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VfGH 19.03.1974, G1/74

VfGH 19.03.1974, G1/74

Rechtssatz


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Normen
Rechtssatz
Die im § 17 Abs. 6 Finanzstrafgesetz BGBl. 129/1958, enthaltenen Worte : "Sie ihr Recht schon vor der Tat erworben haben" werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Der VfGH hat in seinem Erk. Slg. 4258/1962 die im § 17 Abs. 5 FinStrG enthaltene Regelung über den Verfall von Beförderungsmitteln, die in fremdem Eigentum stehen, als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. Er hat hiezu ausgeführt, daß das Gesetz den Verfall solcher Beförderungsmittel nicht schon dann anordnet, wenn ein bloß objektiver Zusammenhang mit der Tat vorliegt, sondern ein Verschulden des Eigentümers an der Verwendung des Beförderungsmittels zur Begehung des Finanzvergehens verlange; es sei verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber ein schuldhaftes Verhalten eines Eigentümers, der die Begehung von Finanzdelikten ermöglicht, mit der Sanktion des Vermögensverlustes belege. An diesen grundsätzlichen Erwägungen hält der VfGH fest. Aus ihnen folgt für den vorliegenden Gesetzesprüfungsfall, daß es dem Gleichheitsgebot widerspricht, mit der Rechtsfolge des Erlöschens von Pfandrechten und Retentionsrechten an einem wegen eines Finanzvergehens verfallsbedrohten Gegenstand unterschiedslos sowohl solche Personen zu belasten, die ein Verschulden an der Verwendung des Gegenstandes zu dem Finanzvergehen trifft, als auch solche, bei denen ein solches Verschulden nicht vorliegt.

Im allgemeinen genügt die bloße Möglichkeit, ein Recht oder Rechtsverhältnis leicht vorzutäuschen, nicht, um eine dieses Recht oder Rechtsverhältnis (ausnahmslos) nicht anerkennende Regelung zu rechtfertigen. Es ist aber verfehlt, diesen Grundsatz unter Hinweis auf das hg. Erk. Slg. 5252/1966 auf das Abgabenrecht zu beschränken und die im FinStrG getroffene Regelung hievon auszunehmen. Der erwähnte Grundsatz ist nämlich aus dem Gleichheitsgebot abzuleiten und beherrscht daher die gesamte Rechtsordnung (vgl. in diesem Zusammenhang z. B. das im Bereich des Sozialversicherungsrechtes ergangene hg. Erk. Slg. 5319/1966) . Entgegen der Annahme der Bundesregierung kann nicht davon die Rede sein, daß eine von der Lebenserfahrung auf dem in Betracht kommenden Gebiet ausgehende pauschalierende Regelung vorliegt, die bloß in Einzelfällen zu Härten führt. Es geht nämlich nicht an, ein Verhalten, das das FinStrG durch einen besonderen Tatbestand (§ 249) unter gerichtliche Strafsanktion stellt, als den Regelfall anzusehen. Wenn die Bundesregierung schließlich darauf hinweist, daß die vorliegende Regelung im Ergebnis einer solchen entspreche, die den Untergang des Eigentumsrechtes bereits an den Zeitpunkt der Begehung des Finanzvergehens knüpft, so geht sie von einer fiktiven Gesetzeslage aus, deren Verfassungsmäßigkeit sie keineswegs dartut, sondern bloß voraussetzt. Die von der Bundesregierung fingierte Gesetzeslage könnte im einzelnen durchaus unterschiedlich gestaltet sein; es ist nicht möglich, eine solche Regelung verfassungsrechtlich zu beurteilen, da dies nur an Hand des konkreten Inhaltes erfolgen könnte. Schon aus diesem Grund muß also auch das Bemühen der Bundesregierung scheitern, die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung stehenden Vorschrift durch den angestellten Vergleich mit einer fiktiven Gesetzeslage nachzuweisen.

Entscheidungstext

Beachte

Metadaten: DVD Recht compact, Verlag Österreich, Wien 2014 - Judikaturquelle (PDF): Sammlung der Erkenntnisse [und wichtigsten Beschlüsse] des Verfassungsgerichtshofes NF 1–32 (1920–1932/33, 1945/46–1967) / Erkenntnisse und Beschlusse des Verfassungsgerichtshofes NF 33–44 (1968–1979)

Spruch

Siehe PDF-Dokument

Begründung

Siehe PDF Dokument

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
7286
Schlagworte
Finanzen Strafsachen Gleichheitsrecht Verfassungsgerichtshof Art. 140 B-VG
ECLI
ECLI:AT:VFGH:1974:G1.1974
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-84774