Kein Rückerstattungsanspruch, wenn ein unterbliebener Umwidmungsantrag erfolgreich gewesen wäre
Revision eingebracht (Amtsrevision).
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7101856/2025-RS1 | § 14 Abs. 2 Z 2 COFAG-NoAG umfasst Fälle, in denen die Förderrichtlinie, auf welcher der Fördervertrag fußt, nicht vollständig den von den Organen der Europäischen Union erlassenen beihilfenrechtlichen Vorgaben entspricht. Der Rückerstattungsanspruch besteht nur in jenem Ausmaß, in dem der ausgezahlte Betrag jenen Betrag übersteigt, der dem Vertragspartner nach dem Beihilfenrecht zusteht. Damit werden im Ergebnis auch Fälle saniert, in denen Umwidmungsanträge erfolgreich gewesen wären, aber unterblieben sind. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Rückerstattungsbescheid des ***FA*** gemäß § 15 Abs. 2 COFAG-NoAG vom zu Steuernummer ***BF1StNr2*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Rückerstattungsbescheid wird ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Rückerstattungsbescheid gemäß § 15 Abs. 2 COFAG-NoAG vom wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, einen Betrag in Höhe von 2.834,85 € zurückzuzahlen. Ihr sei am ein Ausfallsbonus III in Höhe von € 2.834,85 ausbezahlt worden. Der Antrag hierfür sei jedoch erst am , und somit - entgegengesetzt den Bestimmungen der Mitteilung der Europäischen Kommission - nach dem eingebracht worden. Ein Umwidmungsantrag im Sinne des Punktes 1.2 der Spätantragsrichtlinie sei nicht gestellt worden. Der Förderbetrag werde daher zurückgefordert.
Dagegen richtet sich die von der Beschwerdeführerin über FinanzOnline eingebrachte Beschwerde vom . Darin wurde ausgeführt:
I. Sachverhalt
1. Der Antrag für den Ausfallsbonus III (StNr: ***BF1StNr1***) in Höhe von 2.834,85 Euro wurde am eingereicht, nach ausdrücklicher Abstimmung mit der zuständigen BMF-Prüferin, Frau ***1***.
2. Das BMF hat am die Erstellung eines Ergänzungsgutachtens gemäß COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz (CFPG) angeordnet, durchgeführt durch Herrn ***2***, welches am positiv abgeschlossen wurde.
3. Nach dem positiv abgeschlossenen Ergänzungsgutachten wurde der Ausfallsbonus III am ausgezahlt.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wird nunmehr unter Berufung auf die erst am veröffentlichten Spätantragsrichtlinien (BGBl. II Nr. 348/2023) eine Rückzahlung gefordert mit der Begründung, dass kein Umwidmungsantrag zur Beantragung einer De-Minimis-Beihilfe eingebracht wurde.
II. Rechtswidrigkeit des Bescheids
Der angefochtene Bescheid ist aus mehreren, nachfolgend dargelegten Gründen rechtswidrig und daher aufzuheben:
1. Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot
Der angefochtene Bescheid verstößt gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 7 EMRK, Art. 18 B-VG), da er eine erst am in Kraft getretene Regelung (BGBl. II Nr. 348/2023) auf einen bereits im Oktober 2022 rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsakt anwendet. Eine derartige Rückwirkung zu Lasten des Antragstellers ist nur zulässig, wenn sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist und berechtigte Vertrauenspositionen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt - beides liegt hier nicht vor. Vielmehr wurde der Ausfallsbonus III nach damals geltendem Recht ordnungsgemäß bewilligt, nachdem sogar ein Ergänzungsgutachten () die Förderfähigkeit bestätigt hatte. Die nachträgliche Heranziehung der Spätantragsrichtlinien widerspricht daher auch der ständigen Rechtsprechung des VfGH zur Rechtssicherheit.
2. Fehlende ordnungsgemäße Benachrichtigung gemäß BGBl. II Nr. 348/2023
Die im Rückforderungsbescheid angeführte Begründung stützt sich auf das Fehlen eines Umwidmungsantrags zur De-minimis-Beihilfe gemäß Spätantragsrichtlinie (BGBl. II Nr. 348/2023, veröffentlicht am ).
Gemäß Punkt 4.1 der genannten Richtlinie oblag es jedoch ausdrücklich der COFAG, betroffene Antragsteller über die Möglichkeit eines solchen Umwidmungsantrags aktiv zu informieren und zur Antragstellung einzuladen. Eine derartige Einladung ist nicht zugegangen - weder an mich selbst noch an meinen steuerlichen Vertreter. Ohne eine solche Einladung bestand keine Verpflichtung und auch keine zumutbare Möglichkeit, von der Umwidmungsoption rechtzeitig Kenntnis zu erlangen und diese in Anspruch zu nehmen.
3. Verstoß gegen den Vertrauensschutz nach § 48 BAO
Ich habe mich zu Recht auf die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Bewilligung verlassen können und dass alle rechtlichen Voraussetzungen für die Förderung erfüllt sind, zumal diese nach eingehender Prüfung durch das BMF und nach Einholung eines positiven Gutachtens erfolgte. Die Rückforderung entbehrt nicht nur einer gesetzlichen Grundlage, sondern verletzt darüber hinaus den verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensgrundsatz gemäß § 48 BAO in erheblichem Maße.
III. Auskunftsverlangen
Sollte das Finanzamt oder die COFAG mir oder meiner steuerlichen Vertretung tatsächlich eine Information oder Einladung zur Umwidmung übermittelt haben, wird um umgehende Vorlage des entsprechenden Nachweises gebeten, insbesondere:
- Datum und Medium der Benachrichtigung
- Adressat (persönlich oder Steuerberater)
- Inhaltliche Ausgestaltung der Benachrichtigung
IV. Begehren
Vorstehend dargelegt wird beantragt:
1. Den angefochtenen Rückerstattungsbescheid vom aufzuheben.
2. Das Verfahren ggf. gemäß § 299 BAO zu berichtigen oder gemäß § 303 BAO wieder aufzunehmen
3. Mir den Eingang dieses Schreibens zu bestätigen.
Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, und führte dazu nach umfassender Darstellung des Verfahrensganges, der maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinien zum Ausfallsbonus III (AB III) sowie der Spätantragsrichtlinien aus:
Ergänzungs- und Umwidmungsanträge konnten nach Punkt 4.6. der Spätantragsrichtlinien bis zum eingebracht werden.
Beim AB III handelt es sich um eine Beihilfe nach Art. 107 Abs 3 lit b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Von der Europäischen Kommission wurden mit ihrer Mitteilung "Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des Ausbruchs von COVID-19, ABl. C 911 vom (Befristeter Rahmen)" Direktzuschüsse genehmigt. Der Befristete Rahmen wurde mehrmals geändert und verlängert, als spätester Antragstermin wurde der festgesetzt.
Nach den Regelungen des Beihilfenrechts der Europäischen Union in Verbindung mit der Rechtsprechung des VfGH und des OGH ist für den Zeitpunkt der Gewährung einer Beihilfe der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend. Die innerstaatlichen Verordnungen zum AB III verstoßen gegen das Beihilfenrecht der Europäischen Union. Bei ausbezahlten Förderbeträgen aufgrund von Anträgen nach dem handelt es sich somit um solche, die infolge von "verspäteten Anträgen oder sogenannten Spätanträgen" bewilligt wurden. Aufgrund des umfassenden Anwendungsvorrangs des Unionsrechts vor nationalem Recht und zur Herstellung der Beihilfenkonformität ist die Republik Österreich zur Rückforderung von Auszahlungen des AB III, welche infolge von eingebrachten Spätanträgen angewiesen wurden, verpflichtet.
Entsprechend der Bestimmung des § 14 COFAG-NoAG obliegt die Festsetzung eines derart festgestellten Rückerstattungsbetrages dem jeweils zuständigen Finanzamt. Die Rückforderung einer staatlichen Beihilfe stellt dabei keine Sanktion, sondern vielmehr die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit dar.
Folgende Grundsätze sind (u.a.) bei der Rückforderung einer beihilfenrechtswidrig ausbezahlten Beihilfe zu beachten (Mitteilung der Kommission 2019/C 247/01 vom analog):
a) Grundsatz der Rechtssicherheit
Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können. Daher sind Mitgliedstaaten und Beihilfeempfänger im Falle eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit vor einer Rückforderungsanordnung geschützt. Hier ist jedoch zu beachten, dass die Unionsgerichte den Grundsatz der Rechtssicherheit eng auslegen und somit die Rückforderung nur unter außergewöhnlichen, jeweils im Einzelfall zu prüfenden Umständen eingeschränkt wird. Die Grundsätze des Vorrangs und der Effektivität des Unionsrechts bedeuten darüber hinaus, dass sich Mitgliedstaaten und Beihilfeempfänger nicht auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen können, um die Rückforderung im Falle eines angeblichen Konflikts zwischen dem nationalen Recht und dem Unionsrecht zu begrenzen. Das Unionsrecht hat Vorrang, und die nationalen Vorschriften dürfen nicht angewandt werden oder sind so auszulegen, dass die Wirksamkeit des Unionsrechts gewahrt wird.
b) Grundsatz des Vertrauensschutzes
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes geht mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit einher und wurde von den Unionsgerichten in Verbindung mit diesem Grundsatz angewandt. Er betrifft jede Person, die begründete Erwartungen haben kann und die von den zuständigen Organen der Europäischen Union präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen erhalten hat. Die Zusicherungen müssen im Einklang mit den anwendbaren Rechtsnormen stehen. Dieser Grundsatz schützt daher begründete Erwartungen der Mitgliedstaaten und Beihilfeempfänger, dass die Kommission keine Rückforderung der Beihilfe anordnen wird. Angesichts der zwingenden Natur des Artikels 108 Absatz 3 AEUV kann sich ein Mitgliedstaat, dessen Behörden eine Beihilfe unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot gewährt haben, nicht darauf berufen, dass durch diesen Verstoß bei einem Beihilfeempfänger das berechtigte Vertrauen darauf geweckt worden sei, dass die Beihilfe nicht zurückgefordert werden würde (vgl Sutter in Mayer/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV, Art 108 AEUV Rz 69 (Stand , rdb.at) und auch RIS-Justiz RS0124376; RS0125709; ). Andernfalls würden Artikel 107 und Artikel 108 AEUV wirkungslos. Ebenso kann sich der Beihilfeempfänger im Falle eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot nicht auf die begründete Erwartung berufen, dass die Gewährung der Beihilfe rechtmäßig gewesen sei, außer es liegen außergewöhnliche Umstände vor. Ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer muss in der Lage sein, sich zu vergewissern, ob die Beihilfe von der Kommission ordnungsgemäß genehmigt wurde (, Kommission/Deutschland, "Alcan I", Slg. 1990, I-3437, Rn 14 f.). Selbst eine falsche Beratung des Empfängers durch die beihilfegewährende nationale Stelle befreit laut Rechtsprechung des EuGH nicht von der Vergewisserungspflicht und begründet keinen ausreichenden Vertrauensschutz (, Rheinland Pfalz/Alcan, "Alcan II", Slg. 1997, I-1607 Rz 41). Dieser Grundsatz gilt auch für kleine Unternehmen.
Für den gegenständlichen Fall ergibt sich demnach:
Da eine Vollmacht betreffend das Rückerstattungsverfahren nicht aktenkundig ist, entsprechende Eintragungen in den Datenbanken der Finanzverwaltung nicht vermerkt sind und die Beschwerdeführerin persönlich das gegenständliche Rechtsmittel eingebracht hat, war sowohl der angefochtene Bescheid auch die gegenständliche Erledigung an die Beschwerdeführerin zuzustellen.
Es ergibt sich bereits aufgrund der Ausführungen zu den beihilfenrechtlichen Grundsätzen der Rückforderung, dass einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer die Verpflichtung auferlegt wird, sich zu vergewissern, ob eine bezogene Beihilfe von der Kommission ordnungsgemäß genehmigt wurde. Die Genehmigungsentscheidung der Europäischen Kommission und die daraus resultierende Antragstellung auf Gewährung eines AB III bis spätestens wäre für die Beschwerdeführerin frühzeitig erkennbar gewesen. Die Genehmigungsentscheidung der EU Kommission vom wurde am veröffentlicht und wäre daher zum Zeitpunkt einer unionsrechtskonformen Beantragung des AB III bis durch die Beschwerdeführerin öffentlich einsehbar und überprüfbar gewesen. Selbiges gilt für den Befristeten Rahmen in der Fassung seiner sechsten Änderung, welcher bereits am im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde. Schließlich wurden zur Sanierung der Beihilfenrechtswidrigkeit auch die Spätantragsrichtlinien erlassen, welchen die Antragsfristen für Spätanträge zu entnehmen sind. Warum für die Beschwerdeführerin die dem Beihilfenrecht entsprechende Antragsfrist nicht erkennbar hätte sein sollen, ist nicht nachvollziehbar.
Da der beihilfenrechtliche Verstoß sowie in weiterer Folge die Spätantragsrichtlinien bekanntgemacht wurden, hätte sich ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer auch ohne Erhalt einer entsprechenden Information durch die COFAG darum bemühen müssen, hinsichtlich der beihilfenrechtswidrig erhaltenen Beihilfe einen rechtskonformen Zustand herzustellen. Es wäre demnach jedenfalls - spätestens ab Bekanntmachung der Spätantragsrichtlinie im Dezember 2023 - in der Verantwortung der Beschwerdeführerin gelegen, dass sie sich - hätte sie tatsächlich keine entsprechende Mitteilung der COFAG bekommen - mit dieser in Verbindung setzt, um abzuklären, weshalb eine Zusendung des Antragslinks an sie unterblieben ist, zumal die Spätantragsrichtlinie explizit festlegt, dass eine Einladung zur Einbringung eines Ergänzungs- oder Umwidmungsantrages durch die COFAG zu erfolgen hat.
Im Ergebnis hat die Beschwerdeführerin somit nicht von der Möglichkeit der Sanierung des beihilfenrechtswidrig ausbezahlten AB III Gebrauch gemacht. Gemäß den Spätantragsrichtlinien konnte eine Rückforderung von bereits ausbezahlten Beihilfebeträgen nur durch einen Umwidmungsantrag gemäß den Spätantragsrichtlinien vermieden werden. Ein solcher Antrag wurde gegenständlich jedoch nicht gestellt, weshalb nach Maßgabe des § 14 (2) Z 2 COFAG-NoAG der Rückerstattungsanspruch in Höhe des Spruchbetrages festzusetzen war.
Zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin ist weiters auszuführen, dass der AB III nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern durch eine privatrechtliche Vereinbarung mit der COFAG abgeschlossen worden ist. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des - nicht in § 48 BAO normierten - Vertrauensschutzes vorbringt, so ist dem entgegenzuhalten, dass ein solcher nach den vorstehenden Darstellungen nicht besteht. Es kann auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden.
Im Übrigen ist die Behörde nicht zur Beurteilung einer Verfassungswidrigkeit zuständig, weshalb sie die hier gegenständlichen Bestimmungen ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hatte. Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Mit Schreiben vom übermittelte das Finanzamt der Beschwerdeführerin Ablichtungen der Erinnerungsmails der COFAG vom , , 22.2.2204, und , mit denen die Beschwerdeführerin eingeladen werden sollte, zu dem bereits gewährten Ausfallsbonus III für März 2022 entsprechend Punkt 4.1 der Spätantragsrichtlinie einen Umwidmungsantrag zu stellen.
Als Absender weisen diese Mails aus: "Noreply | COFAG <noreply@cofag.at>"
Gesendet wurden diese Mails an: ***Mailadresse1***
In dem von der Beschwerdeführerin am über FinanzOnline einbrachten Vorlageantrag führte diese aus:
II. Sachverhalt
1. Bewilligung des AB III:
Antragstellung am (StNr. ***BF1StNr1***) nach ausdrücklicher Abstimmung mit der zuständigen BMF-Prüferin, Frau ***1***.
Positives Ergänzungsgutachten im Auftrag der COFAG im Oktober 2022 (durchgeführt vom BMF-Mitarbeiter Herrn ***2***)
Positive Förderprüfung: Der AB III wurde nach behördlicher Prüfung (einschließlich Ergänzungsgutachten vom 13.1 0.2022) als rechtmäßig bewertet und am ausgezahlt.
2. Rückforderung:
Der Bescheid beruft sich auf die erst am veröffentlichten Spätantragsrichtlinien (BGBl. II Nr. 348/2023) und fordert Rückzahlung, da kein Umwidmungsantrag auf De-minimis-Beihilfe bis gestellt wurde.
3. Informationsdefizit:
Die COFAG versäumte es, mich oder meinen Steuervertreter über die Umwidmungspflicht zu informieren, obwohl sie gemäß Punkt 4.1 der Richtlinie dazu verpflichtet gewesen wäre.
Beweis: Die von der COFAG verwendete E-Mail-Adresse meines Steuervertreters (***Mailadresse1***) existierte nicht mehr; alle Benachrichtigungen wurden als unzustellbar retourniert (Bestätigung des IT-Dienstleisters ***6*** liegt bei). Trotz Rückmeldung der Unzustellbarkeit unterblieb eine alternative Kontaktaufnahme (z. B. postalische Zustellung).
III. Rechtswidrigkeit des Bescheids
1. Verstoß gegen Informationspflicht der COFAG
Die COFAG hat ihre gesetzliche Pflicht aus Punkt 4.1 der Spätantragsrichtlinien ignoriert, aktiv über die Umwidmungsmöglichkeit zu informieren.
Folge: Mein rechtliches Gehör (§ 37 BAO) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 7 B-VG) wurden verletzt, da andere Antragsteller informiert wurden und somit Rückforderungen vermeiden konnten.
2. Verletzung des Parteiengehörs (§ 115 BAO, Art. 6 EMRK)
Die COFAG unterließ es, auf die technisch bedingte Unzustellbarkeit zu reagieren, obwohl sie zur aktiven Information verpflichtet war (Punkt 4.1 Spätantragsrichtlinien).
Folge: Mir wurde die Möglichkeit genommen, fristgerecht zu reagieren - ein gravierender Verfahrensfehler, der den Bescheid nichtig macht (VwGH , Ro 2022/05/0032).
3. Fehlendes Verschulden i.S.d. § 308 BAO (Wiedereinsetzung)
Das Fristversäumnis für den Umwidmungsantrag auf De-minimis-Beihilfe beruht ausschließlich auf dem Organisationsverschulden der COFAG (ignorierte Rückmeldungen der Unzustellbarkeit).
Ein redlicher Verwaltungsakt hätte alternative Zustellwege (z. B. Post) genutzt. Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind gegeben.
4. Mitverschulden der Behörden
Die COFAG und das BMF haben durch fehlerhafte Prüfung und unterlassene Kommunikation die Rechtswidrigkeit erst verursacht. Ein vollständiger Rückgriff auf mich ist daher unbillig (vgl. ).
5. Aktuelle wirtschaftliche Lage: Rückforderung unzumutbar
5.1. Betriebspause seit
Mein Unternehmen befindet sich seit inaktiv gemeldet, was eine fehlende laufende Einnahmequelle belegt.
Die Rückforderung von 2.834,85 € stellt unter diesen Umständen eine existenzielle Belastung dar, da keine Betriebsmittel aus dem Unternehmen zur Verfügung stehen.
5.2. Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 5 Abs. 2 COFAG-NoAG, Art. 1 1.ZPEMRK)
Die Behörde hat keine Billigkeitsprüfung vorgenommen, obwohl die Rückforderung für ein derzeit pausiertes Kleinunternehmen eine unverhältnismäßige Härte darstellt.
Rechtsprechung: Der VwGH hebt wiederholt hervor, dass Rückforderungen die wirtschaftliche Existenz nicht gefährden dürfen ().
6. Unzumutbare Sorgfaltspflichten für Kleinunternehmen
Der Beschwerdevorentscheidung erwähnt die Pflichten eines "sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmers". Die Annahme, ein Ein-Personen-Unternehmen hätte die EU-Beihilferegeln selbst prüfen müssen, ist praxisfern und widerspricht der EuGH-Rechtsprechung (Rs. C-385/18, BLC).
Behördenversagen: Weder das BMF noch die COFAG oder die Gutachter erkannten den angeblichen Beihilfenverstoß - wie soll dies von einem Laien erwartet werden?
7. Verstoß gegen Rückwirkungsverbot (Art. 7 EMRK, Art. 18 B-VG)
Die Spätantragsrichtlinien wurden erst im Dezember 2023 erlassen, aber auf einen bereits 2022 rechtskräftig abgeschlossenen Sachverhalt rückwirkend angewandt. Dies ist unzulässig, da mein Vertrauen in die Bestandskraft der Bewilligung (nach behördlicher Prüfung!) schutzwürdig ist.
8. Formelle Mängel des Bescheids
Unzureichende Begründung: Der Bescheid nennt nicht, warum ausgerechnet ich - trotz behördlichem Mitverschulden - zurückzahlen muss.
Fehlende Individualisierung: Pauschale Verweise auf die Spätantragsrichtlinien genügen nicht den Anforderungen des § 58 BAO.
9. Zweifel am privatrechtlichen Charakter
Die COFAG handelt in hoheitlicher Funktion (Ausführung des COFAG-NoAG). Ein privatrechtlicher Vertrag liegt nicht vor (vgl ).
Selbst wenn: Die einseitige Rückforderung ohne Reaktionsmöglichkeit wäre auch zivilrechtlich unwirksam.
10. Unionsrechtswidrigkeit
Die pauschale Rückforderung ohne Einzelfallprüfung widerspricht dem EU-Beihilferecht (Art. 107 AEUV) und der EuGH-Rechtsprechung (Rs. C-336/16, BAWAG), die Billigkeitserwägungen verlangt.
IV. Anträge
1. Aufhebung des Rückerstattungsbescheids und der Beschwerdevorentscheidung.
2. Feststellung, dass die Rückforderung wegen behördlichen Mitverschuldens unzulässig ist.
3. Alternativ: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 308 BAO) und Nachholung des Umwidmungsantrags.
4. Alternativ: Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht gem § 264 BAO.
Dem Vorlageantrag war eine Stellungnahme der ***6***, Abteilung Technik, vom angeschlossen, wonach aufgrund näher dargestellter Umstände "mit größter Wahrscheinlichkeit" davon auszugehen sei, dass ab Mitte 2023 die Mailadresse ***Mailadresse1*** nicht mehr existent gewesen sei.
Ferner wurde auszugsweise der Schriftverkehr mit dem Ersteller des Gutachtens iSd COVID-19-Förderungsprüfungsgesetzes zum Ausgleichsbonus III für März 2022 und die Mitteilung der COFAG vom über die Gewährung dieses Zuschusses vorgelegt. Schließlich wurde eine Bestätigung der WKO ***3*** vorgelegt, derzufolge der Betrieb der Beschwerdeführerin seit nicht betrieben werde.
Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte deren Abweisung.
Das Bundesfinanzgericht informierte am das Finanzamt formlos über seine unten näher dargestellte Rechtsansicht und wies darauf hin, dass der Beschwerdeführerin laut der vom Finanzamt vorgelegten Übersicht aus der Förderdatenbank in den Jahren 2021 und 2022 (ohne AB III für März 2022) Beihilfen in Höhe von insgesamt 19.888,85 € gewährt worden seien. Als finanzieller Rahmen für eine De-minimis-Beihilfe verbleibe damit ein Rahmen von 280.111,15 € (300.000 - 19.888,85), der den ausbezahlten Ausfallsbonus III abdecke.
Diesen Feststellungen trat das Finanzamt in seiner Stellungnahme vom nicht entgegen, verblieb im Übrigen aber bei seiner in der Beschwerdevorentscheidung vertretenen Rechtansicht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin wird in dem vom Finanzamt zu Steuernummer ***BF1StNr1*** geführten Abgabenverfahren von der ***StB*** GmbH in ***3*** vertreten. Als Mailadresse dieser Vertreterin wird auf deren Homepage ***Mailadresse2*** ausgewiesen, als Telefonnummer ***4***. Das gegenständliche Rückerstattungsverfahren wird zur Steuernummer ***BF1StNr2*** geführt.
Eine Mitarbeiterin der steuerlichen Vertreterin (Mag. ***5***) brachte am über FinanzOnline für die Beschwerdeführerin einen "Antrag" betreffend Ausfallsbonus III für März 2022 ein. Durch das Einbringen dieses "Antrages" wurde ein Angebot auf Abschluss eines Fördervertrages mit der COFAG "auf Basis der vom Antragsteller und Antragseinbringer gelesenen Förderbedingungen der COFAG" gelegt. Als E-Mailadresse für Rückfragen gab die Mitarbeiterin nicht die allgemeine E-Mailadresse der ***StB*** GmbH (***Mailadresse2***) an, sondern ihre persönliche E-Mailadresse in der Steuerberatungskanzlei (***Mailadresse1***), und als Telefonnummer für Rückfragen die oben angeführte Rufnummer.
Am erging an ***2*** (Mitarbeiter des Finanzamtes Östereich) der Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens gemäß den Bestimmungen des COVID-19-Förderungsprüfungsgesetzes (CFPG). Dieses Gutachten wurde nach Abklärung verschiedener Fragen mit der genannten Mitarbeiterin der steuerlichen Vertreterin am erstellt, und kam zum Ergebnis, dass ein Ausfallsbonus III für März 2022 in Höhe von 2.834,84 € zusteht.
Am wurde dieser Betrag auf das am "Antrag" vom angegebenen Bankkonto der Beschwerdeführerin angewiesen.
Bereits zuvor waren der Beschwerdeführerin laut dem vom Finanzamt vorgelegten Auszug aus der Förderdatenbank in den Jahren 2021 und 2022 Ausfallsboni in Höhe von insgesamt 19.888,85 € gewährt worden.
Am wurde im Bundesgesetzblatt unter der Nummer BGBl II 348/2023 die Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs. 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien zur beihilfenrechtskonformen Abwicklung von Spätanträgen durch die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (Spätantragsrichtlinien) kundgemacht.
Die COFAG informierte daraufhin mit standardisierten E-Mails die Unternehmer, an die der Ausfallsbonus III für März 2022 bereits ausbezahlt worden war, dass es bei der Ausgestaltung der eingeräumten Antragsfristen in den nationalen Richtlinien zu einer Überschreitung von Fristen nach dem EU-Beihilfenrecht gekommen sei. Das bedeute, dass eine Genehmigung von Anträgen auf Gewährung eines Ausfallsbonus III für März 2022 oder Verlustersatz III, die erstmals nach dem eingebracht wurden (sogenannte Spätanträge), nicht im Einklang mit dem EU-Beihilfenrecht stehe. Dafür habe die Bundesregierung jedoch mit der EU-Kommission eine Lösung gefunden: Durch die am kundgemachten Spätantragsrichtlinien könne die Überschreitung der beihilferechtlichen Fristen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen saniert, und eine Rückforderung bereits ausgezahlter finanzieller Maßnahmen vermieden werden. Eine Rückforderung von bereits ausbezahlten Beihilfebeträgen könne nur durch einen Umwidmungsantrag gemäß den Spätantragsrichtlinien vermieden werden. Zur Antragstellung wurde auf einen gesonderten Link verwiesen.
Auch an die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin sollte eine solche Information per E-Mail ergehen. Dazu wurde von der COFAG am eine E-Mail an ***Mailadresse1*** versendet. Als Absender scheint "Noreply | COFAG <noreply@cofag.at>" auf. "Noreply" bedeutet "keine Antwort". Es handelt sich dabei um eine E-Mail-Adresse, auf die man nicht antworten kann, da sie so eingerichtet ist, dass sei keine eingehenden Nachrichten empfängt. Wenn jemand versucht, auf eine solche Adresse zu antworten, wird die Nachricht entweder nicht zugestellt oder vom Server abgelehnt. Noreply-Adressen werden häufig für automatisierte E-Mails verwendet, um den Empfänger über eine Aktion zu informieren, ohne eine Antwort zu erwarten. Das war auch gegenständlich der Fall: zur Stellung eines Umwidmungsantrages verwies die COFAG in der Noreply-Mail auf einen gesonderten Link, eine Rückantwort auf die standardisierte Infomail war weder möglich noch gewünscht.
Aufgrund der Feststellungen der ***6*** in der Stellungnahme vom geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Empfängeradresse (***Mailadresse1***) im Zeitpunkt der Versendung der Info-Mail der COFAG vom nicht mehr existierte. Diese Mail hat daher ebenso wie die oben unter Punkt I angeführten Folgemails vom , 22.2.2204, und die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin nicht erreicht. Aber auch die COFAG erlangte aufgrund der Verwendung einer Noreply-Adresse von den gescheiterten Zustellungen der Infomails keine Kenntnis.
Über die Spätantragsrichtlinien wurde nicht nur durch deren Kundmachung im Bundesgesetzblatt informiert, sondern beispielsweise auch in der Presse (Die Presse - Recht 2024, 19 Heft 7 vom ) und einschlägigen Steuermedien (Mitterlehner/Panholzer in Linde Media am unter dem Titel: CORONAVIRUS - Sanierung von COFAG-Hilfen durch Spätantragsrichtlinien).
Von der Beschwerdeführerin bzw. ihrer steuerlichen Vertreterin wurde kein Umwidmungsantrag im Sinne der Spätantragsrichtlinien gestellt, weshalb der beschwerdegegenständliche Rückforderungsbescheid erging.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Parteienvorbringen, den zitierten Aktenteilen, den im Abgabeninformationssystem und im BP 2000 gespeicherten Daten, einer KI-unterstützten Auskunft über das Wesen einer Noreply-Mailadresse, den Informationen auf der Homepage der steuerlichen Vertreterin, sowie den zitierten Quellen über die Informationen zu den Spätantragsrichtlinien in einschlägigen Fachmedien.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)
Aufgrund des § 3b Abs. 3 ABBAG-Gesetz (BGBl I 51/2014 idF BGBl I 12/2020) hatte der Bundesminister für Finanzen unter Beachtung der geltenden Vorgaben des EU-Beihilfenrechtes per Verordnung Richtlinien zur Gewährung von finanziellen Maßnahmen, die zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung von COVID-19 und den dadurch verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen geboten waren, zu erlassen.
Eine dieser Verordnungen betraf die Richtlinien über eine weitere Verlängerung des Ausfallsbonus für Unternehmen mit hohem Umsatzausfall (VO Ausfallsbonus III), BGBl II 518/2021, geändert durch BGBl II 110/2022 und BGBl II 69/2025.
In der Präambel dieser Verordnung (Punkt 1.2) wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den in diesen Richtlinien vorgesehenen finanziellen Maßnahmen (mit Ausnahme der in Punkt 4.4.3 geregelten De-minimis-Beihilfen) um Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 3 lit. b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) handelt. Die gegenständlichen Richtlinien stützen sich unter anderem auf die Mitteilung der Europäischen Kommission "Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19" vom (Befristeter Beihilferahmen), ABl. C 911.
Ursprünglich war in dieser Mitteilung der Kommission vom in Rn 22 lit. b festgelegt worden, dass die staatlichen Beihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden, wenn sie bis spätestens gewährt werden.
In der Mitteilung der Kommission über die Sechste Änderung des Befristeten Rahmens vom , ABl. C 473, wurde diese Frist auf den verlängert (Rn 8 und 33).
In der Verordnung Ausfallsbonus III war geregelt, dass sich die Höhe des Ausfallsbonus III aus dem Umsatzausfall im Betrachtungszeitraum und dem jeweiligen Prozentsatz laut Anhang 2 der Verordnung ergibt. Frühestmöglicher Betrachtungszeitraum war November 2021, letztmöglicher Betrachtungszeitraum war März 2022 (Punkt 4.2. der Richtlinien).
Der Ausfallsbonus III konnte ab dem 10. des auf den Betrachtungszeitraum folgenden Kalendermonats bis zum 9. des auf den Betrachtungszeitraum viertfolgenden Kalendermonats beantragt werden (Punkt 5.1 der Richtlinien).
Der Ausfallsbonus III für März 2022 konnte damit bis beantragt werden. Damit wurde jedoch der von der Kommission festgelegte befristete Rahmen () überschritten.
Aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes vor dem nationalen Recht waren daher Beihilfen, die aufgrund von nach dem eingebrachten Anträgen gewährt wurden, zu Unrecht ausbezahlt worden (vgl. zur Maßgeblichkeit des Antragszeitpunktes und nicht des tatsächlichen Auszahlungszeitpunktes ). Auf diesen Umstand wies auch die COFAG in ihren standardisierten Infomails vom hin.
Um diese Rechtswidrigkeit zu sanieren und Rückzahlungen von bereits ausbezahlten Ausfallsboni III zu vermeiden, wurden vom Bundesminister für Finanzen gemäß § 3b Abs. 3 ABBAG-Gesetz mit Verordnung vom , BGBl II 348/2023, zuletzt geändert durch BGBl II 435/2023, Richtlinien betreffend die beihilfenrechtskonforme Abwicklung von Spätanträgen durch die COFAG erlassen (Spätantragsrichtlinien).
Darin war unter anderem die Möglichkeit der Umwidmung eines bereits ausbezahlten Ausfallsbonus III, der erst nach dem beantragt worden war (Spätantrag), in eine finanzielle Maßnahme gemäß der Verordnung (EU) 2023/2831 ("De-minimis-VO 2024") vorgesehen. Diese Verordnung regelt sogenannte De-minimis-Beihilfen (d.h. geringfügige Beihilfen bis zu einem bestimmten Höchstbetrag, die ein und demselben Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum gewährt werden). Diese erfüllen nicht alle Kriterien des Art. 107 AEUV und unterliegen daher nicht der Anmeldepflicht nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV.
In Punkt 4.1 der Spätantragsrichtlinien wurde festgelegt, dass die COFAG Spätantragsteller einzuladen hat, in Bezug auf Spätanträge, zu denen bereits Auszahlungen erfolgten, einen Antrag auf Umwidmung des Spätantrages (Umwidmungsantrag) einzubringen. Solche Umwidmungsanträge konnten bis gestellt werden (Punkt 4.6 der Richtlinien). Ein solcher Umwidmungsantrag wurde im gegenständlichen Fall nicht gestellt.
Durch das Bundesgesetz über die Neuordnung der Aufgaben der COFAG (COFAG-NoAG, BGBl I 86/2024) wurden deren Aufgaben an den Bund übertragen. Gemäß § 2 Abs. 2 COFAG-NoAG sind die der COFAG obliegenden Aufgaben nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes beginnend ab vom Bund wahrzunehmen und durch den Bundesminister für Finanzen zu vollziehen.
Das COFAG-NoAG bestimmt im 2. Hauptstück, 3. Abschnitt in den §§ 13 bis 15:
3. Abschnitt
Rückerstattung
Öffentlich-rechtlicher Anspruch
§ 13. Soweit ein Vertragspartner zu Unrecht finanzielle Leistungen erhalten hat, entsteht ab in diesem Ausmaß ein öffentlich-rechtlicher Rückerstattungsanspruch. Der Vertragspartner ist verpflichtet, den Rückerstattungsbetrag nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen an den Bund zu leisten.
Rückerstattungsanspruch
§ 14. (1) Das zuständige Finanzamt (§ 17) hat nach den Abgabenvorschriften (§ 3 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961) zu prüfen, ob ein Rückerstattungsanspruch besteht und diesen zu erheben (§ 1 Abs. 3 BAO). Für Zwecke der Anwendung der Abgabenvorschriften gilt der Rückerstattungsanspruch als Abgabe im Sinne des § 3 Abs. 1 BAO.
(2) Ein Rückerstattungsanspruch errechnet sich aus
1. dem Differenzbetrag zwischen dem Auszahlungsbetrag und jenem Betrag, der aufgrund des verwirklichten Sachverhalts und der für den Fördervertrag maßgeblichen Verordnungen (§ 2 Abs. 9) zugestanden wäre, oder
2. dem Differenzbetrag zwischen dem Auszahlungsbetrag und jenem Betrag, der dem Vertragspartner beihilfenrechtlich als finanzielle Leistung zusteht, oder
3. dem gesamten Auszahlungsbetrag, wenn sich der Vertragspartner nicht steuerlich wohlverhalten hat (§ 3 des Bundesgesetzes, mit dem Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten geknüpft werden, BGBl. I Nr. 11/2021 in der Fassung des BGBl. I Nr. 126/2023).
Der Rückerstattungsanspruch vermindert sich um jene Beträge, die vom Vertragspartner darauf bereits an die COFAG oder den Bund geleistet wurden.
(3) Der Vertragspartner kann gegen den Rückerstattungsanspruch mit seinen vollstreckbaren Ansprüchen aufrechnen, die ihm aus einem Fördervertrag gegen die COFAG oder aus welchem Rechtstitel auch immer gegen den Bund zustehen.
Festsetzung der Rückerstattung
§ 15. (1) Der Rückerstattungsanspruch entsteht
1. für Auszahlungen, die vor dem erfolgt sind, am ;
2. für alle späteren Auszahlungen mit dem auf die Auszahlung folgenden Tag.
(2) Die Rückerstattung ist vom zuständigen Finanzamt mit Bescheid festzusetzen, wenn der Rückerstattungsanspruch die in den einschlägigen Verordnungen (§ 2 Abs. 9) enthaltenen Betragsgrenzen für die Rückforderung übersteigt.
(3) Der Rückerstattungsanspruch wird mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Festsetzungsbescheides fällig.
(4) Abweichend von § 207 und § 208 BAO beträgt die Verjährungsfrist für den Rückerstattungsanspruch zehn Jahre und beginnt frühestens mit zu laufen.
§ 14 Abs. 2 Z 2 COFAG-NoAG umfasst alle etwaigen unionsrechtswidrigen Auszahlungen. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung vor allem bei einem Vergleich zur Z 1 ergibt, erfolgte die Auszahlung nicht entgegen den Förderrichtlinien (weshalb sie den geförderten Unternehmen auch nicht vorwerfbar ist), sondern - aufgrund von Fehlern der Republik Österreich - unter Verstoß gegen Unionsrecht. Es ist Aufgabe der Kommission, die Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen mit dem Binnenmarkt zu prüfen und Beihilfen zu genehmigen. Da im Zuge der Pandemie in allen Mitgliedstaaten eine Vielzahl an Beihilfen vergeben wurde, erließ die Kommission zu Beginn der Pandemie den sogenannten Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen. In diesem Dokument hielt die Kommission fest, wie sie ihr Ermessen bei der Genehmigung von COVID-19 Beihilfen ausüben wird. Im Befristeten Rahmen sah die Kommission unter anderem beihilferechtliche Höchstbeträge vor. Ferner waren nach dem Befristeten Rahmen nahezu alle Förderungen bis zu gewähren. In den nationalen Förderrichtlinien wurde zum Verlustersatz III (§ 2 Abs. 9 Z 14 COFAG-NoAG) bzw zum Ausfallsbonus III (§ 2 Abs. 9 Z 13 COFAG-NoAG) dagegen festgelegt, dass die zweite Tranche der Förderungen bis (Verlustersatz III) bzw. bis (Ausfallsbonus III) beantragt werden kann. Da die steuerliche Vertretung, die für die Einbringung der Anträge verantwortlich war, aufgrund der Vielzahl der einzubringenden Förderanträge regelmäßig voll ausgelastet war, und (zu Recht) auf die Fristen gemäß den nationalen Förderrichtlinien vertraut wurde, wurden die Anträge in vielen Fällen erst zum Ende der Frist eingebracht. Aus diesem Grund sind eine große Anzahl der Förderanträge unionsrechtlich "verspätet". Im Vergleich zur "Unternehmensverbundthematik" wurde dieser (unerklärliche) Fehler "frühzeitig" erkannt, weshalb die Förderungen in vielen Fällen nicht ausbezahlt wurden. Unternehmen, die die Förderungen jedoch erhalten haben, drohen Rückforderungen. Umgekehrt drohen der Republik Österreich aufgrund der Erlassung unionsrechtswidriger Verordnungen Amtshaftungsansprüche (Eisenberger/Holzmann, COFAG-NoAG, § 14 K 8).
Um die aufgrund von Fehlern der Republik Österreich bei der Erlassung der genannten Verordnungen eingetretene Unionsrechtswidrigkeit ausbezahlter Förderungen zu beseitigen, ergingen die Obergrenzenrichtlinien und die oben näher dargestellten Spätantragsrichtlinien.
Da ein in den Spätantragsrichtlinien vorgesehener Umwidmungsantrag von der Beschwerdeführerin nicht gestellt worden war, erging der angefochtene Rückerstattungsbescheid.
Dabei wurde vom Finanzamt jedoch übersehen, dass sich gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 COFAG-NoAG ein allfälliger Rückerstattungsanspruch aus dem Differenzbetrag zwischen dem Auszahlungsbetrag und jenem Betrag, der dem Vertragspartner beihilfenrechtlich als finanzielle Leistung zusteht, errechnet.
In den Erläuterungen zu den Gesetzesmaterialien zu § 14 COFAG-NoAG (Initiativantrag 4070/A BlgNR XXVII. GP, zitiert in Eisenberger/Holzmann, COFAG-NoAG, Erläuterungen zu § 14) wird dazu ausgeführt (Hervorhebungen durch das BFG):
Z 2 umfasst Fälle, in denen die Förderrichtlinie, auf welcher der Fördervertrag fußt, nicht vollständig den von den Organen der Europäischen Union vertretenen beihilfenrechtlichen Vorgaben entspricht. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn eine Förderung an einen Vertragspartner ausgezahlt worden ist, der erstmals nach dem einen Antrag auf Ausfallsbonus III für März 2022 oder Verlustersatz III eingebracht hat und kein Umwidmungsantrag gestellt wird, oder wenn der Auszahlungsbetrag die beihilferechtlich zulässigen Höchstgrenzen überschritten hat.
Der Rückerstattungsanspruch besteht nur in jenem Ausmaß, in dem der ausgezahlte Betrag jenen Betrag übersteigt, der dem Vertragspartner nach dem Beihilfenrecht zusteht. Wird eine Förderrichtlinie nachträglich an die Vorgaben der Organe der Europäischen Union angepasst, etwa durch eine Verordnung nach § 3 Abs. 2, besteht in diesem Umfang kein Rückerstattungsanspruch. Ein negativer Differenzbetrag ist jedenfalls ausgeschlossen.
Daraus ergibt sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes, dass im gegenständlichen Fall ein Rückerstattungsanspruch nur insoweit besteht, als der ausgezahlte Betrag (hier: 2.834,85 €) den Betrag übersteigt, der nach EU-Beihilfenrecht (De-minimis-VO 2024) zusteht. Die Ermittlung dieses Betrages war schon in Pkt. 4.2.1 der Spätantragsrichtlinien idF BGBl II 435/2023 wie folgt geregelt:
Zunächst hatte der Antragsteller jene Beihilfen offenzulegen, die der Antragsteller auf Basis der De-minimis-VO 2024 und der De-minimis-VO DAWI 2024 in den vergangenen drei Jahren (rollierender Zeitraum) oder auf Basis der De-minimis-VO Landwirtschaft und der De-minimis-VO Fischerei in den letzten drei Steuerjahren von österreichischen Förderungsstellen erhalten hat; der Antragsteller hatte auf Basis dieser Informationen den Differenzbetrag zwischen (i) 300.000 EUR (allgemeine Obergrenze gemäß De-minimis-VO 2024), (ii) 30.000 EUR (Obergrenze gemäß De-minimis-VO Fischerei), (iii) 20.000 EUR (Obergrenze gemäß De-minimis-VO Landwirtschaft) oder (iv) 750.000 EUR (Obergrenze gemäß De-minimis-VO DAWI 2024) (jeweils Minuend) und der Summe der erhaltenen Beihilfen (Subtrahend) anzugeben; war der Wert der Differenz positiv, bildete dieser den für den Antragsteller maßgebenden De-minimis-Rahmen; dieser finanzielle Rahmen stand einem Antragsteller für finanzielle Maßnahmen nach Maßgabe der jeweils einschlägigen De-minimis VO zur Verfügung.
Der Beschwerdeführerin sind gemäß dem vom Finanzamt vorgelegten Auszug aus der Förderdatenbank in den Jahren 2021 und 2022 (ohne Ausfallsbonus III für März 2022) Beihilfen in Höhe von insgesamt 19.888,85 € gewährt worden. Als finanzieller Rahmen für eine De-minimis-Beihilfe verbleibt damit ein Rahmen von 280.111,15 € (300.000 - 19.888,85), der den ausbezahlten Ausfallsbonus III für März 2022 in Höhe von 2.834,85 € abdeckt. Damit ergibt sich aber gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 COFAG-NoAG tatsächlich kein Rückerstattungsanspruch.
Für die vom Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 Z 2 COFAG-NoAG getroffene und am in Kraft getretene Regelung spricht vor allem wohl auch der Umstand, dass damit drohende Amtshaftungsansprüche gegen die Republik Österreich aufgrund der Erlassung unionsrechtswidriger Verordnungen vermieden werden sollen. Gleichzeitig werden damit im Ergebnis auch Fälle saniert, in denen Umwidmungsanträge erfolgreich gewesen wären, aber (hier: aufgrund einer Verletzung der die COFAG treffenden Informationspflicht gemäß Punkt 4.1 der Spätantragsrichtlinie) unterblieben sind.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 14 Abs. 2 Z 2 COFAG-NoAG fehlt, ist eine ordentliche Revision zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 14 Abs. 2 Z 2 COFAG-NoAG, COFAG-Neuordnungs- und Abwicklungsgesetz, BGBl. I Nr. 86/2024 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7101856.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
VAAAG-04126