Suchen Kontrast Hilfe
OGH 25.06.2025, 7Ob100/25v

OGH 25.06.2025, 7Ob100/25v

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS0107501
Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Prüfung der Frage, ob eine außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde als solche angeführt wurden.
Normen
RS0043026
Das Berufungsgericht darf auch ergänzende Feststellungen nur nach Beweiswiederholung bzw Beweisergänzung treffen.
Normen
USVB 1989 Art17 Z8
AUVB 1995 Art17 Pkt8
AUVB 2004 Art18.8
VersVG §179 ff
RS0081872
Der Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit ist - wie bisher (Rechtsprechung zu Art 3 Punkt III Z 7 AUVB 1965 bzw Art 3 Punkt II U/Flug 1975) die Frage nach dem Vorliegen einer durch Alkoholgenuß hervorgerufenen Bewußtseinsstörung - danach zu messen, ob der Versicherte noch in der Lage ist, mit der jeweiligen Situation, in der er sich zur Zeit des Unfalles befindet, einigermaßen zurechtzukommen.
Normen
USVB 1989 Art17 Z8
AUVB 1995 Art17 Pkt8
AUVB 2004 Art18.8
VersVG §179 ff
RS0081871
Der Grenzwert des Alkoholisierungsgrades, ab dem der Ausschlußtatbestand erfüllt ist, hängt - wie schon nach der Rechtsprechung zu Art 3 Punkt III Z 7 AUVB 1965 bzw Art 3 Punkt II Z 6 U/Flug 1975 - auch weiterhin davon ab, ob die vom alkoholisierten Versicherten ausgeübte Tätigkeit besondere Anforderungen an die Aufnahmefähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit stellt oder nicht.
Normen
AUVB 1988 idF 1994 Art17 Z9
USVB 1989 Art17 Z8
VersVG §6 Abs2 D
RS0081884
Für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmales, daß der Unfall im Stadium der wesentlichen Beeinträchtigung durch Alkoholeinfluß erfolgte, ist - ebenso wie für die Ursächlichkeit dieser Beeinträchtigung für den Unfall - der Versicherer beweispflichtig (siehe die Rechtsprechung zu Art 3 Punkt III Z 7 AUVB 1965, VersR 1985,352).
Norm
AUVB 1965 Art3 III Z7
RS0082083
Nur eine solche Bewußtseinsstörung schließt den Versicherungsschutz aus, die als Ausfallserscheinung dem durch einen Schlaganfall oder eine Geistesstörung herbeigeführten Zustand annähernd gleichkommt. Den erwähnten Ausschlußgrund stellt somit lediglich eine Alkoholeinwirkung dar, welche die Aufnahmefähigkeit und Reaktionsfähigkeit nicht nur unwesentlich schmälert (vgl Prölss; VVG 17.Auflage 929 Z 4). Hiefür ist der Versicherer beweispflichtig (SZ 38/71).
Normen
AUVB Art3 III Z7
AUVB 1988 idF 1994 Art17 Z9
BVB Unfalltod-Zusatzversicherung §3 Abs1 litb
StGB §81 Abs2
VersVG §6 Abs2 D
RS0082132
Der versicherungsrechtliche Haftungsausschluss der alkoholbedingten Beeinträchtigung des Bewusstseins bezieht sich nicht darauf, mit welcher Tätigkeit der Versicherungsnehmer rechnen musste, sondern bloß darauf, dass ein Unfall infolge einer Bewusstseinsstörung, sei sie auch durch Alkohol herbeigeführt worden eingetreten ist.
Normen
AUVB Art3 III Z7
AUVB 1995 Art17 Pkt8
AUVB 2004 Art18.8
BVB Unfalltod-Zusatzversicherung §3 Abs1 litb
VersVG §179 ff
RS0082043
Alkoholbedingte Bewußtseinsstörung ist regelmäßig schon bei einem Blutalkoholgehalt von 2 Promille anzunehmen.
Normen
AUVB 1995 Art17 Z9
private Unfallversicherung AUVB 2006 Art K.1.5
RS0122121
Der Sinn der Risikoausschlussklausel des Art 17 Z 9 AUVB 1995 liegt darin, solche Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen, die sich als Folge einer schon vor dem Unfall vorhandenen - gefahrerhöhenden - gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Versicherten darstellen. Dabei muss diese Beeinträchtigung so beschaffen sein, dass sie eine den Unfall vermeidende Reaktion des Versicherten nicht zulässt. Eine Haftung des Versicherers für Unfallschäden, die auf eine durch einen Kreislaufkollaps bewirkte Bewusstseinsstörung (Bewusstlosigkeit) zurückzuführen sind, ist ausgeschlossen, mag die Bewusstlosigkeit etwa auch nur sehr kurzfristig gewesen sein. Auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers kommt es nicht an.
Normen
AUVB 1988 idF 1994 Art17 Z9
AVB Volksunfallversicherung Art3 PktII Z6
VersVG §6 Abs2 D
RS0081447
Daraus, daß die Bestimmung des Art 3 Punkt II Z 6, nach der Unfälle von der Versicherung ausgeschlossen sind, die unter anderem durch Bewußtseinsstörungen infolge Alkoholeinflusses hervorgerufen wurden, das Risiko für einen bestimmten Fall ausschließt, folgt, daß insoweit der Versicherer beweispflichtig ist.
Normen
RS0043057
Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht liegt vor, wenn dieses von den Feststellungen des Erstgerichtes ohne Beweiswiederholung oder auf Grund einer unvollständigen Wiederholung der mit dem Beweisthema zusammenhängenden Beweise, auf die das Erstgericht entscheidende Feststellungen gestützt hat, abgeht oder wenn es ohne Beweiswiederholung Feststellungen auf Grund der in erster Instanz aufgenommenen Beweise ergänzt.
Norm
RS0043173
Übernimmt das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung eine Feststellung des Erstgerichtes nicht, so liegt der Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO nur dann vor, wenn diese Verfahrensverletzung geeignet ist, die erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu verhindern.
Norm
RS0043108
Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt vor, wenn das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung allein durch Auslegung vorgelegter Urkunden, aber ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen, andere Schlüsse als der Erstrichter zieht.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende sowie durch die Hofrätin und die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch die Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen 53.313,51 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 53/25h-50, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

[1] Zwischen den Streitteilen bestehen zwei Unfallversicherungsverträge. Einem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1989) zugrunde, dem anderen Versicherungsvertrag die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2015, Fassung 02/2016).

[2] Die AUVB 1989 lauten auszugsweise wie folgt:

Artikel 17

Ausschlüsse

Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle

[…]

9. die der Versicherte infolge einer Bewußtseinsstörung erleidet, oder infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner psychischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol, Suchtgifte oder Medikamente;

[...]

Die AUVB 2015, Fassung 02/2016, lauten auszugsweise wie folgt:

Artikel 15

Ausschlüsse

In welchen Fällen zahlen wir nicht?

[…]

8. die die versicherte Person infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner psychischen oder physischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol, Suchtgifte oder Medikamente erleidet;

[…]

[3] Am kletterte der Kläger auf einem Faschingsball auf einen etwa 1,10 bis 1,20 m hohen und etwa 60 bis 80 cm breiten Stehtisch, um darauf zu tanzen. Beim nachfolgenden Sprung auf den Boden verletzte er sich. Sein Blutalkoholwert betrug zu diesem Zeitpunkt 1,9 Promille.

[4] Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 53.313,51 EUR sA als Versicherungsleistung aus diesem Ereignis.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

[6] 1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Prüfung der Frage, ob eine außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen werden soll, grundsätzlich auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde (§ 506 Abs 1 Z 5 ZPO) als solche angeführt sind (RS0107501). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zeigt der Kläger aber nicht auf.

[7] 2.1. Der – einem verständigen Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbare – Sinn der gegenständlichen Ausschlussklauseln liegt darin, solche Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen, die Folge einer beim Versicherten schon vor dem Unfall vorhandenen, gefahrerhöhenden Beeinträchtigung und sich daraus ergebenden Einschränkung sind (7 Ob 168/19k; vgl RS0122121). Die Bewusstseinsstörung oder Beeinträchtigung muss, um einen Ausschluss von der Versicherung zu begründen, den Unfall verursacht haben, zumindest aber mitursächlich gewesen sein (RS0082132 [T1]).

[8] Der Grenzwert des Alkoholisierungsgrades, ab dem der Ausschlusstatbestand der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit erfüllt ist, hängt davon ab, ob die vom alkoholisierten Versicherten ausgeübte Tätigkeit besondere Anforderungen an die Aufnahmefähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit stellt oder nicht (RS0081871). Die Grenzwerte der Alkoholisierung werden dahin dementsprechend verschieden sein, je nachdem, ob der Versicherte etwa Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger ist (7 Ob 171/20b; vgl RS0082043 [T2]). Wenn der Blutalkohol allein für die Annahme des Ausschlussgrundes noch nicht ausreicht, ist der Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit danach zu bemessen, ob der Versicherte noch in der Lage ist, mit der jeweiligen Situation, in der er sich in der Zeit des Unfalls befindet, einigermaßen zurechtzukommen (RS0081872).

[9] 2.2. Das Berufungsgericht ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, die Alkoholisierung des Klägers habe offensichtlich zu dessen Entscheidung geführt, auf einen Stehtisch zu klettern, um darauf zu tanzen, und somit in der Folge zum Sprung und zur Verletzung. Aufgrund seiner Alkoholisierung habe er die Herausforderungen eines solchen Sprungs an eine (erhöhte) Aufmerksamkeit und die – sich dann auch verwirklichende – Gefahr unterschätzt, in alkoholisiertem Zustand von einem Tisch zu springen und sturzfrei zu landen.

[10] 2.3. Diese Ausführungen werden von der Revision weder bemängelt (vgl RS0043173; RS0043108; RS0043057; RS0043026 [insb T1]) noch näher aufgegriffen. Dass – nach Ansicht des Berufungsgerichts – daraus aber nicht nur die (Mit-)Ursächlichkeit der durch Alkohol beeinträchtigten Leistungsfähigkeit des Klägers am Unfall folgt, sondern damit auch der – vom Versicherer zu beweisende (vgl RS0081884; RS0082083; RS0081447) – Ausschlussgrund nach Art 17.9 AUVB 1989 bzw Art 15.8 AUVB 2015 verwirklicht wurde, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (vgl 7 Ob 93/18d).

[11] 2.4. Auf den in der Revision hervorgehobenen Umstand, dass der Blutalkoholwert des Klägers zum Unfallszeitpunkt unter 2 Promille betrug, sowie die Frage, ob der festgestellte Blutalkohol allein für die Annahme des Ausschlussgrundes ausreicht, kommt es daher nicht entscheidungswesentlich an. Ebenso wenig bedarf es der vom Kläger begehrten ergänzenden Feststellungen, ob sein Verhalten für ein durchaus vorhandenes Koordinationsvermögen spricht. Solche weiteren Feststellungen stünden den vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Umständen des konkreten Geschehens auch nicht entgegen.

[12] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00100.25V.0625.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAG-11602