VwGH 30.09.2025, Ro 2024/13/0017
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | EStG 1988 §10 Abs4 EStG 1988 §20 Abs1 Z7 EStG 1988 §20 Abs2 EStG 1988 §6 Z10 ForschungsprämienV 2012 §1 KStG 1988 §12 Abs2 VwRallg |
RS 1 | In der Forschungsprämienverordnung 2012 legte der Verordnungsgeber näher fest, welche Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie einfließen. Dabei verwies der Verordnungsgeber auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen der § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988. § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in Geltung; die Verordnung wurde anlässlich der Einführung dieser Bestimmung auch nicht geändert. Die Forschungsprämienverordnung wurde im Übrigen seit dem Jahr 2014 und der Einführung des Abzugsverbots für bestimmte Gehaltsbestandteile zweimal geändert, ohne dass eine Regelung für das Abzugsverbot in die Verordnung aufgenommen worden wäre. Die vom Verordnungsgeber ausdrücklich erwähnten steuerlichen Bestimmungen betreffen allesamt Regelungen, bei denen eine Steuerbegünstigung gewährt wird, wie steuerfreie Subventionen oder steuerbegünstigte Einnahmen. Der Ausschluss dieser Aufwendungen ist erkennbar von der Erwägung getragen, dass mehrere steuerliche Begünstigungen nicht kumuliert werden sollen. Dafür spricht auch § 10 Abs. 4 EStG 1988, der einen Ausschluss des investitionsbedingten Gewinnfreibetrages für Wirtschaftsgüter vorsieht, die in die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie aufgenommen wurden. Das Abzugsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 stellt allerdings keine Begünstigung, sondern das Gegenteil einer solchen dar. Die volle Abzugsfähigkeit solcher Gehälter würde auch keine Begünstigung darstellen, sondern entspräche den allgemeinen steuerlichen Vorschriften. Eine Vergleichbarkeit mit den § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988, die allenfalls für eine (analoge) Anwendbarkeit bei der Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie sprechen könnte, ist somit nicht gegeben. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger, die Hofrätin Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis sowie die Hofrätin Dr.in Wiesinger und den Hofrat Mag. M. Mayr, LL.M., als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., MA, über die Revision der S, vertreten durch die Plan Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Wien, gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts vom , Zlen. 1. RV/7102953/2022 betreffend Forschungsprämie 2020, und 2. RV/7101947/2023 betreffend Forschungsprämie 2021, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.586,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin beantragte für die Jahre 2020 und 2021 jeweils eine Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 für eigenbetriebliche Forschung und Entwicklung. Zu den Anträgen wurde ausgeführt, dass die zugrundeliegende Berechnung der Forschungsprämie aus den Personalkosten des Unternehmens resultiere. Im Unternehmen seien 28 (bzw. 37) Beschäftigte in Vollzeitäquivalent angestellt, welche in Forschung und experimenteller Entwicklung tätig seien und deren Gehalt inkl. Lohnnebenkosten für die Kalkulation der Bemessungsgrundlage herangezogen werde. Die Personalkosten seien in voller Höhe angesetzt und die Beschränkung auf 500.000 € gemäß § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 nicht berücksichtigt worden.
2 Das Finanzamt setzte die Forschungsprämie jeweils niedriger fest als beantragt und schied aus der Bemessungsgrundlage jene Gehaltsbestandteile aus, die der Kürzung gemäß § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 unterliegen.
3 Die Revisionswerberin erhob jeweils Beschwerde gegen die Festsetzungsbescheide und beantragte, die Beschwerden ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
4 Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerden als unbegründet ab. Es stellte fest, dass zwischen den Verfahrensparteien Konsens darüber bestehe, dass bei Anwendung des § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 der vom Finanzamt angesetzte Betrag an Personalkosten in Abzug zu bringen sei. Die Beschwerde gründe sich auf die Rechtsansicht, dass die gemäß § 12 Abs. 1 Z 8 KStG 1988 (auch) für Körperschaften geltende Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988, wonach Aufwendungen oder Ausgaben für das Entgelt für Arbeits- oder Werkleistungen, soweit es den Betrag von 500.000 € pro Person und Wirtschaftsjahr übersteige, im Bereich der Forschungsprämie nicht anzuwenden sei.
5 Zum Beschwerdevorbringen, dass die Forschungsprämie eine von der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer losgelöste eigenständige Abgabe sei, sei zunächst aus rechtshistorischer Perspektive zu konstatieren, dass für die gesetzliche Regelung der Forschungsförderung seit jeher das Einkommensteuerrecht die maßgebende Rechtsmaterie gewesen sei. Die in den die Forschungsprämie betreffenden Rechtsnormen verwendeten Begriffe würden sich daher an der Begrifflichkeit des Einkommensteuerrechts orientieren. Wenn daher in § 1 Abs. 2 Forschungsprämienverordnung von „Aufwendungen (Ausgaben) zur Forschung und experimentellen Entwicklung (Anhang I, Teil A)“ die Rede sei, so beziehe sich die Begrifflichkeit zweifellos auf Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne des EStG 1988, was impliziere, dass § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 auch im Bereich der Forschungsprämie anzuwenden sei.
6 Dass die Forschungsprämie nicht isoliert vom Regelungszusammenhang des Einkommensteuerrechts betrachtet werden könne, zeige sich vor allem auch im Verhältnis zu anderen steuerlichen Begünstigungen. Steuerfreie Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln (§ 3 Abs. 4 EStG 1988) kürzten die Bemessungsgrundlage der Prämie. Erhaltene oder zugesagte Subventionen iSd § 6 Z 10 EStG 1988 kürzten die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der unmittelbaren Investitionen. Nach § 10 Abs. 4 EStG 1988 könne ein investitionsbedingter Gewinnfreibetrag nicht für Wirtschaftsgüter gewinnmindernd geltend gemacht werden, für die eine Forschungsprämie in Anspruch genommen werde. Eine Übertragung stiller Reserven (§ 12 EStG 1988) kürze hingegen nicht die Bemessungsgrundlage, da die übertragenen stillen Reserven auf das Ausmaß der Investitionen keinen Einfluss hätten.
7 Im Vorbringen, dass der angefochtene Bescheid unrichtig wäre, weil in § 1 Abs. l der Forschungsprämienverordnung die Anwendung der Bestimmungen des § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie des § 12 Abs. 2 KStG 1988 erwähnt sei, wohingegen die Regelung des § 1 Abs. 2 Z 1 Forschungsprämienverordnung bezüglich Löhne und Gehälter keinen Verweis auf § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 enthalte, könne kein logisch stringentes Argument erkannt werden. Nach den allgemein anerkannten Auslegungsregeln könnten aus dem Vorhandensein von gesetzlichen Bestimmungen, die klarstellende Anordnungen für spezielle Bereiche (§ 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988) darstellten, keine verlässlichen Schlussfolgerungen für einen anderen Bereich (§ 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988) gezogen werden. Aus dem systematischen Regelungszusammenhang des § 108c EStG 1988 (und der dazu erlassenen Forschungsprämienverordnung) ergebe sich auf eindeutige Weise, dass nach dem Willen des Gesetzgebers jedes Abweichen von den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung erfordere. In Ansehung der Tatsache, dass es eine die Nichtanwendung des § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 normierende Bestimmung im Bereich der Forschungsprämie nicht gebe, werde deutlich, dass eine gesetzgeberische Absicht zur Schaffung einer derartigen Ausnahmebestimmung nicht interpretativ unterstellt werden könne. Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht zu, weil noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „gegenständlichen Rechtsfrage“ existiere.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die zur Zulässigkeit ebenfalls vorbringt, dass noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Fragestellung, wie mit Abzugsverboten in Bezug auf die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 umzugehen sei, auf welche die Forschungsprämienverordnung nicht explizit Bezug nehme, sondern welche der allgemeinen Systematik des EStG 1988 entspringen würden (dh insbesondere jene gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 bzw. § 12 Abs. 1 KStG 1988), vorliege. Insbesondere liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, welche sich mit der Frage befasse, ob dem Verweis in § 1 Abs. 1 Forschungsprämienverordnung auf die Bestimmungen der §§ 6 Z 10 und 20 Abs. 2 EStG 1988 bzw. § 12 Abs. 2 KStG 1988 bloß klarstellende Bedeutung zukomme, oder der Verweis dahingehend auszulegen sei, dass eben gerade diese Bestimmungen für die Berechnung der Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 anwendbar seien und aufgrund des Wortlautes des § 1 Abs. 2 Forschungsprämienverordnung „Aufwendungen (Ausgaben) zur Forschung und experimentellen Entwicklung“ die Begriffe „Aufwendungen“ und „Ausgaben“ eigenständig auszulegen seien.
9 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 § 108c EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 82/2017 lautete auszugsweise:
„Forschungsprämien
§ 108c. (1) Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind, und Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, können eine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und eine Forschungsprämie für Auftragsforschung in Höhe von jeweils 14% der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) geltend machen. Die Prämien stellen keine Betriebseinnahmen dar; § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 sind auf sie nicht anwendbar.
(2) Prämienbegünstigt sind:
1. Eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung, die systematisch und unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden durchgeführt wird. Zielsetzung muss sein, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Die Forschung muss in einem inländischen Betrieb oder einer inländischen Betriebsstätte erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Kriterien zur Festlegung der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) mittels Verordnung festzulegen.
[...]“
12 Die Forschungsprämienverordnung, BGBl. II Nr. 515/2012, in der im Revisionsfall anzuwendenden Stammfassung, lautete auszugsweise:
„§ 1. (1) Der Geltendmachung einer Forschungsprämie sind Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne der Abs. 2 und 3 im Bereich von Forschung und experimenteller Entwicklung (Anhang I) zu Grunde zu legen. Die Bestimmungen der § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988 sind anzuwenden.
(2) Aufwendungen (Ausgaben) zur Forschung und experimentellen Entwicklung (Anhang I, Teil A) sind:
1. Löhne und Gehälter für in Forschung und experimenteller Entwicklung Beschäftigte einschließlich Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, Wohnbauförderungsbeiträge und sonstige Personalaufwendungen (beispielsweise freiwillige Sozialleistungen) sowie Vergütungen für in Forschung und experimenteller Entwicklung Beschäftigte, die außerhalb eines Dienstverhältnisses tätig werden. Bei Beschäftigten, die nicht ausschließlich in Forschung und experimenteller Entwicklung tätig sind, werden die der Arbeitsleistung für Forschung und experimentelle Entwicklung entsprechenden Anteile an diesen Aufwendungen (Ausgaben) herangezogen.
2. Unmittelbare Aufwendungen (Ausgaben) und unmittelbare Investitionen (einschließlich der Anschaffung von Grundstücken), soweit sie nachhaltig Forschung und experimenteller Entwicklung dienen.
3. Finanzierungsaufwendungen (-ausgaben), soweit sie der Forschung und experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind.
4. Gemeinkosten, soweit sie der Forschung und experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind.
[...]“
13 § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 lautet auszugsweise:
„(1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:
(...)
7. Aufwendungen oder Ausgaben für das Entgelt für Arbeits- oder Werkleistungen, soweit es den Betrag von 500 000 Euro pro Person und Wirtschaftsjahr übersteigt. Entgelt ist die Summe aller Geld- und Sachleistungen, ausgenommen Abfertigungen im Sinne des § 67 Abs. 3, Entgelte, die sonstige Bezüge nach § 67 Abs. 6 darstellen und Aufwandsersätze, die an einen aktiven oder ehemaligen Dienstnehmer oder an eine vergleichbar organisatorisch eingegliederte Person geleistet werden. (...)“
14 § 12 Abs. 1 Z 8 KStG 1988 lautet:
„(1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:
(...)
8. Aufwendungen nach § 20 Abs. 1 Z 7 und Z 8 des Einkommensteuergesetzes 1988. Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Z 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 gilt: Der Betrag von 500 000 Euro ist zu aliquotieren, wenn eine Person von mehreren Unternehmen Entgelte erhält, die unmittelbar oder mittelbar konzernzugehörig sind oder unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss desselben Gesellschafters stehen. Werden Umlagen für diese Entgelte geleistet, sind die Aufwendungen um die empfangenen Umlagen zu kürzen und die Aliquotierung hat nach dieser Kürzung stattzufinden. § 20 Abs. 1 Z 7 lit. a des Einkommensteuergesetzes 1988 ist in diesen Fällen nicht anzuwenden.“
15 § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 1 Z 8 KStG 1988 wurden durch das Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 13/2014, eingeführt, um der zunehmenden Vergrößerung des Einkommensgefälles im Bereich der Erwerbsbezüge entgegenzusteuern (ErlRV 24 BlgNR 25. GP 5). Im Zeitpunkt der Erlassung der Forschungsprämienverordnung im Jahr 2012 war dieses Abzugsverbot noch nicht im Einkommensteuerrecht verankert.
16 Die Forschungsprämienverordnung definiert als Teil der Bemessungsgrundlage für die Prämie in § 1 Abs. 2 Z 1 die Löhne und Gehälter für in Forschung und experimenteller Entwicklung Beschäftigte inklusive der darauf entfallenden Beiträge. Weder § 108c EStG 1988 noch die Forschungsprämienverordnung enthalten einen Verweis auf § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 oder § 12 Abs. 1 Z 8 KStG 1988.
17 Das Bundesfinanzgericht stützt sich bei seiner rechtlichen Beurteilung darauf, dass die Vorschriften des EStG 1988 auch auf die Forschungsprämie anzuwenden seien und damit nur nach dem EStG 1988 abzugsfähige Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie einfließen können.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2002/14/0030, zum damaligen Forschungsfreibetrag gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 mit Verweis auf die Historie der Bestimmung, die ursprünglich auf „abgesetzte“ Aufwendungen verwies, noch festgehalten, dass all jene Aufwendungen erfasst sind, die als Betriebsausgaben abzugsfähig und nicht ausdrücklich als Bemessungsgrundlage des Forschungsfreibetrages ausgenommen sind. Dieses Erkenntnis erging allerdings zu einer anderen Rechtslage.
19 Die Forschungsprämie wurde mit dem Konjunkturbelebungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 68/2002, gleichzeitig mit einem weiteren Forschungsfreibetrag nach dem „Frascati-Manual“ eingeführt und verwies für die Bemessungsgrundlage auf die Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 4aEStG 1988 (Frascati-Forschungsfreibetrag). Dieser neue Forschungsfreibetrag unterschied sich vom bisherigen, weiterhin gültigen Forschungsfreibetrag nur in der Art der erfassten und begünstigten Forschung und nicht in der Art der berücksichtigbaren Aufwendungen.
20 Gleichzeitig wurde eine Verordnung des Bundesministers für Finanzen (Verordnung für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (-ausgaben) gemäß § 4 Abs. 4 Z 4a bzw. § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988, BGBl. II Nr. 506/2002) erlassen, die im Jahr 2012 von der heute noch gültigen Forschungsprämienverordnung abgelöst wurde. Der damalige § 1 der Verordnung entsprach (im Wesentlichen) dem § 1 der Stammfassung der Forschungsprämienverordnung 2012.
21 In der Verordnung legte der Verordnungsgeber näher fest, welche Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie einfließen. Dabei verwies der Verordnungsgeber auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen der § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988. § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in Geltung; die Verordnung wurde anlässlich der Einführung dieser Bestimmung auch nicht geändert. Die Forschungsprämienverordnung wurde im Übrigen seit dem Jahr 2014 und der Einführung des Abzugsverbots für bestimmte Gehaltsbestandteile zweimal geändert, ohne dass eine Regelung für das Abzugsverbot in die Verordnung aufgenommen worden wäre.
22 Die vom Verordnungsgeber ausdrücklich erwähnten steuerlichen Bestimmungen betreffen allesamt Regelungen, bei denen eine Steuerbegünstigung gewährt wird, wie steuerfreie Subventionen oder steuerbegünstigte Einnahmen. Der Ausschluss dieser Aufwendungen ist erkennbar von der Erwägung getragen, dass mehrere steuerliche Begünstigungen nicht kumuliert werden sollen. Dafür spricht auch § 10 Abs. 4 EStG 1988, der einen Ausschluss des investitionsbedingten Gewinnfreibetrages für Wirtschaftsgüter vorsieht, die in die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie aufgenommen wurden.
23 Das Abzugsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 stellt allerdings keine Begünstigung, sondern das Gegenteil einer solchen dar. Die volle Abzugsfähigkeit solcher Gehälter würde auch keine Begünstigung darstellen, sondern entspräche den allgemeinen steuerlichen Vorschriften. Eine Vergleichbarkeit mit den § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988, die allenfalls für eine (analoge) Anwendbarkeit bei der Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie sprechen könnte, ist somit nicht gegeben.
24 Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem Bundesfinanzgericht somit nicht beizupflichten, wenn es das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 bei der Berechnung der Forschungsprämie berücksichtigt hat.
25 Die angefochtenen Erkenntnisse waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | EStG 1988 §10 Abs4 EStG 1988 §20 Abs1 Z7 EStG 1988 §20 Abs2 EStG 1988 §6 Z10 ForschungsprämienV 2012 §1 KStG 1988 §12 Abs2 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2025:RO2024130017.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAG-11369