VfGH 02.07.2009, G248/07
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag ABGB §279 Abs5 idF Sachwalterrechts-ÄnderungsG 2006 BudgetbegleitG 2009 Art4, Art16 |
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Entscheidungstext
Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des ABGB betreffend die Begrenzung der Übernahme von Sachwalterschaften wegen Außer-Kraft-Tretens der angefochtenen Bestimmung durch das Budgetbegleitgesetz 2009
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Antragstellerin ist - nach eigenen Angaben - in
zahlreichen Pflegschaftsverfahren zum Sachwalter bestellt worden. Sie behauptet im Wesentlichen, dass die mit dem Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 - SWRÄG 2006, BGBl. I 92, in §279 Abs5 ABGB für jeden Sachwalter vorgenommene Begrenzung von Sachwalterschaften, die nicht von Rechtsanwälten, Notaren oder geeigneten Vereinen übernommen werden, mit fünf gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art2 StGG) sowie auf gleiche Zugänglichkeit zu öffentlichen Ämtern (Art3 StGG) verstoßen würde. Mit ihrem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt sie,
1. die Wortfolge "- ausgenommen ein geeigneter Verein -" sowie das erstmalige Vorkommen des Wortes "nicht" in §279 Abs5 ABGB,
2. in eventu den ersten Halbsatz des zweiten Satzes des §279 Abs5 ABGB,
3. in eventu den zweiten Satz des §279 Abs5 ABGB, jeweils in der Fassung des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006 - SWRÄG 2006, BGBl. I 92,
als verfassungswidrig aufzuheben.
Zur Zulässigkeit ihres Antrages führt die Antragstellerin auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass die bekämpfte Gesetzesstelle in ihre Rechte nachteilig eingreife, weil sie seit nicht mehr als fünf Sachwalterschaften übernehmen dürfe. Sie sei bei Ausübung ihrer Tätigkeit an die Regelung des §279 Abs5 ABGB gebunden und insoweit Normadressatin. Der Eingriff in ihre Rechte werde unmittelbar durch die angefochtene Bestimmung bewirkt, weil eine Entscheidung einer Behörde oder eines Gerichtes nicht erforderlich sei. Im Übrigen sei der Eingriff eindeutig bestimmt und ihre dadurch bewirkte Beeinträchtigung aktuell. Ein zumutbarer Weg zur Herantragung der Bedenken an den Verfassungsgerichtshof bestünde insoweit nicht, als sich der ex lege eintretende "Verlust der Möglichkeit der Übernahme von weiteren Sachwalterschaften" jedenfalls weder im Verwaltungs- noch im Gerichtswege abwenden ließe, zumal auch eine Ausnahmegenehmigung an keiner Stelle vorgesehen sei.
2.1. §279 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS 946/1811 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I 92/2006, in Kraft getreten mit (ArtX §3 SWRÄG 2006), lautete auszugsweise (die angefochtene Regelung ist hervorgehoben):
"Besondere Vorschriften für die Sachwalterschaft
a) Auswahl des Sachwalters;
§279. (1) Bei der Auswahl des Sachwalters ist besonders auf die Bedürfnisse der behinderten Person und darauf Bedacht zu nehmen, dass der Sachwalter nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung zu einer Krankenanstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung steht, in der sich die behinderte Person aufhält oder von der sie betreut wird. Wünsche der behinderten Person, insbesondere solche, die sie vor Verlust der Geschäftsfähigkeit und Einsichts- und Urteilsfähigkeit geäußert hat (Sachwalterverfügung), und Anregungen nahe stehender Personen sind zu berücksichtigen, sofern sie dem Wohl der behinderten Person entsprechen.
(2) - (4) ...
(5) Eine Person darf nur so viele Sachwalterschaften übernehmen, wie sie unter Bedachtnahme auf die Pflichten eines Sachwalters, insbesondere jene zur persönlichen Kontaktnahme, ordnungsgemäß besorgen kann. Eine Person - ausgenommen ein geeigneter Verein - darf insgesamt nicht mehr als fünf, ein Rechtsanwalt oder Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften übernehmen; Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bleiben dabei außer Betracht."
2.2. Mit Art4 (2. Hauptstück, 1. Abschnitt) des Budgetbegleitgesetzes 2009, BGBl. I 52, wurde §279 Abs5 zweiter Satz ABGB wie folgt geändert:
"Es wird vermutet, dass eine Person - ausgenommen ein geeigneter Verein - insgesamt nicht mehr als fünf, ein Rechtsanwalt oder Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften übernehmen kann; Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bleiben dabei außer Betracht."
2.3. Art16 des Budgetbegleitgesetzes 2009 trifft hinsichtlich des In-Kraft-Tretens dieser Neufassung der angefochtenen Bestimmung folgende Regelung:
"Artikel 16
Inkrafttreten, Schluss- und Übergangsbestimmungen
zum 1. Abschnitt
(1) Die Art4, 5, 6, 7, 8, 10, 11, 12, 14 und 15 treten, soweit nichts anderes angeordnet ist, mit in Kraft.
(2) Art4 (§279 Abs5 ABGB) in der Fassung dieses Bundesgesetzes ist ab dem auf die Kundmachung dieses Bundesgesetzes folgenden Tag anzuwenden. Zudem hat das Gericht in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen, ob anstelle eines Sachwalters, der die Voraussetzungen des §279 Abs5 ABGB nicht erfüllt, ein anderer Sachwalter in Betracht kommt. Bis zum sollen tunlichst alle Sachwalter diese Voraussetzungen erfüllen.
(3) - (13) ..."
II. Der Antrag ist unzulässig:
1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
2. Die Antragslegitimation ist im vorliegenden Fall - gemessen an den soeben genannten Kriterien - nicht gegeben:
2.1. Wie unter Pkt. I.2.3. dargelegt, ist die angefochtene Bestimmung des §279 Abs5 zweiter Satz ABGB idF des SWRÄG 2006 durch das am ausgegebene Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl. I 52, jedenfalls mit Wirkung vom zur Gänze ersetzt worden und damit außer Kraft getreten.
Eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getretene Norm entfaltet aber für die Rechtssphäre des Antragstellers in der Regel nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist vielmehr mit ihrem Außer-Kraft-Treten schon erreicht (vgl. zB VfSlg. 16.618/2002 mwN, 17.400/2004, 17.653/2005).
2.2. Wegen des zwischenzeitigen Außer-Kraft-Tretens der angefochtenen Vorschrift fehlt der Antragstellerin daher insoweit die - auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erforderliche - aktuelle Betroffenheit und damit schon aus diesem Grund die Legitimation zur Anfechtung der Norm.
3. Der Antrag (einschließlich der gestellten Eventualanträge) war daher zurückzuweisen, was ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).
Zusatzinformationen
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Normen | B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag ABGB §279 Abs5 idF Sachwalterrechts-ÄnderungsG 2006 BudgetbegleitG 2009 Art4, Art16 |
Sammlungsnummer | 18837 |
Schlagworte | VfGH / Individualantrag, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Zivilrecht, Sachwalterbestellung |
ECLI | ECLI:AT:VFGH:2009:G248.2007 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-84946