OGH 21.05.2025, 7Ob65/25x
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS0127687 | Der Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG steht jedem Verband als eigener materiell-rechtlicher Anspruch zu. Die Verbandsaktivitäten erfolgen nicht zur Förderung individueller oder gemeinsamer Interessen der Mitglieder, sondern zur Förderung eines „öffentlichen Interesses“, das darin besteht, gesetz‑ und sittenwidrige Vertragsbestimmungen aus dem geschäftlichen Verkehr zu ziehen und die gesetzlichen Bestimmungen in der Geschäftspraxis effektiv durchzusetzen. |
Normen | |
RS0041265 | Die Bestimmung des § 409 ZPO ist auf reine Unterlassungsansprüche nicht anzuwenden. Die urteilsmäßige Verpflichtung zu einer reinen Unterlassung - also nicht zu einer Unterlassung, die auch ein positives Tun, wie etwa eine Beseitigung, umfasst - tritt daher sofort mit der Wirksamkeit des Urteiles (§ 416 ZPO) ein. |
Normen | |
RS0120267 | Bei einer „Wissenserklärung" geht es darum, dass die eine Partei der anderen oder beide Parteien übereinstimmend sich bloß ihre Vorstellungen über bestimmte Tatsachen mitteilen, jedoch keinen Willen dahin äußern, mit der Erklärung bestimmte Rechtsfolgen bewirken zu wollen. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Malesich, Dr. Weber, Mag. Fitz und Mag. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammer, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W* AG *, vertreten durch die Singer Fössl Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 33 R 4/25p-13, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin ist ein zur Verbandsklage nach § 29 Abs 1 KSchG berechtigter Verband.
[2] Die Beklagte betreibt das Versicherungsgeschäft und schließt als Unternehmerin regelmäßig mit Verbrauchern Reiseversicherungsverträge ab. Den von ihr abgeschlossenen Auslandsreise-Krankenversicherungen mit Rückholdienst legt sie die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Auslandsreise-Krankenversicherung mit SOS-Rückholdienst nach den Tarifen RE und RF“ zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
„4. Leistungen des Versicherers
[…]
4.12. Es besteht – unbeschadet der übrigen Vertragsbestimmungen – Versicherungsschutz nur, soweit und solange dem keine auf die Vertragsparteien direkt anwendbaren Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw Embargos der Europäischen Union oder der Republik Österreich entgegenstehen. Dies gilt auch für Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw Embargos, die durch die Vereinigten Staaten von Amerika oder andere Länder erlassen werden, soweit dem nicht europäische oder österreichische Rechtsvorschriften entgegenstehen.“
[3] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte, die Verwendung der Klausel oder sinngleicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern binnen einem Monat zu unterlassen und es weiters ab sofort zu unterlassen, sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen.
[4] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Die Klägerin ist ein zur Verbandsklage nach § 29 Abs 1 KSchG berechtigter Verband. Der Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG steht jedem Verband als eigener materiell-rechtlicher Anspruch zu (RS0127687). Ein spezifisches Verbandsinteresse als Voraussetzung für die Klageführung ist nicht erforderlich (vgl 2 Ob 215/10x). Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin nicht aktivlegitimiert sein soll.
[6] 2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 7 Ob 3/23a eine vergleichbare Klausel für intransparent erklärt (vgl dort Klausel 7 Rz 37 ff). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klausel sei nicht rein deklarativ, weil sie eine Rechtsfolge (Ausschluss vom Versicherungsschutz) anordne (vgl RS0120267 [insb T6] sowie v. Rintelen in Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung² AHB Z 1 Rn 568), und sie verstoße gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG findet Deckung in der Rechtsprechung. Der Revisionswerber bringt auch keine neuen Argumente, die der Oberste Gerichtshof nicht bereits bedacht hat und die ihn zu einem Abgehen von seiner Rechtsansicht veranlassen könnten.
[7] 3. Die Leistungsfrist ist nach § 409 Abs 2 ZPO angemessen zu bestimmen (RS0041265 [T3]). Die Revision legt nicht dar, warum eine Umsetzungsfrist von einem Monat für die Änderung einer einzigen Klausel unangemessen sein soll. Es fehlt insbesondere jegliches Vorbringen der Beklagten zu ihrem konkreten Organisationsaufwand bei Klauseländerungen (vgl 4 Ob 147/17x). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen bedarf daher auch diesbezüglich keiner Korrektur.
[8] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00065.25X.0521.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAG-11610