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Richtlinie des BMF vom 09.12.2024, 2024-0.889.824

12. Vorsteuerabzug (§ 12 UStG 1994)

12.1. Allgemeines

1801Abgezogen werden darf nur eine Umsatzsteuer, die nach österreichischem Umsatzsteuergesetz geschuldet wird (VwGH 26.11.1996, 92/14/0078).

1802Der Vorsteuerabzug ist grundsätzlich bei allen für das Unternehmen ausgeführten Umsätzen und bei der Einfuhr jeder Art von Gegenständen für das Unternehmen zulässig. Im Allgemeinen ist nicht zu unterscheiden, für welche Zwecke der für das Unternehmen bezogene Gegenstand oder die für das Unternehmen in Anspruch genommene sonstige Leistung verwendet wird (Ausnahmen siehe Rz 1914 bis Rz 2005). Der Vorsteuerabzug bleibt auch dann bestehen, wenn ein für das Unternehmen bezogener oder eingeführter Gegenstand unter dem Einkaufspreis veräußert wird oder weder mittelbar noch unmittelbar der Ausführung eigener Umsätze (zB bei Untergang der Ware) dient, oder wenn der Unternehmer sonstige Leistungen zur Ausführung seiner steuerpflichtigen Umsätze in Anspruch nimmt, letztlich jedoch diese Umsätze nicht ausführt (zB "versunkene Kosten").

Das Recht auf Vorsteuerabzug bleibt auch dann bestehen, wenn eine für das Unternehmen bezogene Leistung mit einem oder mehreren steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen oder der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen als allgemeine Aufwendungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang steht, auch wenn der Preis der bezogenen Leistung überhöht ist (Ausnahmen siehe § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994) oder diese Leistung nicht zu einer Steigerung des Umsatzes geführt hat (vgl. EuGH 25.11.2021, Rs C-334/20, Amper Metal Kft., Rn 40).

Der Vorsteuerabzug ist jedoch zu versagen, wenn der Unternehmer Vorleistungen zur Ausführung seiner steuerpflichtigen Umsätze in Anspruch nimmt, letztlich jedoch damit Umsätze bewirkt, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen (vgl. EuGH 12.11.2020, Rs C-42/19, Sonaecom SGPS SA). Für von Dritten bezogene Dienstleistungen, die eine Holdinggesellschaft gegen Gewährung einer Beteiligung am allgemeinen Gewinn in die Tochtergesellschaften einlegt, steht kein Vorsteuerabzug zu, wenn erstens die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Ausgangsumsätzen der Holdinggesellschaft, sondern mit den weitgehend steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen, zweitens diese Eingangsleistungen in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und drittens diese Leistungen nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft gehören (siehe EuGH 8.9.2022, Rs C-98/21, Finanzamt R).

Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt. Das Recht auf Vorsteuerabzug darf in einem solchen Fall nicht verweigert werden, wenn die Finanzverwaltung aus vom Unternehmer beigebrachten Unterlagen über alle notwendigen Informationen verfügt, um zu prüfen, ob die für dieses Recht geltenden materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Anders verhält es sich, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden. Ebenso ist das Recht auf Vorsteuerabzug zu verweigern, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (VwGH 19.5.2020, Ro 2019/13/0030).

Der Vorsteuerabzug ist auch zu versagen, wenn der wahre Lieferer der betreffenden Gegenstände oder der wahre Erbringer der betreffenden Dienstleistungen nicht namhaft gemacht worden ist, sofern unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände und trotz der von dem Steuerpflichtigen vorgelegten Informationen die für die Prüfung, ob dieser Lieferer bzw. Leistungserbringer Unternehmer war, erforderlichen Angaben fehlen (vgl. VwGH 14.8.2023, Ra 2021/13/0096 mHa EuGH 9.12.2021, Rs C-154/20, Kemwater ProChemie s. r. o. und EuGH 11.11.2021, Rs C-281/20, Ferimet).

1802aDer Vorsteuerabzug ist zu versagen, wenn er mit Hilfe einer missbräuchlichen Gestaltung geltend gemacht werden soll, zB kein Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen (VwGH 27.6.2017, Ra 2017/13/0026) oder im Falle eines missbräuchlichen Immobilienleasings (VwGH 15.5.2020, Ra 2018/15/0113). Eine missbräuchliche Gestaltung ist gegeben, wenn die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit dem UStG 1994 verfolgten Ziel zuwiderläuft und aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (siehe EuGH 21.2.2008, Rs C-425/06, Part Service, EuGH 22.11.2017, Rs C-251/16, Cussens ua.). Die Behörde hat den durch die gewählte Konstruktion konkret angestrebten Steuervorteil (auf dem Gebiet der Umsatzsteuer) festzustellen, was eine Vorläufigkeit iSd § 200 Abs. 1 BAO rechtfertigen kann (VwGH 31.3.2011, 2008/15/0115).

Im Fall der missbräuchlichen Praxis sind die Umsätze in der Weise neu zu definieren, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne diese Umsätze bestanden hätte (EuGH 21.2.2006, Rs C-255/02, Halifax).

12.1.1. Zum Vorsteuerabzug berechtigter Personenkreis

1803Zum Vorsteuerabzug nach § 12 UStG 1994 sind alle Unternehmer im Sinne des § 2 UStG 1994 (siehe Rz 181 bis Rz 326) im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit berechtigt.

1804Betreffend Unternehmereigenschaft von Kostengemeinschaften siehe Rz 182. Vorsteuern, die auf Gegenstände oder Leistungen entfallen, die von den an einer Kanzlei- oder Ordinationsgemeinschaft beteiligten Unternehmern gemeinsam genutzt werden, dürfen ungeachtet dessen, ob die diesbezüglichen Rechnungen an den einzelnen Unternehmer oder an die Gemeinschaft als solche gerichtet sind, nach dem Gewinnverteilungsschlüssel aufgeteilt werden.

Bezüglich Vorsteuerabzug bei Vereinen, die sowohl einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich haben, siehe Rz 1246 bis Rz 1254.

1805Abgezogen werden dürfen auch Vorsteuerbeträge, die einer nachfolgenden oder vorherigen (nicht unecht befreiten) unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen sind. Wird daher eine unternehmerische Tätigkeit begonnen, so dürfen die bis dahin angefallenen Vorsteuern abgezogen werden, wenn sie auf Umsätze für das Unternehmen entfallen. Die Vorsteuerbeträge können selbst dann abgezogen werden, wenn die unternehmerische Tätigkeit letztlich nicht ausgeübt wurde, sofern diese Ausgaben ausschließlich in der beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit begründet sind (vgl. EuGH 17.10.2018, Rs C-249/17, Ryanair).

1806Hat ein Unternehmer seine Unternehmertätigkeit (zB durch Geschäftsaufgabe) beendet, so steht ihm das Recht des Abzuges von Vorsteuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen für sein Unternehmen auch noch in einem Veranlagungs-(Voranmeldungs-)zeitraum zu, in dem er keine Umsätze mehr bewirkt.

Zum Beginn und Ende der Unternehmereigenschaft siehe Rz 193 bis Rz 204.

1807Die Zuführung von Gegenständen aus dem nichtunternehmerischen Bereich (Einlage aus dem Privatvermögen oder Überführung eines Gegenstandes vom nichtunternehmerischen Bereich einer Körperschaft in deren unternehmerischen Bereich) führt weder zu einem nachträglichen Vorsteuerabzug noch zu einer positiven Vorsteuerberichtigung (vgl. EuGH 11.7.1991, Rs C-97/90, Lennartz; VwGH 23.11.2022, Ro 2021/15/0017). Zu Körperschaften öffentlichen Rechts und Vereinen siehe Rz 479.

1808Unternehmer, die ihre Vorsteuerbeträge nach Durchschnittssätzen (§ 14 UStG 1994) ermitteln, haben die Vorsteuern mit den sich danach ergebenden Beträgen anzusetzen. Der Durchschnittssatz des § 22 UStG 1994 umfasst alle dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnenden Vorsteuern. Ein weiterer Abzug von Vorsteuerbeträgen ist nicht mehr zulässig. Dies gilt auch dann, wenn der Land- oder Forstwirt eine zusätzliche Steuer nach § 22 Abs. 2 UStG 1994 zu entrichten hat.

1809Im Ausland ansässige Unternehmer dürfen den Vorsteuerabzug grundsätzlich auch dann beanspruchen, wenn sie im Inland keine Lieferungen und sonstigen Leistungen ausführen bzw. ausgeführt haben. Auch ihnen steht aber der Vorsteuerabzug nur insoweit zu, als die Vorsteuerbeträge ihrer unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen sind. Das gilt auch für Vorsteuern, die mit nicht steuerbaren Umsätzen in Zusammenhang stehen, soweit diese Umsätze, wären sie im Inland ausgeführt worden, steuerpflichtig oder echt steuerbefreit wären. Um als Unternehmer zu gelten, müssen jedoch auch bei einem ausländischen Unternehmer die Unternehmerkriterien nach österreichischem Recht (siehe Rz 181 bis Rz 209) erfüllt sein.

Randzahlen 1810 bis 1814: derzeit frei.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
09.12.2024
Materie:
Steuer
Betroffene Normen:
UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise:
VwGH 26.11.1996, 92/14/0078
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 1914
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 2005
EuGH 25.11.2021, C-334/20, Amper Metal Kft.
EuGH 12.11.2020, C-42/19, Sonaecom SGPS SA
EuGH 08.09.2022, C-98/21, Finanzamt R
VwGH 19.05.2020, Ro 2019/13/0030
VwGH 27.06.2017, Ra 2017/13/0026
VwGH 15.05.2020, Ra 2018/15/0113
EuGH 21.02.2008, C-425/06, Part Service
EuGH 22.11.2017, C-251/16, Cussens ua.
§ 200 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
VwGH 31.03.2011, 2008/15/0115
EuGH 21.02.2006, C-255/02, Halifax
§ 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 181
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 326
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 182
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 1246
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 1254
EuGH 17.10.2018, C-249/17, Ryanair
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 193
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 204
EuGH 11.07.1991, C-97/90, Lennartz
VwGH 23.11.2022, Ro 2021/15/0017
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 479
§ 14 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 22 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 22 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 209
VwGH 14.08.2023, Ra 2021/13/0096
EuGH 09.12.2021, C-154/20, Kemwater ProChemie s. r. o.
EuGH 11.11.2021, C-281/20, Ferimet
Schlagworte:
Umsatzsteuer - Ausländische Unternehmer - Lieferungen - sonstige Leistungen - Nichtunternehmer - Inland - Unternehmensbereich - Vorsteuerabzug - Einfuhr - Unternehmereigenschaft - Kanzlei- oder Ordinationsgemeinschaft - Kanzleigemeinschaft - Gewinnverteilungsschlüssel - Vereine - Beginn und Ende der Unternehmereigenschaft - Einlage - Lennartz - Durchschnittssätze - Durchschnittssatz.
Stammfassung:
09 4501/58-IV/9/00

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
VAAAA-76462