängig und eine Ermessenssache. Grundsätzlich soll jener Steuerschuldner ausgewählt werden, der der Steuerschuld am nächsten ist.

6.1.2.4.1. Unrechtmäßige Wegbringung aus dem Steuerlager oder unrechtmäßige Entnahme im Steuerlager

Zur Überführung von vstW in den steuerrechtlich freien Verkehr zählt auch jede unrechtmäßige Wegbringung aus dem Steuerlager oder eine unrechtmäßige Entnahme im Steuerlager.

Steuerschuldner ist der Inhaber des Steuerlagers und zusätzlich jene Person, die die vstW unrechtmäßig weggebracht oder entnommen hat bzw. andere daran beteiligte Personen.

Der Steuerschuldner hat die Mengen der vstW, für die die Steuerschuld entstanden ist, unverzüglich schriftlich anzumelden, den Steuerbetrag zu berechnen und zu entrichten.

Beispiele:

- Die Wegbringung von vstW aus einem Steuerlager ohne Erstellung eines gültigen e-VD.

- Die Wegbringung von vstW aus einem Steuerlager zu einem Empfänger, der über keine aufrechte Bewilligung verfügt (zB erloschener Verwendungsbetrieb). Die Steuerschuld entsteht in diesem Fall im Zeitpunkt der Wegbringung aus dem Steuerlager. Das abgebende Steuerlager ist verpflichtet, vorab zu prüfen, ob der Abnehmer zum Empfang unter Steueraussetzung berechtigt ist.

- Die Wegbringung von vstW durch Diebstahl aus dem Steuerlager.

Von der Erhebung einer wegen Unregelmäßigkeit entstandenen Steuer kann im Falle der Erfüllung der betreffenden Voraussetzungen für eine Heilung Abstand genommen werden.

zB § 24 TabStG 2022

6.1.2.4.2. Fehlmengen

Steuerlagerinhaber sind zur Vornahme von Bestandsaufnahmen verpflichtet. Werden im Zuge von Bestandsaufnahmen, Unstimmigkeiten oder Fehlmengen festgestellt und kann das Entstehen dieser Unstimmigkeiten oder Fehlmengen nicht aufgeklärt werden, gilt für diese die Steuerschuld im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme als entstanden. Ausgenommen davon sind jene Fälle, bei denen das Entstehen der Steuerschuld auf schon vorher eingetretene Umstände zurückgeführt werden kann.

Beispiel:

- Bei einer Bestandsaufnahme wird eine Fehlmenge von 100 Stück festgestellt. Von dieser Fehlmenge können 30 Stück einer unrechtmäßigen Wegbringung zu einem früheren Zeitpunkt zugeordnet werden. Für die ungeklärte Fehlmenge von 70 Stück entsteht die Steuerschuld im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme, für 30 Stück entsteht eine Steuerschuld wegen unrechtmäßiger Wegbringung zu diesem früheren Zeitpunkt.

Steuerschuldner ist der Inhaber des Steuerlagers.

Der Steuerschuldner hat die Mengen der vstW, für die die Steuerschuld entstanden ist, binnen einer Woche ab Entstehen einer Steuerschuld schriftlich anzumelden, den Steuerbetrag zu berechnen und zu entrichten.

Entsprechende Regelungen gelten auch für Verwendungsbetriebe und registrierte Empfänger. Steuerschuldner ist hier der Betriebsinhaber.

zB § 36 BierStG 2022

6.1.2.4.3. Unregelmäßigkeit bei der Beförderung unter Steueraussetzung

Auch unrechtmäßige Entnahmen während einer Beförderung unter Steueraussetzung sind als Überführung von vstW in den steuerrechtlich freien Verkehr anzusehen.

Die Steuerschuld entsteht, wenn während einer Beförderung von vstW unter Steueraussetzung im Steuergebiet Unregelmäßigkeiten eintreten. Zeitpunkt der Steuerschuldentstehung ist der Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit oder, sofern dieser nicht ermittelt werden kann, der Zeitpunkt der Feststellung der Unregelmäßigkeit.

Wurde das Steueraussetzungsverfahren im Abgangs-MS nicht wirksam eröffnet, kann es in der Folge zunächst zu einer Doppelbesteuerung kommen (zB bei Aliud-Waren). Die Steuer entsteht dabei sowohl im Abgangs-MS bei der Wegbringung aus dem Steuerlager bzw. vom Ort der Einfuhr als auch im Bestimmungs-MS. Bei Zutreffen aller Voraussetzungen ist auch eine Heilung möglich.

Für den Fall der Unregelmäßigkeit während einer Beförderung können mehrere Steuerschuldner in Betracht kommen:

  • der Steuerlagerinhaber als Versender oder der registrierte Versender

  • jede andere Person, die Sicherheit geleistet hat

  • die Person, die die vstW aus der Beförderung entnommen hat oder in deren Namen die vstW entnommen wurden

  • sowie jede Person, die an der unrechtmäßigen Entnahme beteiligt war und wusste oder hätte wissen müssen, dass die Entnahme unrechtmäßig war

Der Steuerschuldner hat die Mengen der vstW, für die die Steuerschuld entstanden ist, unverzüglich schriftlich anzumelden, den Steuerbetrag zu berechnen und zu entrichten.

Wenn die Voraussetzungen für eine Unregelmäßigkeit durch Nichteintreffen am Bestimmungsort vorliegen, kann das Zollamt auch die Person zur Deckung des Abgabenanspruchs heranziehen, die Sicherheit geleistet hat.

Dem Sicherheitsleistenden steht nach Kenntnis der Unregelmäßigkeit eine Frist von einem Monat ab Mitteilung durch das Zollamt zu, das Nichtentstehen einer Steuerschuld im Steuergebiet nachzuweisen. Dies erfolgt entweder durch Nachweis der ordnungsgemäßen Beendigung der Beförderung oder durch Nachweis, dass die Unregelmäßigkeit außerhalb des Steuergebietes eingetreten ist. Diese Monatsfrist kann jedoch nur zur Anwendung gelangen, wenn der Sicherheitsleistende (zB Bank) keine Kenntnis von den Unregelmäßigkeiten hatte und auch nicht haben konnte. Grundsätzlich besteht in EMCS für den Versender und den Empfänger die Möglichkeit zur Sendungsverfolgung. Eine Unkenntnis über Unregelmäßigkeiten darf sich daher nicht aufgrund einer fahrlässigen Nichtnutzung dieser technischen Möglichkeiten oder anderer ungenügender Handlungsabläufe (zB keine Kontaktaufnahme mit Fahrer des Beförderungsmittels) ergeben.

zB § 46 AlkStG 2022

6.1.2.4.4. Heilung von geringfügigen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit unrechtmäßigen Wegbringungen

Werden vstW im Steuergebiet dem Steueraussetzungsverfahren durch eine unrechtmäßige Wegbringung (Abschnitt 6.1.2.4.1.) entzogen, besteht die Möglichkeit einer Heilung (zB § 23 Abs. 7a MinStG 2022). Voraussetzung für eine Heilung ist ein Nachweis, der belegt, dass die betreffenden vstW an Personen im Steuergebiet abgegeben wurden, die zum Bezug solcher vstW berechtigt waren.

zB § 23 MinStG 2022


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
10.04.2024
Materie:
Steuer Zoll
Betroffene Normen:
SystemRL, RL 2020/262, ABl. Nr. L 58 vom 27.02.2020 S. 4
DVO 2022/1637, ABl. Nr. L 247 vom 23.09.2022 S. 57
DelVO 2022/1636, ABl. Nr. L 247 vom 23.09.2022 S. 2
AlkStG 2022, Alkoholsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 703/1994
BierStG 2022, Biersteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 701/1994
MinStG 2022, Mineralölsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 630/1994
TabStG 2022, Tabaksteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 704/1994
§ 24 TabStG 2022, Tabaksteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 704/1994
§ 36 BierStG 2022, Biersteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 701/1994
§ 46 AlkStG 2022, Alkoholsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 703/1994
§ 23 Abs. 7a MinStG 2022, Mineralölsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 630/1994
§ 23 MinStG 2022, Mineralölsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 630/1994
Verweise:
VS-1000 Abschnitt 6.1.2.4.1.
Schlagworte:
Verbrauchsteuern - Alkoholsteuer - Biersteuer - Mineralölsteuer - Tabaksteuer
Stammfassung:
2024-0.127.137

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
ZAAAA-76465