VfGH 19.09.2022, V48/2021
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | B-VG Art139 Abs1 Z1 Tir RaumOG 2016 §54, §56, §57, §58, §59 Tir StraßenG §37 Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" des Gemeinderats der Gemeinde Angath vom VfGG §7 Abs2 |
Rechtssatz | Der Antrag des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) auf Aufhebung des Bebauungsplans "Winklweg - Embacher" der Gemeinde Angath (Gemeinderatsbeschluss vom ) wird aufgehoben. Der angefochtene Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" bezieht sich nur auf das im zugrunde liegenden Baubewilligungsverfahren vor dem LVwG betroffene Grundstück und ist somit zur Gänze präjudiziell. Hinreichende Grundlagenforschung hinsichtlich des Bebauungsplans: Die verordnungserlassende Behörde hat eine hinreichende Grundlagenforschung durchgeführt. In einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath am wurde anhand einer ersten raumordnungsfachlichen Beurteilung über die Absicht der Erlassung eines Bebauungsplanes für den Bereich des Grundstückes bzw eine Anpassung der Baufluchtlinien und eine Verbreiterung des Gehsteiges in diesem Zusammenhang diskutiert. Ferner wurde die Auflage eines Entwurfes eines Bebauungsplanes beschlossen, die von 25.09. bis erfolgte. Innerhalb dieser Frist brachte die beteiligte Partei eine Stellungnahme ein. Am führte der Verkehrsausschuss der Gemeinde Angath im Rahmen einer Sitzung einen Lokalaugenschein beim Grundstück im Beisein eines Verkehrsplaners durch. Wie aus dem Sitzungsprotokoll hervorgeht, begrüßte der Verkehrsplaner eine Änderung der Baufluchtlinie um 2,5 m und schlug die Weiterführung eines leicht erhöhten Gehsteiges in diesem Bereich vor, um den Verkehrsfluss zu entschleunigen. Weiters wurde die raumplanungsfachliche Stellungnahme überarbeitet. In einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath vom wurde über einen überarbeiteten Entwurf des Bebauungsplanes (Erhöhung des höchsten Punktes der Bebauung, Begradigung der Baufluchtlinie, keine Änderung der Baumassendichte) diskutiert. Im Anschluss daran wurde die (verkürzte) Auflage des geänderten Entwurfes beschlossen und gleichzeitig ein Beschluss über die Erlassung des Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" mit der Bedingung gefasst, dass dieser nur rechtswirksam werde, wenn innerhalb der Auflegungs- und Stellungnahmefrist keine Stellungnahme abgegeben werde. Nachdem von der beteiligten Partei innerhalb dieser Frist eine Stellungnahme eingebracht wurde, war der Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" erneut Gegenstand einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath am . Darin wurde auf eine nochmalige Prüfung des Sachverhaltes durch den raumordnungsfachlichen Sachverständigen verwiesen, die keine Neuerungen des Sachverhaltes ergeben habe, und die Erlassung des Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" beschlossen. Eine verkehrstechnische Stellungnahme wurde erst am eingeholt, somit nach der Beschlussfassung des angefochtenen Bebauungsplanes, und ist daher für die Beurteilung unbeachtlich, ob eine hinreichende Grundlagenforschung erfolgte. Jedoch ergeben sich bereits aus den der Beschlussfassung vorangegangenen Sitzungen des Gemeinderates, dem Lokalaugenschein im Rahmen der Sitzung des Verkehrsausschusses in Anwesenheit eines Verkehrsplaners sowie der adaptierten raumordnungsfachlichen Stellungnahme vom hinreichend jene Überlegungen, die die Grundlage für die Erlassung des angefochtenen Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" bilden. Erkennbarkeit der allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 Tiroler Straßengesetz iVm §58 Abs2 TROG 2016 betreffend den Verlauf der Straßenfluchtlinie und die Festlegung der Baufluchtlinie: Wenn - wie hier - das Gesetz die vom Verordnungsgeber zu erlassende Planungsnorm nur final, dh im Hinblick auf bestimmte zu erreichende Planungsziele determiniert, müssen Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sein. Die Entscheidungsgrundlagen für die Erlassung der angefochtenen Verordnung sind von der Gemeinde wiederholt erörtert worden und sind in hinreichendem Maß erkennbar. Insbesondere gehen sie aus den Erläuterungen zur raumordnungsfachlichen Stellungnahme zum Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" hervor. Aus diesen Erläuterungen lassen sich zum einen die Entscheidungsgrundlagen für die konkrete Festlegung der Baufluchtlinie einschließlich der Interessenabwägung erkennen (Aufweitung des Straßenraumes für die Verbreiterung des Gehsteiges und die Herstellung einer Hochbordkante bei gleichzeitiger Ermöglichung der Wiedererrichtung des Stadels an anderer Stelle am Grundstück). Zum anderen kann der VfGH vor dem Hintergrund dieser Entscheidungsgrundlagen nicht erkennen, dass durch die Festlegung der Straßenfluchtlinie im angefochtenen Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" auf die allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 Tiroler Straßengesetz nicht hinreichend Bedacht genommen worden wäre. Im Übrigen macht der Umstand, dass die Änderung bzw Erlassung eines Bebauungsplanes im Hinblick auf ein konkretes Vorhaben erfolgt, diesen nicht per se gesetzwidrig. |
Entscheidungstext
Leitsatz
Abweisung des Antrags auf Aufhebung eines Bebauungsplans einer Tiroler Gemeinde betreffend die Festlegung der Baufluchtlinie und den Verlauf der Straßenfluchtlinie; hinreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlage; hinreichende Erkennbarkeit der Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, "den Bebauungsplan 'Winklweg – Embacher' (Gemeinderatsbeschluss vom ), kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Angath im Zeitraum vom bis zum , als gesetzwidrig aufzuheben, in eventu, allenfalls die Gesetzwidrigkeit der festgelegten Straßenfluchtlinie und Baufluchtlinie auszusprechen".
II. Rechtslage
1. Die einschlägigen Bestimmungen Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016), LGBl 101/2016 (Wv), idF LGBl 116/2020 lauten:
"4. Abschnitt
Bebauungspläne
§54
Bebauungspläne
(1) In den Bebauungsplänen sind unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme die verkehrsmäßige Erschließung und die Art der Bebauung des Baulandes, von Sonderflächen und von Vorbehaltsflächen festzulegen. Die Bebauungspläne mit Ausnahme der ergänzenden Bebauungspläne (Abs9) sind möglichst für größere funktional zusammenhängende Gebiete zu erlassen.
(2) Bebauungspläne sind für die nach §31b Abs1 erster Satz im örtlichen Raumordnungskonzept festgelegten Gebiete und Grundflächen zu erlassen, sobald
a) diese Gebiete bzw Grundflächen als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind und
b) die Gemeinde finanziell in der Lage ist, die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung dieser Gebiete bzw Grundflächen mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung vorzunehmen.
(3) Für die im örtlichen Raumordnungskonzept nach §31b Abs1 festgelegten Gebiete können Bebauungspläne auch dann erlassen werden, wenn diese noch nicht als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind.
(4) Die Verpflichtung zur Erlassung von Bebauungsplänen nach Abs2 besteht nicht für bereits bebaute Grundstücke, sofern die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung dieser Grundstücke mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung bereits besteht und die Erlassung von Bebauungsplänen zur Gewährleistung einer geordneten weiteren Bebauung derselben nicht erforderlich ist.
(5) – (9) […]
§56
Inhalte
(1) Im Bebauungsplan sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien (§58) und hinsichtlich der Bebauung die Baufluchtlinien (§59 Abs1 und 2), die Bauweisen (§60), die Mindestbaudichten (§61) und die Bauhöhen von Gebäuden (§62 Abs1) festzulegen.
(2) […]
(3) Im Bebauungsplan können weiters die Höchstgröße der Bauplätze, die Mindest- und die Höchstnutzfläche (§61 Abs5 zweiter und dritter Satz), die Firstrichtungen und Dachneigungen, die Baugrenzlinien (§59 Abs3) und die Höhenlage (§62 Abs7) festgelegt sowie ergänzende Festlegungen über die Baudichten (§61) und die Bauhöhen (§62 Abs1 bis 5) getroffen werden. Weiters kann das zulässige Ausmaß der Veränderung des Geländeniveaus im Verhältnis zum Geländeniveau vor der Bauführung festgelegt werden. Ferner kann festgelegt werden, dass statt der Mindestabstände nach §6 Abs1 litb der Tiroler Bauordnung 2018 jene nach §6 Abs1 lita der Tiroler Bauordnung 2018 einzuhalten sind. Gegenüber den Grenzen zu Grundstücken, für die diese Festlegung nicht gilt, sind jedoch stets die Mindestabstände nach §6 Abs1 litb der Tiroler Bauordnung 2018 einzuhalten. Schließlich können textliche Festlegungen über die Fassadengestaltung, die Gestaltung der Dachlandschaften, das zulässige Ausmaß von Geländeveränderungen und dergleichen getroffen werden.
§57
Änderung und Außerkrafttreten von Bebauungsplänen
(1) Bebauungspläne sind zu ändern, soweit dies
a) aufgrund einer Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes oder des Flächenwidmungsplanes,
b) aufgrund von Raumordnungsprogrammen oder anderen vorrangigen raumbedeutsamen Planungen oder Maßnahmen des Landes zur Vermeidung von Planungswidersprüchen oder
c) aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung raumbedeutsamer Planungen oder Maßnahmen des Bundes zur Vermeidung von Planungswidersprüchen
erforderlich ist.
(2) Bebauungspläne dürfen geändert werden, wenn die Änderung den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept entspricht.
(3) – (4) […]
§58
Straßenfluchtlinien
(1) Die Straßenfluchtlinien grenzen die unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen von Straßen und die der Gestaltung des Straßenraumes dienenden Flächen von den übrigen Grundflächen ab.
(2) Die Straßenfluchtlinien sind unter Bedachtnahme auf die allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 des Tiroler Straßengesetzes festzulegen.
(3) Wird innerhalb von zehn Jahren nach dem Inkrafttreten der Festlegung der Straßenfluchtlinien für die betreffende Straße eine Straßenbaubewilligung nach §44 des Tiroler Straßengesetzes nicht erteilt, so kann der Grundeigentümer die Einlösung der von den Straßenfluchtlinien umfassten Grundflächen durch die Gemeinde verlangen. Der Antrag auf Einlösung ist bei der Gemeinde schriftlich einzubringen. Kommt innerhalb eines Jahres nach der Einbringung des Einlösungsantrages eine Vereinbarung über die Einlösung der Grundflächen oder über die Bereitstellung eines Ersatzgrundstückes durch die Gemeinde nicht zustande und legt die Gemeinde innerhalb dieser Frist die Straßenfluchtlinien nicht so fest, dass die Grundflächen des Antragstellers davon nicht mehr umfasst sind, so gilt die Zustimmung der Gemeinde zur Einlösung der Grundflächen als gegeben. Im Übrigen gilt §52 Abs5 vierter und fünfter Satz sinngemäß.
§59
Baufluchtlinien, Baugrenzlinien
(1) Die Baufluchtlinien sind straßenseitig gelegene Linien, durch die der Abstand baulicher Anlagen von den Straßen bestimmt wird. Gebäudeteile und bauliche Anlagen dürfen nur in den in der Tiroler Bauordnung 2018 besonders geregelten Fällen vor die Baufluchtlinie vorragen oder vor dieser errichtet werden.
(2) Die Baufluchtlinien sind so festzulegen, dass das Orts- und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden und eine ausreichende Belichtung und Belüftung der straßenseitig gelegenen Räume gewährleistet ist. Für verschiedene Höhenabschnitte können verschiedene Baufluchtlinien festgelegt werden (gestaffelte Baufluchtlinien). Weiters kann insbesondere im Interesse des Schutzes des Orts- und Straßenbildes festgelegt werden, dass an die Baufluchtlinien heranzubauen ist (zwingende Baufluchtlinien). Im Fall einer Gefährdung durch Naturgefahren (§37 Abs3) sind die Baufluchtlinien weiters so festzulegen, dass eine solche Gefährdung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen vermieden wird; im Fall einer Gefährdung durch Hochwasser sind die Baufluchtlinien erforderlichenfalls weiters so festzulegen, dass wesentliche Hochwasserabflussbereiche und –rückhalteräume nicht beeinträchtigt werden. In diesen Fällen ist erforderlichenfalls durch eine zusätzliche Festlegung zu bestimmen, dass §5 Abs2 und 3 der Tiroler Bauordnung 2018 nicht zur Anwendung gelangt.
(3) Die Baugrenzlinien sind nicht straßenseitig gelegene Linien, durch die der Mindestabstand baulicher Anlagen gegenüber anderen Grundstücken als Straßen bestimmt wird. Dabei dürfen gegenüber bebaubaren Grundstücken nur größere Abstände als die Mindestabstände von 3 bzw 4 m (§6 Abs1 der Tiroler Bauordnung 2018) und gegenüber nicht bebaubaren Grundstücken größere oder kleinere Abstände als diese Mindestabstände festgelegt werden. Im Übrigen sind die Baugrenzlinien so festzulegen, dass das Orts- und Straßenbild nicht beeinträchtigt wird und den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen wird. Abs2 zweiter und dritter Satz gilt sinngemäß. Im Fall einer Gefährdung durch Naturgefahren (§37 Abs3) sind die Baugrenzlinien weiters so festzulegen, dass eine solche Gefährdung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen vermieden wird; im Fall einer Gefährdung durch Hochwasser sind die Baugrenzlinien erforderlichenfalls weiters so festzulegen, dass wesentliche Hochwasserabflussbereiche und –rückhalteräume nicht beeinträchtigt werden. Wenn dies zur Erhaltung ökologisch besonders wertvoller Flächen erforderlich ist, sind die Baugrenzlinien so festzulegen, dass diese Flächen in ihrer ökologischen Funktion erhalten bleiben. In diesen Fällen ist durch eine zusätzliche Festlegung zu bestimmen, dass §6 Abs5 der Tiroler Bauordnung 2018 nicht zur Anwendung gelangt."
2. Die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes vom über die öffentlichen Straßen und Wege (Tiroler Straßengesetz), LGBl 13/1989, idF LGBl 144/2018 lauten:
"7. Abschnitt
Bau und Erhaltung von Straßen
§37
Allgemeine Erfordernisse
(1) Straßen müssen nach den Erfahrungen der Praxis und den Erkenntnissen der Wissenschaft so geplant und gebaut werden, daß
a) sie für den Verkehr, dem sie gewidmet sind, bei Beachtung der straßenpolizeilichen und der kraftfahrrechtlichen Vorschriften sowie bei Bedachtnahme auf die durch die Witterung oder durch Elementarereignisse hervorgerufenen Verhältnisse ohne besondere Gefahr benützt werden können,
b) sie im Hinblick auf die bestehenden und die abschätzbaren künftigen Verkehrsbedürfnisse den Erfordernissen der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entsprechen,
c) Beeinträchtigungen der angrenzenden Grundstücke durch den Bestand der Straße sowie Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den Verkehr auf der Straße oder durch Erhaltungsarbeiten an der Straße, soweit solche Beeinträchtigungen nicht nach den örtlichen Verhältnissen und der Widmung des betreffenden Grundstückes zumutbar sind, so weit herabgesetzt werden, wie dies mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand möglich ist und
d) sie mit den Zielen der überörtlichen und der örtlichen Raumordnung im Einklang stehen.
(2) – (5) […]"
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Auf dem im Eigentum der beteiligten Partei stehenden Grundstück Nr 701/4, KG Angath, (in der Folge: "Grundstück") befand sich ein rund 200 Jahre alter Stadel ("Stuckstadl"), der durch einen Brand am stark beschädigt wurde. Am stellte die beteiligte Partei einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für die Wiedererrichtung des Stadels an seiner ursprünglichen Stelle. Nach fruchtlosem Verstreichen einer für die Verbesserung des Ansuchens gesetzten Frist wurde der Antrag zurückgewiesen.
1.2. Am wurde in einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath anhand einer ersten raumordnungsfachlichen Beurteilung über die Absicht der Erlassung eines Bebauungsplanes für den Bereich des Grundstückes bzw eine Anpassung der Baufluchtlinien und eine Verbreiterung des Gehsteiges diskutiert. Ferner wurde die Auflage eines Entwurfes eines Bebauungsplanes beschlossen, die von 25. September bis erfolgte. Innerhalb dieser Frist brachte die beteiligte Partei eine Stellungnahme ein. Am führte der Verkehrsausschuss der Gemeinde Angath einen Lokalaugenschein beim Grundstück im Beisein eines Verkehrsplaners durch. In weiterer Folge wurde die raumplanungsfachliche Stellungnahme überarbeitet und am erneut an die Gemeinde Angath übermittelt. In einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath vom wurde über einen überarbeiteten Entwurf des Bebauungsplanes diskutiert (Erhöhung des höchsten Punktes der Bebauung, Begradigung der Baufluchtlinie, keine Änderung der Baumassendichte). Im Anschluss daran wurde die (verkürzte) Auflage des geänderten Entwurfes beschlossen ( bis ) und zugleich ein Beschluss über die Erlassung des Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" gefasst; dies unter der Bedingung, dass dieser nur rechtswirksam werde, wenn innerhalb der Auflegungs- und Stellungnahmefrist keine Stellungnahme abgegeben werde. Nachdem von der beteiligten Partei innerhalb dieser Frist eine Stellungnahme eingebracht wurde, war der Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" erneut Gegenstand einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath am . Darin wurde auf eine erneute Prüfung des Sachverhaltes durch den raumordnungsfachlichen Sachverständigen verwiesen, die keine Änderung des Sachverhaltes ergeben habe, und die Erlassung des Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" beschlossen. Mit Schreiben der Tiroler Landesregierung vom wurde mitgeteilt, dass gegen den Bebauungsplan keine Einwände bestünden. Die Kundmachung des Bebauungsplanes erfolgte von 30. Mai bis an der Amtstafel der Gemeinde Angath.
1.3. Am stellte die beteiligte Partei erneut einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für die Wiedererrichtung des Stadels an der ursprünglichen Stelle. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Angath vom wegen Widerspruches zum Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" (Überschreitung der darin festgelegten Baufluchtlinie) abgewiesen. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängig.
2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (ohne Hervorhebungen im Original):
"Zur Zulässigkeit des Antrages:
Mit Bauansuchen vom , eingelangt bei der Gemeinde Angath am , beantragte […] die Baubewilligung für den Teil-/Wiederaufbau des auf Gst 701/4 KG Angath befindlichen Stuckstadls.
Mit Baubescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Angath vom , 06/2018, wurde das oben angeführte Bauvorhaben gemäß §34 Abs3 lita Z2 TBO 2018 infolge eines Widerspruchs zum mittlerweile erlassenen Bebauungsplan 'Winklweg – Embacher' abgewiesen.
Gegen diese Abweisung hat die Beschwerdeführerin zulässig und rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und wies darin unter anderem auf die ungerechtfertigte Verunmöglichung des Wiederaufbaus durch nachträgliche Erlassung eines Bebauungsplanes hin.
Das Beschwerdeverfahren ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängig.
Der Bebauungsplan enthält neben Bau- und Straßenfluchtlinien, der Festlegung der offenen Bauweise auch Mindest- und Höchstgrenzen der Baumassendichte sowie die Festlegung eines höchsten obersten Gebäudepunktes.
Das Landesverwaltungsgericht hat im gegenständlichen Verfahren diesen Bebauungsplan unmittelbar anzuwenden, zumal er die Grundlage der mit bescheidmäßig verfügten Abweisung des Bauansuchens darstellt. Die Verordnung greift unmittelbar in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin ein, weil sie die Grundlage der Abweisung des Bauvorhabens darstellt. Die zur Überprüfung beantragte Verordnung wurde ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam und wurde von der betroffenen Grundstückseigentümerin im Auflageverfahren des Bebauungsplanes eine fristgerechte Stellungnahme abgegeben.
Die baurechtliche Disposition der Beschwerdeführerin wird insofern stark eingeschränkt, als mit der Erlassung des gegenständlichen Bebauungsplanes und der Festlegung von Straßenflucht- und Baufluchtlinien, wobei letztere zwischen 2,50 Meter und 4 Meter von der Grundgrenze zurückspringen und dadurch die rechtmäßig bestehenden Außenmauern des Stuckstadls zu gut 70 % vor die Baufluchtlinie ragen, der Stuckstadl dergestalt 'eingefroren' wird, als gemäß §§5 Abs1 und 2 und 6 Abs10 litd und 11 TBO 2018 neben einem Wiederaufbau auch zukünftige Zu- und Umbaumaßnahmen praktisch verunmöglicht werden.
Daraus folgt, dass die Beschwerdeführerin — unabhängig vom gegenständlichen Antrag auf Wiederaufbau — auch sämtliche über §28 Abs3 litb TBO 2018 hinausgehenden Sanierungsarbeiten infolge eines Widerspruchs zum Bebauungsplan nicht (mehr) hätte vornehmen können und somit der Stuckstadl längerfristig dem Verfall preisgegeben wird. […]
In der Sache:
[…] Nach Ansicht des gefertigten Gerichts fußt der Bebauungsplan auf einer unzureichenden Bestands- und Grundlagenerhebung, da weder für die Festlegung einer Straßenfluchtlinie noch jene der Baufluchtlinie schriftliche verkehrstechnische Beurteilungen durch einen einschlägigen Sachverständigen vorgenommen wurden bzw vorlagen.
Wie in weiterer Folge dargelegt, wurde das dem Verordnungsgeber zustehende Planungsermessen für dieses zentrale Planungsinstrument der örtlichen Raumordnung nach dem Dafürhalten des gefertigten Gerichts nicht in der Qualität einer den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Grundlagenerhebung und einer darauf basierenden kritischen Interessensabwägung, sondern durch faktisches Handeln der Akteure ohne Bezugnahme auf eine integrierte Gesamtplanung, in der die örtliche Verkehrsplanung nur einen von vielen Bestandteilen darstellt, geprägt.
Vorauszuschicken ist, dass das Tiroler Raumordnungsgesetz — anders als einige einschlägige Bestimmungen anderer Bundesländer, etwa §34 Abs3 NÖ ROG 2014 — keine Bestimmung dergestalt beinhaltet, wonach Bauverfahren, die im Zeitpunkt der Kundmachung der Auflegung des Entwurfs des Bebauungsplanes bereits anhängig waren, durch die Änderung des Bebauungsplans nicht berührt werden.
Um vor diesem gesetzlichen Hintergrund der Gefahr einer Anlassverordnungserlassung zu begegnen, wird daher im Gegenstandsfall, bei dem das erste Bauansuchen auf Wiederaufbau vom vor der gegenständlichen Auflage und Erlassung des Bebauungsplanes erfolgte — der Auflagebeschluss wurde erst wenige Tage später in der Gemeinderatssitzung vom gefasst — dem Vorliegen einer hinreichenden raumordnungsfachlichen Bestandserhebung einerseits, auf deren Basis eine nachvollziehbare Interessensabwägung andererseits vorgenommen wird, welche schließlich in der Erlassung eines Bebauungsplanes gipfelt, besonderes Augenmerk zu widmen sein:
Umgelegt auf den Gegenstandsfall ist daher davon auszugehen, dass dem Verordnungsgeber abverlangt werden muss, die zur Festlegung der Straßenfluchtlinie und Baufluchtlinie führenden verkehrstechnischen Notwendigkeiten und Erfordernisse so hinreichend zu erheben oder erheben zu lassen, dass sie den Bebauungsplan in der gegenständlich erlassenen Form zu tragen vermögen.
Auf die Notwendigkeit der Einholung einer verkehrstechnischen Beurteilung wurde bereits in der Stellungnahme des örtlichen Raumplaners DI […] vom , welche als raumordnungsfachliche Replik zu den in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom geäußerten Einwänden der betroffenen Grundstückseigentümerin gegen die Erlassung des gegenständlichen Bebauungsplanes durch den Gemeinderat der Gemeinde Angath dienten, ausdrücklich hingewiesen. Dort wurde ausgeführt wie folgt […]:
'Ich wurde von der Gemeindeführung Angath mit der Erstellung eines Bebauungsplanes beauftragt, wobei zu prüfen war, ob der so genannte Stuck-Stadl wieder an der selben Stelle im Dorf errichtet werden soll, oder ob es besser wäre, die Errichtung des Stadls an dieser Stelle nicht mehr zuzulassen.
[…]
Nach neuerlicher Prüfung dieses Sachverhalts erscheint es nicht einleuchtend, dass einerseits Maßnahmen zur Reduzierung der Geschwindigkeit des Verkehrs getroffen werden, andererseits aber bestehende Tempobremsen entfernt werden sollen. Nach neuerlicher Begehung im Sinne der angeführten Aspekte konnte weiters festgestellt werden, dass Hecken, die anstelle von Einfriedungen gepflanzt wurden oder diese unterstützen, an vielen Stellen im Straßenbereich weit, gemessen mit max. 70cm, in den Straßenraum hineinragen.
Auch vis-a-vis des Stuck-Stadls beengt die Hecke im Bereich des Gst Nr 700/1 den Straßenraum. Die Maßnahmen, die [die Beschwerdeführerin] vorschlägt — Reduzierung der Hecke und Verbreiterung des Gehsteiges um dieses Maß mit erhabenen Randsteinen zur Sicherung der Benützung an dieser Stelle — erscheint sinnvoll.
Zusammenfassend möchte ich bestätigen, dass die Argumentationen, die im Einwand vorgebracht werden, durchaus sinnvoll erscheinen und eine gewisse Richtigkeit aufweisen, einen anderen Standpunkt zum Thema Verkehr in Angath aufzeigen. Ein maßgeblicher Punkt, der nicht übersehen werden darf, ist die Unterschriftenliste mit ca 56 Einträgen Angather Bürger, die sich für den Verbleib des Stadls an dieser Stelle aussprechen.
Als von der Gemeinde Angath beauftragter örtlicher Raumplaner empfehle ich dem Gemeinderat von Angath, mit dieser Thematik ein befugtes Ingenieurbüro für Verkehrstechnik zu beauftragen, das überprüft, welche Maßnahmen zur Verkehrssicherheit unbedingt umgesetzt werden müssen. Ich sehe mich außer Stande, dies zu entscheiden.'
Aktenkundig ist aus dem eingeholten Verordnungsakt lediglich, dass eine Besichtigung des Stuckstadls am in Anwesenheit zweier Mitglieder des Verkehrsausschusses der Gemeinde Angath und des Verkehrsplaners Ing. […] erfolgt ist. Dabei wurde protokolliert, dass seitens des Verkehrsplaners die geplante Änderung der Baufluchtlinie um 2,5 m entlang der Unteren Dorfstraße und Winklweg begrüßt und von diesem ein näher konkretisierter Vorschlag für die weitere Gestaltung des Gehsteiges gemacht wurde.
Die erste und gleichzeitig einzige schriftliche verkehrstechnische Beurteilung der Festlegungen des Bebauungsplanes wurde erst gut zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Bebauungsplanes von der Gemeinde Angath bei der […] Verkehrsplanung in Auftrag gegeben und datiert vom . Selbst diese Stellungnahme enthält lediglich eine verkehrstechnische Beurteilung der Straßenfluchtlinie, nicht jedoch eine solche der Baufluchtlinie.
Auch blieb völlig unklar, welche raumordnerischen Überlegungen oder welche Ergebnisse der Bestandsaufnahme iSd §54 TROG 2016 die nachträgliche Erlassung eines Bebauungsplanes für ein ca 600 m² großes Grundstück nach Einbringung des Bauansuchens auf Wiederaufbau des abgebrannten Stuckstadels vom geboten haben, dies umso mehr, als dieser Stuckstadl mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Angath vom , 1/2016, als rechtmäßiger Bestand festgestellt wurde und dessen Wiederaufbau daher gemäß §6 Abs10 und 11 TBO 2018 ohne weiteres zulässig gewesen wäre.
Ein Erläuterungsbericht des örtlichen Raumplaners zum gegenständlichen Bebauungsplan ist nicht Bestandteil des Verordnungsaktes und wurde offenbar nicht erstellt; so bleibt insbesondere unerfindlich, wieso ein im Wohngebiet rechtmäßig bestehender Stuckstadl, somit ein widmungsfremdes und ausschließlich dem Schutz von Sachen dienendes landwirtschaftliches Gebäude, durch einen nur für ebendieses Grundstück konzipierten Bebauungsplan einem nahezu identen Abstandsregime als die umliegenden reinen Wohngebäude in offener Bauweise unterworfen und von der Festlegung einer besonderen Bauweise iSd §60 Abs4 letzter Satz TROG 2016, die für ebensolche (widmungsfremde) Gebäude konzipiert worden ist, abgesehen wurde.
Bis zum heutigen Tag gibt es keinerlei Erhebungen des Verordnungsgebers dazu, inwiefern die konkrete Festlegung der Baufluchtlinie im Hinblick auf das Orts- und Straßenbild und die Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs iSd §59 Abs2 TROG 2016 erforderlich war.
Auch ist nicht zu ersehen, auf welche allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 des Tiroler Straßengesetzes mit dem gegenständlichen Verlauf der Straßenfluchtlinie Bedacht genommen werden sollte (§58 Abs2 TROG 2016).
Dies, obwohl durch die nachträgliche Erlassung des Bebauungsplanes massivst in Eigentumsrechte der Beschwerdeführerin eingegriffen wurde, da ihr — neben den bereits oben angeführten baurechtlichen Restriktionen — verunmöglicht wurde, den gegenständlichen Stuckstadl unter Verwendung der bestehenden und trotz des Brandes größtenteils unversehrt gebliebenen Steinfundamente wiederaufzubauen. Zu diesem Zweck hätte sie — neben der bautechnischen Sanierung der Fundamente an punktuellen Stellen — lediglich die auf den Fundamenten aufliegende Holzkonstruktion, somit die Seitenwände, und die Überdachung, erneuern müssen. Eine solche Vorgangsweise wäre laut den schlüssigen und glaubwürdigen Aussagen der Beschwerdeführerin anlässlich der Lokalaugenscheine vom und aus der von der Gebäudeversicherung zugesagten Deckungssumme — anders als der durch den Bebauungsplan ermöglichte Neubau an anderer Stelle mit völlig anderen Ausmaßen — zu bewerkstelligen gewesen.
Seitens des Gefertigten wurde die diesem Antrag zu Grunde liegende Rechtsansicht der zu prüfenden Gesetzwidrigkeit des zu Grunde liegenden Bebauungsplanes dem Bürgermeister der Gemeinde Angath bereits anlässlich des Lokalaugenscheines vom mitgeteilt und über einen Zeitraum von nunmehr nahezu zwei Jahren versucht, eine gütliche und gleichsam pragmatische Lösung zwischen der Gemeinde Angath und [der Beschwerdeführerin] ohne Verordnungsprüfung durch den Verfassungsgerichtshof zu erzielen, bei der einerseits der Beschwerdeführerin der weitest gehende Wiederaufbau des Stuckstadls in den Bestandsausmaßen, andererseits der Gemeinde Angath die mit der Festlegung der Straßenfluchtlinie beabsichtigte und grundsätzlich begrüßenswerte Verbreiterung des Gehsteiges im Bereich der Unteren Dorfstraße, ermöglicht wird.
Anlässlich des Lokalaugenscheines vom wurde der Gemeinde von der Beschwerdeführerin erneut ein Kompromissvorschlag dergestalt unterbreitet, dass sie im südöstlichen Bereich des Baugrundstückes gewillt sei, die Außenmauern des Stuckstadels entsprechend der festgelegten Straßenfluchtlinie in Richtung ihres Baugrundstückes zu verschieben, sodass durch den Wiederaufbau die Festlegungen der Straßenfluchtlinie vollständig eingehalten werden. Damit hätte auch die seitens der Gemeinde Angath angestrengte Verbreiterung des Gehsteiges bei der Unteren Dorfstraße verwirklicht werden können, wenn für die Bauwerberin sichergestellt ist, dass sich der restliche Wiederaufbau an den bestehenden Fundamenten des Stuckstadls orientieren kann.
Nach zunächst vorsichtig positiven Signalen des Bürgermeisters der Gemeinde Angath teilte dieser schließlich telefonisch mit, dass er nach erfolgter Rücksprache mit dem neuen Ortsplaner der Gemeinde Angath nicht gewillt sei, den gegenständlichen Bebauungsplan aufzuheben oder hinsichtlich der Baufluchtlinie abzuändern.
Da es sich bei Straßenfluchtlinien, Baufluchtlinien und Bauweisen gemäß §56 Abs1 TROG 2016 um verpflichtende Inhalte des Bebauungsplanes handelt, ist von der allfälligen Gesetzwidrigkeit dieser Festlegungen der gesamte Bebauungsplan betroffen."
3. Der Gemeinderat der Gemeinde Angath hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (ohne Hervorhebungen im Original):
"[…] Zur durchgeführten Grundlagenforschung
[…]
Vor Beschlussfassung über den nunmehr dem VfGH vorgelegten Bebauungsplan durch den Gemeinderat im Rahmen der Sitzung vom wurde, nachdem die Grundeigentümerin […] gegen den am beschlossenen Entwurf eines Bebauungsplans für das Gst 701/4 KG Angath eine Stellungnahme einbrachte, eine raumordnungsfachliche Stellungnahme zu den von der Grundeigentümerin erhobenen Einwänden durch den Raumplaner […] eingeholt. Wie dessen Stellungnahme vom entnommen werden kann, wurde von diesem schon allein aus raumordnungsfachlicher Sicht empfohlen, 'cirka dieselben Abstände zur Straße festzulegen, wie dies bei anderen bestehenden Wohngebäuden im Ortsbereich ersichtlich ist' […]. Abschließend hielt der Sachverständige fest, dass der 'Stadl [...] grundsätzlich auf dem Grundstück wieder errichtbar [ist], jedoch nicht mehr an derselben Stelle'.
Zudem fand, wie der verkehrstechnischen Stellungnahme des Ingenieurbüros für Verkehrswesen […] vom , schon am ein Ortsaugenschein mit dem verkehrstechnischen Sachverständigen Ing. […] statt, im Zuge dessen festgestellt wurde, dass eine Aufweitung des Straßenraumes im Bereich des Gst 701/4 notwendig sei.
Auf Basis des durchgeführten Lokalaugenscheins mit Ing. […] vom sowie der eindeutigen Stellungnahme des Raumplaners […], die sich auch nochmals in den Erläuterungen zum Bebauungsplan vom wiederfinden, fasste der Gemeinderat der Gemeinde Angath am den Beschluss über den überarbeiteten Bebauungsplan. Dieser Bebauungsplan wurde nach nochmaliger Stellungnahme durch Frau […] im Rahmen der Gemeinderatssitzung vom bestätigt.
Sowohl der normierten Straßenfluchtlinie als auch der festgelegten Baufluchtlinien lagen sohin umfassende und fachkundig unterstützte Erhebungen auf Sachverhaltsebene zugrunde, sodass keinesfalls davon die Rede sein kann, dass eine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Grundlagenerhebung nicht stattfand.
[…] Zur Erkennbarkeit der Entscheidungsgrundlagen
Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH müssen die Entscheidungsgrundlagen für einen Bebauungsplan erkennbar und dokumentiert sein (VfSlg 18.640/2008). Allerdings ist nicht jede einzelne Festlegung eines Bebauungsplanes (zB die Höhe jedes einzelnen Gebäudes) zu begründen, sondern muss nur die dahinter stehende allgemeine Planungsabsicht erkennbar bleiben (VfSlg 16.896/2003, 17.224/2004). Gesetzwidrig ist ein Plan nur dann, wenn die Entscheidungsgrundlagen so mangelhaft sind, dass eine Aussage darüber, ob er den gesetzlich vorgegebenen Zielen entspricht, nicht möglich ist (VfSlg 8280/1978, 8330/1978).
Im Hinblick auf den vorliegenden Fall ist nunmehr festzuhalten, dass die Entscheidungsgrundlagen, auf deren Basis der Entwurf des Bebauungsplans am sowie der Bebauungsplan am beschlossen wurde, in den Erläuterungen zum Bebauungsplan 'Winklweg-Embacher' des raumordnungsfachlichen Sachverständigen […] vom eindeutig zum Ausdruck kommen. Auch wenn der raumordnungsfachliche Sachverständige im Erläuterungsbericht verweist, dass die verkehrliche Situation von einem technischen Büro mit entsprechender Befugnis zu erfolgen habe (S. 4), so wurde von diesem schon 'ungeachtet von der verkehrlichen Situation' empfohlen, 'einen Bebauungsplan zu erlassen, in dem die Abstände allfälliger Gebäude von den Grundgrenzen [...]' geregelt werden. Doch nicht nur die damit eindeutig erkennbaren Grundlagen für die Definition der Baufluchtlinie lagen vor, auch das von der Gemeinde intendierte Planungsziel im Hinblick auf die Normierung der Straßenfluchtlinie ist dem Erläuterungsbericht zweifellos zu entnehmen. So führt der raumordnungsfachliche Sachverständige […] im Erläuterungsbericht vom aus:
'Der Stadl ist grundsätzlich auf dem Grundstück wieder errichtbar, jedoch nicht mehr an derselben Stelle. Um die Fahrbahn verbreitern zu können wird empfohlen, die Hecke bei Gst Nr700/1 auf das Maß der Grundgrenze zurückzuschneiden. Wie schon erwähnt, ist die Aufweitung des Straßenraums für die Verbreiterung des Gehsteiges und die Herstellung der Hochbordkante zulässig'.
Das verkehrstechnische Planungsziel der Gemeinde, nämlich eine Verbreiterung der 'Unteren Dorfstraße' ist sohin aus den – dem am beschlossenen Bebauungsplan zugrundeliegenden – Planungsgrundlagen eindeutig entnehmbar. Weitergehende Erhebungen auf Sachverhaltsebene waren aus Sicht der Gemeinde Angath zum damaligen Zeitpunkt sohin nicht erforderlich, zumal das Planungsinteresse – die Verbreiterung der 'Unteren Dorfstraße' – eindeutig war und das Mittel zur Umsetzung dieses Interesses, die Normierung einer Straßenfluchtlinie ob Gst 701/4 KG Angath sich als alternativlos darstellte. Zudem wurde die Straßenfluchtlinie auch keinesfalls überschießend, sondern mit einem Abstand von 90 cm festgelegt, damit die 'Untere Dorfstraße' – Fahrbahnbreite von insgesamt 6,00 Metern (zzgl. 50 cm Bankett) erreicht. Im Falle der Errichtung eines Gehsteiges muss diese sogar unter Berücksichtigung der normierten Straßenfluchtlinie auf maximal 4,5 Meter reduziert werden, wie sich der verkehrstechnischen Stellungnahme de[s] Ingenieurbüro für Verkehrswesen […] vom entnehmen lässt.
Eine weitergehende Abklärung, insbesondere die – nachträglich noch erfolgte – Einholung einer schriftlichen verkehrstechnischen Stellungnahme (eine mündliche lag ja bereits vor) stellte sich sohin für den verordnungserlassenden Gemeinderat als nicht notwendig dar. Aus Sicht des verordnungserlassenden Gemeinderates würde es die Anforderungen an die Erhebung von Grundlagen auch weit überspannen, wenn zusätzlich zur Einholung einer raumordnungsfachlichen Stellungnahme samt Erläuterungsbericht auch für jedwede Normierung einer Straßenfluchtlinie ein verkehrstechnisches Gutachten eingeholt werden müsste, dies insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem sowohl das Planungsziel der Gemeinde offenkundig als auch sachlich gerechtfertigt ist, wie nachfolgend noch näher ausgeführt werden wird.
Die Ansicht des antragstellenden Verwaltungsgerichts, wonach keinerlei Erhebungen des Verordnungsgebers dazu vorgenommen wurden, inwiefern die konkrete Festlegung der Baufluchtlinie im Hinblick auf das Orts- und Straßenbild und die Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs iSd §59 Abs2 TROG 2016 erforderlich war, ist sohin ebenso unrichtig wie die Meinung, dass nicht ersichtlich sei, auf welche allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 TirStrG mit dem gegenständlichen Verlauf der Straßenfluchtlinie Bedacht genommen wurde. Vielmehr soll, wie nachfolgend noch näher dargetan war, mit den getroffenen Festlegungen eine Gefahrenquelle und Engstelle entschärft werden.
[…] Zur sachlichen Begründung der getroffenen Festlegungen
[…]
Wie sich aus den Erläuterungen zum Bebauungsplan 'Winklweg-Embacher' vom ergibt, verjüngte die Ostseite bzw das Nordosteck des Gebäudes die Untere Dorfstraße um ca 2 Meter, sodass die Sicht auf die Kreuzung bzw von der Kreuzung in Gegenrichtung nicht möglich war. In Anbetracht dieser Sichtbehinderung ist die Normierung der Baufluchtlinie mit einem Abstand von 2,5 bzw 4 Metern zur Grundgrenze parallel zu den Straßenfluchtlinien jedenfalls gerechtfertigt. Ziel einer Baufluchtlinie gemäß §59 TROG 2016 ist es nämlich, dass das Orts- und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden und eine ausreichende Belichtung und Belüftung der straßenseitig gelegenen Räume gewährleistet ist. Wie sich aus dem ob zitierten Erläuterungsbericht vom eindeutig ergibt, beeinträchtigte der Stadel bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt die dem Verordnungsgeber von §59 Abs2 TROG 2016 vorgegebenen Ziele.
Wie bereits weiter oben dargetan, steht auch die Sachlichkeit der normierten Straßenfluchtlinie außer Zweifel: Wie das Ingenieurbüro für Verkehrswesen […] im Rahmen seiner Stellungnahme vom ausführt, sollte die mit der gegenständlichen Straßenfluchtlinie vorgesehen Gesamtbreite der Straße (unter Berücksichtigung eines Straßenbanketts von insgesamt 0,5 Metern, eines Gehsteigs mit mindestens 1,5 Metern und eines Verkehrsraums für die Begegnung von Pkw/Pkw mit mindestens 4,5 Metern) im Ausmaß von 6,5 Metern nicht unterschritten werden, um die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs gewährleisten zu können.
Am erfolgte darüber hinaus auch noch ein Lokalaugenschein des LVwG Tirol vor Ort im Beisein des Amtssachverständigen [...], der die normierte Straßenfluchtlinie ebenfalls ausdrücklich für notwendig befunden hat.
Insgesamt stellen sich die Festlegungen sohin als notwendig, geeignet und verhältnismäßig dar, um die Planungsinteressen und -ziele der Gemeinde Angath zu verwirklichen. Es wird der Beschwerdeführerin […] auch nicht verunmöglicht, den Stuckstadel wieder zu errichten, lediglich die Position bzw die Ausrichtung desselben müsste sich verändern.
[…] Abschließende rechtliche Bemerkungen
Wenn das antragstellende Landesverwaltungsgericht abschließend vermeint, dass es sich um eine unzulässige 'Anlassverordnungsgebung' handle, so ist diesbezüglich auszuführen wie folgt: Es ist der Rechtsordnung inhärent, dass sich diese im Wandel befindet. Aus diesem Grund besteht keinerlei Anspruch darauf, dass eine Gemeinde für ein Grundstück mangels Vorliegen eines Bebauungsplans noch nicht definierte Planungsziele normiert oder auch Bebauungspläne abändert, wenn sich die Planungsziele oder -interessen ändern. Der Verfassungsgerichtshof hat sogar im Falle wohlerworbener Rechte, worum es sich vorliegenden Fall jedoch gar nicht handelt, dargetan, dass keine Verfassungsvorschrift den Schutz dieser Rechte gewährleistet, so dass es in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetz- und Verordnungsgebers fällt, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (VfSlg 3665/1959;3768/1960; 3836/1960; Erk.v. , G255/86; JBl 1988, 442).
Wie bereits oben ausgeführt, lag es auch keinesfalls im Interesse des Verordnungsgebers, ein bestimmtes Bauvorhaben durch die Erlassung eines Bebauungsplans 'zu verhindern'; vielmehr besteht ein eminentes öffentliches Interesse daran, die vormals bestehende Sichtbehinderung des Stuckstadels ob Gst 701/4 KG Angath nicht erneut zu schaffen und damit eine Verkehrsbehinderung und Gefahrenquelle zu prolongieren. Wenn das Verwaltungsgericht behauptet, dass eine 'Anlassverordnungsgebung' vorliege, ist dem entgegenzuhalten, dass freilich bis zum Verschwinden des Stuckstadels keine Möglichkeit bestand, regulierend auf das Gst 701/4 KG Angath einzugreifen, weshalb erst nach dem Brandereignis vom überhaupt eine Bebauungsplanerlassung in Frage kam. Eine unzulässige Anlassverordnungsgebung liegt daher keinesfalls vor.
Im Hinblick auf die vom Landesverwaltungsgericht zitierte Bestimmung des §6 Abs10 iVm Abs11 TBO 2018 ist schließlich auszuführen, dass diese Normen einen ausdrücklichen Vorbehalt für die Wiederrichtung von zerstörten Gebäuden kennen, nämlich dass kein Widerspruch zu einem Bebauungsplan besteht (vgl §6 Abs10 litd TBO 2018). Darin kommt eindeutig zum Ausdruck, dass der Bauordnungsgesetzgeber das Planungsinteresse der Gemeinde über das Interesse des Bauwerbers stellt, ein zerstörtes Gebäude an der vorigen Stelle jedenfalls wieder zu errichten."
4. Die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht hat im verfassungsgerichtlichen Verfahren als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließt und unter anderem darauf hinweist, dass die Gemeinde Angath die von ihr als Missstand erachtete "gefährliche Engstelle" selbst geschaffen habe, indem sie noch im Jahr 1999 dem Besitzer des gegenüberliegenden Gebäudes erlaubt habe, so nahe an die Straße heranzubauen. Ferner gelte im Bereich des "Stuckstadls" bis heute keine Geschwindigkeitsbegrenzung und die Bewohner der in unmittelbarer Nähe gelegenen Wohnanlage hätten um den Wiederaufbau des Stadls als wirksame Tempobremse gebeten.
5. Die Tiroler Landesregierung hat die Bezug habenden Verordnungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung aber abgesehen.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Verordnung zweifeln ließe. Wie das Landesverwaltungsgericht Tirol zutreffend ausgeführt hat, hat es den angefochtenen Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" unmittelbar anzuwenden, "zumal er die Grundlage der […] bescheidmäßig verfügten Abweisung des Bauansuchens darstellt".
Der angefochtene Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" bezieht sich nur auf das im zugrunde liegenden Baubewilligungsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol betroffene Grundstück und ist somit zur Gänze präjudiziell. Der Hauptantrag auf Aufhebung des (gesamten) Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" ist daher zulässig.
1.3. Angesichts der Zulässigkeit des Hauptantrages erübrigt es sich, auf den Eventualantrag einzugehen.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist nicht begründet:
2.3. Das Landesverwaltungsgericht Tirol macht im Wesentlichen zwei Bedenken geltend: Erstens sei vor Erlassung des Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" keine hinreichende Grundlagenforschung durchgeführt worden. Zweitens seien die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers nicht hinreichend erkennbar; insbesondere sei nicht zu ersehen, auf welche allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 Tiroler Straßengesetz mit dem Verlauf der Straßenfluchtlinie Bedacht genommen werden sollte, und es seien keine Erhebungen durchgeführt worden, inwiefern die konkrete Festlegung der Baufluchtlinie im angefochtenen Bebauungsplan erforderlich sei.
2.4. Zum Vorbringen, dass im Hinblick auf den Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" keine hinreichende Grundlagenforschung durchgeführt worden sei:
2.4.1. Maßgeblich für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bebauungsplanes ist §54 Abs1 TROG 2016 idF LGBl 110/2019, demzufolge in den Bebauungsplänen unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme die verkehrsmäßige Erschließung und die Art der Bebauung des Baulandes, von Sonderflächen und von Vorbehaltsflächen festzulegen sind.
2.4.2. Ein Bebauungsplan entspricht diesen Kriterien nur dann, wenn ihm – ob vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen oder nicht (vgl VfSlg 15.011/1997) – eine entsprechende Grundlagenforschung vorangegangen ist. Die Grundlagenforschung hat im Allgemeinen aus Überlegungen zu bestehen, die die Grundlage für die jeweilige Planungsentscheidung bilden und als solche auch erkennbar und nachvollziehbar sind (zB VfSlg 14.537/1996, 19.075/2010).
2.4.3. Der Verfassungsgerichtshof sieht die Erfordernisse der hinreichenden Grundlagenforschung in Bezug auf den Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" als erfüllt an:
Aus den vorgelegten Akten der verordnungserlassenden Behörde und der Tiroler Landesregierung ergibt sich, dass die verordnungserlassende Behörde eine hinreichende Grundlagenforschung durchgeführt hat. In einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath am wurde anhand einer ersten raumordnungsfachlichen Beurteilung über die Absicht der Erlassung eines Bebauungsplanes für den Bereich des Grundstückes bzw eine Anpassung der Baufluchtlinien und eine Verbreiterung des Gehsteiges in diesem Zusammenhang diskutiert. Ferner wurde die Auflage eines Entwurfes eines Bebauungsplanes beschlossen, die von 25. September bis erfolgte. Innerhalb dieser Frist brachte die beteiligte Partei eine Stellungnahme ein. Am führte der Verkehrsausschuss der Gemeinde Angath im Rahmen einer Sitzung einen Lokalaugenschein beim Grundstück im Beisein eines Verkehrsplaners durch. Wie aus dem Sitzungsprotokoll hervorgeht, begrüßte der Verkehrsplaner eine Änderung der Baufluchtlinie um 2,5 m und schlug die Weiterführung eines leicht erhöhten Gehsteiges in diesem Bereich vor, um den Verkehrsfluss zu entschleunigen. Aus der in weiterer Folge überarbeiteten raumplanungsfachlichen Stellungnahme in der Fassung vom geht unter anderem hervor:
"Aus raumordnungsfachlicher Sicht ist Folgendes anzumerken:
Zum Zeitpunkt der Errichtung des Stadls vor rund 200 Jahren befand sich die Position vermutlich außerhalb des Dorfes an einem Weg nach Oberlangkampfen. Damals war das Planungsinstrument 'Raumordnung' noch nicht erfunden bzw notwendig.
Im Jahr 2017 befindet sich die bebaute Parzelle im zentralen Mittelteil der Siedlungsentwicklung in Angath, mitten im Bauland — Wohngebiet […].
Dass im Wohngebiet ein Stadl für Lagerzwecke errichtet wird, zählt wahrscheinlich zu den Ausnahmen im Bauverfahren. Ungeachtet dessen ist zu prüfen, ob die Wiedererrichtung des abgebrannten Gebäudes an derselben Stelle für die künftige Entwicklung in der Gemeinde richtig ist.
Bei Wiedererrichtung des Gebäudes ist ein gänzlicher Neubau zu erwarten, der jedenfalls mit dem ursprünglichen Gebäude nicht vergleichbar ist. Das Gebäude kann grundsätzlich wieder errichtet werden, jedoch wird empfohlen, cirka dieselben Abstände zur Straße festzulegen, wie dies bei anderen bestehenden Wohngebäuden im Ortsbereich ersichtlich ist.
In die Überlegung der Siedlungsentwicklung sind auch die Möglichkeiten aufzunehmen, dass anstelle des Stadls ein Wohngebäude errichtet wird, bzw dass der Stadl für Wohnzwecke ausgebaut werden könnte, wie auch dass das Grundstück veräußert werden könnte und gänzlich andere Bauvorhaben angestrebt werden könnten. Als essentiell wird die Möglichkeit der Wohnnutzung des Gebäudes gewertet.
Aus Sicht der örtlichen Raumplanung wird empfohlen, den Bebauungsplan dahingehend abzuändern. Nach mehreren Gesprächen mit der Grundeigentümerin und ihren Beratern konnte anfänglich eine gute Gesprächsbasis und weitgehend ein Konsens gefunden werden, der allerdings einige Wochen später wieder eher nicht mehr vorhanden war.
Durch den Brand des Stadls gilt dessen Bedeutung als historisches Gebäude in Angath, das jedoch nicht unter Denkmalschutz steht, als verloren. Die Holzkonstruktion ist augenscheinlich gänzlich zu erneuern, das Sockelmauerwerk, das in Stein gemauert wurde (im Gebäudeinneren sind auch Betonmauern zu erkennen), zeigt Schäden durch die Hitzeeinwirkung, sodass die bautechnische Empfehlung lauten müsste, auch dieses komplett zu erneuern.
Dass Gebäude immer am selben Standort verbleiben müssen, wurde durch die spektakuläre hydraulische Verschiebung einer Kapelle in […] widerlegt, die auf Grund einer Straßenverbreiterung in ihrer Lage deutlich verändert wurde. Es wird zwar zu keiner hydraulichen Verschiebung in Angath kommen, jedoch soll das Beispiel nur aufzeigen, dass Veränderungen nicht gleichzeitig Verschlechterungen bedeuten.
Abschließend ist zu vermerken, dass alle relevanten Aspekte, Sachverhalte, Hinweise und Festlegungen gründlich durchdacht und abgewogen wurden.
Der Stadl ist grundsätzlich auf dem Grundstück wieder errichtbar, jedoch nicht mehr an derselben Stelle. Um die Fahrbahn verbreitern zu können wird empfohlen, die Hecke bei Gst.Nr 700/1 auf das Maß der Grundgrenze zurückzuschneiden. Die Aufweitung des Straßenraumes wird für die Verbreiterung des Gehsteiges und die Herstellung einer Hochbordkante anstelle des derzeit abgesenkten Bordsteines für zulässig erachtet."
In einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath vom wurde über einen überarbeiteten Entwurf des Bebauungsplanes (Erhöhung des höchsten Punktes der Bebauung, Begradigung der Baufluchtlinie, keine Änderung der Baumassendichte) diskutiert. Im Anschluss daran wurde die (verkürzte) Auflage des geänderten Entwurfes beschlossen ( bis ) und gleichzeitig ein Beschluss über die Erlassung des Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" mit der Bedingung gefasst, dass dieser nur rechtswirksam werde, wenn innerhalb der Auflegungs- und Stellungnahmefrist keine Stellungnahme abgegeben werde. Nachdem von der beteiligten Partei innerhalb dieser Frist eine Stellungnahme eingebracht wurde, war der Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" erneut Gegenstand einer Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Angath am . Darin wurde auf eine nochmalige Prüfung des Sachverhaltes durch den raumordnungsfachlichen Sachverständigen verwiesen, die keine Neuerungen des Sachverhaltes ergeben habe, und die Erlassung des Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" beschlossen.
2.4.4. Eine verkehrstechnische Stellungnahme wurde erst am eingeholt, somit nach der Beschlussfassung des angefochtenen Bebauungsplanes, und ist daher für die Beurteilung unbeachtlich, ob eine hinreichende Grundlagenforschung erfolgte. Jedoch ergeben sich bereits aus den der Beschlussfassung vorangegangenen Sitzungen des Gemeinderates, dem Lokalaugenschein im Rahmen der Sitzung des Verkehrsausschusses in Anwesenheit eines Verkehrsplaners sowie der adaptierten raumordnungsfachlichen Stellungnahme hinreichend jene Überlegungen, die die Grundlage für die Erlassung des angefochtenen Bebauungsplanes "Winklweg-Embacher" bilden.
2.5. Zum Vorbringen, dass im Hinblick auf den Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" die Entscheidungsgrundlagen nicht hinreichend erkennbar seien (insbesondere, dass nicht zu ersehen sei, auf welche allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 Tiroler Straßengesetz mit dem Verlauf der Straßenfluchtlinie Bedacht genommen werden sollte bzw inwiefern die konkrete Festlegung der Baufluchtlinie im angefochtenen Bebauungsplan erforderlich sei):
2.5.1. Gemäß §58 Abs2 TROG 2016 idF LGBl 101/2016 sind Straßenfluchtlinien unter Bedachtnahme auf die allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 des Tiroler Straßengesetzes festzulegen (Sicherstellung der gefahrlosen Benützung; Gewährleistung von Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs; Vermeidung von Beeinträchtigungen angrenzender Grundstücke sowie von Gefährdungen von Nachbarn, soweit dies wirtschaftlich vertretbar ist; Übereinstimmung mit Zielen der Raumplanung). Gemäß §59 Abs2 TROG 2016 idF LGBl 144/2018 sind Baufluchtlinien so festzulegen, dass das Orts- und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden und eine ausreichende Belichtung und Belüftung der straßenseitig gelegenen Räume gewährleistet ist.
2.5.2. Wenn – wie hier – das Gesetz die vom Verordnungsgeber zu erlassende Planungsnorm nur final, dh im Hinblick auf bestimmte zu erreichende Planungsziele determiniert, müssen Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sein (vgl VfSlg 8280/1978, 10.711/1985, 12.926/1991, 17.057/2003, 17.224/2004, 20.081/2016).
2.5.3. Die Entscheidungsgrundlagen für die Erlassung der angefochtenen Verordnung sind von der Gemeinde wiederholt erörtert worden und sind in hinreichendem Maß erkennbar. Insbesondere gehen sie aus den Erläuterungen zur raumordnungsfachlichen Stellungnahme zum Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" hervor (ohne Hervorhebungen im Original):
"Die Erlassung dieses Bebauungsplanes dient zur Steuerung der Gebäudesituierung, der Festlegung von Baudichten und Bauhöhen für künftig am Grundstück zu errichtende Gebäude.
[…]
Planungsziel
Die einheimische Eigentümerin beabsichtigt, den auf dem Grundstück niedergebrannten Stadl an derselben Stelle mit vorläufig ungeänderter Nutzung (Lager) wieder zu errichten.
Ungeachtet der verkehrlichen Situation, die ein technisches Büro mit entsprechender Befugnis zu prüfen hat, wird raumordnungsfachlich empfohlen, einen Bebauungsplan zu erlassen, in dem die Abstände allfälliger Gebäude von den Grundgrenzen, wie auch die künftig möglichen Gebäudehöhen und Baudichten geregelt werden.
Planentwurf
Auf dem Bauplatz, der als Wohngebiet §38 (1) TROG gewidmet ist und der ein Ausmaß von ca 595m2 hat, können natürlich auch Wohngebäude errichtet werden, wodurch sich raumordnungsfachliche Mindestanforderungen und Grundsatzüberlegungen für Bebauungen am Grundstück ergeben haben.
Der Bebauungsplan sieht nun eine Aufweitung des Straßenraumes vor zwecks Errichtung eines Gehsteiges mit Hochbordkante. Die Fahrbahn soll nicht verbreitert werden.
Es wurden Festlegungen getroffen, die eine geordnete Bebauung durch Wohngebäude mit Nebengebäuden ermöglicht. Das bis Ende April bestehende Lagergebäude kann nicht mehr an derselben Stelle situiert werden.
[…]
Straßenfluchtlinie: Die Straßenfluchtlinie wurde entlang der südöstlichen Grundgrenze im Abstand von ca 0,90m festgelegt, sodass sich eine Gesamtstraßenbreite von 6,0m ergibt. Auf der südwestlichen Seite wurde die Straßenfluchtlinie an der Straßengrundgrenze festgelegt.
Baufluchtlinie: Lt. Plan, im Wesentlichen im Abstand von 2,50m und 4,0m parallel zu den Straßenfluchtlinien.
[…]
Aus Sicht der örtlichen Raumplanung besteht gegen die Erlassung dieses Bebauungsplanes kein Einwand. Die Aufgabe der Örtlichen Raumordnung ist ua die Steuerung der baulichen Entwicklung in den Gemeinden. Dafür wurden verschiedene Planungsinstrumente wie eben zB der Bebauungsplan eingeführt.
Nutzungskonflikte sind nicht zu erwarten. Die Festlegungen im Bebauungsplan entsprechen einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung in der Gemeinde.
Der Stadl ist grundsätzlich auf dem Grundstück wieder errichtbar, jedoch nicht mehr an derselben Stelle. Um die Fahrbahn verbreitern zu können wird empfohlen, die Hecke bei Gst.Nr 700/1 auf das Maß der Grundgrenze zurückzuschneiden.
Wie schon erwähnt, ist die Aufweitung des Straßenraumes für die Verbreiterung des Gehsteiges und die Herstellung einer Hochbordkante zulässig."
2.5.4. Aus diesen Erläuterungen lassen sich zum einen die Entscheidungsgrundlagen für die konkrete Festlegung der Baufluchtlinie einschließlich der Interessenabwägung erkennen (Aufweitung des Straßenraumes für die Verbreiterung des Gehsteiges und die Herstellung einer Hochbordkante bei gleichzeitiger Ermöglichung der Wiedererrichtung des Stadels an anderer Stelle am Grundstück). Zum anderen kann der Verfassungsgerichtshof vor dem Hintergrund dieser Entscheidungsgrundlagen nicht erkennen, dass durch die Festlegung der Straßenfluchtlinie im angefochtenen Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" auf die allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 Tiroler Straßengesetz nicht hinreichend Bedacht genommen worden wäre.
2.6. Im Übrigen macht der Umstand, dass die Änderung bzw Erlassung eines Bebauungsplanes im Hinblick auf ein konkretes Vorhaben erfolgt, diesen nicht per se gesetzwidrig (vgl VfSlg 14.757/1997, 15.933/2000, 17.224/2004; ).
2.7. Da im Hinblick auf den angefochtenen Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" eine hinreichende Grundlagenforschung durchgeführt wurde und die relevanten Entscheidungsgrundlagen in ausreichendem Maß erkennbar sind, ist der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Tirol abzuweisen.
V. Ergebnis
1. Die vom Landesverwaltungsgericht Tirol ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Angath vom , kundgemacht an der Amtstafel vom 30. Mai bis , erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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Normen | B-VG Art139 Abs1 Z1 Tir RaumOG 2016 §54, §56, §57, §58, §59 Tir StraßenG §37 Bebauungsplan "Winklweg-Embacher" des Gemeinderats der Gemeinde Angath vom VfGG §7 Abs2 |
Schlagworte | Bebauungsplan, Bebauungsvorschriften, Straßenverlaufsfestlegung, Raumordnung, Raumplanung örtliche, Determinierungsgebot, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, Grundlagenforschung, Verordnungserlassung, Planungsakte Verfahren |
ECLI | ECLI:AT:VFGH:2022:V48.2021 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-88510