Aufhebung eines Kaufvertrages
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. H. P in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr.Vorn. NN., Stb., Str., PLZ Ort, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr: Finanzamt Österreich - Dienststelle Sonderzuständigkeiten) vom betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin O GmbH (im Folgenden: Bf.in) erwarb mit Kaufvertrag vom die Liegenschaft EZ ***1*** *W*2*. Die Liegenschaft stand im Eigentum der Vn.Nn und des Vn1.Nn1. Vn.Nn war zu 2/3, Vn1.Nn1 zu 1/3 Miteigentümer der Liegenschaft. Dabei handelt es sich um einen land- und forstwirtschaftlichen Besitz. Auf der Liegenschaft hafteten im Grundbuch (C-Blatt, Lastenblatt) Pfandrechte für Kredite zugunsten der Bank aus.
Verkaufsvollmacht:
Die Eigentümer errichteten im Jahr 2014 eine Verkaufsvollmacht zu Gunsten der Bank. Damit räumten sie der Bank das Recht ein, die Liegenschaft zu verkaufen. Die Vollmacht war mit drei Jahren befristet und diente zur Sicherstellung der aushaftenden Kredite gegenüber der Bank.
Kaufvertrag vom :
Mit Kaufvertrag vom wurde die Liegenschaft der Miteigentümer an die I. GmbH, FB-Nr. ***2***, durch die bevollmächtigte Bank verkauft. Der Kaufpreis wurde in Höhe von Euro 1,100.000,00 vereinbart. Der Kaufvertrag wurde im Jahr 2017 grundbücherlich durchgeführt und die GmbH als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Klage beim Landesgericht, Verfahren ***3***:
Am brachten die Miteigentümer eine Klage auf Aufhebung des Kaufvertrages beim Landesgericht ein (Streitwert: Euro 1,100.000,00). Zum Sachverhalt wurden die ursprünglichen Miteigentumsverhältnisse dargestellt und ausgeführt, dass die Bank eine Verkaufsvollmacht eingeräumt erhalten hat und zum Verkauf der Liegenschaft berechtigt gewesen ist.
Die Klage wurde damit begründet, der beklagten Bf.in (Käuferin, GmbH,) hätte bei verkehrsüblicher Sorgfalt auffallen müssen, dass der Kaufpreis weit unter dem Verkehrswert der Liegenschaft liegt. Daher werde das Vorliegen eines Irrtums auf Verkäuferseite als Anfechtungsgrund angeführt. Der Verkehrswert der Liegenschaft liege in Höhe von etwa 2,500.000,00 Euro. Der Verkehrswert wurde mittels zweier Gutachten belegt.
Der Kaufpreis entspreche nicht der Hälfte des gemeinen Wertes im Sinne des § 934 ABGB. Aufgrund dieses objektiven Wertmissverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 934 ABGB vor, sodass dem verkürzten Vertragsteil auch aus diesem Grund ein Anfechtungsrecht zustehe. Die Parteien vereinbarten im Zivilprozess beim Landesgericht die Rückabwicklung des Kaufvertrages und einfaches Ruhen des Verfahrens.
Aufhebungsvertrag vom :
Die Bf.in wurde in O GmbH umbenannt. Mit Aufhebungsvertrag vom hoben die Vertragsparteien den Kaufvertrag vom auf. Die vormaligen Eigentümer verpflichteten sich gegenüber der GmbH zur Zahlung des Kaufpreises und der zusätzlich angefallenen Aufwendungen in Höhe von insgesamt Euro 1,475.000,00.
Festgehalten wurde, dass es zu einer tatsächlichen Übernahme und Übergabe nicht gekommen ist und die Liegenschaft weiterhin von den Verkäufern bewirtschaftet, genutzt und bewohnt werde (Punkt IV.). In Punkt X. des Aufhebungsvertrages erteilten die Vertragsparteien ihre ausdrückliche Einwilligung, dass über Ansuchen auch nur eines Vertragspartners im Grundbuch die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Vn.Nn und Vn1.Nn1 vorgenommen werden kann.
Die Vertragsparteien hielten unter Punkt XI . fest, dass mit Abschluss dieses Aufhebungsvertrages sämtliche wechselseitigen Forderungen im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag vom bereinigt und verglichen sind, dies auch in Ansehung der klagsweise geltend gemachten Forderung der Verkäufer als Kläger im Verfahren beim Landesgericht, sodass in diesem Verfahren das vereinbarte "einfache Ruhen in ewiges Ruhen" übergehen kann.
Übergabsvertrag vom :
Die ursprünglichen Miteigentümer übertrugen vor Abschluss des Aufhebungsvertrages mit Übergabsvertrag vom die Liegenschaft an ihre Tochter. Der Übergabevertrag wurde aufschiebend bedingt unter der Bedingung der Rückabwicklung abgeschlossen. In der Präambel hielten die Vertragsparteien fest:
"Die ***Bf1*** (FN ***2***) hat mit Kaufvertrag vom von den Übergebern der Liegenschaft EZ ***1*** *W*2* erworben. …"
"Die ***Bf1*** und die Übergeber haben sich außergerichtlich nunmehr darauf verständigt, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Aus diesem Grund wurde im Verfahren ***4*** beim Landesgericht einfaches Ruhen vereinbart. Die Rückabwicklung wird durch vertragliche Aufhebung des Kaufvertrages vom vollzogen. Im Zuge der Rückabwicklung werden ob der Liegenschaft EZ ***1*** *W*2* die ursprünglichen Eigentumsverhältnisse wiederhergestellt. …"
Kaufvertrag vom :
Die Übernehmerin (Tochter) hat mit Kaufvertrag vom Parzellen aus der Liegenschaft an eine GmbH zum Kaufpreis in Höhe von Euro 1,740.000,00 weiterverkauft.
Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer vom :
Mit Schriftsatz vom teilte die Bf.in mit, dass sie mit Kaufvertrag vom die Liegenschaft erworben hat. Der Vertragserrichter habe die Grunderwerbsteuer in Höhe von Euro 38.500,00 im Wege der Selbstberechnung für die Bf.in zu Erfassungsnummer ***5*** an das Finanzamt abgeführt. Schriftlich wurde wörtlich ausgeführt:
"Die Verkäufer haben am beim Landesgericht ***6*** eine Klage auf Aufhebung des Vertrages eingebracht. Das Klagsbegehren stützte sich auf die Tatbestände des Irrtums und der Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes.
Im Zuge von außergerichtlichen Verhandlungen haben sich die Vertragsparteien nunmehr dahingehend geeinigt, dass der ursprüngliche Kaufvertrag aufgehoben wird und erfolgte die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages am bzw. ."
Aufgrund des Aufhebungsvertrages werde die Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Abs. 1 Z. 2 GrEStG 1987 in Ansehung des Aufhebungsvertrages beantragt.
Bescheid über die Abweisung des Antrages auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG 1987:
Das Finanzamt wies mit angefochtenen Bescheid vom den Antrag auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer als unbegründet ab. Rechtlich führte das Finanzamt in der Begründung aus:
"Rückgängig gemacht im Sinne des § 17 GrEStG ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt, die er vor Vertragsabschluss innehatte (vgl. ; ; ).
Eine Rückgängigmachung liegt nur dann vor, wenn der Verkäufer wieder die volle wirtschaftliche Verfügungsmacht erhält. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben, da bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages die Liegenschaft übergeben wurde und in weiterer Folge, ebenfalls vor Abschluss des Aufhebungsvertrages, von der Übernehmerin Grundstücke dieser Liegenschaft verschenkt und verkauft wurden. …..."
Beschwerde vom :
Die Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid vom über die Abweisung des Antrages auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG. Zum Sachverhalt wurde ausgeführt, dass beide Verfügungen der ursprünglichen Verkäufer unter dem Vorbehalt der Rückabwicklung geschlossen wurden. Gemäß den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes sind aufschiebend bedingte Rechtsgeschäfte erst dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn die Bedingung eintritt; im gegenständlichen Fall somit die Rückerstattung. Schriftlich wurde wörtlich ausgeführt:
Beschwerdevorentscheidung:
Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen gemäß § 17 GrESt 1987 nicht vorlägen. Rückgängigmachen im Sinne des § 17 GrEStG bedeute, dass der Erwerbsvorgang aufgrund eines nachfolgenden Willensaktes einer oder beider Parteien hinfällig werde. Die Rückgängigmachung liege demnach nur dann vor, wenn sich beide Vertragspartner so aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.
Erkenntnis des :
Das Bundesfinanzgericht wies im gleichgelagerten Sachverhalt die Beschwerden der beiden ursprünglichen Miteigentümer gegen die Bescheide über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer betreffend den Aufhebungsvertrag vom als unbegründet ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis , GZl. Ra 2024/16/0035,0036, das Erkenntnis des BFG auf.
Die Bf.in zog mit Schriftsatz vom den Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Senat zurück.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Kaufvertrag vom wurde die Liegenschaft der beiden Miteigentümer durch die zum Verkauf bevollmächtigte Bank an die Bf.in (GmbH) verkauft. Der Kaufvertrag wurde 2017 grundbücherlich durchgeführt.
Die Verkäufer bewirtschafteten, bewohnten und benutzten die Liegenschaft unverändert weiter. Im Jahr 2017 klagten die Verkäufer die Bf.in auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aus dem Jahr 2014 wegen Irrtums und laesio enormis (Verkürzung über die Hälfte). Laut vorliegenden Gutachten habe die Liegenschaft einen Wert von etwa 2,5 Mio Euro. Die Parteien einigten sich im Zivilprozess auf Aufhebung und Rückabwicklung des Kaufvertrages.
Mit Aufhebungsvertrag vom wurde der Kaufvertrag vom einvernehmlich ex tunc aufgehoben und die Verkäufer zur Rückzahlung des entrichteten Kaufpreises in Höhe von Euro 1,100.000,00 mitsamt den angefallenen Aufwendungen in Höhe von Euro 375.000,00 verpflichtet. Im Zivilprozess wurde ewiges Ruhen des Verfahrens vereinbart.
Vor der Rückabwicklung übergaben die ursprünglichen Eigentümer die Liegenschaft mit Übergabsvertrag vom an die Tochter. Dadurch war es wirtschaftlich möglich, den Rückkauf mit Hilfe einer Bank zum Zwecke der Finanzierung durchzuführen. Dazu war es auch notwendig, dass die Tochter einzelne Parzellen der Liegenschaft weiterverkaufte. Der Übergabsvertrag an die Tochter und die weiteren Liegenschaftsverkäufe wurden aufschiebend bedingt - vorbehaltlich der Rückabwicklung - vereinbart.
Mit schriftlicher Eingabe vom beantragte die Bf.in die Nichtfestsetzung und Rückerstattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Abs. 1 Z 2 GrEStG hinsichtlich des Kaufvertrages aus dem Jahre 2014 in Ansehung des abgeschlossenen Aufhebungsvertrages. Das Finanzamt wies den Antrag auf Nichtfestsetzung mit Bescheid vom ab.
Strittig ist die beantragte Abänderung gemäß § 17 Abs. 4 GrEStG des Bescheides und die Rückerstattung gemäß § 17 GrEStG der bereits entrichteten Grunderwerbsteuer in Ansehung des Aufhebungsvertrages.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den vorgelegten Verwaltungsakt, dem Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer, den Verträgen, dem Beschwerdevorbringen, dem Vorbringen im Vorlageantrag und -bericht, und dem Erkenntnis des , 0036 im gleichgelagerten Sachverhalt.
3. Rechtliche Beurteilung
Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer
§ 17 GrEStG 1987 lautet:
(1) Die Steuer wird auf Antrag nicht festgesetzt,
1. wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird,
2. wenn der Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt werden,
3. wenn das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründen sollte, ungültig ist und das wirtschaftliche Ergebnis des ungültigen Rechtsgeschäftes beseitigt wird,
4. wenn das geschenkte Grundstück aufgrund eines Rechtsanspruches herausgegeben werden musste oder ein von Todes wegen erworbenes Grundstück herausgegeben werden musste und dieses beim Empfänger einen Erwerb von Todes wegen darstellt.
(2) Ist zur Durchführung einer Rückgängigmachung zwischen dem seinerzeitigen Veräußerer und dem seinerzeitigen Erwerber ein Rechtsvorgang erforderlich, der selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 darstellt, so gelten die Bestimmungen des Abs. 1 Z 1, 2 und 4. sinngemäß.
(3) Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, so wird die Steuer auf Antrag der Herabsetzung entsprechend festgesetzt,
1. wenn die Herabsetzung innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld stattfindet,
2. wenn die Herabsetzung (Minderung) auf Grund der §§ 932 und 933 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches vollzogen wird.
(4) Ist in den Fällen der Abs. 1 bis 3 die Steuer bereits festgesetzt, so ist auf Antrag die Festsetzung entsprechend abzuändern. Bei Selbstberechnung ist in den Fällen der Abs. 1 bis 3 die Steuer entsprechend festzusetzen oder ein Bescheid zu erlassen, wonach die Steuer nicht festgesetzt wird.
(5) Anträge nach Abs. 1 bis 4 sind bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres zu stellen, das auf das Jahr folgt, in dem das den Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer begründende Ereignis eingetreten ist. Die Frist endet keinesfalls jedoch vor Ablauf eines Jahres nach Wirksamwerden der Festsetzung. Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer
Dazu Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, Grunderwerbsteuer, § 17 Rz 1 ff:
Den Bestimmungen über die Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer in den Fällen, in denen entweder ein vereinbarter Erwerb später nicht durchgeführt oder in denen nach grundbücherlicher Durchführung zum Rückerwerb ein Rechtsvorgang in umgekehrter Reihenfolge notwendig wird, liegt der Gedanke zu Grunde, dass die Steuer, da sie nach den Vorschriften des § 1 GrEStG nur durch den Erwerb eines Grundstückes ausgelöst wird, nicht zu erheben oder zu erstatten ist, wenn der Erwerb trotz eines ursprünglich darauf gerichteten Rechtsvorganges später tatsächlich nicht eintritt.
Zweck der Bestimmungen des § 17 GrEStG 1987 ist es also, Vorgänge nicht mit Steuer zu belasten, deren wirtschaftliche Auswirkungen von den Beteiligten innerhalb der im Gesetz gesetzten Frist wieder beseitigt werden ( und 90/16/0145, 0146; vom , 97/16/0345; vom , 2011/16/0001).
Bei den Ansprüchen aus § 17 GrEStG 1987 auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Abänderung der Steuerfestsetzung handelt es sich um selbstständige (gegenläufige) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die den ursprünglichen Steueranspruch unberührt lassen.
§ 17 GrEStG hat in gleicher Weise Anwendung zu finden, wenn das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber noch nicht übergegangen ist, wie auch dann, wenn der Erwerber bereits grundbücherlicher Eigentümer geworden ist. Die Bestimmungen des Abs. 2 regeln die Fälle der Nichterhebung der Steuer beim Eigentumsrückerwerb.
Die Bestimmungen des § 17 GrEStG sind erforderlich, weil die Steuerschuld grundsätzlich mit der Verwirklichung eines Steuertatbestandes unmittelbar auf Grund des Gesetzes entsteht und in der Regel durch nachträgliche privatrechtliche Vereinbarungen, mag diesen von den Parteien auch Rückwirkung beigelegt worden sein, nicht mehr beseitigt werden kann ().
§ 17 GrEStG 1987 stellt eine Ausnahme von dem für die Verkehrsteuern geltenden Grundsatz dar, dass die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Ereignisse nicht wieder beseitigt werden soll (vgl , 0116; , 2007/16/0230; , 2011/16/0001).
§ 17 GrEStG setzt voraus, dass die Steuerschuld im Sinne des § 4 Abs 1 BAO und § 8 GrEStG bereits entstanden ist. Die Bestimmungen des § 17 GrEStG 1987 gelten für alle Erwerbsvorgänge iSd § 1 leg cit.
§ 17 GrEStG bezieht sich - ebenso wie die Tatbestände des § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG - ausschließlich auf das den Anspruch auf Übereignung begründende Verpflichtungsgeschäft. Ob das Verpflichtungsgeschäft erfüllt worden ist, ist für die Frage der Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges, also des Verpflichtungsgeschäftes, nicht maßgebend ().
Alle Tatbestände des § 17 GrEStG haben also gemeinsam, dass sie sich auf eine Parteivereinbarung gründen. Die Anwendung des § 17 GrEStG hat nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges zur unabdingbaren Voraussetzung. Es wird also vorausgesetzt, dass auf Grund eines nachfolgenden gesonderten Willensaktes der Parteien oder auch nur einer Partei der seinerzeitige Erwerbsvorgang hinfällig gemacht oder doch zumindest anders gestaltet worden ist. Bei der rechtlichen Beurteilung, ob das Tatbestandsmerkmal einer Rückgängigmachung iS des § 17 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 vorliegt, kommt es nur darauf an, dass der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor dem Vertragsabschluss innegehabt hatte, durch einen der in § 17 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 genannten Rechtsvorgänge wiedererlangt (vgl ).
Rückgängig gemacht ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt ().
Ob der ursprüngliche Kaufvertrag bereits erfüllt und der (ursprüngliche) Käufer bereits im Grundbuch eingetragen war, ist für die Frage der Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges ohne Bedeutung.
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2024/16/0035, 0036, das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts, RV/4100020/2020, aufgehoben.
Zum gleichgelagerten Sachverhalt hat der Verwaltungsgerichtshof betreffend die ursprünglichen Miteigentümer und den Aufhebungsvertrag vom ausgesprochen, es stehe fest, dass der ursprüngliche Kaufvertrag (aus dem Jahr 2014) mit Aufhebungsvertrag vom im Zuge des zivilrechtlichen Rechtsstreits mit ex-tunc Wirkung aufgelöst worden ist.
Bereits vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages ist es zur Übergabe der Liegenschaft an die Tochter unter der Bedingung des Abschlusses dieses Vertrages - der Rückabwicklung - gekommen.
Die Abtretung der Liegenschaft an die Tochter, die nach den Regelungen des Übergabevertrages den Kredit zur Finanzierung des Rückzahlungsbetrages aufzunehmen hatte, habe es überhaupt erst ermöglicht, die Rückabwicklung des Kaufvertrages aus 2014 zu finanzieren und damit ihre Verfügungsmacht wiederherzustellen (Rz. 27).
Der VwGH hält dazu in seinem Erkenntnis fest, dass der Aufhebungsvertrag die (bedingte) Weiterveräußerung erst ermöglicht habe. Damit ist den ursprünglichen Verkäufern durch den Aufhebungsvertrag die uneingeschränkte Verfügungsmacht über die Liegenschaft wieder verschafft worden.
Im gegenständlichen Sachverhalt sei es nicht schädlich für die Anwendung des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG, dass der Übergabsvertrag vor Unterzeichnung des Kaufvertrages abgeschlossen wurde (VwGH Ra 2024/16/0035, 0036, Rz. 26). Schließlich ist dem Auflösungsvertrag keine Vereinbarung zu entnehmen, wonach die Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wären, die Liegenschaft in weiterer Folge einem (bestimmten) Dritten oder überhaupt zu übertragen.
Die Beschwerdeführer haben somit durch den Aufhebungsvertrag jene Verfügungsmacht wiederlangt, die sie vor dem Vertragsabschluss innehatten. Sie haben damit denklogisch jene Verfügungsmacht wiedererlangt, um über die Liegenschaft uneingeschränkt zu verfügen. Erst der Aufhebungsvertrag ermöglichte die (bedingte) Weiterveräußerung; damit wurde den Verkäufern die uneingeschränkte Verfügungsmacht über die Liegenschaft verschafft.
Dem Antrag auf Bescheidänderung und Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Abs. 4 GrEStG war daher stattzugeben. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Erkenntnis entspricht der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 17 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 17 Abs. 4 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.4100013.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
BAAAF-80942