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Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

OGH 23.05.2024, 5Ob15/24b

Rechtssätze


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Normen
RS0121557
Die Berücksichtigung des Inhalts einer in den Feststellungen der Vorinstanzen - wenn auch ohne wörtliche Wiedergabe - enthaltenen Urkunde, deren Echtheit überdies zugestanden wurde, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfordert nicht die amtswegige Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.
Normen
RS0043605
Hat es der Revisionswerber unterlassen, darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint, ist damit die Rechtsrüge, die sich auf die bloße und nicht weiter ausgeführte Behauptung beschränkt, das Berufungsgericht habe die Sache rechtlich unrichtig beurteilt, nicht gesetzmäßig ausgeführt (ZBl 1824/279).
Normen
RS0011871
Obligatorische Rechtsverhältnisse (hier Wohnungsleihe), gehen bei einer Einzelnachfolge grundsätzlich nur bei einer entsprechenden Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger über (ähnlich SZ 27/216).
Normen
RS0083017
Die Prüfung der Frage, ob ein Wohnungseigentumsbewerber zur Einhaltung einer Vereinbarung über die Änderung von Wohnungen oder sonstiger Räumlichkeiten durch andere Wohnungseigentumsbewerber verpflichtet ist, findet im streitigen Verfahren statt; sie erfolgt grundsätzlich nach den im Vertrag für eine solche Änderung festgelegten Grenzen und nicht nach den Grundsätzen des Miteigentums oder des Wohnungseigentums.
Normen
RS0083047
Sind einer Vereinbarung die Grenzen baulicher Veränderungen nicht ausdrücklich zu entnehmen und ergeben sie sich auch nicht aus der dem Erklärungsgegner erkennbaren Absicht des Erklärenden, dann können die für die rechtsgestaltende Entscheidung solcher Streitigkeiten unter Miteigentümern und Wohnungseigentümern bestehenden Regeln als Mittel ergänzender Auslegung herangezogen werden, um den Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (§ 914 ABGB).
Normen
RS0012112
Jeder Miteigentümer (auch wenn er nur die Minderheit der Anteile repräsentiert) ist berechtigt, eigenmächtige Eingriffe (auch eines anderen Miteigentümers) in das gemeinsame Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage gegen der Störer - gerichtet auf Beseitigung und Wiederherstellung des vorigen Zustandes - abzuwehren (hier: Entfernung von Sträuchern). Verbotene Eigenmacht liegt dabei auch dann vor, wenn sich der Wohnungseigentümer auf ein mit dem Wohnungseigentumsorganisator vereinbartes Veränderungsrecht beruft (so schon 5 Ob 25/90). Daran ändert auch die Bestellung eines gemeinsamen Verwalters nicht; dessen (ausschließliche) Klagsbefugnis beziehungsweise Vertretungsbefugnis beschränkt sich nämlich darauf, "die vom Gesetz in seine Hand gelegten Interessen aller Teilhaber gegen den einzelnen Teilhaber zu vertreten", die Passivlegitimation des einzelnen Miteigentümer und Wohnungseigentümer (hier: Störer) ist daher gegeben.
Normen
RS0005944
Wer ohne Zustimmung der betroffenen Wohnungseigentümer und ohne eine die fehlende Zustimmung ersetzende Entscheidung des Außerstreitrichters eigenmächtig Änderungen iSd § 13 Abs 2 WEG vornimmt, ist ausnahmslos auf dem streitigen Rechtsweg in Anspruch zu nehmen: droht die Gefahr künftiger rechtswidriger Änderungen (sei es eines Ersteingriffes oder einer Eingriffswiederholung), dann ist gegen den rechtswidrig handelnden Wohnungseigentümer mit Unterlassungsklage vorzugehen, ist die rechtswidrige Änderung schon bewirkt, so kann der Beseitigungsanspruch geltend gemacht werden.
Normen
RS0083156
Schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung der anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen (so schon 5 Ob 25/90 MietSlg 42434/31). Tut er dies nicht, oder setzt er sich über den Widerspruch eines anderen Miteigentümers hinweg, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung (gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderung) verhalten werden (MietSlg 30/30; MietSlg 30/19; MietSlg 39615; WoBl 1993,61/49 mit Anmerkung von Call) (so schon 5 Ob 1028/92).
Normen
RS0012137
Die Negatorienklage kann auch vom Minderheitseigentümer (Wohnungseigentümer) nicht nur gegen einen Dritten, sondern auch gegenüber anderen Miteigentümern (Wohnungseigentümern) erhoben werden.
Normen
RS0042296
Der Bewertungsausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO wird durch die vom Kläger gemäß § 56 Abs 2 JN vorgenommene Angabe des Wertes des Streitgegenstandes nicht ersetzt (dies gilt auch nach der WGN 1989).
Normen
RS0042617
§ 500 Abs 2 ZPO verlangt zwar die sinngemäße Anwendung der §§ 54 - 60 JN, sagt aber nicht, dass das Berufungsgericht an die Bewertung des Klägers gebunden ist.
Normen
RS0112296
Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung inhaltlich auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weshalb ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.
Normen
RS0042642
Handelt es sich um zwei selbständige, voneinander verschiedene in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehende Klagsforderungen, über die verschiedene Entscheidungen getroffen werden können, ist deren Anfechtbarkeit getrennt zu prüfen.
Normen
RS0044228
§ 528 Abs 1 Z 2 ZPO (jetzt: § 528 Abs 2 Z 3 ZPO) schließt die Überprüfung der Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens durch den OGH aus.
Normen
RS0044233
Der Ausschluss eines Rekurses gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird. Das Gericht zweiter Instanz entscheidet daher in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig.
Normen
RS0043603
Die Rechtsrüge ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn nicht dargelegt wird, aus welchen Gründen - ausgehend vom von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt - die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig erscheint (§ 2 Abs 1 ASGG).
Normen
RS0037911
Wohnungseigentumsbewerber sind grundsätzlich nicht materielle (§ 11 Z 1 ZPO), sondern formelle Streitgenossen (§ 11 Z 2 ZPO); ihre Ansprüche sind nicht zusammenzurechnen (§ 55 Abs 1 Z 2, Abs 5 JN); es ist daher eine gesonderte Bewertung gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO notwendig. Anderes gilt nur für jene Kläger, die sich als Ehegatten im Hinblick auf § 9 WEG in einem Anwartschaftsvertrag gemeinsam um ein Wohnungseigentumsobjekt "beworben" haben. Sie sind nicht bloß formelle Streitgenossen. Die Bewertung erfolgt insoweit gemeinsam.
Normen
RS0083371
Die Generalklausel des § 24 Abs 1 WEG kann sich nur auf unbillige Aufhebungen und Beschränkungen beziehen, nicht aber auch auf solche, die ein Wohnungseigentumsbewerber auch bei Gleichgewicht der Vertragslage auf sich nehmen würde.
Normen
RS0075734
§ 24 WEG erklärt nur unbillige, einer vernünftigen Interessenabwägung widersprechende Aufhebungen und Beschränkungen der einem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer nach dem WEG zustehenden Nutzungsrecht und Verfügungsrecht für unwirksam.
Normen
RS0083359
§ 24 WEG richtet sich gegen die Aufhebung oder Beschränkung der einem Wohnungseigentümer gesetzlich zustehenden Nutzungsrechte oder Verfügungsrechte.
Normen
RS0013619
Die Vereinbarung, einen Miteigentumsanteil mit allen Rechten und Pflichten, mit welchen ihn sein Vorgänger besessen und benützt hat, zu übernehmen, ist in der Regel als Eintritt in eine bestehende Benützungsvereinbarung anzusehen ( MietSlg 21073 ).
Normen
RS0131473
Ist in einem Verfahren Anspruchs- und gleichzeitig Parteienhäufung gegeben, sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 1 JN zwar die gehäuften Ansprüche der betreffenden Partei zusammenzurechnen, nicht jedoch diese Ansprüche mit jenen der übrigen formellen Streitgenossen.
Normen
RS0042434
Gibt der Kläger den "Streitwert nach Rechtsanwaltstarif" mit S 12.000,-- und den "Streitwert für GGG" mit S 6.000,-- an, hat er damit nur auf die bindenden einschlägigen Bemessungsgrundlagen für die Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtsgebühren nach § 10 Z 2 lit b RATG und nach § 16 Abs 1 lit c GGG hingewiesen, nicht aber im Sinne des § 56 Abs 1 und 2 JN den (insbesondere) für die Beurteilung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes maßgebenden Wert des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes angegeben. Es gilt gemäß § 56 Abs 2 Satz 2 JN der in § 49 Abs 1 JN genannte Betrag (nämlich S 30.000,--) als Streitwert. Diese durch Art I Z 2 ZVN 1986 BGBl 1986/71 eingeführte Bestimmung ist auf nach dem angebrachte Klagen anzuwenden (Art VIII § 2 Z ). Das Berufungsgericht hat nicht im Verfahren nach § 501 ZPO zu entscheiden, ist aber bei seinem Ausspruch nach § 500 Abs 2 JN auch an den Streitwert von S 30.000,-- nicht gebunden.
Normen
RS0035415
Die besondere Ausformung des gemeinsamen Wohnungseigentums von Ehegatten, insbesondere die Untrennbarkeit der Anteile der Ehegatten und das im § 9 WEG sichergestellte gemeinsame rechtliche Schicksal dieser Anteile führen zu dem Ergebnis, dass die Ehegatten eine auf den § 25 WEG gestützte Klage gemeinsam als einheitliche Streitpartei einbringen müssen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun-Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S*, 2. Ing. A*, 3. U*, 4. E*, 5. Dr. R*, 6. L*, 7. P*, 8. M*, 9. M*, 10. K*, 11. Dr. H*, 12. Mag. G*, 13. DI K*, mit Ausnahme der 5. Klägerin alle vertreten durch Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwalt in Schladming, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Parteien D*, gegen die beklagten Parteien 1. A*, 2. Dr. A*, beide vertreten durch Mag. Hannes Fischbacher, Rechtsanwalt in Schladming, wegen Beseitigung, Wiederherstellung und Unterlassung (Streitwert 14.500 EUR), über die Revision der klagenden Parteien (mit Ausnahme der 5. Klägerin, der 10. Klägerin und des 11. Klägers) gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 170/23a-35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Schladming vom , GZ 2 C 49/22t-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Bezeichnung des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Parteien wird zur Folge rechtskräftiger Einantwortung berichtigt auf „D*“.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien mit Ausnahme der 5. Klägerin, der 10. Klägerin und des 11. Klägers sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.831,30 EUR (darin enthalten 305,22 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die auf dieser Liegenschaft errichtete Wohnanlage besteht aus 15 Wohnungen und 31 Abstellplätzen für Kraftfahrzeuge. Von diesen Kfz-Abstellplätzen befinden sich 17 in der Tiefgarage und 14 im Freien. Die Beklagten sind die Wohnungseigentümer (Eigentümerpartner) einer Wohnung und von 6 Kfz-Abstell-plätzen; 3 von diesen Kfz-Abstellplätzen befinden sich im Freien.

[2] Die Wohnanlage wurde im Jahr 2013 errichtet. Der Großteil der aktuellen Wohnungseigentümer haben damals mit der die Wohnungseigentumsanlage errichtenden Bauträgerin jeweils einen Bauträgervertrag abgeschlossen; das gilt für die Beklagten und mit Ausnahme der 2. Klägerin, der 8. Klägerin und des 9. Klägers auch für die Klägerinnen und Kläger. Darin wurde festgehalten: „Für den Fall, dass die Eigentümer diverser Stellplätze im Freien hinkünftig beabsichtigen, diese durch ein Flugdach zu überdachen, erteilen die übrigen Erwerber durch Unterfertigung dieses Vertrags bereits ihre ausdrückliche Zustimmung zu diesen Bauführungen, sodass eine Beschlussfassung im Sinne des jeweiligen gültigen WEG nicht mehr vonnöten ist.“

[3] Die Beklagten ließen im Juni 2015 von einem Bauunternehmen im Bereich ihrer 3 Kfz-Abstellplätze im Freien Fundamente für ein solches Flugdach herstellen. Diese 6 Punktfundamente ragten zwischen 40 und 50 cm in den Allgemeingrund der Liegenschaft hinein und waren nach der Asphaltierung des Vorplatzes in der Asphaltdecke für jedermann ersichtlich.

[4] Das Mit- und Wohnungseigentum der damaligen Wohnungseigentumswerber wurde auf Basis mehrerer, im Jahr 2016 zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgeschlossener „Kauf- und Wohnungseigentumsverträge“ eingetragen. In diesen Kauf- und Wohnungseigentumsverträgen findet sich keine Zustimmungserklärung, die mit jener im § 8 letzter Absatz der zwischen der Bauträgerin und den Wohnungseigentumsbewerbern abgeschlossenen Bauträger-verträge vergleichbar ist.

[5] Die 2. Klägerin sowie die 8. Klägerin und der 9. Kläger erwarben ihre Wohnungseigentumsobjekte (eine Wohnung und einen Kfz-Abstellplatz) nicht direkt von der Bauträgerin. Die mit ihren jeweiligen Voreigentümern abgeschlossenen Kaufverträge vom bzw enthielten jedoch jeweils Klauseln, nach denen sie die jeweiligen Miteigentumsanteile (sinngemäß) mit allen Rechten und Pflichten ihrer Rechtsvorgänger übernehmen.

[6] Im August 2020 ließen die Beklagten im Bereich ihrer Stellplätze im Freien ein Flugdach im Ausmaß von 39,75 m² in Form einer Stahlkonstruktion mit Glasdach errichten, ohne sich zuvor mit den übrigen Wohnungseigentümern abzustimmen. Das dafür (anstelle der ursprünglichen Punktfundamente neu) hergestellte Streifenfundament ragt – mit seiner Oberkante in einer Tiefe von 85 cm unter der Erde – 40 bis 50 cm in die allgemeinen Teile der Liegenschaft hinein. Auf diesem Streifenfundament wurden 5 Betonsockel für 5 senkrechte Stahlträger mit einer Höhe von 4,5 m aufgebracht. Während die Betonsockel ebenfalls in den Allgemeingrund hineinragen, befinden sich die Stahlträger zur Gänze auf der Grundfläche der Kfz-Abstellplätze der Beklagten.

[7] Die Kläger begehrten – gestützt auf § 523 ABGB –, die Beklagten zu verpflichten, das Flugdach samt den Fundamenten und den darauf angebrachten Bauelementen zu beseitigen, den Zustand vor Errichtung des Flugdaches wiederherzustellen und künftig entsprechende Baumaßnahmen zu unterlassen.

[8] Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen. Die Kläger seien im Hinblick auf eine sie bindende Vorwegzustimmung verpflichtet, die Errichtung des Flugdaches zu dulden. Die Beklagten hätten somit weder eigenmächtig noch sonst rechtswidrig gehandelt.

[9] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[10] Bei der Errichtung des Flugdaches handle es sich um eine genehmigungbedürftige Maßnahme iSd § 16 Abs 2 WEG. Auf die behauptete Zustimmungserklärung könnten sich die Beklagten aus mehreren Gründen nicht berufen. Die Kläger hätten daher eigenmächtig gehandelt.

[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies die Klage ab. Zusammengefasst ging es davon aus, dass wirksame oder wirksam überbundene Zustimmungen aller Kläger vorlägen oder diese zumindest auf die Geltendmachung von Abwehrrechten verzichtet hätten. Darin liege auch keine iSd § 38 WEG unbillige Beschränkung von Nutzungs- oder Verfügungsrechten der (übrigen) Wohnungseigentümer. Es sprach – nachträglich – aus, dass der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu. Zu der hier wesentlichen Rechtsfrage der Bindung eines Einzelrechtsnachfolgers an die (schon im Bauträgervertrag erklärte) Zustimmung seines Rechtsvorgängers zur Änderung eines Wohnungseigentumsobjekts gebe es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

[12] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger mit Ausnahme der 5. Klägerin, der 10. Klägerin und des 11. Klägers. Als Revisionsgründe machen sie die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Sie beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

[13] Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts – mangels Notwendigkeit der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[15] 1. Der Wohnungseigentümer ist zu Änderungen seines Wohnungseigentumsobjekts unter den in § 16 Abs 2 WEG dargestellten Voraussetzungen berechtigt. Schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Wohnungseigentümer (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG) verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitgerichts einzuholen. Tut er das nicht oder setzt er sich über den Widerspruch eines anderen Wohnungseigentümers hinweg, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg mit Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ABGB) in Anspruch genommen werden (RS0083156; RS0005944 [T2]). Dabei ist jeder einzelne Wohnungseigentümer berechtigt, solche eigenmächtige Eingriffe eines anderen Wohnungseigentümers in das gemeinsame Eigentum mit Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren (RS0012137; RS0012112).

[16] 2. Nicht eigenmächtig handelt, wer die Zustimmung der Wohnungseigentümer zu seinem Änderungsvorhaben eingeholt hat. Diese Zustimmung kann bereits vorweg, also für die Durchführung zu einem späteren Zeitpunkt, erteilt werden; das kann insbesondere aber nicht nur im Wohnungseigentumsvertrag geschehen (vgl 5 Ob 25/24y [Kaufvertrag]; 5 Ob 104/22p; 5 Ob 45/21k [jeweils Wohnungseigentumsvertrag]; 5 Ob 246/18i [Benützungsvereinbarung]).

[17] Der Umfang der Duldungspflicht des zustimmenden Wohnungseigentümers richtet sich (auch) im Fall einer vorweg wirksam erteilten Zustimmung nach der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung. Die erteilte Vorwegzustimmung ist dabei nach den §§ 914 f ABGB auszulegen. Sind einer derartigen Vereinbarung die Grenzen baulicher Veränderungen nicht ausdrücklich zu entnehmen und ergeben sie sich auch nicht aus der dem Erklärungsgegner erkennbaren Absicht des Erklärenden, dann können jene Regeln als Mittel ergänzender Auslegung herangezogen werden, die für die rechtsgestaltende Entscheidung solcher Streitigkeiten unter Mit- und Wohnungseigentümern bestehen. Das gilt insbesondere für die Grundsätze des § 16 Abs 2 WEG (5 Ob 104/22p; RS0083047; vgl auch RS0083017).

[18] Wie Parteienerklärungen im Einzelfall aufzufassen sind, ob eine solche inhaltlich ausreichend bestimmt ist und ob in ihr ein endgültiger Bindungswille zum Ausdruck kommt, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (5 Ob 203/18s mwN). Das gilt auch für die Zustimmungserklärung eines Wohnungseigentümers zu beabsichtigten baulichen Maßnahmen, insbesondere für die Auslegung ihres Umfangs (5 Ob 104/22p; 5 Ob 45/21k; RS0083047 [T1]; RS0083017 [T1]) und dessen Ermittlung durch ergänzende Vertragsauslegung (RS0042936 [T41]; RS0044358 [T41]). Diese Auslegung könnte nur dann eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RS0042936; RS0042776).

[19] 3. Eine solche aus Gründen der Rechtssicherheit ausnahmsweise aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die Revision nicht auf.

[20] Nach der ausführlich begründeten Auffassung des Berufungsgerichts sei die in den einzelnen Bauträgerverträgen enthaltene Zustimmungserklärung nicht nur ausreichend bestimmt und für die Erwerber und späteren Wohnungseigentümer bindend, sondern umfasse mangels Beschränkung auf eine bestimmte Art der Ausführung vor allem auch das von den Beklagten konkret ausgeführte Flugdach. Da die Wohnungseigentümer den Rahmen, innerhalb dessen der einzelne Wohnungseigentümer Änderungen vornehmen darf, als Ausfluss ihrer Privatautonomie auch entsprechend weit fassen können, ist dies nicht schon grundsätzlich zu beanstanden.

[21] Die Revisionswerber begründen ihre Behauptung, im hier zu beurteilenden Einzelfall habe das Berufungsgericht ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt, zusammengefasst (nur) damit, dass durch die angenommene Vorwegzustimmung zu künftigen Baumaßnahmen auf Allgemeinflächen die zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Bauträgervertrags noch gar nicht existierende Eigentümergemeinschaft belastet worden sei, und die Errichtung des Carports der Beklagten den übrigen Wohnungseigentümern auf Grund von baurechtlichen Vorschriften die Möglichkeit nehme, selbst ein Carport zu errichten. Abgesehen davon, dass beide Argumente, zweiteres jedenfalls im Lichte der weiteren Ausführungen zur Notwendigkeit einer Baubewilligung statt einer bloßen Bauanzeige, nicht nachvollziehbar und/oder nicht überzeugend sind, setzt sich die Revision mit der Argumentation des Berufungsgerichts somit gar nicht näher auseinander. In diesem Punkt ist die Revision daher nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603 [T9]; RS0043605).

[22] Analoges gilt für die Verbindlichkeit der in den Bauträgerverträgen enthaltenen Zustimmungserklärung gegenüber den späteren Wohnungseigentümern, die das Berufungsgericht aus dem Rechtsinstitut des Vertrags zugunsten Dritter ableitet. Das einzige Gegenargument der Revisionswerber, die Zustimmung, ein Flugdach unter Nutzung von Allgemeinflächen zu errichten, müsste in Gestalt einer formpflichtigen Benützungsvereinbarung iSd § 17 WEG erteilt werden, verkennt, dass das Änderungsrecht des § 16 Abs 2 WEG auch die Inanspruchnahme allgemeiner Teile erlaubt (vgl jüngst 5 Ob 114/24m).

[23] 4. Der Einzelrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers ist an die (auch außerhalb des Wohnungseigentumsvertrags erteilte) Zustimmungserklärung seines Rechtsvorgängers jedenfalls dann gebunden, wenn ihm diese vertraglich überbunden wurde (vgl 5 Ob 25/24y; 5 Ob 119/20s; 5 Ob 219/16s). Auch dieses (obligatorische) Rechtsverhältnis geht also bei entsprechender Vereinbarung auf den Einzelrechtsnachfolger über (RS0011871). Dabei wird die Vereinbarung, einen Miteigentumsanteil mit allen Rechten und Pflichten, mit welchen ihn sein Vorgänger besessen und benutzt hat, zu übernehmen, in der Regel als ausreichend angesehen, wenn die Überbindung Verpflichtungen betrifft, die unmittelbar mit der Nutzung der veräußerten Liegenschaft oder des veräußerten Liegenschaftsanteils zusammenhängen (RS0013619 [T3]).

[24] Diese Grundsätze hat der Fachsenat bereits für die Überbindung einer Zustimmungserklärung iSd § 16 Abs 2 WEG für anwendbar erachtet (siehe nur 5 Ob 25/24y). Letztlich ist die Frage der Reichweite der Vereinbarung der Übertragung des Anteils mit allen Rechten und Pflichten des Vorgängers freilich eine solche der Vertragsauslegung im Einzelfall, die daher – von Fällen auffallender Fehlbeurteilung abgesehen (RS0044088) – grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (5 Ob 25/24y).

[25] Eine solche aus Gründen der Rechtssicherheit ausnahmsweise aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die Revision nicht auf. Deren Ausführungen dazu beschränken sich im Wesentlichen auf die pauschale Behauptung des Gegenteils. Die Kaufverträge der Kläger, die als Einzelrechtsnachfolger der ursprünglichen Erwerber und Wohnungseigentumsbewerber nicht Vertragspartner eines dieser Bauträgerverträge waren, enthalten entsprechende Rechtsnachfolgeklauseln. Die Auslegung des Berufungsgerichts, zu der damit übernommenen Rechtsposition des jeweiligen Vorgängers im Rahmen des Wohnungs- und Miteigentums gehöre auch die Belastung durch eine bereits erteilte Vorwegzustimmung zu Änderungen iSd § 16 Abs 2 WEG ist nicht korrekturbedürftig, zumal die daraus resultierende Duldungspflicht – vergleichbar mit jener im Rahmen einer Benützungsvereinbarung (dazu RS0013619) – unmittelbar mit der Nutzung des erworbenen Miteigentumsobjekts verbunden ist.

[26] 5. Die Revisionswerber bestreiten generell die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vorwegzustimmung und begründen dies (auch) mit der Bestimmung des § 38 Abs 1 WEG, wonach Vereinbarungen oder Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken, rechtsunwirksam sind. Diese Schutzbestimmung kann zwar grundsätzlich auch auf in einem mit dem Wohnungseigentumsorganisator abgeschlossenen Bauträgervertrag enthaltene Zustimmungserklärungen und/oder Duldungspflichten im Zusammenhang mit Änderungen iSd § 16 Abs 2 WEG Anwendung finden. Ob eine Vereinbarung nach der Generalklausel des § 38 Abs 1 WEG rechtsunwirksam ist, kann allerdings immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher in der Regel ebenfalls keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0083371 [T6]).

[27] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die vorliegende Vereinbarung sei in ihrer Genese und in ihrer Wirkungsweise unproblematisch, bedarf keiner Korrektur. § 38 Abs 1 WEG erklärt (nur) unbillige, einer vernünftigen Interessenabwägung widersprechende Aufhebungen und Beschränkungen für unwirksam (RS0075734; RS0083359 [T2]). Verpflichtungen, die ein Wohnungseigentümer auch bei Gleichgewicht der Vertragslage auf sich genommen hätte, die also einer vernünftigen Interessenabwägung entsprechen, dürfen darunter nicht subsumiert werden (RS0083371). Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dies sei hier schon deshalb der Fall, weil der Änderungsvorbehalt nicht bloß zugunsten des Wohnungseigentumsorganisators oder bloß eines Wohnungseigentümers vereinbart wurde, sondern zugunsten aller und unterschiedslos, ist nicht zu beanstanden.

[28] 6. Die behauptete Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Eine im Verfahren vorgelegte Urkunde, die ihrem Inhalt nach unstrittig ist, kann der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ohne weiteres zugrunde gelegt werden (RS0121557).

[29] 7. Soweit die Revision die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts in Zweifel zieht, ist ihr entgegenzuhalten, dass Fragen der Kostenentscheidung des Verfahrens zweiter Instanz grundsätzlich nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO; RS0044228; RS0044233).

[30] 8. Mangels Notwendigkeit der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

[31] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S*, 2. Ing. A* O*, 3. U* T*, 4. E* H*, 5. Dr. R* B*, 6. L* H*, 7. P* H*, 8. M* H*, 9. M* H*, 10. K* M*, 11. Dr. H* M*, 12. Mag. G* P*, 13. DI K* P*, mit Ausnahme der 5. Klägerin alle vertreten durch Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwalt in Schladming, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Parteien Verlassenschaft nach Mag. H* F*, gegen die beklagten Parteien 1. A* S*, 2. Dr. A* R*, beide vertreten durch Mag. Hannes Fischbacher, Rechtsanwalt in Schladming, wegen Beseitigung, Wiederherstellung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien (mit Ausnahme der 5. Klägerin) gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 170/23a-35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Schladming vom , GZ 2 C 49/22t-30, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Bezeichnung des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Parteien wird berichtigt auf „Verlassenschaft nach Mag. H* F*“.

II. Der Akt wird dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seine Entscheidung durch einen eigenen Bewertungsausspruch gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO zu ergänzen.

Text

Begründung:

[1] Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Ein Teil der Kläger und die Beklagten bilden Eigentümerpartnerschaften.

[2] Die Kläger begehrten, die Beklagten schuldig zu erkennen,

1. binnen 14 Tagen das von den Beklagten auf den Allgemeinflächen der Liegenschaft errichtete Flugdach durch Entfernung sämtlicher Fundamente und darauf aufgebauter Bauelemente zu beseitigen,

2. binnen 14 Tagen den ursprünglichen Zustand auf den Allgemeinflächen, so wie er sich vor Errichtung des Flugdaches in natura dargestellt hat, wiederherzustellen und

3. ab sofort jede im Punkt 1. des Urteilsspruchs genannte Anmaßung, Erweiterungs- bzw Störungshandlung in Form von Aufstellen eines Flugdaches sowie jede ähnliche Einrichtung zu unterlassen.

[3] Zur Bewertung dieser Begehren führten die Kläger im Rubrum der Klage ohne nähere Differenzierung an: „Streitwert RATG € 14.500,00“.

[4] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts in eine Klageabweisung ab. In seinem Spruch hielt das Berufungsgericht fest, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in Bezug auf kein Begehren 5.000 EUR übersteige und die Revision jedenfalls unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision aller klagenden Parteien mit Ausnahme der 5. Klägerin.

Zu I.:

[7] Der Nebenintervenient auf Seiten der klagenden Parteien ist während des Rechtsmittelverfahrens verstorben. Dessen Bezeichnung war daher vom Amts wegen auf die Verlassenschaft umzustellen (§ 235 Abs 5 ZPO; RS0039666).

[8] Im Übrigen bleibt der Tod eines (einfachen) Nebenintervenienten ohne Auswirkungen auf den Prozess, er bewirkt insbesondere keine Unterbrechung (Melzer in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 157 ZPO Rz 2).

Zu II.: 

[9] Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die außerordentliche Revision ist – derzeit – nicht möglich.

[10] 1. Das Berufungsgericht hat, wenn der Entscheidungsgegenstand – wie hier – nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, über den für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision maßgeblichen Wert des Entscheidungsgegenstands abzusprechen (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO). Es ist dabei grundsätzlich nicht an die Bewertung des Klägers gebunden (RS0042617).

[11] Bilden mehrere Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, können diese gemeinsam bewertet werden, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN für eine Zusammenrechnung erfüllt sind (RS0042741; RS0053096). Demnach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen (und können diese gemeinsam bewertet werden), wenn sie 1. von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen oder 2. von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhoben werden, die materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind. Ansprüche von und gegen formelle Streitgenossen iSd § 11 Z 2 ZPO sind hingegen nicht zusammenzurechnen (RS0035615), und zwar selbst dann nicht, wenn die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RS0035615 [T26]; RS0053096 [T20]).

[12] Ist in einem Verfahren objektive Klagehäufung (Anspruchshäufung) und gleichzeitig subjektive Klagehäufung (Parteienhäufung) gegeben, sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 1 JN zwar die gehäuften Ansprüche der betreffenden Partei zusammenzurechnen, nicht jedoch diese Ansprüche mit jenen der übrigen formellen Streitgenossen (RS0131473; RS0053096 [T21]).

[13] Findet keine Zusammenrechnung statt, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen (RS0130936; RS0042642). Diese selbständigen Begehren hat das Berufungsgericht daher auch gesondert zu bewerten (RS0130936 [T1]; RS0042741 [T18]).

[14] 2. Im vorliegenden Verfahren ist eine objektive und zugleich auch subjektive Klagehäufung gegeben. Die 13 Kläger machen jeweils mehrere Ansprüche gegenüber zwei Beklagten geltend; sie begehren die Beseitigung eines von den Beklagten gemeinsam errichteten Flugdaches, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands und die Unterlassung derartiger Maßnahmen.

[15] Die Kläger stützen diese Ansprüche auf unerlaubte Eigenmacht der Beklagten, der geltend gemachte Rechtsgrund ist demnach die Eigentumsfreiheit (§ 523 ABGB; vgl RS0083156; RS0005944). Mehrere mit einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB geltend gemachte Ansprüche stehen (nur) dann in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN, wenn sie sich auf ein und dieselbe Eingriffshandlung des Beklagten stützen, also hinsichtlich Störungsobjekt und Störungshandlung Identität besteht (5 Ob 166/19a; 5 Ob 85/20s; 9 Ob 55/21k mwN). Das ist hier nach den insoweit maßgeblichen Klageangaben der Fall, sodass die Werte der von jedem einzelnen Kläger erhobenen Begehren auf Beseitigung, Wiederherstellung und Unterlassung (5 Ob 166/19a: „Begehrensgruppe“) jeweils, also für jeden Kläger nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen sind.

[16] Die Streitwerte dieser Begehrensgruppen sind hingegen nicht zusammenzurechnen. Im Fall einer Parteienhäufung (subjektive Klagehäufung) sind gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN die von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhobenen Ansprüche nur zusammenzurechnen, wenn diese materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind. Es muss somit entweder eine Rechtsgemeinschaft hinsichtlich des Streitgegenstands bestehen oder eine Parteienmehrheit, die aus demselben tatsächlichen Grund berechtigt oder verpflichtet ist (RS0035615 [T25]; RS0053096 [T19]). Gegen einen Wohnungseigentümer, der eigenmächtig Änderungen vornimmt, kann aber jeder einzelne Wohnungseigentümer im streitigen Rechtsweg mit einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB vorgehen (RS0005944 [T1]; RS0083156 [T15]). Die behaupteten Ansprüche beruhen dabei jeweils auf dem den einzelnen Wohnungseigentümer persönlich zukommenden Mit- und Wohnungseigentum; in Ansehung des Streitgegenstands stehen sie zueinander in keiner Rechtsbeziehung (5 Ob 88/20g). Die klagenden Wohnungseigentümer sind daher keine materiellen Streitgenossen iSd § 11 Z 1 ZPO, ihre selbständigen Ansprüche sind nicht zusammenzurechnen (5 Ob 166/19a mwN; 5 Ob 88/20g; 5 Ob 201/21a; RS0037911 [T5]).

[17] Das gilt auf der Klagsseite auch für jene Wohnungseigentümer, die eine Eigentümerpartnerschaft nach § 13 WEG bilden. Ein Eigentümerpartner kann sich gegen einen rechtswidrigen Eingriff in sein Anteilsrecht wehren, ohne der Mitwirkung des anderen Eigentümerpartners zu bedürfen (RS0035415 [T2]). Auf Beklagtenseite gilt hier hingegen schon jedenfalls deshalb Anderes, weil die beklagten Eigentümerpartner nach den insoweit maßgeblichen Klageangaben iSd § 11 Z 1 ZPO aus demselben tatsächlichen Grund verpflichtet sind.

[18] 3. Der Kläger hat den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstands in der Klage anzugeben (§ 56 Abs 2 Satz 1 JN). Wird für mehrere geltend gemachte Ansprüche eine Gesamtbewertung vorgenommen, so wird im Zweifel die Gleichwertigkeit der einzelnen Ansprüche angenommen (1 Ob 228/13f; 5 Ob 166/19a; Mayr in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 56 JN Rz 4). Unterlässt der Kläger die Bewertung, so gilt der Betrag von 5.000 EUR als Streitwert (§ 56 Abs 2 Satz 3 JN).

[19] Die Kläger haben ihre nicht in einem Geldbetrag bestehenden Begehren weder gesondert noch gesamt bewertet. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, bildet der im Rubrum der Klage mit dem Zusatz „RATG“ bezeichnete Streitwert nämlich keine Bewertung iSd § 56 Abs 2 JN. Wenn der Kläger die Bewertung in der Klage nur auf den Streitwert nach RATG und GGG bezieht, kommt daher der Zweifelsstreitwert von 5.000 EUR zur Anwendung (RS0042434; Gitschthaler in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 56 JN Rz 30).

[20] Werden – wie hier – mehrere Ansprüche in einer Klage gehäuft, dann ist der Zweifelsstreitwert für jeden einzelnen Anspruch gesondert anzunehmen (1 Ob 166/98p; 10 Ob 13/16h; Gitschthaler in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 56 JN Rz 28 mwN). Mangels weiterer Angaben des Klägers gilt der Zweifelsstreitwert also für jeden einzelnen von mehreren gehäuften Ansprüchen (Mayr in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 56 JN Rz 4).

[21] Das gilt im Fall der subjektiven Klagehäufung auch für die Ansprüche einfacher Streitgenossen iSd § 11 ZPO. Jeder der einfachen Streitgenossen ist dem Gegner gegenüber im Prozess derart selbständig, dass die Handlungen oder Unterlassungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen (§ 13 ZPO). Diese Selbständigkeit der Streitgenossen im Prozess gilt auch für das Unterlassen der Bewertung nach § 56 Abs 2 JN. Der Zweifelsstreitwert kommt daher für jeden Anspruch eines einzelnen von mehreren einfachen Streitgenossen zur Anwendung.

[22] 4. Das Berufungsgericht hat zwar die Problematik der gleichzeitig objektiven und subjektiven Klagehäufung richtig erkannt und auch die Frage der Zusammenrechnung grundsätzlich richtig dahin gelöst, dass im hier zu beurteilenden Fall zwar die gehäuften Ansprüche der einzelnen Kläger (auf Beseitigung, Wiederherstellung und Unterlassung) gegen die Beklagten zusammenzurechnen sind, nicht jedoch diese gehäuften Ansprüche mit jenen der anderen Kläger.

[23] Allerdings ging das Berufungsgericht zu Unrecht davon aus, dass der Gesamtstreitwert für die nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnenden drei Begehren des Urteilsantrags von 15.000 EUR (5.000 EUR Zweifelsstreitwert x drei Begehren) nicht für jeden Kläger zur Anwendung komme, sondern auf diese nach Köpfen (und zwar auf 5 Wohnungseigentümer und 4 Eigentümerpartnerschaften) aufzuteilen sei (Streitwert pro Kopf 1.666,67 EUR). Das Berufungsgericht übersieht offensichtlich, dass die Kläger im vorliegenden Fall – anders als zu 5 Ob 166/19a – keine (freie) Bewertung nach § 56 Abs 2 JN durch Festlegung eines Gesamtstreitwerts für die geltend gemachten Begehren vorgenommen haben. Ein solcher Gesamtstreitwert ist hier daher auch nicht auf die Kläger aufzuteilen. Vielmehr ist für jeden der objektiv und subjektiv gehäuften Ansprüche der Zweifelsstreitwert des § 56 Abs 2 JN von 5.000 EUR maßgeblich; der Streitwert für das Verfahren in erster Instanz beträgt daher für die nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnenden Ansprüche auf Beseitigung, Wiederherstellung und Unterlassung für jeden Kläger 15.000 EUR.

[24] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts übersteigt daher der Streitwert für die Begehrensgruppe eines jeden Klägers die Bagatellgrenze von 2.700 EUR (§ 501 ZPO). Folge dessen ging das Berufungsgericht zu Unrecht davon aus, dass die Revision gegen sein Urteil gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wäre das Berufungsgericht zwar an eine unter dieser Bagatellgrenze liegende Bewertung des Klägers grundsätzlich gebunden, sodass es ihm nicht freistünde, abweichend von der Bewertung des Klägers auszusprechen, dass die im § 500 Abs 2 Z 1 lit a ZPO genannte Wertgrenze überschritten wurde (5 Ob 166/19a; 5 Ob 144/23x mwN). Eine solche Bewertung liegt hier aber eben nicht vor.

[25] 5. Das Berufungsgericht hat sich – ausdrücklich –als daran gebunden erachtet, dass bei keinem der Begehren bzw Begehrensgruppen die im § 500 Abs 2 Z 1 lit a ZPO genannte Wertgrenze von 5.000 EUR überschritten werde. Demnach hat es im Ergebnis keine eigene Bewertung des Entscheidungsgegenstands iSd § 500 Abs 2 Z 1 ZPO vorgenommen (vgl RS0042296 [T5]). Sein „Bewertungsausspruch“ beruht vielmehr auf der irrigen Annahme einer Bewertungsvorschrift.

[26] Bei Fehlen einer Bewertung iSd § 500 Abs 2 Z 1 ZPO hat das Berufungsgericht eine entsprechende Ergänzung vorzunehmen. Dabei wird es im Sinn der obigen Ausführungen die Begehren bzw Begehrensgruppen (Beseitigung, Wiederherstellung, Unterlassung) der einzelnen Kläger gesondert zu bewerten haben. Allenfalls wird zufolge einer entsprechenden Bewertung auch der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO vorzunehmen sein.

[27] Je nach Ergebnis dieser Ergänzung wird das Rechtsmittel vom Berufungsgericht als Abänderungsantrag (§ 508 ZPO) zu behandeln oder wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein; letzteres im Fall der Zulassung der Revision nachdem es den Beklagten Gelegenheit gegeben hat, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00015.24B.0130.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAG-05451