Richtlinie des BMF vom 10.04.2024, 2024-0.127.137

2. Allgemeines

2.1. System der Verbrauchsteuern

Verbrauchsteuern sind Steuern, die einen bestimmten steuerrelevanten Verbrauch (menschlicher Genuss, energetische Verwendung, etc.) oder die eine entsprechende Nutzung bestimmter Waren im Steuergebiet steuerlich belasten. Zu den verbrauchsteuerpflichtigen Waren (vstW) gehören Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke (zB Bier) sowie Tabakwaren. Eine Verbrauchsteuer wird typischerweise nicht bei der Abgabe an den Verbraucher bzw. anlässlich des Verbrauchs erhoben, sondern schon früher, beim Hersteller oder Großhändler. Wurde die Verbrauchsteuer im Steuergebiet entrichtet, kommt es im Regelfall zu keiner weiteren Steuererhebung. Verlassen bereits versteuerte Waren das Steuergebiet unverbraucht oder ungenutzt, werden sie von der Verbrauchsteuer entlastet. Gelangen außerhalb des Steuergebiets hergestellte vstW in das Steuergebiet, sind sie grundsätzlich zu versteuern.

Die Erhebung von Verbrauchsteuern auf Mineralöle und weitere Energieerzeugnisse, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren unterliegt dem EU-Verbrauchsteuerrecht. Österreich hat sein bereits davor bestehendes Verbrauchsteuersystem im Zuge seines EU-Beitritts an die EU-Regelungen angepasst und das Mineralölsteuergesetz 1995, das Alkoholsteuergesetz, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Biersteuergesetz 1995 und das Tabaksteuergesetz 1995 erlassen (die Verbrauchsteuergesetze (VSt-Ges) wurden zwischenzeitig angepasst). Die österreichischen VSt-Ges gleichen sich in ihrem Aufbau und in ihrem Verfahrensbereich, sie weisen aber auch - vielfach durch die Übernahme früheren österreichischen Rechts - Besonderheiten je nach Steuergegenstand auf. Die den VSt-Ges gemeinsamen Regelungen, insbesondere was die Verfahrensbestimmungen betrifft, sollen Gegenstand der vorliegenden Arbeitsrichtlinie (ARL) sein.

In der Europäischen Union (EU) sind die wesentlichsten Grundlagen für Verbrauchsteuern auf Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke und Tabakwaren in mehreren Richtlinien geregelt. Neben den wichtigsten Definitionen vstW (Steuergegenstand) und Grundprinzipien betreffend Steuerschuldner, Steuerschuldentstehung und -befreiungen enthalten diese lediglich Mindeststeuersätze und ermöglichen es somit den EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Verbrauchsteuersätze festzulegen. Ergänzend dazu gilt innerhalb der EU für den gewerblichen Bereich das Bestimmungslandprinzip, welches bestimmt, dass vstW grundsätzlich in jenem Mitgliedstaat (MS) versteuert werden, in dem sie auch verbraucht werden.

Verbrauchsteuern werden typischerweise im Kaufpreis mitüberwälzt und somit vom Endverbraucher getragen. Sie werden aber nicht direkt vom Endverbraucher an den Staat abgeführt, sondern meist durch einen Hersteller oder Händler als Steuerschuldner. Verbrauchsteuern werden daher den indirekten Steuern zugeordnet. Bei den indirekten Steuern sind die Person, die die Steuer schuldet (Steuerschuldner), und die Person, die die Steuer wirtschaftlich trägt (Steuerträger), nicht identisch.

Die Verbrauchsteuern sind ein altbewährtes Steuerinstrument, mit dem neben fiskalischen Zielen auch politische Lenkungseffekte zB im Bereich Umweltpolitik oder Gesundheitspolitik erzielt werden können.

2.2. Historische Entwicklung

2.2.1. EU-Binnenmarkt

Wie auch Österreich erhoben viele EU-Mitgliedstaaten schon vor Inkrafttreten des EU-Binnenmarkts mit 1. Jänner 1993 Verbrauchsteuern in unterschiedlicher Höhe. Der Wegfall der Binnengrenzen ließ massive Wettbewerbsverzerrungen und Steuerausfälle befürchten, da sich ohne entsprechende Regelungen alle Erwerbe vstW in die MS mit den niedrigsten Steuersätzen verlagert hätten. Eine Einigung auf gemeinsame Sätze war dennoch nicht möglich. Alternativ wurde ein Verbrauchsteuersystem mit Verfahren eingeführt, die die Einhaltung des Bestimmungslandprinzips im gewerblichen Bereich sicherstellen sollen.

Rechtsgrundlage für dieses Verbrauchsteuersystem ist Art. 113 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union ( AEUV) (bzw. Vorgängerbestimmungen), der eine Harmonisierungsermächtigung enthält, die sich allerdings auf das Funktionieren des Binnenmarktes beschränkt. Die Steuerhoheit bei den (indirekten und direkten) Steuern liegt also nach wie vor grundsätzlich bei den MS. Diese dürfen aber dabei ihre Möglichkeiten als Gesetzgeber nur insoweit nutzen, als dies nicht im Widerspruch zu EU-Recht steht. Insbesondere beinhalten die EU-Richtlinien im Bereich Steuern jene Regelungen, die notwendig sind, um den Binnenmarkt von Behinderungen und Wettbewerbsverzerrungen zu befreien.

Sowohl im Bereich der indirekten als auch der direkten Steuern setzt eine Harmonisierung durch Richtlinien voraus, dass ein Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom Rat einstimmig gebilligt wird. Wegen der großen nationalen Bedeutung und dem gleichzeitigen Eingriff in die Steuersouveränität der einzelnen MS sind Gesetzesinitiativen im Bereich Steuern oftmals von langen Verhandlungszeiten im Gesetzgebungsprozess geprägt.

2.2.2. EU - Rechtssystem

Mit dem Beitritt Österreichs zur EU zum 1. Jänner 1995 wurde Österreich Teil des europäischen Rechtssystems und hatte ab diesem Zeitpunkt EU-Recht anzuwenden. Die unionsrechtliche Grundlage im Bereich Verbrauchsteuern bilden mehrere Richtlinien und Verordnungen. Anders als die EU-Verordnungen sind Richtlinien nicht unmittelbar anwendbar, sondern werden erst durch die nationalen VSt-Ges in österreichisches Recht umgesetzt.

Die grundlegenden Bestimmungen des in der Union geltenden Verbrauchsteuersystems zum Zeitpunkt des EU Beitritts Österreichs waren in der Richtlinie 92/12/EWG vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Verbrauchsteuersystemrichtlinie), enthalten.

Diese wurde mit Wirkung vom 1. April 2010 durch die Richtlinie 2008/118/EG vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG, vom 14. Jänner 2009 ersetzt, die ihrerseits von der Richtlinie (EU) 2020/262 vom 19. Dezember 2019 abgelöst wurde.

Zum Zeitpunkt der Annahme der ursprünglichen Richtlinien und Verordnungen im Verbrauchsteuerbereich wurde die EU in den diversen Rechtsakten noch als Europäische Gemeinschaft bezeichnet. Erst mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird in den verbrauchsteuerrechtlichen Gesetzesbestimmungen der Begriff Union verwendet.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
10.04.2024
Materie:
Steuer Zoll
Betroffene Normen:
SystemRL, RL 2020/262, ABl. Nr. L 58 vom 27.02.2020 S. 4
DVO 2022/1637, ABl. Nr. L 247 vom 23.09.2022 S. 57
DelVO 2022/1636, ABl. Nr. L 247 vom 23.09.2022 S. 2
AlkStG 2022, Alkoholsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 703/1994
BierStG 2022, Biersteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 701/1994
MinStG 2022, Mineralölsteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 630/1994
TabStG 2022, Tabaksteuergesetz 2022, BGBl. Nr. 704/1994
Art. 113 AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. Nr. C 202 vom 07.06.2016 S. 47
AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. Nr. C 202 vom 07.06.2016 S. 47
SystemRL, RL 92/12/EWG, ABl. Nr. L 76 vom 23.03.1992 S. 1
RL 2008/118/EG, ABl. Nr. L 9 vom 14.01.2009 S. 12
Schlagworte:
Verbrauchsteuern - Alkoholsteuer - Biersteuer - Mineralölsteuer - Tabaksteuer
Stammfassung:
2024-0.127.137

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
ZAAAA-76465