OGH 17.10.1995, 1Ob606/95
Rechtssätze
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RS0037166 | Verbleibende Zweifel an dem Inhalt der Klage dürfen nicht zu einer Abweisung des Klagebegehrens wegen Unschlüssigkeit führen, sondern müssten zum Anlass einer Anleitung zur Ergänzung der für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemäß § 182 Abs 1 ZPO genommen werden (JBl 1970,623 ua). |
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RS0037112 | Die Anleitungspflicht des Gerichts geht nicht so weit, ein rechtlich unzulässiges und daher abzuweisendes Klagebegehren durch eine Klagsänderung dahin abzuändern oder zu erweitern, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung doch noch gegeben sein könnten. |
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RS0037860 | Die rechtserzeugenden Tatsachen des § 13 KSchG hat der Unternehmer gemäß § 226 Abs 1 ZPO schon in der Klage anzuführen. Fehlt es an entsprechenden Behauptungen, dann kann der Klageanspruch aus den vorgebrachten Tatsachen nicht abgeleitet werden; das Klagebegehren ist in diesem Fall gemäß § 396 ZPO mangels Schlüssigkeit mit (negativem) Versäumungsurteil abzuweisen. |
Norm | ZPO §396 B |
RS0040872 | Undeutliches und unvollständiges Vorbringen in der Klage geht zu Lasten des Klägers und hat, wenn er die Fällung eines Versäumungsurteiles begehrt, zur Abweisung des Klagebegehrens zu führen. |
Norm | ZPO §396 B |
RS0040801 | Ein Versäumungsurteil ist, wenngleich in abweisendem Sinn, auch dann zu fällen, wenn die Klage nicht schlüssig ist. Eine Erstreckung der Tagsatzung aus diesem Grunde oder eine Ergänzung der Klagsangaben oder Verbesserung des Klagebegehrens ist nicht zulässig. |
Norm | |
RS0037161 | Der Richter darf eine Klage wegen ungenügender Substantiierung des Anspruches erst abweisen, wenn er auf die Vervollständigung des tatsächlichen Vorbringens hingewirkt hat. Dies gilt auch im Anwaltsprozess. |
Norm | ZPO §396 B |
RS0040862 | Ob alle für eine Stattgebung des Klagebegehrens erforderlichen rechtserzeugenden Tatsachen behauptet worden sind, hat das Gericht, wenn der Kläger die Fällung eines Versäumungsurteils beantragt, nach amtswegiger Prüfung der Rechtslage zu beurteilen und das Klagebegehren abzuweisen, wenn der vorgebrachte Sachverhalt den geltend gemachten Anspruch nicht erzeugt. |
Norm | ZPO §396 B |
RS0040965 | Im Fall der Säumnis des Beklagten ist der Kläger nicht auf sein Vorbringen in der Klage beschränkt, sondern darf auch noch in der ersten Tagsatzung weitere Tatsachen vortragen, die bisher vorgebrachten Behauptungen ergänzen und richtigstellen. Er darf nur den Gegenstand des Rechtsstreites nicht ändern und sein Klagebegehren nicht erweitern. Klageverbesserungen im Sinne des § 235 Abs 4 ZPO sind dagegen zulässig. Urteilsgrundlage ist nicht nur die Klageschrift, sondern auch das mündliche Vorbringen des Klägers in tatsächlicher Beziehung, mag es auch über die Klageschrift hinausgehen (Fasching III S 619, Sperl S 491, Neumann II S 1132, Petschek - Stagel S 344, Wolff S 192). |
Normen | |
RS0086679 | Wird bei der ersten Tagsatzung über Anleitung durch das Gericht ergänzendes Tatsachenvorbringen erstattet, ist der nicht erschienenen beklagten Partei Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, zu geben, sodaß sich die Erstreckung der Tagsatzung als unumgänglich erweist. |
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RS0086678 | Zumindest in den Fällen, in denen mit Ausnahme der qualifizierten Mahnung des Beklagten alle tatsächlichen Voraussetzungen für den Terminsverlust nach § 13 KSchG schon in der Klage behauptet wurden und unter Hinweis auf die einschlägige Gesetzesstelle ausgeführt wurden, es lägen damit alle Voraussetzungen dafür vor, hat das Gericht in Anwendung des § 182 ZPO die allein erschienene klagende Partei zur Erstattung entsprechenden, die Schlüssigkeit der Klage herbeiführenden Tatsachenvorbringens anzuleiten. |
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RS0040892 | Rechtliche Schlußfolgerungen aus dem übrigen Klagsvorbringen werden von der Wahrheitsfiktion des § 396 ZPO nicht erfaßt und unterliegen daher der richterlichen Prüfung (Fasching III, 621, SZ 7/331, 12/3, ZBl 1930/363). |
Norm | ZPO §396 B |
RS0040972 | Was das Gesetz "für wahr zu halten" nennt, hat immer nur den Sachverhalt zum Gegenstand, niemals rechtliche Behauptungen. Solche hat der Richter auch bei Fällung eines Versäumungsurteiles nachzuprüfen und das Klagebegehren abzuweisen, wenn der vorgebrachte Sachverhalt den begehrten Anspruch nicht erzeugt. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** regGenmbH, ***** vertreten durch Dr.Karl Rümmele und Dr.Birgitt Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Wolfgang B*****, vertreten durch Dr.Julia Winkler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 431.051,88 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 197/95-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom , GZ 5 C 241/95-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende Partei begehrte vom Beklagten die Rückzahlung eines Kredits von S 431.051,88 sA. Sie brachte vor, der Beklagte sei seinen Rückzahlungsverpflichtungen trotz Mahnung und Klagsandrohung über einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen nicht nachgekommen, weshalb sie den Kredit fälliggestellt habe. Zahlung sei jedoch nicht erfolgt. Es lägen die Voraussetzungen nach § 13 KSchG vor.
Bei der am abgehaltenen ersten Tagsatzung erschien der Beklagte. Der darauf für den anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung blieb er dagegen fern, weshalb die klagende Partei die Fällung eines Versäumungsurteils nach ihrem Antrag begehrte. Das Erstgericht erließ das Versäumungsurteil antragsgemäß.
Der Beklagte erhob dagegen Berufung, mit der er die Unschlüssigkeit der Klage geltend machte.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Auf das Vertragsverhältnis seien die Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes anzuwenden. Gemäß § 13 KSchG dürfe ein Unternehmer das ihm vertraglich vorbehaltene Recht des Terminsverlustes nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen ausüben, insbesondere werde das Vorliegen einer qualifizierten Mahnung des Verbrauchers gefordert. Die klagende Partei habe lediglich behauptet, der Beklagte sei trotz Mahnung und Klagsandrohung über einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen seinen Rückzahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen, weshalb die Klägerin den Kredit fälliggestellt habe; Zahlung sei nicht erfolgt. Die rechtserzeugende Tatsache einer qualifizierten Mahnung habe die klagende Partei nicht behauptet. Demnach sei das Klagebegehren gemäß § 396 ZPO mangels Schlüssigkeit mit (negativem) Versäumungsurteil abzuweisen. Die bloße Behauptung, die Voraussetzungen des § 13 KSchG seien erfüllt, genüge den Anforderungen des § 226 Abs.1 ZPO nicht.
Die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 226 Abs.1 ZPO hat die Klage die rechtserzeugenden Tatsachen im einzelnen kurz und vollständig anzugeben. Sie muß soviel an rechtserzeugenden Tatsachen enthalten, daß der geltend gemachte Anspruch aufgrund dieser Tatsachen hinreichend substantiiert erscheint. Das Klagevorbringen muß somit schlüssig sein. Ob alle für eine Stattgebung des Klagebegehrens erforderlichen rechtserzeugenden Tatsachen behauptet worden sind, hat das Gericht, wenn die klagende Partei die Fällung eines Versäumungsurteils beantragt, nach amtswegiger Prüfung der Rechtslage zu beurteilen und das Klagebegehren abzuweisen, wenn der vorgebrachte Sachverhalt den geltend gemachten Anspruch nicht rechtfertigt (ZVR 1986/9; SZ 57/69; JBl 1979, 492 uva; Rechberger in JBl 1974, 562). Undeutliches und unvollständiges Vorbringen in der Klage geht zu Lasten der klagenden Partei und wenn diese die Fällung eines Versäumungsurteils beantragt, zur Abweisung des Klagebegehrens (JBl 1979, 492 ua; zuletzt wieder 1 Ob 516/93).
Die von einem Unternehmer zur Geltendmachung des Terminsverlustes des Verbrauchers eingebrachte Klage ist nur dann schlüssig, wenn sie auch entsprechende Behauptungen über den Eintritt jener tatsächlichen Voraussetzungen enthält, von denen § 13 KSchG die Ausübung dieses Rechtes abhängig macht (Erbringung der eigenen Leistungen des Unternehmers, mindestens sechswöchiger Leistungsverzug des Verbrauchers, qualifizierte Mahnung). Die klagende Partei behauptet in der Klage nicht, dem Beklagten eine qualifizierte Mahnung zugesandt zu haben; es fehlt also an einer von der klagenden Partei bereits in der Klage anzuführenden rechtserzeugenden Tatsache (JBl 1992, 395; SZ 57/69 ua). Beim Vorbringen der klagenden Partei, die Voraussetzungen nach § 13 KSchG lägen vor, handelt es sich nicht um eine tatsächliche Behauptung, sondern um eine Rechtsausführung, für die die Wahrheitsfiktion des § 396 ZPO nicht gilt (4 Ob 98/89 ua).
Ein unschlüssiges Klagebegehren ist grundsätzlich mit (negativem) Versäumungsurteil abzuweisen (SZ 57/69 ua). Die klagende Partei rügt aber als in erster Instanz siegreich gebliebene Partei in ihrer Revision zulässigerweise als einen zu ihren Lasten vorgefallenen Verfahrensfehler (Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 5 zu § 468 mwN) die Unterlassung eines Verbesserungsverfahrens. Gemäß § 182 Abs.1 ZPO hat der Verhandlungsrichter darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die zur Begründung des Anspruchs geltend gemachten Umstände vervollständigt werden. Damit soll die Möglichkeit eröffnet werden, entscheidungserhebliche Tatsachen, die von den Parteien erkennbar übersehen wurden, geltend zu machen und zu klären. Die Anleitungspflicht der Gerichte geht zwar nicht so weit, daß einer Partei die Möglichkeit zu eröffnen ist, ein nach den getroffenen Feststellungen abzuweisendes Klagebegehren durch Klagsänderung dahin zu ändern, daß die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung gegeben sein könnten, doch muß das Gericht, bevor es ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widerspruchsvolles Begehren abweist, dessen Verbesserung anregen (JBl 1988, 730; JBl 1978, 545; SZ 44/155, Rechberger in JBl 1974, 563, Fucik in Rechberger aaO Rz 1 zu § 182 mwN). Das Vortragen weiterer Tatsachen, wodurch die bisherigen Behauptungen der klagenden Partei ergänzt wurden, ist selbst bei der ersten Tagsatzung möglich (SZ 44/155 ua), und demgemäß umso eher noch bei der danach stattgefundenen Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung. Zumindest in Fällen wie dem vorliegenden, in dem mit Ausnahme der qualifizierten Mahnung des Beklagten alle tatsächlichen Voraussetzungen für den Terminsverlust nach § 13 KSchG schon in der Klage behauptet wurden und unter Hinweis auf die einschlägige Gesetzesstelle ausgeführt wurde, es lägen damit alle Voraussetzungen dafür vor, hat das Gericht in Anwendung des § 182 ZPO die allein erschienene klagende Partei zur Erstattung entsprechenden, die Schlüssigkeit der Klage herbeiführenden Tatsachenvorbringens anzuleiten. Zu beachten ist dabei aber, daß im Zuge des Verbesserungsverfahrens das rechtliche Gehör des Beklagten (vgl Art 6 EMRK) nicht verletzt werden darf. Wird über Anleitung durch das Gericht ergänzendes Tatsachenvorbringen erstattet, ist der nicht erschienenen beklagten Partei Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, zu geben, sodaß sich die Erstreckung der Tagsatzung als unumgänglich erweist. Es könnte immerhin für den Säumigen Motiv seines Fernbleibens gewesen sein, daß er angesichts der Unschlüssigkeit des tatsächlichen Vorbringens die Fällung eines Versäumungsurteils nach dem Antrag des Klägers nicht befürchten mußte.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1995:0010OB00606.95.1017.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAG-13246