6.1.8. Geld- und Kapitalverkehr
6.1.8.1. Gewährung und Vermittlung von Krediten
751Bei der Gewährung von Krediten (§ 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994) ist Gegenstand des Leistungsaustausches nicht die Hin- und Rückgabe des Kredites, sondern das Dulden der Kapitalnutzung gegen Entgelt.
Wertpapierdarlehen kommen wirtschaftlich einem Geldkredit gleich und sind steuerfrei. Ebenso die Kreditgewährung durch eine Bank als Treuhänder des ERP-Fonds.
Keine Kreditgewährung liegt vor, wenn die Kapitalhingabe (auch) mit einer Verlustbeteiligung verbunden ist (VwGH 16.4.1991, 90/14/0120).
752Zum umsatzsteuerfreien Entgelt für die Kreditgewährung zählen neben den Kreditzinsen, Diskonten, Abschluss- und Zuteilungsgebühren, Provisionen und Gebühren auch die Auslagen- und Kostenersätze, die der Kreditnehmer im Zusammenhang mit der Kreditgewährung zu zahlen hat. Auch Kreditbereitstellungsprovisionen fallen unter die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994, und zwar auch dann, wenn der bereitgestellte Kredit nicht in Anspruch genommen wird.
753Werden bei der Gewährung von Krediten Sicherheiten verlangt, müssen zur Ermittlung der Beleihungsgrenzen der Sicherungsobjekte deren Werte festgestellt werden. Die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ermittlung der Beleihungsgrenze dienen dazu, die Kreditgewährung zu ermöglichen. Dieser unmittelbare, auf wirtschaftlichen Gegebenheiten beruhende Zusammenhang rechtfertigt es, in der Ermittlung des Wertes der Sicherungsobjekte eine Nebenleistung zur Kreditgewährung zu sehen und sie damit als steuerfrei zu behandeln. Werden für die Verwahrung des Pfandgegenstandes vom Kreditgeber Gebühren in Rechnung gestellt, stellen auch diese eine unselbständige Nebenleistung zur Kreditgewährung dar. Werden an den Kreditgeber Entgelte entrichtet, die im Zusammenhang mit der Duldung der Weiterbenützung belehnter KFZ stehen, können diese nicht als im unmittelbaren Zusammenhang mit der Kapitalnutzung stehend und daher nicht als unselbständige Nebenleistung zur Kreditgewährung angesehen werden (VwGH 16.3.1983, 3849/80).
753aDie Vermittlungstätigkeit ist eine Mittlertätigkeit, die ua. darin bestehen kann, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei Zweck dieser Tätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse an seinem Inhalt hat.
Die Steuerbefreiung einer Kreditvermittlungsleistung hängt nicht davon ab, dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer Partei des Kreditvertrages besteht. Es können daher auch Untervertreter unter die Steuerbefreiung fallen. Weiters ist es auch nicht unbedingt erforderlich, dass der Vermittler als Untervertreter eines Hauptvertreters in unmittelbaren Kontakt mit den beiden Vertragsparteien tritt, um alle Klauseln des Vertrages auszuhandeln. Voraussetzung ist jedoch, dass sich seine Tätigkeit als wesentlicher und spezifischer Bestandteil einer Vermittlungsleistung darstellt und sich nicht auf die Übernahme eines Teiles der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränkt (EuGH 21.06.2007, Rs C-453/05, "Ludwig").
Unter die Kreditvermittlung fallen auch die Provisionen für die Vermittlung von Zwischenfinanzierungen durch Bausparkassen oder die Vermittlung von Schuldscheindarlehen.
753bUnter folgenden Voraussetzungen können die Analyse der Vermögenssituation eines potenziellen Kreditwerbers sowie dessen Beratung als unselbstständige Nebenleistungen zur steuerfreien Kreditvermittlung angesehen werden:
Die vom Vermittler erbrachten Leistungen werden von den Kredit gebenden Finanzinstituten nur dann vergütet, wenn die akquirierten und beratenen Kunden einen Kreditvertrag abschließen und
die Kreditvermittlung stellt sich für die Kreditnehmer und die Kredit gebenden Finanzinstitute als die entscheidende Leistung dar, da die Vermögensberatung nur in einem vorbereitenden Stadium geleistet wird und sich darauf beschränkt, dem Kunden dabei zu helfen, unter verschiedenen Finanzprodukten diejenigen zu wählen, die seiner Situation und seinen Bedürfnissen am besten entsprechen.
Gleiches gilt, wenn eine einheitliche Vermittlungsleistung in für eine Vermittlung spezifische und wesentliche Teilleistungen aufgeteilt wird, von denen der eine Leistungsteil vom Hauptvertreter im Rahmen der Verhandlung mit den Kredit gebenden Finanzinstituten und der andere vom Untervertreter in seiner Eigenschaft als Vermögensberater im Rahmen der Verhandlung mit den Kreditnehmern erbracht wird (vgl. EuGH 21.06.2007, Rs C-453/05, "Ludwig").
6.1.8.2. Kreditgewährung im Zusammenhang mit anderen Umsätzen
754Die Einräumung eines Zahlungszieles im Zusammenhang mit einer erbrachten Lieferung oder sonstigen Leistung (Leistungskredit) ist als selbständiges Kreditgeschäft anzusehen (EuGH 27.10.1993, Rs C-281/91). Voraussetzung der Steuerfreiheit ist die eindeutige Trennung zwischen Liefergeschäft (bzw. sonstiger Leistung) und dem Kreditgeschäft. Dazu ist erforderlich, dass
die Lieferung bzw. sonstige Leistung mit den dafür aufzuwendenden Entgelten und die Kreditgewährung bei Abschluss der Rechtsgeschäfte gesondert vereinbart worden sind und
die Entgelte für beide Rechtsgeschäfte getrennt abgerechnet werden.
Das für ein Umsatzgeschäft vereinbarte Entgelt kann nicht nachträglich in ein Entgelt für eine Lieferung oder sonstige Leistung und für eine Kreditgewährung aufgeteilt werden.
755Vereinbarte Zinsen sind weiters:
Stundungszinsen: Sie werden berechnet, wenn dem Leistungsempfänger, der bei Fälligkeit die Kaufpreisforderung nicht bezahlen kann, gestattet wird, die Zahlung zu einem späteren Termin zu leisten.
Zielzinsen: Sie werden erhoben, wenn dem Leistungsempfänger zur Wahl gestellt wird, entweder bei kurzfristiger Zahlung den Barpreis oder bei Inanspruchnahme des Zahlungszieles einen höheren Zielpreis (zusätzlich zum Barpreis Zinsen) für die Leistung zu entrichten. Für die Annahme einer Kreditleistung reicht die bloße Gegenüberstellung von Barpreis und Zielpreis nicht aus.
Zinsen im Zusammenhang mit Abzahlungsgeschäften (Teilzahlungsgeschäfte, Ratengeschäfte).
Zinsen im Zusammenhang mit Finanzierungsleasing, wenn der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer zuzurechnen ist (Mietkauf).
756Kontokorrentzinsen sind stets Entgelt für eine Kreditgewährung, wenn zwischen den beteiligten Unternehmern ein echtes Kontokorrentverhältnis im Sinne des § 355 UGB vereinbart worden ist, bei dem die gegenseitigen Forderungen aufgerechnet werden und bei dem der jeweilige Saldo anstelle der einzelnen Forderungen tritt. Besteht kein echtes Kontokorrentverhältnis, so sind die Zinsen, wenn entsprechende Vereinbarungen vorliegen, als Entgelt für eine Kreditgewährung zu behandeln.
Entgeltsminderungen, die sowohl auf steuerpflichtige Umsätze als auch auf die damit im Zusammenhang erbrachten steuerfreien Kreditgewährungen entfallen, sind anteilig dem jeweiligen Umsatz zuzuordnen.
Gesetzliche Verzugszinsen und Prozesszinsen für die verspätete Entrichtung des Kaufpreises stellen einen Schadenersatz dar und sind daher nicht umsatzsteuerbar (EuGH 01.07.1982, Rs C-222/81).
757Beim Kreditkartengeschäft liegt zwischen Kreditkartenunternehmen und Kunden eine Kreditgewährung oder zumindest eine Kreditbereitschaft vor. Das Entgelt hierfür besteht in der Kartengebühr und allfälligen sonstigen Gegenleistungen.
Beim Factoring liegt auch dann keine steuerfreie Kreditgewährung des Unternehmers (Factors) an den Anschlusskunden vor, wenn der Unternehmer in der zugrunde liegenden Kaufpreisvereinbarung und in den Abrechnungen neben den Factoringgebühren getrennt ein Entgelt für die Vorfinanzierung ausweist (vgl. auch BFH 15.05.2012, XI R 28/10 zum Kauf von Honorarforderungen von Ärzten gegen Verrechnung von Factoringgebühren und Vorfinanzierungszinsen). Die mit der Factoringleistung einhergehende Kreditgewährung stellt eine unselbständige Nebenleistung dar und teilt als solche das Schicksal der Hauptleistung. Abweichend davon kann die Kreditgewährung jedoch dann als eigenständige und gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994 steuerfreie Hauptleistung zu beurteilen sein, wenn sie eine eigene wirtschaftliche Bedeutung hat. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn die gesamte Forderung nicht vor Ablauf eines Jahres nach der Übertragung fällig ist oder die Voraussetzungen der Rz 754 für das Vorliegen eines selbständigen Kreditgeschäftes erfüllt sind.
Hinsichtlich des Vorsteuerabzuges siehe Rz 1997.
758Nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 kann der Unternehmer eine an sich steuerfreie Kreditgewährung, bei der er dem Leistungsempfänger den Preis für eine Lieferung oder sonstige Leistung kreditiert, als steuerpflichtig behandeln (Option zur Steuerpflicht). Behandelt der Unternehmer die Kreditgewährung als steuerpflichtig, unterliegt sie dem Steuersatz, der für die Leistung anzuwenden ist, deren Leistungspreis kreditiert wird.
6.1.8.3. Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln
759Die Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b UStG 1994 ist eingeschränkt auf Umsätze (einschließlich der Vermittlung), die sich auf Zahlungsmittel beziehen, denen auch eine entsprechende Funktion zukommt. Die Befreiung gilt dann nicht mehr, wenn die gesetzlichen Zahlungsmittel wegen ihres Metallgehaltes oder ihres Sammlerwertes umgesetzt werden.
Auch der Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der Kryptowährung "Bitcoin" und umgekehrt ist steuerfrei (siehe auch EuGH 22.10.2015, Rs C-264/14, Hedqvist). Die Erzeugung, die Überprüfung und Validierung (Mining und Forging), die Ausgabe (Zurverfügungstellung) und das Ändern für den Eigengebrauch solcher Kryptowährungen (siehe EuGH 22.10.2015, Rs C-264/14, Hedqvist) sind wie folgt zu behandeln:
Werden diese Tätigkeiten unentgeltlich erbracht, zB über "Airdrops", sind sie nicht steuerbar.
Werden diese Tätigkeiten gegen ein Entgelt erbracht, das unmittelbar mit dem betreffenden Umsatz in Zusammenhang steht, sind sie steuerbar, aber nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b, c oder e UStG 1994 steuerfrei. Ist beim "Bitcoin-Mining" kein Leistungsempfänger identifizierbar, liegt ein nicht steuerbarer Umsatz vor.
Die Speicherung und Übertragung von solchen Kryptowährungen, wie sie über die digitalen Geldbörsen erfolgen, und der Umtausch von solchen Kryptowährungen gegen Fiatwährungen und umgekehrt werden als steuerbar behandelt, sind aber nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b UStG 1994 steuerfrei (siehe auch EuGH 22.10.2015, Rs C-264/14, Hedqvist).
Der Verkauf von gesetzlichen Zahlungsmitteln (zB 500 Schilling-Silbergedenkmünzen) ist auch steuerfrei, wenn für die besondere Qualität der Münze (handgehoben, polierte Platte) und/oder für die Verpackung ein Preisaufschlag (Aufgeld) bis zu 20% des Nennwertes erhoben wird. Der Verkauf der Silbermünzen der Millenium- bzw. IOC-Serie, und zwar auch der Silbermünzen, die im Rahmen dieser Serien ab 1995 ausgegeben werden, ist gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b UStG 1994 befreit.
Die Umsätze von außer Kurs gesetzten Scheidemünzen (Schilling- und Groschen-Münzen), die nach § 10 Abs. 4 des Scheidemünzengesetzes 1988 idF BGBl. I Nr. 72/2000 unbefristet bei der Münze Österreich AG und an den Schaltern der Oesterreichischen Nationalbank gegen gesetzliche Zahlungsmittel umgewechselt werden können, können nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b UStG 1994 steuerfrei belassen werden, sofern der Verkaufspreis um nicht mehr als 20% über dem Nennwert liegt (gilt für Umsätze, die nach dem 28. Februar 2002 ausgeführt werden).
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zusatzinformationen | |
---|---|
Gültig ab: | 15.12.2023 |
Materie: | Steuer |
Betroffene Normen: | UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 1 Z 8 lit. b, c oder e UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 6 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise: | VwGH 16.04.1991, 90/14/0120 VwGH 16.03.1983, 3849/80 EuGH 21.06.2007, Rs C-453/05 EuGH 27.10.1993, Rs C-281/91 § 355 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897 EuGH 01.07.1982, Rs C-222/81 BFH 15.05.2012, XI R 28/10 UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 754 UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 1997 EuGH 22.10.2015, C-264/14, Hedqvist § 10 Abs. 4 Scheidemünzengesetz 1988, BGBl. Nr. 597/1988 |
Schlagworte: | Umsatzsteuer - Steuerbefreiungen - unechte Steuerbefreiungen - Geld- und Kapitalverkehr - Bankgeschäfte - Bankumsätze - Bankumsatz - Kreditgewährung - Kreditvermittlung - Kreditverwaltung - Verwaltung von Krediten - Verwaltung von Kreditsicherheiten - Warenkredit - Ratenzahlung - Leasinggeschäft - Option zur Steuerpflicht - gesetzliche Zahlungsmittel - Gewährung von Krediten - Wertpapierdarlehen - Entgelt für die Kreditgewährung - Nebenleistung zur Kreditgewährung - Leistungskredit - vereinbarte Zinsen - gesetzliche Verzugszinsen und Prozesszinsen - Kreditkartengeschäft - Factoring - Verkauf von gesetzlichen Zahlungsmitteln - Scheidemünzen |
Stammfassung: | 09 4501/58-IV/9/00 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
VAAAA-76462