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Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

OGH 28.05.2025, 3Ob66/25i

Rechtssätze


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Normen
RS0126868
Die Verbindung nach § 12 Abs 2 AußStrG 2005 dient dazu, parallele Verfahren und damit widersprechende Entscheidungen zu verhindern. Eine rechtsweg‑ oder grenzüberschreitende Verbindung von Verfahren wird damit aber nicht ermöglicht. Haben eine Oppositionsklage und ein später eingebrachter Antrag auf Enthebung von der Unterhaltspflicht das gleiche Rechtsschutzziel (Enthebung ab einem bestimmten Tag), ist der spätere Antrag zurückzuweisen.
Normen
RS0116910
Wenn auch die Regelung des § 233 Abs 1 ZPO in § 37 Abs 3 Z 13 MRG nicht aufgezählt ist, bestehen doch keine Bedenken gegen dessen Anwendbarkeit im außerstreitigen Verfahren.
Norm
RS0125903
Der Begriff der Streitanhängigkeit ist dem Außerstreitverfahren fremd. Nach § 12 Abs 2 AußStrG entscheidet bei mehreren Anträgen das Zuvorkommen.
Norm
RS0014913
Unterschied zwischen Geschäfts- und Motivirrtum. Geschäftsirrtum ist wie Erklärungsirrtum zu behandeln.
Norm
RS0000870
Das Erlöschen der Unterhaltspflicht kann auch bezüglich bereits verfallener Unterhaltsraten wegen einer dem Entstehen des Exekutionstitels nachfolgenden Änderung der die Unterhaltspflicht bestimmenden Verhältnisse mit Klage nach § 35 EO geltend gemacht werden.
Norm
RS0000824
Mit Oppositionsklage kann das gänzliche oder teilweise Erlöschen eines vollstreckbaren Unterhaltsanspruches geltend gemacht werden.
Normen
RS0016555
Der vereinbarte Ausschluss der clausula rebic sic stantibus in einem Unterhaltsvergleich auf eine bestimmte Zeit widerspricht nicht den guten Sitten.
Normen
EO §35 Af
KO §181 ff
RS0000816
Die Unzulässigkeit der zur Hereinbringung eines im Außerstreitverfahren festgesetzten Unterhaltsanspruches geführten Exekution kann, auch wenn sie auf das Erlöschen des Unterhaltsanspruches gestützt wird, im Rechtswege gemäß § 35 EO geltend gemacht werden. Es darf nicht einer vorherigen Entscheidung über den Unterhaltsanspruch im außerstreitigen Verfahren.
Norm
RS0018900
Unterhaltsverträgen wohnt die clausula rebus sic stantibus regelmässig stillschweigend inne. Sie ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Parteien ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall einer wesentlichen Änderung in den beiderseitigen Verhältnissen verzichtet haben. In dem bloßen Verzicht auf Unterhalt für die Zukunft ist ein solcher Verzicht auf die Anwendung der clausula rebus sic stantibus nicht zu erblicken.
Normen
RS0135456
§ 12 Abs 2 AußStrG normiert für die der Streitanhängigkeit entsprechende Verfahrenskonstellation eine spezifische Art des „Umgangs“, indem – im Gegensatz zum Zivilprozess – kein Prozesshindernis, sondern die „Vereinigung“ aller Anträge vorgesehen wird.
Norm
RS0057146
Auch für Unterhaltsvergleiche nach § 55 a EheG gilt die Umstandsklausel, weshalb der Unterhaltsanspruch bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu bestimmt werden kann.
Normen
RS0000960
Eine Entscheidung, mit der die Änderung festgesetzter Unterhaltsleistungen wegen Änderung des Bedarf des Unterhaltsberechtigten oder der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten ausgesprochen wird, ist keine "rechtsgestaltende" Entscheidung, sie kann daher auch für eine schon verflossene Zeit ergehen. Vor Einleitung einer Exekution kann der Unterhaltspflichtige diesen Ausspruch durch negative Festellungsklage, soweit die Änderung eines außerstreitig zuerkannten Unterhaltsbetrages für die Zukunft begehrt wird, durch Antrag beim Außerstreitrichter erwirken. Nach Einleitung einer Exekution zur Hereinbringung oder zur Sicherung kann der verpflichtete Unterhaltsschuldner seine Einwendung, dass der Unterhaltsanspruch aus dem Exekutionstitel ganz oder teilweise erloschen oder gehemmt sein, in allen Fällen durch Klage nach § 35 EO geltend machen. Hat der Außerstreitrichter vor Schluss des erstinstanzlichen Streitverfahrens über den bei ihm anhängig gemachten Herabsetzungsantrag entschieden, so ist die Rechtskraft dieser Entscheidung im Oppositionsprozess von Amts wegen zu berücksichtigen, außer wenn sich die Verhältnisse seither geändert haben.
Normen
ABGB idF KindNamRÄG 2013 §231 Ad
ABGB §140 Ad
ABGB §936 VIIc
RS0018984
Unterhaltsvergleichen wohnt als eine im redlichen Verkehr geltende Gewohnheit die Umstandsklausel inne; der Unterhaltsanspruch ist daher bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu zu bestimmen.
Normen
RS0047486
Unterhaltsvergleiche stehen bis zu einer nicht bloß unbedeutenden Änderung der beiderseitigen Verhältnisse einer neuerlichen Unterhaltsfestsetzung - im Sinne eines materiellrechtlichen Hindernisses - entgegen.
Normen
RS0016554
Der Verzicht auf die Umstandsklausel ist grundsätzlich zulässig und wirksam; das Beharren auf diesen Verzicht kann aber sittenwidrig sein, etwa dann, wenn ohne Berücksichtigung der nachfolgenden Umstände der Unterhalt anderer Unterhaltsberechtigter gefährdet wäre (3 Ob 106/69 = EFSlg 12.049). Gleiches muss auch für den Fall gelten, dass durch ein Beharren auf der Unterhaltsleistung dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage entzogen wurde.
Normen
RS0009636
Unterhaltsvergleiche werden regelmäßig unter der clausula rebus sic stantibus geschlossen. Die Umstandsklausel umfasst jede Änderung der Sachlage; sie ist bei Unterhaltsvereinbarungen nicht nur auf die Veränderung vermögensrechtlicher Verhältnisse beider Vertragsteile und die Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen beschränkt. Bei Unterhaltsvergleichen, in denen sich ein in dürftigen Verhältnissen lebender Vater zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet, die seine wirtschaftlichen Kräfte bis an die äußerste Grenze in Anspruch nimmt, ist anzunehmen, dass diese Unterhaltsleistung nur erbracht wird, wenn auch das Kind seinerseits der Verpflichtung zur Ehrfurcht gegenüber dem Vater nachkommt. Besonders krasse Verletzungen dieser sittlichen Pflicht (§ 137 ABGB) durch das Kind berechtigten Vater, die Herabsetzung des Unterhaltes jedenfalls auf das gesetzliche Ausmaß (§ 140 ABGB) zu verlangen.
Norm
RS0127546
Der Begriff „derselbe Verfahrensgegenstand“ iSd § 12 Abs 2 AußStrG wird zwar im Gesetz selbst nicht definiert; die Rechtsprechung geht aber bei Beurteilung des Prozesshindernisses der materiellen Rechtskraft im Außerstreitverfahren ebenso wie im Zivilprozess davon aus, dass Identität des Entscheidungsgegenstands dann vorliegt, wenn der mit dem neuen Antrag geltend gemachte Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts, also des Anspruchsgrundes, ident mit jenem des anderen Verfahrens ist.
Normen
RS0125007
Der Anspruch auf Ergänzung eines Unterhaltstitels für ein Kind ist im außerstreitigen Verfahren zu verfolgen.
Normen
RS0053283
Seit der zu 6 Ob 544/87 ergangenen Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes können Unterhaltsansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden. Zutreffend folgerte daraus die Lehre, daß nun auch die Einstellung oder Herabsetzung der Unterhaltspflicht für die Vergangenheit möglich ist, sofern sich der hiefür maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklichte. Dem ist beizupflichten, und zwar umso mehr, als auch schon bisher im Falle der Exekutionsführung seitens des Unterhaltsberechtigten über Oppositionsklage des Unterhaltsverpflichteten solche vergangene Zeiträume betreffende Einstellungen oder Herabsetzungen der Unterhaltspflicht möglich waren.
Normen
RS0107667
Geänderten tatsächlichen Verhältnissen ist ein Sachverhalt gleichzuhalten, bei dem die wahren Einkommensverhältnisse anlässlich der Unterhaltsfestsetzung unbekannt waren und die den Vergleich abschließenden Parteien irrtümlich von falschen Bemessungsgrundlagen ausgingen. Bei unrichtigen Angaben des Unterhaltspflichtigen über sein Einkommen ist eine Unterhaltserhöhung trotz eines vorliegenden rechtskräftigen Unterhaltstitels (pflegschaftsgerichtlich genehmigter Vergleich; Unterhaltsbeschluss) unter Heranziehung der Umstandsklausel zulässig. Dazu bedarf es keiner Anfechtung des Unterhaltsvergleichs im streitigen Verfahren.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. Y*, geboren * 2008, und 2. B*, geboren * 2010, beide vertreten durch die Mutter K*, diese vertreten durch Dr. Bernhard Loimer und Mag. Gerhild Scharzenberger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen § 35 EO, über den Revisionsrekurs des Vaters R*, vertreten durch Mag. Mahmut Sahinol, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 236/24p-52, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hallein vom , GZ 30 Pu 6/24y-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Pflegschaftssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Ehe der Eltern ist geschieden. Die Mutter ist mit der alleinigen Obsorge für beide Kinder betraut.

[2] Im (vollstreckbaren) Scheidungsfolgenvergleich des Bezirksgerichts Fünfhaus vom verpflichtete sich der Vater, einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 255 EUR je Kind zu leisten. Dazu ist im Vergleich festgehalten:

Dieser Unterhaltsverpflichtung liegt der Regelbedarf zu Grunde. Der Kindesvater […] verpflichtet sich, mindestens den altersadäquaten Regelbedarf zu bezahlen, solange sein Monatsnettoeinkommen nicht 1.600 EUR, 12 mal jährlich, übersteigt. Sobald sein Einkommen auf über 1.600 EUR steigt, wird der monatliche Unterhaltsbeitrag nach der Prozentwertmethode berechnet. Jedenfalls wird der Kindesvater jedoch den Regelbedarf bezahlen, auch wenn die Berechnung nach der Prozentwertmethode einen niedrigeren Unterhaltsbeitrag ergeben würde.

[3] Der Vater verdient derzeit monatlich 1.759 EUR netto (12 mal jährlich). Bislang wurde er hinsichtlich der ihn treffenden Unterhaltszahlungen von seinen Eltern unterstützt. Diese haben ihre Unterstützungsleistungen mittlerweile aber eingestellt.

[4] Am wurde den beiden Kindern zur Hereinbringung des rückständigen Unterhalts für die Monate Jänner 2023 bis November 2023 sowie des laufenden Unterhalts ab Dezember 2023 in Höhe des jeweiligen Regelbedarfs (für Y* 630 EUR und für B* 500 EUR monatlich) die Fahrnis- und Forderungsexekution gegen den Vater bewilligt.

[5] Mit Antrag vom begehrte der Vater, seinen ab November 2023 zu leistenden Unterhaltsbeitrag für Y* „auf höchstens EUR 351“ und jenen für B* „auf höchstens EUR 316“ herabzusetzen. Der abgeschlossene Scheidungsfolgenvergleich habe auf der Annahme beider Teile beruht, dass seine Eltern zu den Unterhaltszahlungen an die Kinder beitrügen. Der Mutter sei auch bekannt gewesen, dass er sich anderenfalls nicht zur vereinbarten Unterhaltsleistung verpflichtet hätte. Seine Eltern seien jedoch nicht mehr in der Lage, ihn weiterhin zu unterstützen, weil sein Bruder derzeit eine Strafhaft verbüße und die Eltern unter anderem die Mietkosten für dessen Wohnung tragen müssten. Das Beharren auf dem Ausschluss der Umstandsklausel sei zudem sittenwidrig, weil zwischen seiner Unterhaltspflicht und seinem Einkommen ein derart krasses Missverhältnis bestehe, dass die Unterhaltszahlungen seine Existenz gefährdeten.

[6] Darüber hinaus beantragte der Vater mit „Einwendungen nach § 35 EO“ vom , den monatlichen Unterhalt für beide Kinder für die Zeit von bis auf jeweils 266 EUR sowie ab auf jeweils 316,74 EUR monatlich herabzusetzen und die (darüber hinausgehende) Exekution „für unzulässig“ zu erklären, wobei er sich auf die schon im Herabsetzungsantrag angeführten Gründe stützte.

[7] Die Kinder sprachen sich gegen die Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge aus und begehrten ihrerseits, diese ab beschlussmäßig auf Basis des jeweiligen Regelbedarfsunterhalts festzusetzen. Im Scheidungsfolgenvergleich sei von Unterstützungsleistungen der väterlichen Großeltern zu den Unterhaltszahlungen des Vaters keine Rede. Dessen Einwendungen nach § 35 EO seien wegen Streitanhängigkeit zurück-, in eventu abzuweisen.

[8] Das Erstgericht wies die Anträge des Vaters ab und verpflichtete ihn zu monatlichen Unterhaltszahlungen für Y* von 660 EUR ab sowie für B* von 500 EUR für 2023, von 530 EUR ab und 660 EUR ab (jeweils Regelbedarf). Der Wegfall der Unterstützung durch die väterlichen Großeltern sei keine der Sphäre des Vaters zuzuordnende Umstandsänderung; er habe auf diese Leistungen keinen Rechtsanspruch.

[9] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge. Ab dem Zeitpunkt, in dem ein Exekutionsverfahren über den identen Anspruch anhängig sei, sei nur mehr der Oppositionsantrag zur Feststellung des Erlöschens oder der Hemmung des Anspruchs zulässig. Die Feststellung der Unterhaltsansprüche sei lediglich eine Konkretisierung der bereits im Scheidungsfolgenvergleich vereinbarten Unterhaltspflicht in Höhe des Regelbedarfs. Es fehlten ausreichende Anhaltspunkte, dass die Zuwendungen der väterlichen Großeltern beim Vergleichsabschluss nach dem übereinstimmenden Parteiwillen maßgeblich gewesen seien. Der Vater habe dies auch nicht behauptet. Zudem seien Zuwendungen, auf die es keinen Rechtsanspruch gebe, nicht als Einkünfte des Vaters anzurechnen, sodass der Wegfall der Unterstützung keine Umstandsänderung sei.

[10] Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil einerseits zur Frage, ob der Wegfall der Unterstützungsleistung eines Dritten, die im Unterhaltstitel nicht erwähnt werde, eine relevante Umstandsänderung sei und mit Oppositionsantrag geltend gemacht werden könne, und weil andererseits zum Verhältnis von Oppositionsantrag und Anfechtungsmöglichkeit in Bezug auf eine in einem Scheidungsfolgenvergleich enthaltene Unterhaltsvereinbarung keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

[11] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er die Stattgabe seiner Anträge auf rückwirkende Unterhaltsherabsetzung und teilweise Unzulässigerklärung der Exekutionsführung anstrebt. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

[12] Die Kinder beantragen mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[13] Der Revisionsrekurs ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung zulässig. Er ist im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

I. Zu dem nach erteilter Exekutionsbewilligung gestellten Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts

[14] 1. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Unterhaltsverpflichtete jedenfalls vor Einleitung der Exekution die Verminderung seiner Leistungsfähigkeit mit einem im außerstreitigen Verfahren gestellten Herabsetzungsantrag geltend machen.

[15] 2.1. Nach der Rechtslage vor der EO-Novelle 2014 (BGBl I 2014/69) konnte der Verpflichtete, wenn ein Exekutionsverfahren bereits anhängig war, das gänzliche oder teilweise Erlöschen eines vollstreckbaren Unterhaltsanspruchs mit Oppositionsklage einwenden (RS0000824; RS0000960 [T5]), wobei die wesentliche Änderung der maßgebenden Umstände den Oppositionsgrund bildeten (RS0000824 [T5]). Im Rahmen eines derartigen Oppositionsprozesses war der Unterhalt nach den geänderten Verhältnissen – sowohl für die Vergangenheit (RS0000870 [T1], RS0000960 [T7]) als auch für die Zukunft – neu zu bemessen (3 Ob 190/13g Pkt 2.2.; 9 Ob 27/14g Pkt 2.2.).

[16] 2.2. Zum Verhältnis zwischen einer Oppositionsklage und einem außerstreitigen Antrag auf Unterhaltsherabsetzung nach der alten Rechtslage hat der Oberste Gerichtshof mehrfach Stellung genommen.

[17] Danach konnte den Unterhaltsschuldner, wenn er bereits vor Einleitung des Exekutionsverfahrens einen Antrag auf Herabsetzung der im Unterhaltstitel festgesetzten Unterhaltspflicht anhängig gemacht hatte, die Einleitung des Exekutionsverfahrens nicht daran hindern, dieses Verfahren mit dem Ziel fortzusetzen, die gänzliche oder teilweise Aufhebung des Exekutionstitels zu erreichen. Es stand dem Unterhaltsverpflichteten auch frei, zusätzlich eine Oppositionsklage einzubringen (RS0000816 [T4]).

[18] 2.3. Für den Fall, dass eine Oppositionsklage bereits eingebracht worden war und ein später eingebrachter Antrag auf Enthebung von der Unterhaltspflicht das gleiche Rechtsschutzziel hatte, war der spätere Antrag zurückzuweisen (3 Ob 86/14i Pkt 1.; 4 Ob 17/11w Pkt 4.). Dies wurde vor allem mit dem Grundsatz der Prozessökonomie begründet (vgl RS0126868 [insb T5]). Die Frage des Verhältnisses zwischen Oppositionsklage und Herabsetzungsantrag stellte sich aber nur dann, wenn es jeweils um den Unterhaltsanspruch für denselben Zeitraum ging (RS0126868 [T4, T7]; 10 Ob 62/12h Pkt 4.2.; 10 Ob 100/11w Pkt 4.).

[19] 3. Seit der Novellierung des § 35 Abs 2 EO durch die EO-Novelle 2014 (BGBl I 2014/69) sind gegen einen in einer Unterhaltssache ergangenen Exekutionstitel Einwendungen bei dem für diese Sache zuständigen Gericht in der dafür vorgesehenen Verfahrensart geltend zu machen. Einwendungen betreffend den gesetzlichen Unterhalt minderjähriger Kinder gegenüber ihren Eltern sind gemäß § 114 Abs 1 JN im Außerstreitverfahren beim Pflegschaftsgericht zu erheben. Damit ist nach der insofern geänderten Rechtslage nunmehr sowohl über den Antrag auf Unterhaltsherabsetzung als auch über die Einwendungen gemäß § 35 Abs 2 EO im Außerstreitverfahren zu entscheiden.

[20] 4. Das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit ist dem Außerstreitverfahren fremd. Anders als im Streitverfahren, in dem die Streitanhängigkeit ein Prozesshindernis begründet, kommt die Zurückweisung eines Antrags im Außerstreitverfahren wegen der Identität mit einem Begehren, das bereits Gegenstand eines Verfahrens ist, nicht in Betracht. Die Einheitlichkeit des Verfahrens ist vielmehr unter Beachtung der Überweisungsvorschrift des § 12 Abs 2 AußStrG durch die Verbindung der Verfahren zu bewirken (3 Ob 46/18p Pkt 1.; 4 Ob 66/13d Pkt 1.2.; vgl auch 5 Ob 116/22b Rz 17). § 12 Abs 2 AußStrG normiert für die der Streitanhängigkeit entsprechende Verfahrenskonstellation eine spezifische Art des „Umgangs“, indem – im Gegensatz zum Zivilprozess – kein Prozesshindernis, sondern die „Vereinigung“ aller Anträge vorgesehen wird (RS0116910 [T1]; auch RS0125903 [insb T1]).

[21] 5. Im vorliegenden Fall liegt insofern eine Identität des Entscheidungsgegenstands iSd § 12 Abs 2 AußStrG (vgl RS0127546) vor, als die später erhobenen Einwendungen nach § 35 Abs 2 EO über den zuerst gestellten Unterhaltsherabsetzungsantrag hinausgehen, nämlich sowohl betragsmäßig als auch hinsichtlich des zeitlichen Ausmaßes. Der Ausdehnung des Begehrens auf Herabsetzung des Unterhalts durch die später erhobenen Oppositionseinwendungen steht der zuvor gestellte Antrag auf Unterhaltsherabsetzung daher nicht entgegen. Über beide Anträge kann in einer Entscheidung abgesprochen werden.

II. Zu den Einwendungen nach § 35 Abs 2 EO

[22] 1. Nach ständiger Rechtsprechung werden auch Unterhaltsvergleiche regelmäßig unter der „clausula rebus sic stantibus“ geschlossen. Der Unterhaltsanspruch ist daher bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu zu bestimmen (RS0018984; RS0009636; RS0057146; vgl auch RS0047486). Dies ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Parteien ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall einer wesentlichen Änderung in den beiderseitigen Verhältnissen verzichtet haben (RS0018900; 4 Ob 141/24z Rz 15).

[23] 2. Auch wenn der Verzicht auf die Umstandsklausel grundsätzlich zulässig und wirksam ist, kann das Beharren darauf sittenwidrig sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ohne Berücksichtigung der nachfolgenden Umstände die Existenz des Verpflichteten oder der Unterhalt Dritter gefährdet wäre oder ein krasses Missverhältnis zwischen Unterhaltsleistung und Einkommensrest bestünde (RS0016555 [T6]; RS0016554). Durch eine Änderung der Verhältnisse kann die ursprünglich zulässige Vereinbarung daher sittenwidrig werden, etwa wegen der Gefahr der Existenzvernichtung (RS0018900 [T9]; 3 Ob 28/25a Rz 3). Um zu verhindern, dass der an sich zulässige Ausschluss der Umstandsklausel im Nachhinein ohne zwingenden Grund aufgehoben wird, ist aber ein strenger Maßstab anzulegen (RS0016554 [T2]; 3 Ob 136/16w Pkt 1.). Der Umstand allein, dass jemand mehr Unterhalt zahlen muss, als ihm selbst verbleibt, begründet daher noch kein krasses Missverhältnis (3 Ob 28/25a Rz 4; 3 Ob 85/20a Rz 5).

[24] 3. Die Einstellung oder Herabsetzung der Unterhaltspflicht für die Vergangenheit ist dann möglich, wenn sich die Verhältnisse geändert haben, wobei sich der dafür maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklicht haben muss (RS0053283; RS0034969 [T14, T15]; 8 Ob 72/24g Rz 6). Unabhängig davon, ob die seinerzeitige Unterhaltsfestsetzung durch gerichtlichen Vergleich oder gerichtliche Entscheidung erfolgte, darf eine Änderung für die Vergangenheit daher immer dann erfolgen, wenn wegen Änderung der Verhältnisse die seinerzeitige Unterhaltsbemessung wegen der ihr innewohnenden Umstandsklausel nicht mehr bindend blieb (RS0053297; RS0034969 [T3]; 5 Ob 55/24k Rz 34). Eine Änderung der Verhältnisse liegt etwa dann vor, wenn die Parteien des Unterhaltsvergleichs irrtümlich von falschen Bemessungsgrundlagen ausgegangen sind; einer Anfechtung des Unterhaltsvergleichs im streitigen Verfahren bedarf es dabei nicht (vgl RS0018984 [T11]; RS0107667 [insb T3]).

[25] 4. Nach ständiger Rechtsprechung erhöhen freiwillige, jederzeit widerrufbare Zuwendungen Dritter an den Unterhaltsverpflichteten die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht (RS0107262 [T10, T12, T14]; 4 Ob 42/23i Rz 8). Diese wird nur durch solche Zuwendungen erhöht, auf die der Unterhaltsverpflichtete einen Rechtsanspruch hat (RS0107262 [T15, T20]; 2 Ob 20/23i Rz 20).

[26] 5. Diese Grundsätze haben die Vorinstanzen im Anlassfall unrichtig angewandt.

[27] 5.1. Die von den Vorinstanzen herangezogene Rechtsprechung zur Nichteinbeziehung freiwilliger Leistungen Dritter in die Bemessungsgrundlage ist nicht unmittelbar einschlägig. Hier begehren nämlich nicht die Unterhaltsberechtigten eine Berücksichtigung der freiwilligen Leistungen, sondern beruft sich der Vater vielmehr darauf, dass diese Leistungen für beide Parteien des Scheidungsverfahrens Basis für den Unterhaltsvergleich gewesen seien.

[28] 5.2. Aus dem schriftlichen Vergleich geht eine derartige Miteinbeziehung der großelterlichen Unterstützung als Vergleichsgrundlage nicht hervor. Dies würde zwar die Relevanz des Wegfalls dieser Unterstützung für den vom Vater geschuldeten Unterhalt noch nicht hindern, wenn es darüber zwischen den Parteien des Scheidungsvergleichs eine (zumindest schlüssige) Willenseinigung gäbe. Derartiges hat der Vater aber nicht behauptet. Seinem Vorbringen zu seinen Vorstellungen betreffend die gegenwärtigen und zukünftigen freiwilligen Leistungen seiner Eltern und die Kenntnis der Mutter darüber lässt sich nämlich keine Einigung auf eine bestimmte Bemessungsgrundlage, sondern nur ein ihm unterlaufener Irrtum über Zukünftiges entnehmen, der als bloßer Motivirrtum gemäß § 1385 ABGB unbeachtlich wäre (vgl RS0032511 [T4]; RS0014913 [T4]) und nicht zur Anfechtung des Vergleichs berechtigte.

[29] Insofern ist das Vorbringen des Vaters zum „Wegfall der Vergleichsgrundlage“ bislang unschlüssig geblieben, was zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung im fortgesetzten Verfahren vom Erstgericht mit den Parteien zu erörtern sein wird.

[30] Weiters erstattete der Vater bisher auch kein Vorbringen dazu, in welcher Höhe die Unterstützung durch seine Eltern erfolgt sein soll. Unter der Voraussetzung der Schlüssigstellung fehlt es somit an weiterem Vorbringen und Beweisanboten dazu, dass die behauptete Einstellung dieser freiwilligen Leistung überhaupt zu einer wesentlichen Änderung der Umstände bzw seiner Leistungsfähigkeit geführt hat.

[31] 5.3. Unabhängig davon ist der Einwand der Sittenwidrigkeit zu prüfen.

[32] Dazu hat der Vater im Rekurs und im Revisionsrekurs vorgebracht, ohne den Beitrag seiner Eltern hätte er niemals so viel Unterhalt, wie im Scheidungsvergleich vereinbart worden war, leisten können. Damit hat er im Rechtsmittelverfahren noch hinreichend deutlich seinen schon in erster Instanz erhobenen Einwand der Sittenwidrigkeit des Beharrens auf dem Ausschluss der Umstandsklausel infolge Gefährdung seiner Existenz aufrechterhalten. Obwohl der Einwand im Hinblick auf das festgestellte derzeitige Einkommen des Vaters und den derzeitigen Regelbedarf beider Kinder nicht von vornherein unbeachtlich ist, haben die Vorinstanzen diesen nicht geprüft. Auch das wird im fortgesetzten Verfahren zu erörtern und bei der neuerlichen Entscheidung zu beachten sein.

[33] 5.4. Zu den Einwänden des Vaters ist festzuhalten, dass der Unterhaltsverpflichtete die seine Unterhaltspflicht aufhebenden oder vermindernden Umstände zu behaupten und zu beweisen hat (RS0006261 [T6, T8]; 6 Ob 143/24h Rz 12).

[34] 6. Vor diesem Hintergrund ist – in Stattgebung des Revisionsrekurses – die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung erforderlich.

III. Zu den Anträgen der Kinder

[35] Die Anträge der Kinder auf Anpassung der Unterhaltsbeiträge an die jeweiligen Regelbedarfssätze hat das Erstgericht zu Recht als Antrag auf Titelergänzung iSd § 10 EO aufgefasst, die für minderjährige Kinder im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen hat (vgl 5 Ob 41/09d = RS0125007; Karl in Garber/Simotta, EO § 10 Rz 14; Binder in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 10 Rz 26, 27). Dass die Kinder den Antrag ausdrücklich „hilfsweise“ stellen, ist dahin zu verstehen, dass sie die Titelergänzung nur für den Fall anstreben, dass es nicht zu einer Neufestsetzung aufgrund der Anträge des Vaters kommt.

[36] IV. Ein Kostenvorbehalt hatte zu unterbleiben. Gemäß § 101 Abs 2 AußStrG findet in Verfahren über Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder ein Kostenersatz nicht statt.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00066.25I.0528.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAG-03915