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VfGH 14.03.1961, B52/60

VfGH 14.03.1961, B52/60

Rechtssatz


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Normen
Rechtssatz
Das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG) , BGBl. Nr. 45, spricht von "Abgaben" und von "öffentlichen Abgaben" , ohne diesen Begriff zu definieren. Aus {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 3, § 3 Abs. 1 F-VG}, demzufolge es Sache der Bundesgesetzgebung ist, die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge zwischen dem Bund und den Ländern (Gemeinden) zu regeln, aus {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 7, § 7 Abs. 1 F-VG}, nach welchem die Bundesgesetzgebung die Bundesabgaben regelt, und aus {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 8, § 8 Abs. 1 F-VG}, nach welchem die ausschließlichen Landesabgaben (Gemeindeabgaben) durch die Landesgesetzgebung geregelt werden, ist mangels einschränkender Bestimmungen zu schließen, daß der Verfassungsgesetzgeber bei der Bestimmung, was als Abgabe zu gelten hat, dem einfachen Bundesgesetzgeber und Landesgesetzgeber weitgehende Vollmachten eingeräumt hat. Nach § 2 FAG 1959, BGBl. Nr. 97, der die ausschließlichen Bundesabgaben aufzählt, fallen darunter auch die Stempelgebühren und Rechtsgebühren, die Konsulargebühren, die Punzierungsgebühren, die Gerichtsgebühren und Justizverwaltungsgebühren sowie alle sonstigen Gebühren und gebührenartigen Einnahmen der einzelnen Zweige der unmittelbaren Bundesverwaltung, die Einfuhrzölle und Ausfuhrzölle samt den im Zollverfahren auflaufenden Kostenersätzen und Gebühren sowie Monopolabgaben. § 9 Abs. 1 FAG 1959 zählt zu den Abgaben (den ausschließlichen Landesabgaben (Gemeindeabgaben)) neben "Mauten" (Z. 6) die "Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern" (Z. 15) und "Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und Gemeindeanlagen" (Z. 16) . Unter " Abgaben" werden daher vom FAG 1959 die Allgemeinen Abgaben (Steuern , die speziellen Abgaben (Gebühren) und schließlich auch Beiträge verstanden, die ihre Begründung in Vorteilen finden, die durch Gemeindeanlagen für gewisse Gruppen von Grundstücken und Gebäuden entstehen. Dieser weite Abgabenbegriff verstößt gegen keine Bestimmung des F-VG.

Dem F-VG kann nur entnommen werden, daß "Abgaben" unter Zwang vorgeschriebene Geldleistungen zum Gegenstand haben müssen, so daß Vorschriften über eine Erbringung von Sachleistungen (Naturalabgaben oder von Dienstleistungen nicht unter die Materie "Abgabenwesen" (so Überschrift des II. Abschnittes des F-VG) bzw. "Finanzwesen" (so {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 1, § 1 F-VG}) fallen, und weiterhin, daß über den Ertrag der Abgaben Gebietskörperschaften zu verfügen haben. Ansonsten ist der zuständige Gesetzgeber bei der Erlassung von Abgabegesetzen durch keinen verfassungsrechtlich festgelegten Abgabebegriff beengt.

Ein Rechtssatz, daß der Gesetzgeber nur zur Regelung solcher Abgaben zuständig sei, deren Ertrag zur Bestreitung jenes Aufwandes dient, für den die in Betracht kommende Gebietskörperschaft nach der Kompetenzverteilung aufzukommen hat, kann dem F-VG nicht entnommen werden. Nach dem F-VG ist für die Zuständigkeit allein die Ertragshoheit, d. h. das Recht, über die Abgabenbeträge zu verfügen, entscheidend, unmaßgeblich ist somit die Art, in der die verfügungsberechtigte Gebietskörperschaft späterhin über die Abgabenbeträge verfügt.

Nach {Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 7, § 7 Abs. 2 F-VG} ist es der Bundesgesetzgebung vorbehalten, Abgaben zu ausschließlichen Bundesabgaben (§ 6 Z 1) oder zwischen Bund und Ländern (Gemeinden) geteilten Abgaben ({Strafprozeßordnung 1975 § 6, § 6 Z 2 lit}. a-c zu erklären und Abgaben oder deren Ertrag ausschließlich den Ländern (Gemeinden) zu überlassen (§ 6 Z. 3, Z 4 lit. a-c, Z 5 . Die letztere Gruppe (ausschließliche Landesabgaben ( Gemeindeabgaben) : § 8 Abs. 1 F-VG und Überschrift zu § 9 FAG) wird im § 9 FAG in einer bloß demonstrativen Aufzählung umschrieben. Die Bundesgesetzgebung hat damit grundsätzlich auch andere, im § 9 FAG nicht aufgezählte Abgaben (deren Ertrag) ausschließlich den Ländern (Gemeinden) überlassen, woraus sich das Recht zu ihrer landesgesetzlichen Regelung ergibt ({Finanz-Verfassungsgesetz 1948 § 8, § 8 Abs. 1 F-VG}) . Allerdings sind hiebei die Bestimmungen des § 8 Abs. 3 und Abs. 4 F-VG einzuhalten.

Die Meinung, daß die Ausgleichsabgabe gemäß § 41 Wiener Garagengesetz, LGBl. Nr. 22/1957, keine Abgabe i. S. des F-VG sei, weil sie nur für den Fall eingehoben wird, als der Pflichtige nicht eine ihm primär auferlegte Leistung erbringt, ist nicht richtig.

Diese Subsidiarität schließt das Vorliegen einer Abgabe keineswegs aus. Die fehlende oder nicht vollständige Erfüllung der Verpflichtung zur Schaffung von Einstellplätzen ist lediglich eine Voraussetzung für die unbedingte, vom Willen des Pflichtigen unabhängige Geldleistungsverpflichtung. Anderes wäre rechtens, wenn sich ein Sachleistungspflichtiger von der Naturalleistung durch eine Geldleistung lösen könnte: einer solchen Geldleistung würde der Zwangscharakter abgehen. Aus dem Inhalt der Voraussetzungen einer Abgabepflicht kann niemals die Abgabeneigenschaft der Geldleistung verneint werden. Es ist daher für die Beurteilung der Ausgleichsabgabe als Abgabe i. S. des F-VG gleichgültig, daß ein Bauwerber, der die Verpflichtung des Gesetzes zur Schaffung von Einstellplätzen erfüllt, keine Ausgleichsabgabe zu entrichten hat, denn dann ist eben für ihn der die Abgabepflicht begründende Tatbestand nicht gegeben. § 41 ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

Die Regelung des § 41 Wr. GarG, LGBl. Nr. 22/1957, widerspricht nicht dem Gleichheitsgrundsatz. Das Gesetz geht davon aus, daß alle, die durch Bauten den Verkehr vermehren, verpflichtet sind, die der Allgemeinheit dadurch erwachsende Last zu vermindern. Wenn es im weiteren zwischen jenen unterscheidet, die in der Lage sind, den Mehrbedarf an Parkmöglichkeiten durch Schaffung von Einstellplätzen oder Garagen auszugleichen, und jenen, die hiezu nicht in der Lage sind, so werden hiebei Unterschiede berücksichtigt, die in der Natur der Sache liegen. Es wird somit nicht Zusammengehörendes sachfremd getrennt, es wird vielmehr i. S. des Gleichheitsgrundsatzes Verschiedenes verschieden geregelt. Jeder, der baut und keine Einstellplätze (Garagen) errichtet, wird gleich behandelt.

Entscheidungstext

Beachte

Metadaten: DVD Recht compact, Verlag Österreich, Wien 2014 - Judikaturquelle (PDF): Sammlung der Erkenntnisse [und wichtigsten Beschlüsse] des Verfassungsgerichtshofes NF 1–32 (1920–1932/33, 1945/46–1967) / Erkenntnisse und Beschlusse des Verfassungsgerichtshofes NF 33–44 (1968–1979)

Spruch

Siehe PDF-Dokument

Begründung

Siehe PDF Dokument

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
3919
Schlagworte
Finanzen Abgaben Begriff Abgabenteilung Wiener Garagengesetz Gleichheitsrecht Gesetz
ECLI
ECLI:AT:VFGH:1961:B52.1961
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-84351