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Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

OGH 18.03.2025, 10ObS27/25f

Rechtssätze


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Normen
RS0049680
Für die Auslegung der Tragweite des Spruches sind die Gründe des Bescheides heranzuziehen. Denn die Rechtskraft eines Bescheides betrifft zwar nicht die Lösung von Vorfragen, sie erstreckt sich aber auf alle notwendigen logischen Folgerung aus dem Bescheid im Verhältnis der Parteien zueinander.
Norm
RS0105139
Die Reichweite des Bescheidspruches ist einerseits nach dem Entscheidungsgegenstand des bekämpften Bescheides und andererseits auch vor dem Hintergrund des gestellten Klagsantrages zu interpretieren.
Normen
RS0008822
Bescheide sind zur Folge ihres normativen Charakters nicht nach den Regeln der §§ 14 ff ABGB, sondern wie Gesetze gemäß den §§ 6 und 7 ABGB auszulegen (ÖJZ 1981, 275/188; VwGHSlg A 10.163 ua). Maßgeblich ist demnach der objektive Inhalt des Bescheids, also die zum Ausdruck gebrachte Willensäußerung der Behörde, nicht aber die Absicht der allenfalls vorher korrespondierenden Parteien. Der Bescheid bildet insoferne eine neue Rechtsgrundlage für Rechte und pflichten und hat Normqualität.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus Schrottmeyer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und FI Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Dr.in Simone Metz, LL.M., Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Partnerschaftsbonus, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 11/25h-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Rechtzeitigkeit des anlässlich der Geburt des Kindes am gestellten Antrags der Klägerin auf Partnerschaftsbonus zum Kinderbetreuungsgeld vom .

[2] Die Klägerin füllte am im auf der Webseite der beklagten Österreichischen Gesundheitskasse bereitgestellten Formular die für den Antrag auf Partnerschaftsbonus erforderlichen Daten aus und sendete den Antrag nach dem Erstellen der Druckübersicht (irrtümlich) nicht ab.

[3] Am und am erkundigte sich die Klägerin per E-Mail bei der Beklagten über die Auszahlung des am beantragten Partnerschaftsbonus und fügte jeweils die am erstellte – alle für den Antrag auf Partnerschaftsbonus erforderlichen Daten und die Wortfolge „Ich beantrage hiermit den Partnerschaftsbonus zum Kinderbetreuungsgeld.“ enthaltende – Zusammenfassung an.

[4] Am stellte die Klägerin sodann (nach entsprechendem Hinweis der Beklagten) einen (unstrittig formgültigen) Antrag auf Gewährung des Partnerschaftsbonus über die Webseite der Beklagten.

[5] Mit Bescheid vom wies die Beklagte den Antrag der Klägerin vom auf Zuerkennung des Partnerschaftsbonus wegen Verspätung ab.

[6] Die Vorinstanzen gaben dem auf Zahlung des Partnerschaftsbonus gerichteten Klagebegehren statt. Die E-Mails der Klägerin vom und würden zwar auf einen Antrag Bezug nehmen, sie enthielten aber zudem auch eine Zusammenfassung samt der Erklärung, einen Antrag zu stellen. Diese E-Mails seien somit als Antrag auf Gewährung des Partnerschaftsbonus zu werten, der mangels Verwendung des nach § 26 Abs 1 KBGG erforderlichen bundeseinheitlichen Formulars verbesserungsbedürftig sei. Diese Verbesserung sei mit der Einbringung des Antrags vom erfolgt. Das von der Beklagten monierte Streitgegenstandsproblem liege nicht vor, weil der bekämpfte Bescheid zwar den Antrag vom nenne, dies aber unter Missachtung des § 13 Abs 3 letzter Satz AVG. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[8] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Spruch eines Bescheids nach seinem äußeren Erscheinungsbild, also objektiv nach seinem Wortlaut auszulegen (RS0008822 [T2]). Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruchs, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (RS0049680 [T1]); die Reichweite des Bescheidspruchs ist schließlich auch nach dem Entscheidungsgegenstand des bekämpften Bescheids zu interpretieren (RS0105139). Da der Entscheidungswille des Versicherungsträgers im Zweifel – etwa mangels sich aus dem Bescheid ergebender gegenteiliger Anhaltspunkte – sämtliche Anbringen und Gegenstände erfasst, über die ein Bescheid zu erlassen ist, kann etwa auch den Erklärungen, die der Versicherte im Verwaltungsverfahren gegenüber dem Versicherungsträger abgibt, Bedeutung zukommen (10 ObS 141/22s Rz 16).

[9] 1.2. Gegenstand des bekämpften Bescheids war der am eingebrachte, unstrittig dem Formerfordernis des § 26 Abs 1 KBGG entsprechende Antrag der Klägerin auf Gewährung des Partnerschaftsbonus. Über etwas anderes wurde auch im vorliegenden Gerichtsverfahren nicht entschieden, wenn der Klägerin der Partnerschaftsbonus aufgrund dieses (als Verbesserung im Sinn des § 13 Abs 3 letzter Satz AVG beurteilten) Antrags zuerkannt wurde.

[10] 2.1. Die Beklagte wendet sich in der Revision – zutreffend (10 ObS 76/15x ErwGr 2.) – nicht gegen die Anwendung des § 13 AVG (iVm Art I Abs 2 Z 1 EGVG; insbesondere schließt § 360b ASVG die Anwendung des § 13 AVG im Verfahren der Versicherungsträger in Leistungssachen, auf das § 25a KBGG verweist, nicht aus). Sie steht vielmehr auf dem Standpunkt, dass in den E-Mails der Klägerin vom und vom kein Antrag enthalten gewesen sei.

[11] 2.2. Die Frage der Auslegung einer Parteierklärung wirft regelmäßig keine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender erheblicher Bedeutung auf (vgl RS0042828 [T8]; VwGH Ra 2024/22/0107). Eine solche zeigt die Beklagte in der Revision auch nicht auf.

[12] 2.3. Es trifft zu, dass Parteierklärungen nach ihrem objektiven Erklärungwert auszulegen und bei eindeutigem Inhalt eines Anbringens davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck gebrachte Absichten und Beweggründe grundsätzlich unbeachtlich sind (10 ObS 76/15x ErwGr 2.; VwGH Ra 2022/03/0190 ua). Einen solchen eindeutigen Inhalt weisen die E-Mails der Klägerin jedoch nicht auf, war ihnen doch einerseits eine Erkundigung zu einem (nicht gestellten) Antrag zu entnehmen, andererseits allerdings auch ein Dokument mit einem (ausdrücklichen) Antrag auf Entscheidung über einen Anspruch. Mit dem Abstellen auf den bloßen Text der E-Mail blendet die Beklagte den vollständigen Inhalt dieser E-Mails – insbesondere jenen des angehängten Dokuments, das einen ausdrücklichen Antrag enthielt – aus und gelingt es ihr schon deswegen nicht, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen aufzuzeigen.

[13] 3. Soweit sich die Beklagte erstmals in der Revision auf eine (nach ihrem Verständnis) auf ihrer Webseite kundgemachte Beschränkung des elektronischen Verkehrs im Sinn des § 13 Abs 2 AVG beruft und daraus ableitet, dass die E-Mails vom und vom als nicht bei ihr eingelangt anzusehen seien, handelt es sich um eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00027.25F.0318.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-91537