Aufhebungsvertrag, Kauf, Rückabwicklung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. P. H in der Beschwerdesache Bf.. NN. und ***Bf1***, vertreten durch Dr. Vn. B., Rechtsanwalt, Str*9*, PLZ Ort, über die Beschwerden vom , eingelangt am , gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich - Dienststelle Sonderzuständigkeiten) vom betreffend die Abweisung der Anträge auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) 1987 und gegen die Bescheide vom betreffend Festsetzung der Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden gegen die Bescheide über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Grunderwerbsteuer für Bf.. NN. wird in Höhe von Euro 8.750,00 festgesetzt.
Die Grunderwerbsteuer für ***Bf1*** wird in Höhe von Euro 4.375,00 festgesetzt.
Im Übrigen werden die Beschwerden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführer ***Bf1*** und Bf.. NN. waren zu einem und zu zwei Dritteln grundbücherliche Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***4*** KG ***5*** ***6***. Dabei handelt es sich um einen land- und forstwirtschaftlichen Besitz.
Auf der Liegenschaft hafteten im Grundbuch (C-Blatt, Lastenblatt) Pfandrechte für Kredite zugunsten der Bank aus.
Verkaufsvollmacht:
Die Beschwerdeführer errichteten eine Verkaufsvollmacht zu Gunsten der Bank, mit der der Bank das Recht eingeräumt wurde, die Liegenschaft EZ ***4*** KG ***5*** ***6*** zu verkaufen. Die Vollmacht war mit drei Jahren befristet und diente zur Sicherstellung für bestehende Kredite.
Kaufvertrag vom :
Mit Kaufvertrag vom wurde die Liegenschaft EZ ***4*** KG ***5*** an die Fa. I GmbH, FB Nr. ***1***, durch die Bank verkauft. Der Kaufpreis wurde in Höhe von Euro 1,100.000,00 vereinbart. Der Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) wurde im Jahr 2017 grundbücherlich durchgeführt und wurde die GmbH grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft.
Klage beim Landesgericht, Verfahren ***8***:
Am brachten die Beschwerdeführer eine Klage auf Aufhebung des Kaufvertrages beim Landesgericht ein (Streitwert: Euro 1,100.000,00). Zum Sachverhalt wurden die Miteigentumsverhältnisse dargestellt und ausgeführt, dass die Bank beim Bezirksgericht im Wege eines prätorischen Vergleiches einen Titel gegenüber den Beschwerdeführern erworben hat.
Die Klage wurde damit begründet, dass der beklagten Partei (Käuferin, GmbH) bei verkehrsüblicher Sorgfalt auffallen hätte müssen, dass der Kaufpreis weit unter dem Verkehrswert der Liegenschaft liegt. Daher werde das Vorliegen eines Irrtums auf Verkäuferseite als Anfechtungsgrund angeführt.
Der Verkehrswert der Liegenschaft liege in Höhe von etwa 2,500.000,00 Euro. Der Kaufpreis entspreche somit nicht der Hälfte des gemeinen Wertes im Sinne des § 934 ABGB. Aufgrund dieses objektiven Wertmissverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 934 ABGB vor, sodass dem verkürzten Vertragsteil auch aus diesem Grund ein Anfechtungsrecht zustehe. Der Verkehrswert wurde mittels zweier Gutachten belegt.
Die Parteien vereinbarten im Zivilprozess beim Landesgericht die Rückabwicklung des Kaufvertrages und einfaches Ruhen des Verfahrens.
Aufhebungsvertrag vom :
Die Käuferin wurde in R. GmbH umbenannt. Mit Aufhebungsvertrag vom hoben die Vertragsparteien den Kaufvertrag vom auf. Die Beschwerdeführer verpflichteten sich gegenüber der GmbH zur Zahlung des Kaufpreises und der zusätzlich angefallenen Aufwendungen in Höhe von insgesamt Euro 1,475.000,00.
Festgehalten wurde, dass es zu einer tatsächlichen Übernahme und Übergabe nicht gekommen ist und die Liegenschaft weiterhin von den Verkäufern bewirtschaftet, genutzt und bewohnt werde (Punkt IV.).
In Punkt X. des Aufhebungsvertrages erteilten die Vertragsparteien ihre ausdrückliche Einwilligung, dass über Ansuchen auch nur eines Vertragspartners im Grundbuch die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Bf.. NN. zu zwei Dritteln und des ***Bf1*** zu einem Drittel vorgenommen werden kann.
Die Vertragsparteien hielten unter Punkt XI . fest, dass mit Abschluss dieses Aufhebungsvertrages sämtliche wechselseitigen Forderungen im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag vom bereinigt und verglichen sind, dies auch in Ansehung der klagsweise geltend gemachten Forderung der Verkäufer als Kläger im Verfahren beim Landesgericht, sodass in diesem Verfahren das vereinbarte "einfache Ruhen in ewiges Ruhen" übergehen kann.
Übergabsvertrag vom :
Die Beschwerdeführer übertrugen vor Abschluss des Aufhebungsvertrages mit Übergabsvertrag vom die Liegenschaft an ihre Tochter, A NN.. Der Übergabsvertrag war aufschiebend bedingt unter der Bedingung der Rückabwicklung abgeschlossen worden. In der Präambel hielten die Vertragsparteien fest:
"Die R. GmbH (FN ***1***) hat mit Kaufvertrag vom von den Übergebern der Liegenschaft EZ ***4*** KG ***5*** ***6*** erworben.
…"
"Die R. GmbH und die Übergeber haben sich außergerichtlich nunmehr darauf verständigt, den Kaufvertrag rückabzuwickeln.Aus diesem Grund wurde im Verfahren ***2*** beim Landesgericht einfaches Ruhen vereinbart.Die Rückabwicklung wird durch vertragliche Aufhebung des Kaufvertrages vom vollzogen. Im Zuge der Rückabwicklung werden ob der Liegenschaft EZ ***4*** KG ***5*** ***6*** die ursprünglichen Eigentumsverhältnisse wiederhergestellt. Demnach ist die Übergeberin Bf.. NN. zu 2/3 Anteilen und der Übergeber ***Bf1*** zu 1/3 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***4*** KG ***5***."
Kaufvertrag vom :
Die Übernehmerin hat mit Kaufvertrag vom Parzellen aus der Liegenschaft an die A. P GmbH zum Kaufpreis in Höhe von Euro 1,740.000,00 verkauft.
Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer vom :
Mit Schriftsatz vom teilten die Beschwerdeführer mit, dass der abgeschlossene Kaufvertrag vom mit Vertrag vom aufgehoben worden sei.
Im vereinbarten Betrag iHv Euro 1,475.000,00 seien all jene Kosten und Auslagen enthalten, die im Zuge des Abschlusses und der Verbücherung dieses Vertrages auf Seiten der Käuferin, der R. GmbH, angefallen sind. Dem Abschluss sei ein gerichtliches Verfahren vorangegangen, in dessen Zuge die Aufhebung des Vertrages vereinbart worden sei.
Beantragt werde die Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG 1987 in Ansehung des Aufhebungsvertrages; zumal der seinerzeitige Erwerbsvorgang aufgrund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht worden sei.
Bescheide über die Abweisung des Antrages auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG 1987:
Das Finanzamt wies mit angefochtenen Bescheiden vom die Anträge auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer als unbegründet ab. Rechtlich führte das Finanzamt in der Begründung aus:
"Rückgängig gemacht im Sinne des § 17 GrEStG ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt, die er vor Vertragsabschluss innehatte (vgl. ; ; ).
Eine Rückgängigmachung liegt nur dann vor, wenn der Verkäufer wieder die volle wirtschaftliche Verfügungsmacht erhält. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben, da bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages die Liegenschaft übergeben wurde und in weiterer Folge, ebenfalls vor Abschluss des Aufhebungsvertrages, von der Übernehmerin Grundstücke dieser Liegenschaft verschenkt und verkauft wurden. Der Antrag nach § 17 GrEStG ist daher abzuweisen."
Bescheide über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer:
Das Finanzamt setzte mit Bescheiden vom gegenüber beiden Beschwerdeführern Grunderwerbsteuer für den Aufhebungsvertrag vom fest. Ausgehend von der Bemessungsgrundlage in Höhe von Euro 491.666,67 (1/3 der Gesamtkosten iHv 1,475.000,00 Euro) wurde die Steuer für den Beschwerdeführer in Höhe von Euro 17.208,33 (3,5%) ausgemessen. Für die Beschwerdeführerin Bf.. NN. wurde die Steuer in Höhe von Euro 34.416,67 (2/3 der Gesamtkosten iHv Euro 983.333,34) ausgemessen.
Beschwerden vom :
Die Beschwerden richten sich gegen die Bescheide
- vom über die Abweisung der Anträge auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG und
- vom über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer.
In der Begründung wurde ausgeführt, dass "gegen die Versagung des Antrages gemäß § 17 GrEStG auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht worden sei".
Zum Sachverhalt wurde wie folgt ausgeführt:
Die Bank habe "- zur Abdeckung fälliger Darlehensbeträge - im Auftrag und in Vollmacht der Lebensgemeinschaftspartner Bf.. NN. und ***Bf1*** den gesamten Immobilienbesitz, wie im Kaufvertrag beschrieben, um Euro 1,100.000,00 an die Fa. I GmbH, verkauft".
Die Verkäufer haben mit der beim Landesgericht eingebrachten Klage die Erteilung der Verkaufsvollmacht an die Bank und den mit dieser Vollmacht geschlossenen Vertrag angefochten und die Aufhebung des Kaufvertrages vom begehrt. Das Klagebegehren stütze sich auf Irrtum und auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 934 ABGB.
Sämtliche dazu notwendigen Punkte wurden abschließend im Aufhebungsvertrag vom festgehalten. Im rechtsstreitigen Verfahren wurde einfaches Ruhen vereinbart.
Erst durch die ex tunc vereinbarte Aufhebung des Kaufvertrages waren Bf.. NN. und ***Bf1*** wieder Eigentümer der Liegenschaften und konnten von Rechts wegen über diese Liegenschaft verfügen. Als solche haben sie mit Übergabsvertrag vom der Tochter, Frau A NN., die Liegenschaft mit der Auflage der Einräumung der lebenslangen Wohn- und Nutzungsrechte und der Übernahme der Zahlungsverpflichtung, welche im Zuge der Rückabwicklung vereinbart wurde, übertragen.
Frau A NN. hat mit Kaufvertrag vom mit der A. P GmbH (FN ***3***) einen Teil der Grundstücke der Liegenschaft um € 1.740.000,00 verkauft.
"Die Rückabwicklung des durch die Bank abgeschlossenen Kaufvertrages hat den Übergebern Bf.. NN. und ***Bf1*** das Verbleiben auf dem Hof ermöglicht."
Rechtlich wurde unter Bezugnahme auf den Kommentar Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, § 17 Rz. 1 ff., ausgeführt:
"Die Bestimmungen über die Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer in den Fällen, in denen entweder ein vereinbarter Erwerb später nicht durchgeführt oder in denen nach grundbücherlicher Durchführung zum Rückerwerb ein Rechtsvorgang in umgekehrter Reihenfolge notwendig wird, liegt der Gedanke zugrunde, dass die Steuer, da sie nach den Vorschriften des § 1 GrEStG nur durch den Erwerb eines Grundstückes ausgelöst wird, nicht zu erheben und zu erstatten ist, wenn der Erwerb trotz eines ursprünglich darauf gerichteten Rechtsvorganges später tatsächlich nicht eintritt.
Zweck der Bestimmung des § 17 GrEStG 1987 ist es also, Vorgänge nicht mit Steuer zu belasten deren wirtschaftliche Auswirkungen von den Beteiligten innerhalb der vom Gesetz gesetzten Frist wieder beseitigt werden (, vom , 98/16/0115, 0116 vom , 2011/16/0001 und vom , 2013/16/0078).
Bei den Ansprüchen aus § 17 GrEStG 1987 auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Abänderung der Steuerfestsetzung handelt es sich um selbständige (gegenläufige) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die den ursprünglichen Steueranspruch unberührt lassen."
Die Rückgängigmachung des Kaufvertrages erfolgte aus dem Grund, dass die seinerzeitigen Eigentümer ex tunc wieder in die Eigentümer Stellung gehoben wurden und über die Liegenschaft frei verfügen konnten.
Damit wurden alle - von Gesetz und Rechtsprechung - geforderten Voraussetzungen erfüllt.
"Es wurden:
a) der Kaufvertrag zwischen den Verkäufern einerseits und der GmbH andererseits am unterschrieben und am zur Steuerbemessung angezeigt;
b) dieser Kaufvertrag wurde ex tunc mit wieder aufgehoben; damit wurden Bf.. NN. und ***Bf1*** wieder rechtmäßige Eigentümer der Liegenschaft;
c) als solche haben sie mit Übergabsvertrag vom die Liegenschaft an die Tochter übertragen;
d) Frau A NN. hat mit der A. P GmbH am einen Kaufvertrag abgeschlossen und so das Verbleiben ihrer Eltern am Hof ermöglicht;
e) am hat Frau A NN. an Herrn Mag. M. T land- und forstwirtschaftliche Flächen im Schenkungswege übertragen und hat der Rechtsvertreter der Familie, Herr Dr. Vn. B., am den Antrag auf Nichtfestsetzung der GreESt beim Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel eingebracht.
Aufgrund des dargestellten Sachverhalts und den Ausführungen der Judikatur-und Literaturmeinungen, ersuchen wir von der Vorschreibung der Grunderwerbsteuer Abstand zu nehmen."
Beschwerdevorentscheidungen:
Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidungen vom die Beschwerden als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen gemäß § 17 GrESt 1987 nicht vorlägen. Rückgängigmachen im Sinne des § 17 GrEStG bedeute, dass der Erwerbsvorgang aufgrund eines nachfolgenden Willensaktes einer oder beider Parteien hinfällig werde. Die Rückgängigmachung liege demnach dann vor, wenn sich beide Vertragspartner so aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.
Das Finanzamt führte aus, dass zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages die Liegenschaft bereits mit Übergabsvertrag vom an die Tochter übergeben worden sei. Mit Schenkungsvertrag vom und Kaufvertrag vom habe die Tochter wiederum über Grundstücke aus der Liegenschaft verfügt.
Mündliche Verhandlung beim BFG:
In der mündlichen Verhandlung am erklärte der Parteienvertreter, dass die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erst spät nach einem Verfahren beim Landesverwaltungsgericht erlangt werden konnte. Daher sei der Kaufvertrag erst im Jahre 2017 grundbücherlich durchgeführt worden. Verwiesen wurde auf Pkt. 10 letzter Absatz des Kaufvertrages:
"Für den Fall, dass der Kaufpreis für die Lastenfreistellung und für die Entrichtung der Immobilienertragsteuern nicht ausreicht, wird der Kaufvertrag rückwirkend unwirksam."
Im Zuge des Rechtsstreites im Jahr 2017 wurden über Anregung des Gerichtes Vergleichsverhandlungen angestrengt und geführt. Bereits im Oktober 2017 kamen die Parteien überein, das Kaufgeschäft rückwirkend ex tunc rückabzuwickeln, den Kaufvertrag aufzuheben und den ursprünglichen Grundbuchsstand widerherzustellen. Zeitgleich erfolgte die Übertragung im Rahmen des Übergabsvertrages vom an die Tochter… …."
Erkenntnis des BFG:
Das Bundesfinanzgericht wies mit Erkenntnis vom , RV/4100020/2020, die Beschwerden als unbegründet ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis , GZl. Ra 2024/16/0035,0036, das Erkenntnis des BFG auf.
Die Beschwerdeführer zogen im fortgesetzten Verfahren den Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Senat zurück.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Kaufvertrag vom verkauften die beiden Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.), vertreten durch die zum Verkauf bevollmächtigte Hausbank, ihre Liegenschaft an eine GmbH zum Kaufpreis in Höhe von Euro 1,100.000,00. Der Kaufvertrag wurde grundbücherlich im Jahr 2017 durchgeführt.
Die Bf. bewirtschaften, bewohnten und benutzten die Liegenschaft unverändert weiter. Im Jahr 2017 klagten beide Bf. die Käuferin auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aus dem Jahr 2014 wegen Irrtums und laesio enormis (Verkürzung über die Hälfte). Laut vorgelegter Gutachten habe die Liegenschaft einen Wert von etwa 2,5 Mio Euro. Die Parteien einigten sich im Zivilprozess auf Aufhebung und Rückabwicklung des Kaufvertrages und vereinbarten einfaches Ruhen des rechtsstreitigen Verfahrens.
Mit Aufhebungsvertrag vom wurde der Kaufvertrag vom einvernehmlich ex tunc aufgehoben und die beiden Verkäufer zur Rückzahlung des entrichteten Kaufpreises in Höhe von Euro 1,100.000,00 mitsamt den angefallenen Aufwendungen in Höhe von Euro 375.000,00 verpflichtet. Im Zivilprozess wurde nun ewiges Ruhen des Verfahrens vereinbart.
Vor der Rückabwicklung übergaben die Beschwerdeführer die Liegenschaft mit Übergabsvertrag vom an die Tochter. Dadurch war es wirtschaftlich möglich, den Rückkauf mit Hilfe einer Bank, zwecks Finanzierung dieser Rückabwicklung, durchzuführen. Dazu war es auch notwendig, dass die Tochter einzelne Parzellen der Liegenschaft verkauft hat. Der Übergabsvertrag an die Tochter und die weiteren Verkäufe wurden aufschiebend bedingt - vorbehaltlich der Rückabwicklung - vereinbart.
Mit schriftlicher Eingabe vom beantragten die Beschwerdeführer die Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer in Ansehung des Aufhebungsvertrages gemäß § 17 GrEStG. Das Finanzamt wies die Anträge auf Nichtfestsetzung mit Bescheiden vom ab und setzte mit Bescheiden vom die Grunderwerbsteuer gegenüber beiden Beschwerdeführern fest.
Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidungen die Beschwerden als unbegründet ab.
Strittig ist die beantragte Rückerstattung gemäß § 17 GrEStG der bereits entrichteten Grunderwerbsteuer bezüglich des Aufhebungsvertrages. Gegenstand des Verfahrens ist die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 2 iVm § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den vorgelegten Verwaltungsakt, dem Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer, den Verträgen, dem Beschwerdevorbringen, dem Vorbringen im Vorlageantrag und -bericht, sowie dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung im Verfahren, Zl. RV/4100020/2020, und dem Erkenntnis des , 0036.
3. Rechtliche Beurteilung
§ 17 GrEStG 1987 lautet: Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer
(1) Die Steuer wird auf Antrag nicht festgesetzt,
1. wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird,
2. wenn der Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt werden,
3. wenn das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründen sollte, ungültig ist und das wirtschaftliche Ergebnis des ungültigen Rechtsgeschäftes beseitigt wird,
4. wenn das geschenkte Grundstück aufgrund eines Rechtsanspruches herausgegeben werden musste oder ein von Todes wegen erworbenes Grundstück herausgegeben werden musste und dieses beim Empfänger einen Erwerb von Todes wegen darstellt.
(2) Ist zur Durchführung einer Rückgängigmachung zwischen dem seinerzeitigen Veräußerer und dem seinerzeitigen Erwerber ein Rechtsvorgang erforderlich, der selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 darstellt, so gelten die Bestimmungen des Abs. 1 Z 1, 2 und 4. sinngemäß.
(3) Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, so wird die Steuer auf Antrag der Herabsetzung entsprechend festgesetzt,
1. wenn die Herabsetzung innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld stattfindet,
2. wenn die Herabsetzung (Minderung) auf Grund der §§ 932 und 933 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches vollzogen wird.
(4) Ist in den Fällen der Abs. 1 bis 3 die Steuer bereits festgesetzt, so ist auf Antrag die Festsetzung entsprechend abzuändern. Bei Selbstberechnung ist in den Fällen der Abs. 1 bis 3 die Steuer entsprechend festzusetzen oder ein Bescheid zu erlassen, wonach die Steuer nicht festgesetzt wird.
(5)Anträge nach Abs. 1 bis 4 sind bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres zu stellen, das auf das Jahr folgt, in dem das den Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer begründende Ereignis eingetreten ist. Die Frist endet keinesfalls jedoch vor Ablauf eines Jahres nach Wirksamwerden der Festsetzung.Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer
Dazu Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, Grunderwerbsteuer,
§ 17 Rz 1 ff:
Den Bestimmungen über die Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer in den Fällen, in denen entweder ein vereinbarter Erwerb später nicht durchgeführt oder in denen nach grundbücherlicher Durchführung zum Rückerwerb ein Rechtsvorgang in umgekehrter Reihenfolge notwendig wird, liegt der Gedanke zu Grunde, dass die Steuer, da sie nach den Vorschriften des § 1 GrEStG nur durch den Erwerb eines Grundstückes ausgelöst wird, nicht zu erheben oder zu erstatten ist, wenn der Erwerb trotz eines ursprünglich darauf gerichteten Rechtsvorganges später tatsächlich nicht eintritt.
Zweck der Bestimmungen des § 17 GrEStG 1987 ist es also, Vorgänge nicht mit Steuer zu belasten, deren wirtschaftliche Auswirkungen von den Beteiligten innerhalb der im Gesetz gesetzten Frist wieder beseitigt werden ( und 90/16/0145, 0146; vom , 97/16/0345; vom , 98/16/0115, 0116; vom , 2011/16/0001).
Bei den Ansprüchen aus § 17 GrEStG 1987 auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Abänderung der Steuerfestsetzung handelt es sich um selbstständige (gegenläufige) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die den ursprünglichen Steueranspruch unberührt lassen.
§ 17 GrEStG hat in gleicher Weise Anwendung zu finden, wenn das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber noch nicht übergegangen ist, wie auch dann, wenn der Erwerber bereits grundbücherlicher Eigentümer geworden ist. Die Bestimmungen des Abs. 2 regeln die Fälle der Nichterhebung der Steuer beim Eigentumsrückerwerb.
Die Bestimmungen des § 17 GrEStG sind erforderlich, weil die Steuerschuld grundsätzlich mit der Verwirklichung eines Steuertatbestandes unmittelbar auf Grund des Gesetzes entsteht und in der Regel durch nachträgliche privatrechtliche Vereinbarungen, mag diesen von den Parteien auch Rückwirkung beigelegt worden sein, nicht mehr beseitigt werden kann ().
§ 17 GrEStG 1987 stellt eine Ausnahme von dem für die Verkehrsteuern geltenden Grundsatz dar, dass die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Ereignisse nicht wieder beseitigt werden soll (vgl , 0116; , 2007/16/0230; , 2011/16/0001).
§ 17 GrEStG setzt voraus, dass die Steuerschuld im Sinne des § 4 Abs 1 BAO und § 8 GrEStG bereits entstanden ist. Die Bestimmungen des § 17 GrEStG 1987 gelten für alle Erwerbsvorgänge iSd § 1 leg cit. § 17 GrEStG bezieht sich - ebenso wie die Tatbestände des § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG - ausschließlich auf das den Anspruch auf Übereignung begründende Verpflichtungsgeschäft. Ob das Verpflichtungsgeschäft erfüllt worden ist, ist für die Frage der Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges, also des Verpflichtungsgeschäftes, nicht maßgebend ().
Alle Tatbestände des § 17 GrEStG haben also gemeinsam, dass sie sich auf eine Parteivereinbarung gründen. Die Anwendung des § 17 GrEStG hat nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges zur unabdingbaren Voraussetzung. Es wird also vorausgesetzt, dass auf Grund eines nachfolgenden gesonderten Willensaktes der Parteien oder auch nur einer Partei der seinerzeitige Erwerbsvorgang hinfällig gemacht oder doch zumindest anders gestaltet worden ist. Bei der rechtlichen Beurteilung, ob das Tatbestandsmerkmal einer Rückgängigmachung iS des § 17 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 vorliegt, kommt es nur darauf an, dass der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor dem Vertragsabschluss innegehabt hatte, durch einen der in § 17 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 genannten Rechtsvorgänge wiedererlangt (vgl ).
Rückgängig gemacht ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt ().
Ob der ursprüngliche Kaufvertrag bereits erfüllt und der (ursprüngliche) Käufer bereits im Grundbuch eingetragen war, ist für die Frage der Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges ohne Bedeutung.
Erfolgte die Rückgängigmachung des Kaufvertrages zum Beispiel nur, um den Verkauf des Grundstückes an einen neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu erfolgten, hat der Verkäufer in Wahrheit nicht die Möglichkeit wiedererlangt, über das Grundstück anderweitig frei zu verfügen (vgl , und vom , 2008/16/0141).
3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2024/16/0035, 0036, das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts, RV/4100020/2020, aufgehoben.
Fest stehe, dass der ursprüngliche Kaufvertrag vom mit Aufhebungsvertrag vom im Zuge des zivilrechtlichen Rechtstreits aufgelöst und aufgehoben worden ist. Bereits vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages ist es zur Übergabe der Liegenschaft an die Tochter unter der Bedingung des Abschlusses dieses Vertrages - der Rückabwicklung - gekommen.
Der VwGH hält dazu in seinem Erkenntnis fest, dass der Aufhebungsvertrag die (bedingte) Weiterveräußerung erst ermöglicht habe. Damit ist den Verkäufern die uneingeschränkte Verfügungsmacht über die Liegenschaft wieder verschafft worden.
Im gegenständlichen Sachverhalt sei es nicht schädlich für die Anwendung des § 17 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 GrEStG, dass der Übergabsvertrag vor Unterzeichnung des Kaufvertrages abgeschlossen wurde (VwGH Ra 2024/16/0035, 0036, Rz. 26). Schließlich ist dem Auflösungsvertrag keine Vereinbarung zu entnehmen, wonach die Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wären, die Liegenschaft in weiterer Folge einem (bestimmten) Dritten oder überhaupt zu übertragen.
Die Beschwerdeführer haben daher durch den Aufhebungsvertrag jene Verfügungsmacht wiederlangt, die sie vor dem Vertragsabschluss innehatten.
Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen. Gegenleistung ist bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 5 GrEStG, Ressler/Arnold in Arnold/Bodis, GrEStG, § 5 Tz. 1 ff.).
Der grunderwerbsteuerliche Gegenleistungsbegriff ist nicht mit jenem des bürgerlichen Rechts gleichzusetzen und geht über diesen hinaus ().
Die Bf. verpflichteten sich zur Bezahlung des Kaufpreises zuzüglich der mit dem Abschluss des Kaufvertrages vom , dessen grundverkehrsbehördlicher Genehmigung, der grundbücherlichen Vertragsdurchführung, sowie der Lastenfreistellung des C-Blattes entstandenen Aufwendungen.
Diese sonstigen Leistungen stehen in einem inneren Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrages und somit auch mit der Aufhebung dieses Kaufvertrages. Es handelt sich dabei um sonstige Leistungen, die einen Teil der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bilden, weil sie in einem tatsächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag stehen. Kosten, die in einem inneren tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb stehen, bilden als sonstige Leistungen, einen Teil der Bemessungsgrundlage (Ressler/Arnold in Arnold/Bodis, GrEStG, § 5 Tz. 157a).
Die sonstigen Kosten in Höhe von Euro 375.000,00 stellen einen Teil der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer in Höhe von 3,5% dar, während der Betrag in Höhe von Euro 1,1 Mio. bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Grunderwerbsteuer beträgt Euro 13.125,00. Die anteilige Grunderwerbsteuer für den Bf. beträgt Euro 4.375,00. Die anteilige Grunderwerbsteuer für die Bf.in beträgt entsprechend ihrem Anteil an der Liegenschaft Euro 8.750,00.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die angeführten VwGH Erkenntnisse wird verwiesen.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 17 Abs. 2 GrekoG, Grenzkontrollgesetz, BGBl. Nr. 435/1996 § 4 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 5 GrekoG, Grenzkontrollgesetz, BGBl. Nr. 435/1996 |
Verweise | , 0036 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.4100047.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
VAAAF-80944