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VwGH 11.05.1960, 2228/59

VwGH 11.05.1960, 2228/59

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Sonderzahlung nach § 49 Abs 2 ASVG vorliegt, wird, wenn eine Zusage fehlt und es sich um die erstmalige Auszahlung der betreffenden Zuwendung handelt, in Betracht zu ziehen sein, ob der Dienstnehmer eine regelmäßige Wiederkehr erwarten konnte; im Falle wiederholter Zahlungen wird die Behörde im wesentlichen auf den tatsächlichen Ablauf angewiesen sein und danach im Einzelfalle teils in freier Beweiswürdigung, teils in rechtlicher Beurteilung zu klären haben, ob die Wiederkehr einer Leistung mit einer gewissen Regelmäßigkeit gegeben ist oder nicht, ob nämlich bei den einzelnen Leistungen tatsächlich Veranlassung und Rechtsgrund übereinstimmen und ob nach Art des Anlasses eine, wenn auch gelockerte Regelmäßigkeit der Wiederkehr als gegeben angenommen werden kann. (Hinweis auf E ; Slg. Bäder Nr. 10.999)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Mahnig und die Räte Dr. Koprivnikar, Penzinger, Dr. Härtel und Dr. Kadecka als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Klein als Schriftführer, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in Wien gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl.M.Abt.14 - C 144/59, betreffend Beitragspflicht für außerordentliche Zuwendungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, die nunmehrige beschwerdeführende Partei, führte mit Bescheid vom zugunsten der Firma "C-Gesellschaft" eine Gutschreibung für den bei 15 Dienstnehmern als Sonderbeiträge verrechneten Betrag von S 4.222,-- durch, schrieb jedoch unter einem für dieselben Dienstnehmer einen Betrag von S 3.005,75 als allgemeine Beiträge für März 1959 vor. Sie begründete ihr Vorgehen damit, daß freiwillige Zuwendungen (wie sie an die angeführten 15 Dienstnehmer geleistet worden seien) keine Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG, sondern laufendes Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 des Gesetzes darstellten. Gegen diesen Bescheid brachte die genannte Firma einen Einspruch ein, in welchem sie geltend machte, daß die den bezeichneten Dienstnehmern gewährten außertourlichen Zuwendungen in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen, und zwar wiederkehrend, geleistet worden und demnach Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG seien. Der Landeshauptmann von Wien gab mit Bescheid vom dem Einspruche Folge und hob den bezeichneten Bescheid der Krankenkasse auf. Er führte in der Begründung seines Bescheides unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 981, 3001 und 3002/58, und die Bestimmungen des § 49 Abs. 1 ASVG aus, daß der Einspruchswerberin beigepflichtet werden müsse, wenn sie für die Bewertung einer Leistung als Sonderzahlung dem Umstand, ob der Dienstnehmer auf diese Leistung Anspruch habe, keine ausschlaggebende Bedeutung beimesse. Im übrigen habe die Einspruchswerberin ihre Rechtsansicht auch damit begründet, daß die an die Dienstnehmer gewährten außertourlichen Zuwendungen bereits bisher wiederkehrend geleistet worden seien; die beschwerdeführende Partei habe dieser Begründung nicht widersprochen und es sei daher anzunehmen, daß es sich im gegenständlichen Falle um wiederkehrende Zuwendungen an die Dienstnehmer handle.

Über die gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin verweist zunächst auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 296/57(Slg.Nr. 4693/A), sowie auf das bereits von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom , aus welchen sich ergebe, daß unter den Begriff "Sonderzahlungen" nur Zuwendungen subsumiert werden könnten, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten Zeiträumen wiederkehrten, wobei es jedoch für die Beurteilung einer Leistung als Sonderzahlung ohne Belang sei, ob auf diese Leistung ein Anspruch bestehe oder nicht. Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, daß im gegenständlichen Falle die freiwilligen Zuwendungen jeweils als Einzelzahlungen geleistet worden seien, d.h. als Zahlungen, die von vornherein nicht eine gewisse Regelmäßigkeit der Wiederkehr in bestimmten Zeiträumen erwarten ließen, und daß daher schon aus diesem Grunde die in Rede stehenden Zuwendungen nicht als Sonderzahlungen bezeichnet werden könnten; wenn auch der spätere Verlauf der Zeit gezeigt habe, daß weitere Einzelzahlungen erfolgt seien, so müsse dieser Umstand für die Beurteilung der zur Erörterung stehenden Frage ohne Belang bleiben. Vielmehr komme es für die Wertung einer bestimmten Zuwendung als Sonderzahlung darauf an, ob von vornherein mit einer gewissen Regelmäßigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit auf die Gewährung dieser Zuwendung gerechnet werden könne. Die Beschwerdeführerin zeigt sodann die Erwägungen auf, die ihrer Auffassung nach bei der Auslegung der Bestimmungen des § 49 Abs. 2 ASVG vor allem anzustellen wären.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnisse vom dargelegt hat, können unter den Begriff "Sonderzahlungen" nur Zuwendungen subsumiert werden, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten Zeiträumen, die größer als die Beitragszeiträume sind, wiederkehren. Im einzelnen Falle wird nun die regelmäßige Wiederkehr einer Zuwendung im allgemeinen dann anzunehmen sein, wenn eine diesbezügliche Zusage des Dienstgebers gegenüber dem Dienstnehmer vorliegt. Fehlt aber eine solche Zusage, so wird bei der Beurteilung der Frage, inwieweit eine bestimmte Zuwendung mit einer gewissen Regelmäßigkeit in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen wiederkehren und demnach'' als Sonderzahlung nach § 49 Abs. 2 ASVG anzusehen sei, dann, wenn es sich um die erstmalige Zahlung der betreffenden Zuwendung handelt, der Umstand nicht außer Betracht bleiben dürfen, ob der Dienstnehmer eine regelmäßige Wiederkehr erwarten konnte. Ansonsten wird die Behörde bei der Entscheidung der in Rede stehenden Frage im wesentlichen auf den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse angewiesen sein und darnach im einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zu beurteilen haben, ob die Wiederkehr einer Leistung mit einer gewissen Regelmäßigkeit gegeben ist oder nicht; diese Beurteilung wird naturgemäß sowohl Elemente, die der Ermittlung des Sachverhaltes zugerechnet werden müssen und daher der freien Beweiswürdigung unterliegen, als auch rechtliche Gesichtspunkte umfassen. Es wären demnach in einem Verwaltungsverfahren, in welchem die Wertung einer Zuwendung als Sonderzahlung nach § 49 Abs. 2 ASVG zur Erörterung steht, seitens der Behörde vor allem Feststellungen zu treffen und Erwägungen anzustellen in der Richtung, ob bei den Leistungen, die nach Auffassung einer Partei als regelmäßig wiederkehrende Zuwendungen angesehen werden sollen, tatsächlich Veranlassung und Rechtsgrund bei der Gewährung der einzelnen Leistung gleich sind und ob nach der Art des Anlasses für die Gewährung eine - wenn auch gelockerte - Regelmäßigkeit der Wiederkehr als gegeben angenommen werden kann. In diesem Zusammenhang sei auch auf ein älteres Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (Slg.Budw. Nr.10.999) verwiesen, in dem anläßlich der Anwendung der Bestimmungen des § 8 des Gesetzes vom 28. Dezember 1887, betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter, RGBl. Nr. 1/1888, der Begriff "Bezüge, welche dem Versicherten übungsgemäß daher mit einer gewissen Regelmäßigkeit für seine Arbeitsleistungen zugewendet werden", dem Begriff "Bezüge, welche sich nicht als im einzelnen zufällige Leistung an den Versicherten darstellen" gegenübergestellt worden ist.

Im vorliegenden Falle hat die belangte Behörde weder eine zur Beurteilung der Frage der regelmäßigen Wiederkehr der strittigen Leistungen hinreichende Klärung des Sachverhaltes vorgenommen noch in der Begründung ihres Bescheides Erwägungen der aufgezeigten Art angestellt, sondern sich mit der Feststellung begnügt, daß nach den Angaben der eingangs bezeichneten Firma die außertourlichen Zuwendungen '"bisher wiederkehrend" geleistet worden seien und daß die beschwerdeführende Partei diesem Vorbringen nicht widersprochen habe. Sie hat sich damit einer Verletzung von Verfahrensvorschriften schuldig gemacht, und zwar sowohl in der Richtung, daß der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben ist, als auch unter dem Gesichtspunkt, daß die Verfahrensvorschriften des § 60 AVG 1950 nicht genügend beachtet worden sind, nach denen in der Begründung des Bescheides nicht nur die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen, sondern auch die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Diese Begründungslücke ist von wesentlicher Bedeutung, weil sie die Parteien über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes hindert. Demgemäß war der angefochtene Bescheid nach § 42 Abs.2 lit. c Z 2 und 3 VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
Sammlungsnummer
VwSlg 5295 A/1960
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1960:1959002228.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAG-03103