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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 02.10.2025, RV/7103770/2022

Zuständigkeit im Beschwerdeverfahren bei liquidierter und im Firmenbuch gelöschter KG

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über die Beschwerden der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Stefan Korntheuer, Putzgasse 31, 3100 St. Pölten, und Mag. Thomas Kollaczia-Putz, Krugerstraße 5 Tür Top 16, 1010 Wien, vom , gegen die Bescheide des vormaligen Finanzamtes Lilienfeld/St. Pölten, nunmehr Finanzamtes Österreich, vom , betreffend Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2012, Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2013, Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2014, Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2015, Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2017, Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2018, Wiederaufnahme § 303 BAO / Sonstige 2013, Wiederaufnahme § 303 BAO / Sonstige 2014, Wiederaufnahme § 303 BAO / Sonstige 2015, Umsatzsteuer 2012, Umsatzsteuer 2013, Umsatzsteuer 2014, Umsatzsteuer 2015, Umsatzsteuer 2017, Wiederaufnahme § 303 BAO / USt 2013, Wiederaufnahme § 303 BAO / USt 2014, Wiederaufnahme § 303 BAO / USt 2015 und Wiederaufnahme § 303 BAO / USt 2017, zu Steuernummer ***BF1StNr1***, folgenden Beschluss:

Die Beschwerden vom werden gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Nach durchgeführter Außenprüfung durch die belangte Behörde (Schlussbesprechung am ) wurden mit Bescheiden vom die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2013 bis 2015 und 2017 sowie die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2012 bis 2018 wiederaufgenommen und neue Sachbescheide (Umsatzsteuer 2012 bis 2015 und 2017, Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2012 bis 2018) erlassen.

Dagegen wurden fristgerecht mit Eingabe vom Beschwerden eingebracht.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 08., 11., 13. und hat das Finanzamt sämtliche Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wurden mit Eingabe vom fristgerecht Vorlageanträge eingebracht.

Mit weiterer Eingabe vom , eingelangt am zog die beschwerdeführende Partei die Beschwerden vom zurück.

Am wurde seitens des Bf. mitgeteilt, dass die Vollmacht der steuerlichen Vertretung nicht mehr aufrecht ist.

Die ***1*** KG wurde am mit Antrag auf Neueintragung einer Firma, eingelangt beim Registergericht am , gegründet und am in das Firmenbuch eingetragen.

Mit wurde im Firmenbuch angemerkt, dass die Gesellschaft aufgelöst und gelöscht ist. Der Antrag auf Löschung an das Landesgericht St. Pölten, wonach die Gesellschaft aufgelöst und die Firma erloschen ist, wurde damit begründet, dass der Unternehmensbetrieb eingestellt wurde und die Kommanditgesellschaft aufgelöst ist. Auf die förmliche Durchführung einer Liquidation wurde von den Gesellschaftern verzichtet. Die Auseinandersetzung hat einvernehmlich stattgefunden. Die Bücher und Papiere der Gesellschaft wurden vom Gesellschafter ***Komplementär*** zur Aufbewahrung übernommen.

Von bis war Herr ***Komplementär***, geboren am ***2***, als unbeschränkt haftender Gesellschafter (Komplementär) eingetragen. Als beschränkt haftende Gesellschafter (Kommanditisten) waren von bis Herr ***Komm***, geboren am ***3***, mit einer Haftungssumme von EUR 100,- und von bis die ***5*** KG mit einer Haftungssumme von EUR 100,-, eingetragen. Bei der ***5*** KG, ***4***, fungiert erneut ***Komplementär***, geb. ***2***, als Komplementär.

Rechtliche Ausführungen

Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Gemäß § 145 Abs. 1 UGB findet nach der Auflösung der Gesellschaft die Liquidation statt, sofern nicht eine andere Art der Auseinandersetzung von den Gesellschaftern vereinbart oder über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

Fehlendes Aktivvermögen führte nach bisheriger Rechtsprechung zur unmittelbaren Vollbeendigung der Gesellschaft. Ein Abwicklungsbedarf liegt daher nicht vor, wenn die Gesellschaft zum Auflösungszeitpunkt nur mehr Verbindlichkeiten aufweist. Gleiches gilt für den Fall, dass lediglich noch der innere Ausgleich zwischen den Gesellschaftern aussteht (OGH 1 Ob 567/90). Die Rechtsprechung hält eine Liquidation auch dann für notwendig, wenn sonstige gemeinschaftliche Beziehungen aufzulösen sind (OGH 1 Ob 567/90). Die Liquidation sei jedenfalls dann entbehrlich, wenn überhaupt kein gemeinsames Aktivvermögen oder sonstige gemeinschaftliche Beziehungen vorhanden seien (Warto in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 145 Rz 45).

Nach ständiger Rechtsprechung (; ; , 0039; ) stehen Abgabenverbindlichkeiten der Vollbeendigung entgegen. Der VwGH geht nicht von einem gesellschaftsrechtlichen, sondern von einem steuerrechtlichen Fortbestehen aus und bezieht dieses auf das Abgabenverfahren und nicht die konkrete Abgabenschuld. Die gesellschaftsrechtliche Frage der Vollbeendigung ist davon zu unterscheiden. Dies bewirkt im Ergebnis eine Teilrechtsfähigkeit der an sich bereits vollbeendeten Gesellschaft (Warto in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 145 Rz 51).

Für den Beendigungszeitpunkt gilt, dass die Löschung im Firmenbuch der Firma einer Personengesellschaft, etwa der Kommanditgesellschaft, nicht beeinträchtigt. Bescheide (zB Umsatzsteuerbescheide) sind folglich weiterhin an die - bereits gelöschte - Gesellschaft zu adressieren ().

Gemäß § 81 Abs. 1 BAO sind abgabenrechtliche Pflichten einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit von den zur Führung der Geschäfte bestellten Personen und, wenn solche nicht vorhanden sind, von den Gesellschaftern (Mitgliedern) zu erfüllen.

Wer für eine Kommanditgesellschaft zur Führung der Geschäfte iSd § 81 Abs. 1 bestellt ist, ergibt sich primär aus dem betreffenden Gesellschaftsvertrag. Subsidiär gelten die entsprechenden Bestimmungen des UGB bzw des ABGB (Ritz/Koran, BAO8 § 81 Rz 1). Subsidiär ist somit bei einer KG jeder Komplementär einzelvertretungsbefugt (§§ 161 und 164 UGB).

Zur organschaftlichen Vertretung der Kommanditgesellschaft sind ausschließlich die Komplementäre berufen (§ 161 Abs. 2 iVm §§ 125, 126 UGB). Die Beendigung der Kommanditgesellschaft unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von jener der offenen Gesellschaft (§ 161 Abs. 2 UGB) wobei auch Kommanditisten als geborene Liquidatoren zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind (Kalss, Österreichisches Gesellschaftsrecht² Rz 2/962).

Da im Gesellschaftsvertrag vom keine diesbezüglichen Vereinbarungen getroffen wurden und laut Auskunft vom eine steuerliche Vertretung nicht mehr existiert, gelten die gesetzlichen Bestimmungen über die Liquidation und mithin auch jene über die geborenen Liquidatoren, welche demzufolge aus Herrn ***Komplementär***, geb. ***2*** als unbeschränkt haftender Gesellschafter und der ***5*** KG, ***4***, vertreten durch ***Komplementär***, als Kommanditistin. Die Gesellschaftsverhältnisse Letzterer wurden oben aufgezeigt. Auch dort ergäbe sich - soweit überhaupt erforderlich - die abgabenrechtliche Vertretungsbefugnis von Herrn ***Komplementär***. Da eine Auseinandersetzung bei der Bf. bezüglich des Gesellschaftsvermögens (Abwicklung) nicht erfolgte, besteht die Bf. - zumindest abgabenrechtlich - als Rechtssubjekt fort.

Gemäß § 256 Abs. 3 BAO ist eine Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären, wenn sie zurückgenommen wird.

Da die beschwerdeführende Partei, vertreten durch ***Komplementär***, mit die Beschwerden betreffend die hier angefochtenen Bescheide zurückgezogen hat, waren diese gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos zu erklären.

Gemäß § 274 Abs. 3 Z 2 iVm Abs. 5 BAO kann im Falle der Gegenstandsloserklärung von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen und ist verfahrensökonomisch zweckmäßig. Eine Unbilligkeit des Absehens von der mündlichen Verhandlung ist nicht erkennbar. Daher wird das Ermessen dahingehend geübt, dass von der mündlichen Verhandlung abgesehen wird.

Zuständigkeitsänderung

Durch den Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall der unbesetzten Gerichtsabteilung 1032 abgenommen und zum Stichtag der Gerichtsabteilung 1025 neu zugeteilt.

Finanzamt Österreich

§ 323b Abs. 1 bis 3 BAO lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 99/2020 (2. FORG)

§ 323b. (1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.

(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.

(3) Eine vor dem von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem wirksam wird, gilt als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde.

Die gegenständliche Entscheidung ergeht daher an das Finanzamt Österreich.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Gegenstandsloserklärung ergibt sich schon aus dem Gesetzestext, sodass eine Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
GAAAG-11207