Abrechnungsbescheid - Buchung von Umsatzsteuer nach einer Selbstanzeige trotz Verjährung
Revision eingebracht (Amtsrevision).
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7100664/2025-RS1 | Die Umsatzsteuer bleibt trotz der Verpflichtung zur Selbstberechnung der Steuer eine Veranlagungssteuer (Ruppe/Achatz UStG6 (2024), § 21 Tz 3; vgl § 21 Abs 4 UStG: „Der Unternehmer wird nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt.“).
Nach Veranlagung zur Umsatzsteuer und Ergehen des Jahresbescheides ist eine neuerliche Abgabenfestsetzung durch Selbstbemessung durch Abgabe einer Selbstbemessungserklärung (durch den Abgabepflichtigen) nicht möglich. Die durch eine solche (weitere) „Selbstbemessungserklärung“ bekanntgegebene Änderung der Bemessungsgrundlagen wäre diesfalls durch Erlassung eines geänderten Umsatzsteuerbescheides im Rahmen der von der BAO gegebenen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten (§§ 293 ff BAO) zu erfassen. (Im Beschwerdefall erstattete die Beschwerdeführerin eine Selbstanzeige und entrichtete den sich daraus ergebenden Abgabenbetrag; bereits vor der Erstattung der Selbstanzeige und der Entrichtung des strittigen Betrages war eine Veranlagung erfolgt und ein Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2011 erlassen worden.) |
RV/7100664/2025-RS2 | Im Steuerrecht ist die Verjährung von Amts wegen zu berücksichtigen. Anders als im Zivilrecht nach § 1501 ABGB stellt die Verjährung daher keine Einrede dar. Die Verjährung im Steuerrecht führt im Gegensatz zum Zivilrecht nach § 1432 ABGB auch nicht zu einer Naturalobligation. Bei den Verjährungsbestimmungen der BAO handelt es sich nach hA nicht um Normen des materiellen Rechts, sodass der Eintritt der Verjährung nicht das Erlöschen des Anspruches und auch keinen Tilgungstatbestand bedeuten kann, sondern hinsichtlich der Bemessungsverjährung (§ 207 BAO) lediglich das Verbot, die Abgabe bescheidmäßig festzusetzen (Gleiss/Rust in Holoubek/Lang (Hrsg), Verjährung im Öffentlichen Recht und im Steuerrecht (2024) 90 ff, 92; Stoll, Das Steuerschuldverhältnis 153 ff; Stoll, BAO 2159; betreffend das Bestehen einer Naturalobligation aA Schrottmeyer, Selbstanzeige nach § 29 FinStrG3 Rz 589 f). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde vom der A**** GmbH, [Adresse], StNr **-***/****, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, 1090 Wien, Porzellangasse 51, diese vertreten durch Mag. Christoph Plott und Mag. (FH) Susanna Resei, gegen den Abrechnungsbescheid (§ 216 BAO) vom des Finanzamtes für Großbetriebe, vertreten durch Andreas Dill, nach einer auf Antrag der Beschwerdeführerin am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die am vorgenommene Buchung:
"01 U 01-12/11 2.362.954,28"
rechtswidrig war und damit zu Unrecht erfolgte.
Tatsächlich war keine derartige Buchung vorzunehmen.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Spruch des angefochtenen Abrechnungsbescheides vom lautet:
"Auf Grund Ihres Antrages vom wird festgestellt, dass die am vorgenommene Buchung
'01 U 01-12/11 2.362.954,28'
richtig ist. Mit dieser Buchung wurde das Abgabenkonto rechtmäßig richtig gestellt."
Zur Begründung führte das Finanzamt zusammengefasst aus, zur Frage, ob die Umsatzsteuer für das Jahr 2011 mit dem Betrag von € 2.362.954,28 auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin zu verbuchen gewesen sei, sei auf die Offenlegung (Selbstanzeige) vom zu verweisen, wonach sich für "das Wirtschaftsjahr 2010/2011" "eine Umsatzsteuernachzahlung iHv EUR 2.362.954,28" ergebe. Dieser Betrag sei am entrichtet worden. Der diesbezügliche Überweisungsbeleg enthalte folgende Verrechnungsweisung:
DDD 2011 2362954,28
Daraus folge, dass der Betrag von € 2.362.954,28 zu Entrichtung der im Weg der Selbstanzeige bekannt gegebenen Abgabe, sohin zu Entrichtung der Umsatzsteuer 2011, zu verwenden gewesen sei. Das ergebe sich explizit aus dem angegebenen Verwendungszweck im Beleg "DDD", was Selbstanzeige bedeute. Ungeachtet dessen dass "die Festsetzung der Umsatzsteuer 2011 (abweichendes Wirtschaftsjahr 5/2010 bis 4/2011) nach Ablauf der jeweiligen Kalendermonate 5/2010 bis 4/2011, in dem die Lieferung und sonstige Leistung ausgeführt worden ist, somit aber spätestens mit Ablauf des absolut verjährt ist und daher das Recht Umsatzsteuer 2011 festzusetzen nach diesem Zeitpunkt endgültig erloschen ist" (vgl dazu das im Abgabenverfahren ergangene Erkenntnis des ), sei die von der Selbstanzeige umfasste Umsatzsteuer bereits vor Eintritt der Verjährung fällig gewesen.
Dem von der Beschwerdeführerin an das Finanzamt zur Einzahlung gebrachten Betrag von € 2.362.954,28 sei daher eine Zahlungsverpflichtung in gleicher Höhe gegenübergestanden.
Das bedeute, dass die Bekanntgabe (im Wege der Selbstanzeige) wie eine Festsetzung gewirkt habe. Nach der Rechtsprechung des VwGH werde nämlich auch durch die Selbstanzeige die Rechtswirkung der Abgabenfestsetzung geschaffen (). Durch die Überweisung sei somit nicht eine Nichtschuld bezahlt worden, da zum Zeitpunkt der Einbringung der Selbstanzeige und Entrichtung des diesbezüglich geschuldeten Betrages, beides im Jahr 2017, eine abgabenrechtliche Verjährung hinsichtlich der Umsatzsteuer 2011 (noch) nicht eingetreten gewesen sei.
Voraussetzung für die Straffreiheit im Fall der Erstattung einer Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG sei nicht nur die Darlegung der Verfehlung, sondern auch, dass die sich daraus ergebenden Beträge, die vom Anzeiger geschuldet würden oder für die er zur Haftung herangezogen werden könne, binnen einer Frist von einem Monat tatsächlich mit schuldbefreiender Wirkung entrichtet würden.
§ 213 Abs 1 BAO sehe die Verpflichtung zur kontokorrentmäßigen Verrechnung der wiederkehrend zu erhebenden Abgaben eines Abgabenpflichtigen vor. Die Beschwerdeführerin habe im Einzahlungsbeleg ausdrücklich auf die erstattete Selbstanzeige verwiesen und damit dargelegt, dass mit der Zahlung die in der Selbstanzeige offengelegte Abgabe abgedeckt werden sollte. Der am entrichtete Betrag von € 2.362.954,28 sei am Einzahlungsstichtag mit der Umsatzsteuer 2011 am Abgabenkonto der Steuernummer **-***/**** zu verrechnen gewesen. Damit sei hinsichtlich der von der Selbstanzeige umfassten Umsatzsteuer 2011 der Abgabenzahlungsanspruch infolge Entrichtung erloschen. Eine bescheidmäßige Festsetzung der betreffenden Umsatzsteuer sei daher entbehrlich.
Zusammengefasst sei daher bereits mit der Bekanntgabe der Umsatzsteuer 2011 im Wege der Selbstanzeige iZm der am geleisteten Zahlung von € 2.362.954,28 die Grundlage für die im Spruch erwähnte Buchung geschaffen worden. Durch die am vorgenommene Buchung sei bloß eine Richtigstellung der Gebarung erfolgt.
Entspreche - wie hier - eine Buchung nicht den Grundlagen (beispielsweise bei nicht bescheidmäßig festgesetzten Selbstbemessungsabgaben dem der Abgabenbehörde bekannt gegebenen Betrag), so sei sie, zumal eine Buchung der Rechtskraft nicht zugänglich sei und ihr bloß deklarative Charakter zukomme, jederzeit von Amts wegen richtig zu stellen. Eine solche Richtigstellung sei durch die am vorgenommene, im Spruch genannte Buchung
'01 U 01-12/11 2.362954,28'
erfolgt.
In der gegen diesen Bescheid dem Grunde und der Höhe nach gerichteten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter zusammengefasst aus, am sei die Umsatzsteuererklärung für das Wirtschaftsjahr bis eingereicht und mit Bescheid vom veranlagt worden.
Im März 2017 sei eine Betriebsprüfung für die Jahre 2011 bis 2014 eröffnet worden. Zu Prüfungsbeginn am sei hinsichtlich des Veranlagungszeitraumes 05/2010-04/2011 eine Selbstanzeige erstattet worden, die zu einer Erhöhung der Umsatzsteuerzahllast von € 2.362.954,28 hätte führen sollen.
Nach Erstattung der Selbstanzeige sei am vorsorglich die Zahlung der in der Selbstanzeige angegebenen Erhöhung der Umsatzsteuerzahllast für den Veranlagungszeitraum 2011 geleistet worden, obwohl dies erst nach Wiederaufnahme und neuer Festsetzung (Veranlagung) der Umsatzsteuer für das Wirtschaftsjahr 2011 per Jahresumsatzsteuerbescheid binnen eines Monats erforderlich gewesen wäre.
Die Betriebsprüfung sei im März 2021 abgeschlossen worden, bei welcher auch die Änderungen aufgrund der Selbstanzeige berücksichtigt worden seien.
Am seien ein Bescheid über die Wiederaufnahme der Umsatzsteuer 2011 und ein neuer Umsatzsteuerbescheid 2011 ergangen, in welchem auch die Änderungen (Abgabenerhöhungen) aufgrund der Selbstanzeige bescheidmäßig festgesetzt worden seien.
Mit Datum sei das Steuerkonto mit der Zahllast des neuen Umsatzsteuerbescheides 2011 (inklusive der Zahllast aus der Selbstanzeige) belastet worden und erst am sei die Zahlung aus dem Jahr 2017 am Steuerkonto mit Wirksamkeit vom gutgeschrieben worden. Davor sei sie offenbar bis zur Erlassung des Jahresumsatzsteuerbescheides in die Finanzverwahrung genommen worden.
Gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Umsatzsteuer 2011 vom sei Beschwerde wegen absoluter Verjährung erhoben worden, welcher vom BFG mit Erkenntnis vom , RV/7102175/2021 stattgegeben worden sei. In Umsetzung des Erkenntnisses des BFG sei am die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2011 vom am Steuerkonto gutgeschrieben worden.
Am sei jedoch nochmals die Einbuchung einer Umsatzsteuerzahllast für 01-12/2011 erfolgt (gegenständlich wäre aufgrund des abweichenden Umsatzsteuerjahres 05/2010-04/2011 gewesen!).
Es sei daher am ein Abrechnungsbescheid beantragt worden.
In § 21 UStG sei die Vorgehensweise bei der Durchführung der Erhebung der Umsatzsteuer festgelegt. § 21 Abs 1 UStG verlange die Selbstberechnung der Steuer und Entrichtung von grundsätzlich monatlichen Vorauszahlungen auf Basis von Umsatzsteuervoranmeldungen. Damit werde der Kalendermonat als der umsatzsteuerlich primär maßgebende Zeitraum verankert. § 21 Abs 1 UStG gehe als speziellere Vorschrift dem § 201 BAO vor (Ruppe/Achatz UStG6 (2024), § 21 Tz 3).
Trotz der Verpflichtung zur Selbstberechnung der Steuer bleibe die Umsatzsteuer jedoch eine Veranlagungssteuer (Ruppe/Achatz UStG6 (2024), § 21 Tz 3).
§ 21 Abs 4 UStG laute wie folgt: "Der Unternehmer wird nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt."
Das Finanzamt übersehe daher, dass sich aufgrund der Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung 2011 für den Zeitraum 05/2010 bis 04/2011 die Selbstbemessungsabgabe in eine Festsetzungsabgabe gewandelt habe und eine bescheidmäßige Festsetzung erforderlich worden sei.
Im Fall der Umsatzsteuer wäre die Abgabe, die unterjährig eine Selbstbemessungsabgabe sei, durch die bescheidmäßige Festsetzung jedenfalls eine Veranlagungssteuer.
Die Ansicht des Finanzamtes, dass durch die Zahlung eine zusätzliche Selbstbemessung durchgeführt worden wäre, wäre nur dann zutreffend, wenn weder die Umsatzsteuervorauszahlung nach § 21 Abs 3 UStG noch die Jahresumsatzsteuer nach § 21 Abs 4 bescheidmäßig festgesetzt worden wäre. Nach einer bescheidmäßigen Festsetzung der Abgabe sei eine zusätzliche Selbstbemessung gesetzlich nicht vorgesehen und daher unzulässig. Selbst wenn seit Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung (und damit Selbstbemessung) keine bescheidmäßige Festsetzung erfolgt wäre, wäre zweifelhaft, ob eine "weitere Selbstbemessung" erfolgen könnte, da auch in diesem Fall nach unrichtiger Selbstbemessung ein Bescheid nach § 21 Abs 3 UStG zu erlassen wäre. Im Beschwerdefall sei das aber ohnehin nicht entscheidungsgegenständlich, da - wie ausgeführt - die Jahresumsatzsteuer bereits mit Bescheid vom festgesetzt worden sei.
Die Änderung einer bescheidmäßig festgesetzten Abgabe bedürfe einer Grundlage im Abgabenverfahrensrecht, üblicherweise einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO. Den Selbstbemessungserklärungen (UVAs), komme bis zur bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung kraft Gesetzes die Wirkung der Abgabenfestung zu, die bis dahin eine Rückforderung ausschließe. Erst mit einer - von der Selbstbemessung abweichenden - bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung (nach § 21 Abs 3 UStG) werde aus der Unrichtigkeit der Selbstbemessung ein einer Rückzahlung zugänglicher zu entrichtender Abgabenbetrag.
Die bescheidmäßige Festsetzung für das Wirtschaftsjahr 05/2010 bis 04/2011 sei nach Abschluss der Außenprüfung mit Bescheid vom erfolgt. Da die Gutschrift aus der Zahlung vom am Steuerkonto erst mit (!) und mit dem falschen Zeitraum erfolgt sei, sei diese Zahlung im Bescheid vom nicht berücksichtigt worden und habe daher dieser Bescheid eine zu hohe Zahllast ausgewiesen.
Da die Jahresumsatzsteuer 2021 bereits mit Bescheid festgesetzt worden sei, sei die Buchung vom '01 U 01-12/11 2.362954,28' am Steuerkonto keine wie vom Finanzamt angeführt "Richtigstellung einer Selbstbemessung", sondern eine gesetzlich nicht gedeckte und unzulässige Belastung des Steuerkontos. Sowohl die Buchung am Abgabenkonto als auch der angefochtene Abrechnungsbescheid seien daher mit Rechtswidrigkeit belastet.
Im Übrigen seien die finanzstrafrechtlichen Ausführungen im Abrechnungsbescheid nicht von Bedeutung. Gemäß § 29 Abs 3 FinStrG sei eine verkürzte Abgabe binnen Monatsfrist tatsächlich zu entrichten um eine schuldbefreiende Wirkung zu entfalten. Die Monatsfrist beginne bei selbst zu entrichtenden Abgaben mit der Selbstanzeige, in allen übrigen Fällen mit der Bekanntgabe des Abgaben- oder Haftungsbescheides zu laufen. Im Beschwerdefall hätte das Finanzamt innerhalb der (absoluten) Verjährungsfrist die Jahresumsatzsteuer 2011 wiederaufnehmen und festsetzen müssen, was bekannterweise außerhalb der absoluten Verjährungsfrist erfolgt sei. Dem Finanzamt wäre es nämlich auch möglich gewesen, zeitnah nach der Selbstanzeige die Jahresumsatzsteuer wiederaufzunehmen und vorläufig gemäß § 200 BAO festzusetzen, um sie dann nach Abschluss der Außenprüfung mit den (zusätzlichen) Feststellungen endgültig festzusetzen. Aber auch dies sei versäumt worden.
Darüber hinaus spreche auch die im Abrechnungsbescheid angeführte Rechtsprechung gegen den Standpunkt des Finanzamtes, da der VwGH die Relevanz der Festsetzung bzw die Wirkung der Selbstbemessung als Festsetzung klar festhalte:
Der Beschwerdeführerin ist zu entgegnen, dass gemäß dem klaren Gesetzeswortlaut des § 153 Abs 1 NÖ AO 1977 die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt gilt. Somit kommt der Einreichung der Erklärung kraft gesetzlicher Anordnung die Rechtswirkungen der bescheidmäßigen Festsetzung zu. Die Änderung einer bescheidmäßig festgesetzten bzw kraft Gesetzes als festgesetzt geltenden Abgabe bedarf einer Grundlage im Verfahrensrecht. Den Selbstbemessungserklärungen der Beschwerdeführerin kommt bis zur bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung kraft Gesetzes die Wirkung der Abgabenfestsetzung zu, die bis dahin eine Rückforderung ausschließt. Erst mit einer - von der Selbstbemessung abweichenden - bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung wird aus der Unrichtigkeit der Selbstbemessung ein einer Rückzahlung gemäß § 187 Abs. 1 NÖ AO 1977 zugänglicher zu Unrecht entrichteter Abgabenbetrag (vgl zB die hg Erkenntnisse vom , 88/17/0242, und vom , 90/17/0404).
Der angefochtene Abrechnungsbescheid sei somit rechtswidrig, weil der betreffenden Verbuchung am Abgabenkonto vom die Rechtskraft des - nach Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides betreffend Umsatzsteuer 2011 durch das BFG wieder in Geltung gesetzten - Umsatzsteuerbescheides 2011 vom entgegenstehe. Eine Durchbrechung der Rechtskraft dieses Bescheides sei nur unter den Voraussetzungen der §§ 293 ff BAO möglich. Eine Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Rechtskraft eines Abgabenbescheides (einzig) durch eine später bekannt gegebene Selbstbemessungserklärung sehe die BAO nicht vor. Eine solche würde auch das Prinzip der Rechtskraft völlig ad absurdum führen, da jegliche Rechtskraft eines Abgabenbescheides über eine Selbstbemessungsabgabe "wie durch einen Federstrich" durch eine neue Selbstbemessung durchbrochen werden könnte. Genau dies solle das Rechtsinstitut der Rechtskraft jedoch verhindern.
Dass die angefochtene Verbuchung rechtswidrig sei, lasse sich auch anhand der Vorschriften zur Vollstreckbarkeit veranschaulichen. Hätte die angefochtene Verbuchung, mit der die Abgabengutschrift aus dem stattgebenden BFG-Erkenntnis rückgängig gemacht wurde, zu einem Abgabenrückstand geführt, müsste ein solcher (bei Unterbleiben einer Entrichtung durch den Abgabepflichtigen) vollstreckt werden. Eine Vollstreckung wäre bei dieser Sachlage jedoch unzulässig: Nach § 226 BAO sei eine Vollstreckung eines selbst berechneten Betrages bei einer Selbstbemessungsabgabe nur zulässig, "solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben" seien. Diese Voraussetzungen seien jedenfalls ab Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 2011 vom nicht mehr gegeben gewesen. Eine Vollstreckung der strittigen Abgabe wäre (trotz Verbuchung am Abgabenkonto) ohne Durchbrechung der Rechtskraft des Umsatzsteuerbescheides 2011 vom von der Bestimmung des § 226 BAO nicht gedeckt gewesen. Alleine auf die erst nach Eintritt der Rechtskraft des Umsatzsteuerbescheides 2011 vom erfolgte nachträgliche Umsatzsteuer-Selbstbemessung im Rahmen der Selbstanzeige könnte eine Einbringung der Abgabe aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des § 226 BAO nicht gestützt werden; einer solchen stünde die bereits rechtskräftige abgabenbehördliche Festsetzung (Umsatzsteuerbescheid 2011 vom ) entgegen. Vielmehr würde eine Einbringung der strittigen Abgabe auf eine Negierung und damit eine "Aushebelung" der Rechtskraft des Umsatzsteuerbescheides 2011 vom hinauslaufen, wie sie von § 226 BAO explizit untersagt werde. Vollstreckbar (und bereits eingebracht) sei somit gemäß § 226 BAO lediglich der im Umsatzsteuerbescheid 2011 vom festgesetzte Betrag. Der Umstand, dass die angefochtene Buchung vom am Abgabenkonto zu einem nicht vollstreckbaren Rückstand geführt haben würde, wenn diese nicht amtswegig mit dem damals bestehenden Guthaben saldiert worden wäre, verdeutliche, dass die Verbuchung rechtswidrig gewesen sei und diese Buchung durch Abänderung des angefochtenen Abrechnungsbescheides rückgängig zu machen sei.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Die Zahlung am durch die Beschwerdeführerin sei vorsorglich im Hinblick auf das Finanzstrafgesetz erfolgt und sei als Anzahlung auf die zu erwartende Umsatzsteuernachzahlung aufgrund der bescheidmäßigen Festsetzung der Jahresumsatzsteuer geleistet worden.
Dadurch sei jedenfalls keine zusätzliche Umsatzsteuer-Selbstbemessung erfolgt, da dies abgabenverfahrensrechtlich nach bescheidmäßiger Feststellung der Jahresumsatzsteuer 2011 gar nicht mehr möglich gewesen sei, was auch der angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung entspreche. Es habe sich daher lediglich um eine Zahlung auf das Abgabenkonto gehandelt, die erst nach bescheidmäßiger Festsetzung der Jahresumsatzsteuer 2011 zu verrechnen gewesen wäre.
Über die Höhe der Umsatzsteuer 2011 werde ausschließlich im Jahresumsatzsteuerbescheid 2011 abgesprochen. Verfahrensrechtlich gelte der Grundsatz, dass nicht mehrfach mit Bescheid über dieselbe Sache entschieden werden könne. Es dürfe nur einen (und nicht mehrere) Bescheide geben, in dem über die Höhe einer Abgabe für einen Zeitraum abgesprochen werde.
Für eine Abgabe, die bescheidmäßig festzusetzen sei, abweichend vom rechtskräftigen Bescheid eine darüberhinausgehende Verpflichtung des Abgabepflichtigen zu begründen, sei verfahrensrechtlich nicht zulässig. Im rechtskräftigen Veranlagungsbescheid würde dann nicht mehr richtig stehen, welche Abgabe für den gegenständlichen Abgabenzeitraum (im Beschwerdefall Jahresumsatzsteuer 2011) geschuldet werde.
Die nochmalige Belastung und Buchung am Abgabenkonto am sei daher völlig rechtswidrig und grenze an die Verweigerung der Umsetzung des BFG-Erkenntnisses vom , RV/7102175/2021.
Der Abrechnungsbescheid sei daher entsprechend zu berichtigen und die Buchung aufzuheben.
Anmerkung zur zeitlichen Abfolge im Beschwerdeverfahren und Maßnahmen zur zeitgerechten Abwicklung
Dass das Finanzamt nach der Selbstanzeige für die bescheidmäßige Festsetzung mehr als vier Jahre benötigen würde, sei für die Beschwerdeführerin nicht absehbar gewesen. Dass dann die bescheidmäßige Festsetzung außerhalb der Verjährungsfrist erfolgt sei, könne ihr nicht vorgeworfen werden, sondern sei im Bereich der Finanzverwaltung gelegen.
Die Rechtsansicht, dass hinsichtlich der Jahresumsatzsteuer 2011 absolute Verjährung vorliege, sei durch das Erkenntnis des BFG bestätigt. Amtsrevision sei nicht erhoben worden.
Die Beschwerdeführerin beantragte, den angefochtenen Abrechnungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit zu berichtigen und die Buchung
'01 U 01-12/11 2.362954,28'
aufzuheben und den Betrag in der Folge mit Wirksamkeit vom dem Steuerkonto wieder gutzuschreiben.
Die Beschwerdeführerin verzichtete auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Das Finanzamt legte die Beschwerde antragsgemäß ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem BFG vor und führte im Vorlagebericht in seiner Stellungnahme zur Beschwerde zusammengefasst aus, die am vorgenommene Buchung der Umsatzsteuer 01-12/2011 mit dem Betrag von € 2.362.954,28 sei zwecks Richtigstellung der Gebarung notwendig worden, weil die Offenlegung (Selbstanzeige) vom (wonach sich für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 eine Umsatzsteuernachzahlung von € 2.362.954,28 ergeben habe) iZm der am geleisteten Zahlung in gleicher Höhe das Erlöschen (infolge Entrichtung) der von der Selbstanzeige betroffenen Umsatzsteuer ausgelöst habe und dies gebarungsmäßig auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin zu vollziehen gewesen sei.
Bloße Buchungen auf dem Abgabenkonto hätten für das Erlöschen der Abgabenschuld keine Rechtswirkung. Denn eine Abgabenschuld erlösche nicht durch Buchung auf dem Abgabenkonto, sondern durch einen gesetzlichen Tilgungstatbestand. Im Umkehrschluss liegt daher immer dann, wenn - wie hier - eine Abgabe entrichtet (durch einen gesetzlichen Tilgungstatbestand erloschen) sei und dies auf dem bezughabenden Abgabenkonto (noch) keinen Niederschlag gefunden habe, eine nicht der Rechtslage entsprechende Buchung vor, die von der Abgabenbehörde von Amts wegen richtig zu stellen ist.
Einem Abgabepflichtigen kommt kein Rechtsanspruch auf Beibehaltung einer ihn betreffenden unrichtigen Gebarung auf dem Abgabenkonto zu. Die Richtigstellung einer nicht der Rechtslage entsprechenden Buchung sei kein Rechtsakt, sondern die Herstellung eines den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Zustandes, der allerdings rechtliche (die den Tatsachen entsprechenden rechtsrichtigen) Wirkungen auslöse.
Die in § 216 Satz 2 BAO normierte 5-jährige Frist sei nur im Falle eines Antrages auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides anwendbar; für die hier vorgenommene amtswegige Richtigstellung der Gebarung existiere keine solche Regelung, sie findet daher ihre zeitliche Grenze in der 30jährigen allgemeinen Verjährungsfrist, die auch für den Rückzahlungsanspruch bestimmend sei.
Die Beschwerdeführerin habe im Einzahlungsbeleg ausdrücklich auf die erstattete Selbstanzeige verwiesen und damit dargelegt, dass mit der Zahlung die in der Selbstanzeige offen gelegte Abgabe abgedeckt werden solle. Eine Verbuchung des gegenständlichen Betrages als Saldozahlung auf dem Abgabenkonto komme daher nicht in Frage.
Das Erlöschen der Abgabenschuld werde ua durch Entrichtung der Abgaben bewirkt. Bei der vorliegenden Fallkonstellation sei insbesondere § 29 Abs 2 FinStrG beachtlich, der eine eigenständige Entrichtungsregelung normiere. Für den Fristenlauf der Schadensgutmachung (Monatsfrist bei Selbstbemessungsabgaben) nach § 29 Abs 2 FinStrG sei es irrelevant, ob im Anschluss an die Selbstanzeige Bescheide ergingen oder nicht (Schrottmeyer in Schrottmeyer, Selbstanzeige3, § 29 Rz 613). Der Täter habe die Bemessungsgrundlage für die Schadensgutmachung eigenständig zu ermitteln, somit auch die abgabenrechtliche Beurteilung selbst vorzunehmen und die diesbezüglichen Abgaben binnen Monatsfrist zu begleichen oder ein ZE-Ansuchen zu stellen. Auch wenn von Seiten der Behörde eine fehlerhafte Bescheiderlassung innerhalb dieser Frist erfolge, sei die Abgabe in der korrekten Höhe zu bezahlen, um vollständige Straffreiheit zu erlangen; andernfalls liege lediglich eine Teilwirkung vor (Schrottmeyer in Schrottmeyer, Selbstanzeige3, § 29 Rz 613 Rz 614).
Falle der Abgabenanspruch weg, weil zB für die von der Selbstanzeige umfassten Abgaben eine Nachsicht bewilligt werde, führe dies nach Köck in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, FinstrG5, Band 1, § 29 Rz 12 nicht dazu, dass die Beträge nicht mehr iSd § 29 Abs 2 FinStrG geschuldet würden. Als nicht geschuldet würden in der Literatur (Köck aaO sowie Schrottmeyer in Schrottmeyer, Selbstanzeige3, § 29 Rz 597) lediglich Abgaben genannt, die aufgrund abgabenrechtlicher Verjährung nicht mehr festgesetzt werden könnten. Gemeint sei damit aber die Situation, in der die abgabenrechtliche Verjährung zum Zeitpunkt der Erstattung der Selbstanzeige schon gegeben sei.
Aufgrund der unterschiedlichen Verjährungsregime im Abgaben- bzw Finanzstrafrecht könne es vorkommen, dass zwar der zu beurteilende Sachverhalt bereits abgabenrechtlich, jedoch noch nicht finanzstrafrechtlich verjährt sei; aufgrund von § 31 Abs 3 FinStG werde dies bei seriell begangenen Finanzvergehen oftmals sogar der Regelfall sein (Schrottmeyer in Schrottmeyer, Selbstanzeige3, § 29 Rz 613 Rz 585).
Ein Abgabenbescheid sei auch im Festsetzungsverfahren nicht zwingend Voraussetzung, um einen entrichteten Betrag behalten zu dürfen: Die rechtswirksame Abgabenfestsetzung sei zwar entscheidend für die daran anknüpfende Durchsetzungsmöglichkeit des Abgabenanspruches seitens des Abgabengläubigers. Dies verwehre jedoch die Annahme nicht, dass eine entstandene Abgabenschuld als eine noch nicht erzwingbare Geldleistungsverpflichtung auch schon vor ihrer bescheidmäßigen Festsetzung durch Zahlungsvorgänge als getilgt angesehen werden müsse und ein Guthaben nicht entstanden sei ().
Gegenstand dieses VwGH-Verfahrens sei ein Antrag auf Abrechnungsbescheid ua betreffend Grundsteuer A und B der Jahre 1956 bis 1976, in dem der einschreitende Verlassenschaftskurator moniert habe, die Gemeinde hätte Abgaben mit Nichtbescheiden vorgeschrieben. Der VwGH komme diesbezüglich zum Ergebnis, dass die beschwerdeführenden Parteien durch ihre für die Grundsteuerkonten bestimmten Zahlungen, selbst wenn keine rechtswirksamen Steuerbescheide im Sinne des § 28 GrStG 1955 ergangen sein sollten, eine bereits entstandene Abgabenschuld getilgt hätten.
Einer Selbstbemessungserklärung des Abgabepflichtigen komme bis zur bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung kraft Gesetzes die Wirkung der Abgabenfestsetzung zu, die bis dahin eine Verrechnung der - wie hier - mittels Verrechnungsweisung geleisteten Zahlung mit dem erklärten Betrag notwendig mache. Nur im Fall einer - von der Selbstbemessung abweichenden - bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung mit einem niedrigeren Betrag würde die Differenz dem Abgabenpflichtigen als Gutschrift zur Verfügung stehen. Eine derartige (abweichende) Festsetzung sei hier nicht erfolgt. Siehe dazu auch die zu § 187 Abs 1 NÖ AO 1977 ergangenen Erkenntnisse des ; , 90/17/0404.
Die durch die Selbstbemessung geschaffene Rechtswirkung der Abgabenfestsetzung werde auch durch den Eintritt der Verjährung nicht aus der Welt geschafft.
Damit ergebe sich für den Beschwerdefall: Bereits die am mit Verrechnungsweisung geleistete Zahlung von € 2.362.954,28 habe das Erlöschen der im Wege der Selbstanzeige bekannt gegebenen Umsatzsteuer (infolge ihrer Entrichtung) bewirkt. Die Entrichtung der Umsatzsteuer (ihr Erlöschen durch einen gesetzlichen Tilgungstatbestand) würde am Abgabenkonto der Beschwerdeführerin (wohl zu Unrecht) keinen Niederschlag finden, wenn man die streitgegenständliche Buchung unterließe. Somit sei die Richtigstellung der Gebarung notwendig gewesen.
Die Beschwerdeführerin brachte durch ihre steuerliche Vertretung eine Beschwerdeergänzung ein, in welcher sie zusammengefasst ausführte, die vom Finanzamt im Vorlagebericht angeführten VwGH-Entscheidungen seien für den Beschwerdefall nicht einschlägig und daher nicht entscheidungsrelevant.
Im Erkenntnis vom , 88/17/0242, und im Erkenntnis vom , 90/17/0404, welche sich jeweils tatsächlich mit der OÖ LAbgO beschäftigten, habe der VwGH zu entscheiden gehabt, ob die Abweisung eines Rückzahlungsantrags für zu hoch selbst bemessene und entrichtete Getränkesteuer zu Recht erfolgt sei. Der VwGH habe der Beschwerde stattgegeben. Die Getränkesteuer sei eine Selbstbemessungsabgabe, welche durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt gelte. Demnach hätte das Finanzamt vor Abweisung eines Rückzahlungsantrags einen Bescheid erlassen müssen, was jedoch unterblieben sei. Erst mit einer bescheidmäßigen Festsetzung der Abgabe werde ein zu hoch entrichteter Abgabenbetrag einer Rückzahlung zugänglich.
Daraus lasse sich im Umkehrschluss ableiten, dass eine Neufestsetzung eines Abgabenbescheides und somit eine Nachforderung erst nach einer Aufhebung durch Wiederaufnahme möglich sei, wenn die Abgabe zuvor bereits bescheidmäßig festgesetzt worden sei. Im Beschwerdefall sei die Umsatzsteuer, die unterjährig eine Selbstbemessungsabgabe sei, durch die bescheidmäßige Festsetzung jedenfalls eine Veranlagungssteuer geworden. Die Umsatzsteuer des Veranlagungsjahres 2011 sei mit Bescheid vom erstmals veranlagt worden. Die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2011 und die Erlassung eines neuen Umsatzsteuerbescheides 2011 am sei außerhalb der absoluten Verjährung erfolgt. Der dagegen erhobenen Beschwerde sei mit BFG-Erkenntnis vom stattgegeben und der Wiederaufnahmebescheid betreffend das Verfahren Umsatzsteuer 2011 aufgehoben worden. Somit entspreche die Umsatzsteuer des Jahres 2011 der mit

Bescheid vom festgesetzten Umsatzsteuer.





Die im Rahmen der Selbstanzeige dargelegte Korrektur der Umsatzsteuer 2011 sei mit Bescheid vom festgesetzt und dem Steuerkonto angelastet worden, eine nochmalige Belastung des Steuerkontos mit diesem Betrag sei somit rechtswidrig.
In einer am auf Antrag der Beschwerdeführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung wiederholten die Parteien im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.
Seitens des Finanzamtes wurde vorgebracht, die Abgabe sei im Zahlungszeitpunkt noch nicht verjährt gewesen und tatsächlich geschuldet worden. Sie habe im Rahmen der Selbstanzeige die strafbefreiende Wirkung entfaltet, es wäre daher geradezu paradox, wenn diese nunmehr dennoch zurückzuzahlen wäre.
Die Beschwerdeführerin hielt dem entgegen, nach § 29 FinStrG wäre eine Zahlung zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich noch nicht erforderlich gewesen, vielmehr wäre diese erst innerhalb eines Monats nach Ergehen des entsprechenden Veranlagungsbescheides erforderlich gewesen. Im Veranlagungsverfahren müsse jede Schuld mit Bescheid festgesetzt werden. Die Zahlung selbst entfaltet keine rechtliche Wirkung hinsichtlich der Abgabenschuld.
Durch das Gericht verlesen wurde Schrottmeyer, Selbstanzeige nach § 29 FinStrG, Rz 589-592 (betreffend Naturalobligation).
Die Beschwerdeführerin verwies dazu auf das schriftliche Vorbringen und erklärte, es handle sich hierbei um eine Einzelmeinung, die sich nicht aus dem Abgabenverfahrensrecht und der BAO ergebe. Die Abgabe müsse zuerst durch die Finanzverwaltung festgesetzt werden, erst dann entstehe die Abgabenschuld. Die Festsetzung sei jedoch erst im Jahr 2021 erfolgt und damit zu spät (Verjährung). Eine Abgabe werde erst mit Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig. Die strafbefreiende Wirkung trete gemäß § 29 Abs 2 FinStrG bei Bezahlung innerhalb eines Monats nach Ergehen des Abgabenbescheides ein.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die vom Finanzamt vorgelegten Aktenteile, insbesondere den angefochtenen Bescheid und die Schreiben der Beschwerdeführerin, sowie in den elektronischen Akt des Finanzamtes, insbesondere das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin.
Danach steht folgender Sachverhalt fest:
Am reichte die Beschwerdeführerin die Umsatzsteuererklärung für das Wirtschaftsjahr bis ein
Mit Datum vom erließ das Finanzamt den Umsatzsteuerjahresbescheid 2011 (für das Wirtschaftsjahr bis ).
Im März 2017 wurde betreffend die Beschwerdeführerin eine abgabenbehördliche Prüfung für die Jahre 2011 bis 2014 eröffnet.
Am (zu Prüfungsbeginn) erstattete die Beschwerdeführerin eine Selbstanzeige ua für den Zeitraum bis , aus der sich für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 eine Umsatzsteuernachzahlung bzw eine Erhöhung der Umsatzsteuerzahllast von € 2.362.954,28 ergab.
Am entrichtete die Beschwerdeführerin vorsorglich diesen aus der Selbstanzeige resultierenden Betrag von € 2.362.954,28.
Mit Datum vom verfügte das Finanzamt mit Bescheid die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 2011 und erließ einen neuen Sachbescheid betreffend Umsatzsteuer 2011, eine entsprechende Buchung am Abgabenkonto der Beschwerdeführerin (Belastung) erfolgte.
Am erfolgte am Abgabenkonto der Beschwerdeführerin die Gutschrift der Zahlung aus dem Jahr 2017 mit der Wirksamkeit .
Mit Erkenntnis vom gab das Bundesfinanzgericht einer Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Umsatzsteuer 2011 (wegen Verjährung) statt. In Umsetzung dieses Erkenntnisses erfolgte am eine entsprechende Buchung (Gutschrift) am Abgabenkonto der Beschwerdeführerin.
Am nahm das Finanzamt am Abgabenkonto der Beschwerdeführerin folgende Buchung vor:
"01 U 01-12/11 2.362.954,28" (= Einbuchung einer Umsatzsteuerzahllast für 01-12/2011 von € 2.362.954,28).
Diese Buchung ist Inhalt des Beschwerdeverfahrens.
Mit Datum vom stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides.
Mit Datum vom erließ das Finanzamt den angefochtenen Abrechnungsbescheid, dessen Spruch lautet: "Auf Grund Ihres Antrages vom wird festgestellt, dass die am vorgenommene Buchung
'01 U 01-12/11 2.362.954,28'
richtig ist. Mit dieser Buchung wurde das Abgabenkonto rechtmäßig richtig gestellt."
Diese Feststellungen gründen sich auf die angeführten Beweismittel sowie auf folgende Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.
Rechtlich folgt daraus:
Die Beschwerdeführerin begehrt die Feststellung, dass die vom Finanzamt am vorgenommene Buchung am Abgabenkonto rechtswidrig erfolgt sei. Dies zusammengefasst im Wesentlichen mit der Begründung, mangels innerhalb der Verjährungsfrist erfolgter Festsetzung durch einen entsprechenden (neuen) Umsatzsteuerjahresbescheid bzw nach Stattgabe der Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid durch das Bundesfinanzgericht und Wegfall des Umsatzsteuerbescheides 2011 vom sei die im Rahmen der Selbstanzeige bekanntgegebene und entrichtete (zusätzliche) Umsatzsteuer 2011 verjährt. Es bestehe daher seitens des Finanzamtes gegenüber der Beschwerdeführerin keine Forderung bzw seitens der Beschwerdeführerin keine Zahlungsverpflichtung für den im Rahmen der Selbstanzeige bekanntgegebenen und entrichteten Umsatzsteuerbetrag.
Zudem sei die Buchung auch deshalb (formal) inhaltlich rechtswidrig bzw unrichtig, da die Beschwerdeführerin die Umsatzsteuer nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr ermittle.
Das Beschwerdebegehren erweist sich als berechtigt.
Gemäß § 216 BAO ist mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213 BAO) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77 BAO) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.
Bei einem Abrechnungsbescheid geht es ausschließlich um die Beurteilung von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abgabepflichtigen und der Behörde bezüglich abgabenbehördlicher Gebarungsakte. Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat die Abgabenbehörde gemäß § 216 BAO darüber zu entscheiden (Abrechnungsbescheid).
Es geht nach § 216 BAO nicht nur um das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung. Es kann auch die Prüfung und die Darstellung der Ergebnisse verlangt werden, ob die rechnungsmäßige Anlastung der Abgabenfestsetzung (nicht aber die Abgabenfestsetzung selbst) und die entsprechenden Gutschriften bei verminderten Festsetzungen kassenmäßig ihren richtigen Ausdruck gefunden haben.
Die Rechtmäßigkeit einer wirksamen Abgabenfestsetzung - hinsichtlich derer der Rechtsschutz durch deren Bekämpfbarkeit gewährleistet ist - darf im Abrechnungsbescheidverfahren nicht mehr geprüft werden. Dieses Verfahren hat sich vielmehr lediglich damit zu befassen, ob die Abgabenfestsetzungen und die entsprechenden Gutschriften in der kassenmäßigen Gebarung ihren richtigen Ausdruck gefunden haben.
Mit dem Abrechnungsbescheid wird darüber entschieden, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung erloschen ist, somit wirksam gezahlt, verrechnet, aufgerechnet, erlassen oder verjährt ist, also vor allem rechnungsmäßig richtig vollzogen ist, was sich im Bereich des tatsächlichen Zahlungsverkehrs ereignet hat.
Hingegen wird durch das Abrechnungsbescheidverfahren eine bescheidmäßig erfolgte Abgabenfestsetzung nicht berührt; dies auch dann nicht, wenn die Festsetzung zu Unrecht erfolgt ist oder der die Abgaben festsetzende Bescheid zu Unrecht besteht. Die Abgabenbehörde kann sich im Abrechnungsbescheid hinsichtlich bescheidmäßig festgesetzter Abgaben nur auf rechtswirksame Bescheide stützen, ohne dabei das rechtmäßige Zustandekommen oder das rechtmäßige Bestehen dieser Bescheide überprüfen zu dürfen.
Der Abrechnungsbescheid ist seinem Wesen und Inhalt nach ein Feststellungsbescheid, der Klarheit zu schaffen hat, durch welche Verrechnungsvorgänge und Tilgungstatbestände das Erlöschen einer bestimmten Zahlungsverpflichtung bewirkt wurde (zB ; , 2006/14/0061 mwN; , 2009/16/0196).
Die Beschwerdeführerin hat den aus der Selbstanzeige resultierenden Umsatzsteuerbetrag am in der Erwartung entrichtet, dass das Finanzamt (nach Abschluss der abgabenbehördlichen Prüfung) einen entsprechenden neuen Umsatzsteuerbescheid 2011 erlassen werde (nachdem zunächst bereits im Jahr 2013 der Umsatzsteuerbescheid 2011 erlassen worden war) sowie um mit Sicherheit die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige zu erlangen.
Wider Erwarten erfolgte die Bescheiderlassung (in einem wiederaufgenommenen Verfahren) jedoch erst nach Eintritt der Verjährung und wurde der Wiederaufnahmebescheid in der Folge vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom aufgehoben; der den aus der Selbstanzeige resultierenden höheren Umsatzsteuerbetrag enthaltende Umsatzsteuerbescheid 2011 vom fiel dadurch gemäß § 307 Abs 3 BAO automatisch weg.
Wäre der aus der Selbstanzeige resultierende Umsatzsteuerbetrag von der Beschwerdeführerin nicht bereits im Jahr 2017 entrichtet worden steht außer Streit, dass dieser aufgrund der eingetretenen Verjährung endgültig nicht vollstreckbar wäre.
Vom Abgabenanspruch - als Anspruch verstanden, der in idealer richtiger Höhe mit Tatbestandsverwirklichung entsteht - ist der Abgabenzahlungsanspruch zu unterscheiden, das ist jener Betrag, der aufgrund einer bescheidmäßigen Festsetzung als Anspruch geltend gemacht wird. Als Abgabenzahlungsanspruch kann auch der Anspruch betrachtet werden, der im Verfahren zur Erhebung von Selbstberechnungsabgaben (§ 201 BAO) selbst zu berechnen und ohne Aufforderung zu entrichten ist, auch wenn er bescheidmäßig geltend gemacht wird, sofern der Abgabepflichtige die Einreichung einer Abgabenerklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Abgabenerklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. In beiden Fällen, in denen der Festsetzungs-(Veranlagungs-)Abgaben und in denen der Selbstbemessungsabgaben, entsteht der (ideale, abstrakte) Abgabenanspruch aus dem Gesetz mit Tatbestandsverwirklichung, der Abgabenzahlungsanspruch mit seiner bescheidmäßigen Festsetzung oder aufgrund von Parteienerklärungen (zB Anmeldung) oder unmittelbar aus dem Gesetz (Selbstbemessungsabgaben) (Tanzer/Unger in Rzeszut et al (Hrsg), BAO - Stoll Kommentar (Digital First)2.12 (2025) § 4 BAO Rz 45).
Die Abgabenfestsetzung begründet nicht das Schuldverhältnis, sondern sie ist nur das Instrument zur "Vergegenständlichung der Abgabenschuld". Wenn auch die Abgabenschuld mit Verwirklichung des Tatbestandes entsteht, so tritt die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung - von Selbstbemessungsabgaben abgesehen - erst mit Erlassung des Abgabenbescheides ein. Der konkret-wirksame Eingriff in die Rechts- und Vermögenssphäre des Abgabepflichtigen erfolgt also erst durch den aufgrund des Gesetzes erlassenen Abgabenbescheid. Der aus dem Gesetz entstandene Abgabenanspruch bedarf unbeschadet seiner rechtlichen Existenz somit zu seiner Durchsetzung der Aktualisierung durch einen Bescheid.
Durch die Steuerfestsetzung, die sich an der abstrakten, aus dem Gesetz entstandenen Steuerschuld zu orientieren hat, entsteht die Steuerzahlungsschuld. Bei Veranlagungssteuern (hinsichtlich Selbstbemessungssteuern siehe insbesondere § 201 BAO) bildet dieser Verwaltungsakt, also die Steuerfestsetzung (der Steuerbescheid, die Veranlagung), die verfahrensrechtliche Grundlage für die Zahlungspflicht sowie für das Einhebungs- und Eintreibungsverfahren. Die Grundlage für das weitere Verfahren bildet somit die Abgabenfestsetzung, gleichgültig, ob sie richtig ist oder nicht. Ihre allfällige Mangelhaftigkeit, die Inkongruenz von abstrakter Abgabenschuld und ihrer bescheidmäßigen Festsetzung, ist sohin in den der Abgabenfestsetzung dienenden und vorbehaltenen Verfahren berichtigend wahrzunehmen (Rechtsmittel, abgabenbehördliche amtswegige Behebungen, insbesondere nach §§ 299 f BAO) (Tanzer/Unger in Rzeszut et al (Hrsg), BAO - Stoll Kommentar (Digital First)2.12 (2025) § 4 BAO Rz 15 f mwN).
Nicht einmal die Verjährung nach den §§ 207-209 BAO vermag den solchermaßen umschriebenen Abgabenanspruch zum (förmlichen) Erlöschen zu bringen, auch im Fall der Verjährung erlischt lediglich das Recht zur Festsetzung, nicht auch der abstrakte Anspruch selbst. Zumindest als Maß gehört er der Rechtswirklichkeit ebenso (ein für alle Male) an, wie der den Anspruch bedingende Sachverhalt aus der Welt des realen Seins nicht beseitigt werden kann. Aus dieser Sicht ist die Frage nach dem Zeitpunkt des Erlöschens des abstrakten Abgabenanspruches müßig. Erlöschensfähig (und durchsetzungsunfähig) ist im Bereich realer Gläubiger-Schuldner-Beziehungen letztlich nur der Abgabenzahlungsanspruch.
Es ist stets zwischen dem aus dem Gesetz heraus (mit Tatbestandsverwirklichung) entstandenen Anspruch und seiner Festsetzung - auf der Seite des Abgabenschuldners zwischen Schuldentstehung und Verpflichtung zur Entrichtung zufolge behördlicher bescheidmäßiger Anlastung - zu unterscheiden.
Als Grundregel gilt: Die Verwirklichung des entstandenen abstrakten Anspruches aufseiten des Gläubigers bedarf der bescheidmäßigen Festsetzung (Tanzer/Unger in Rzeszut et al (Hrsg), BAO - Stoll Kommentar (Digital First)2.12 (2025) § 4 BAO Rz 47 ff mwN).
Der an den Grundsätzen des § 4 BAO orientierte Entstehungszeitpunkt [des Abgabenanspruches] bestimmt den Beginn der Verjährung, nach deren Ablauf der Abgabenbescheid nicht mehr ergehen darf, der bereits entstandene Abgabenanspruch nicht mehr festgesetzt werden darf (Stoll, Das Steuerschuldverhältnis [1972], 142 f).
Das Finanzamt beruft sich im Wesentlichen darauf, dass es sich bei der Umsatzsteuer um eine Selbstbemessungsabgabe handelt sowie darauf, dass die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige eine Schadensgutmachung erfordere, weshalb es geradezu paradox wäre, wenn die bereits entrichtete Umsatzsteuer nunmehr dennoch zurückzuzahlen wäre.
Mit dieser Argumentation übersieht das Finanzamt, dass im Beschwerdefall bereits vor der Erstattung der Selbstanzeige (und der Entrichtung des strittigen Betrages) eine Veranlagung erfolgt und ein Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2011 erlassen worden war.
Die Umsatzsteuer bleibt trotz der Verpflichtung zur Selbstberechnung der Steuer eine Veranlagungssteuer (Ruppe/Achatz UStG6 (2024), § 21 Tz 3; vgl § 21 Abs 4 UStG: "Der Unternehmer wird nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt.")
Nach Veranlagung zur Umsatzsteuer und Ergehen des Jahresbescheides ist eine neuerliche Abgabenfestsetzung durch Selbstbemessung durch Abgabe einer Selbstbemessungserklärung (durch den Abgabenpflichtigen) nicht möglich. Die durch eine solche (weitere) "Selbstbemessungserklärung" bekanntgegebene Änderung der Bemessungsgrundlagen wäre diesfalls durch Erlassung eines geänderten Umsatztsteuerbescheides im Rahmen der von der BAO gegebenen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten (§§ 293 ff BAO) zu erfassen.
Eine Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Rechtskraft eines Abgabenbescheides (einzig) durch eine später bekannt gegebene Selbstbemessungserklärung sieht die BAO nicht vor. Eine solche würde auch dem Prinzip der Rechtskraft widersprechen, da jegliche Rechtskraft eines Abgabenbescheides betreffend eine Selbstbemessungsabgabe durch eine neue Selbstbemessung durchbrochen werden könnte. Genau dies soll das Rechtsinstitut der Rechtskraft jedoch verhindern. Ein geänderter Umsatzsteuerjahresbescheid wurde im Beschwerdefall (innerhalb der Verjährungsfrist) allerdings nicht erlassen.
Ob bzw inwieweit durch die Entrichtung des strittigen Betrages die strafbefreiende Wirkung iSd § 29 FinStrG ausgelöst wurde, ist für die hier vorliegende Frage, ob der strittige Betrag von der Beschwerdeführerin geschuldet wurde oder nicht und ob daher die vom Finanzamt vorgenommene Buchung richtig bzw rechtmäßig war, ohne Belang; vielmehr kommt es lediglich darauf an, ob durch die Selbstanzeige eine neuerliche Abgabenfestsetzung durch Selbstberechnung erfolgte (was - wie gesagt - nicht der Fall ist).
Dennoch sei darauf hingewiesen, dass bei der im Beschwerdefall vorliegenden Konstellation, wenn bereits ein Umsatzsteuerjahresbescheid vorliegt, für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige gemäß § 29 Abs 2 FinStrG die Frist für die Entrichtung der Abgabe mit Bekanntgabe des (neuen) Bescheides zu laufen beginnt, da es sich in diesem Fall um ein Vergehen iZm einer Veranlagungsabgabe handelt (zB Schrottmeyer, Selbstanzeige nach § 29 FinStrG3 Rz 672; Lang/Hölzl in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 29 Rz 85).
Auch liegt im Beschwerdefall keine Naturalobligation vor, welche von der Beschwerdeführerin durch die im Rahmen der Selbstanzeige erfolgte Zahlung erfüllt worden wäre.
Im Zivilrecht beseitigt die Verjährung ein Recht nicht zur Gänze; es verbleibt eine Naturalobligation (§ 1432 ABGB), welche zwar nicht einklagbar ist, aber wirksam erfüllt werden kann. Leistet daher der Verpflichtete nach Verjährungseintritt, so erfüllt er seine Verpflichtung und hat selbst dann kein Rückforderungsrecht, wenn ihm der Eintritt der Verjährung unbekannt war.
Im Steuerrecht ist die Verjährung von Amts wegen zu berücksichtigen. Anders als im Zivilrecht nach § 1501 ABGB stellt die Verjährung daher keine Einrede dar. Die Verjährung im Steuerrecht führt im Gegensatz zum Zivilrecht nach § 1432 ABGB auch nicht zu einer Naturalobligation. Bei den Verjährungsbestimmungen der BAO handelt es sich nach hA nicht um Normen des materiellen Rechts, sodass der Eintritt der Verjährung nicht das Erlöschen des Anspruches und auch keinen Tilgungstatbestand bedeuten kann, sondern hinsichtlich der Bemessungsverjährung (§ 207 BAO) lediglich das Verbot, die Abgabe bescheidmäßig festzusetzen (Gleiss/Rust in Holoubek/Lang (Hrsg), Verjährung im Öffentlichen Recht und im Steuerrecht (2024) 90 ff, 92; Stoll, Das Steuerschuldverhältnis 153 ff; Stoll, BAO 2159; aA betreffend das Bestehen einer Naturalobligation Schrottmeyer, Selbstanzeige nach § 29 FinStrG3 Rz 589 f).
Da die Jahresumsatzsteuer 2021 bereits mit Bescheid (vom ) festgesetzt wurde, ist die Buchung vom
'01 U 01-12/11 2.362954,28'
am Abgabenkonto keine "Richtigstellung einer Selbstbemessung", sondern eine gesetzlich nicht gedeckte und unzulässige Belastung des Abgabenkontos. Sowohl die Buchung am Abgabenkonto als auch der angefochtene Abrechnungsbescheid sind daher mit Rechtswidrigkeit belastet.
Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet dies somit zusammengefasst:
Dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich des aus der Selbstanzeige resultierenden Umsatzsteuerbetrages den Abgabentatbestand verwirklicht hat, ist unstrittig. Der Abgabenanspruch ist daher iSd § 4 BAO im Beschwerdefall entstanden.
Ein entsprechender Abgabenbescheid konnte aufgrund der eingetreten Festsetzungsverjährung nicht mehr erlassen werden bzw schied aufgrund der Aufhebung des dazugehörigen Wiederaufnahmebescheides aus dem Rechtsbestand aus.
Eine zwangsweise Vollstreckung des entstandenen Abgabenanspruches durch das Finanzamt ist daher nicht zulässig.
Der Abrechnungsbescheid ist daher entsprechend abzuändern und die Rechtswidrigkeit der Buchung vom festzustellen.
Zur Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Rechtsfrage, ob eine nach Ergehen des Umsatzsteuerjahresbescheides im Rahmen einer Selbstanzeige entrichtete Abgabe trotz in der Folge eingetretener Festsetzungsverjährung hinsichtlich der von der Selbstanzeige betroffenen Abgabe geschuldet wird (etwa aufgrund einer im Rahmen der Selbstanzeige getätigten Selbstbemessung oder aufgrund einer Naturalobligation) und folglich trotz Verjährung die Abgabe nicht zurückzuzahlen sowie entsprechend am Abgabenkonto zu buchen ist, liegt bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die Revision ist daher zulässig.
Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 279 BAO abzuändern und die Rechtswidrigkeit der Buchung vom festzustellen.
Wien, am
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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
YAAAG-04138