Keine Schätzungsberechtigung mangels Vorliegens eines ungeklärten Vermögenszuwachses
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Troll/Dalpiaz/Mündlein, Steuerberater, Arlbergstraße 139, 6900 Bregenz, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des ***FA*** (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2017 sowie Einkommensteuer 2017 und 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden abgekürzt Bf.) betreibt ein Textilunternehmen.
Im Zuge einer im Jahr 2018 durchgeführten Betriebsprüfung, deren Gegenstand die Umsatzsteuer der Zeiträume 09/2017 - 01/2018 war, wurden folgende Feststellungen getroffen:
"Tz 1 Darlehen ***1*** (ungeklärter Vermögenszuwachs)
Im Prüfungszeitraum 9/2017 - 1/2018 erfolgten lt. Konto 3813 (Darlehen ***1***) folgende Darlehenszuflüsse und Rückzahlungen:
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Datum | Konto | GKonto | BK | Beleg | Soll | Haben | Text |
3813 | 2700 | KA | 10128 | 0,00 € | 9.900,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2700 | KA | 10129 | 0,00 € | 9.520,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2830 | VB | 150 | 12.000,00 € | 0,00 € | ***1*** | |
3813 | 2700 | KA | 10181 | 0,00 € | 9.500,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2700 | KA | 10182 | 0,00 € | 840,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2830 | HY | 160 | 4.440,00 € | 0,00 € | Rückzahlung Darlehen ***1*** | |
3813 | 2830 | HY | 161 | 5.900,00 € | 0,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2700 | KA | 10206 | 0,00 € | 9.500,00 € | ***1*** Darlehen | |
3813 | 2700 | KA | 10207 | 0,00 € | 9.900,00 € | ***1*** Darlehen | |
3813 | 2700 | KA | 10210 | 0,00 € | 9.800,00 € | ***1*** Darlehen | |
3813 | 2700 | KA | 10211 | 0,00 € | 9.800,00 € | ***1*** Darlehen | |
3813 | 2700 | KA | 10220 | 0,00 € | 9.800,00 € | ***1*** Darlehen | |
3813 | 2700 | KA | 10221 | 0,00 € | 9.900,00 € | ***1*** Darlehen | |
3813 | 2700 | KA | 10229 | 0,00 € | 3.000,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2830 | VB | 173 | 3.000,00 € | 0,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2830 | VB | 180 | 4.000,00 € | 0,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2830 | VB | 182 | 13.400,00 € | 0,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2830 | VB | 183 | 10.900,00 € | 0,00 € | Darlehen ***1*** | |
53.640,00 € | 91.460,00 € | ||||||
37.820,00 € | Stand |
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Datum | Konto | GKonto | BK | Beleg | Soll | Haben | Text |
3813 | 2830 | VB | 15 | 9.000,00 € | 0,00 € | Darlehen ***1*** | |
3813 | 2830 | VB | 6 | 7.800,00 € | 0,00 € | Darlehen ***1*** | |
21.020,00 € | Stand |
Darlehensgeberin ist die ***2***. Laut vorgelegtem Auszug der Handelsregisteramtes ***3*** handelt es sich um eine türkische Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Das Gesellschaftskapital beträgt 1.000.000,00 TL. Geschäftspartner sind ***4*** (1 Anteil - 50,00 TL) und ***5*** (19999 Anteile - 999.950,00 TL). Frau ***5*** ist die Schwiegermutter der Bf. bzw. die Mutter des Ehegatten der Bf. Frau ***7*** ist die Schwägerin der Bf. Es besteht jedenfalls ein familiäres Naheverhältnis zwischen Darlehensgeberin und Darlehensnehmerin.
Zu Prüfungsbeginn () gab der Ehegatte der Bf.an, dass es zu den Darlehen weder Verträge noch sonstige schriftlichen Vereinbarungen gibt. Am (Anmerkung: gemeint ist 2018) gab der Ehegatte der Bf. im Beisein der Bf. nochmal an, dass es zu den Darlehen keine schriftlichen Unterlagen gibt. Erst im Zuge der Vorbesprechung am wurden dann Unterlagen vorgelegt.
1. Zu einem Darlehensvertrag in Höhe von 39.000,00 € wurden folgende Unterlagen vorgelegt:
a) Kreditvertrag vom mit folgendem Inhalt:
"Am an die Bf. übergebener Geldbetrag (gegebener Betrag)
9.900 € Übergabe an die Bf.
9.520 € Übergabe an den Ehemann der Bf.
9.500 € Übergabe an ***11***
9500 € Übergabe an ***12***
840 € Übergabe an ***13***
39.260 €
Rückzahlung bis ohne Zinsen
(gezeichnet Bf. und ***1***, ***5***)
b) Drei Kontoauszüge der ***14*** Bank der ***15*** über folgende Auszahlungen:
14.690,00 €Auszahlung erfolgt an ***5***
15.995,00 €Auszahlung erfolgt an ***5***
12.890,00 €Auszahlung erfolgt an ***16***
43.535,00 €
Zwei der Auszahlungen erfolgten an die Gesellschafterin ***5***. Eine Auszahlung erfolgte an den Geschäftsführer ***16***. EinNachweis für einen Geldfluss zwischen der Darlehensgeberin und Darlehensnehmerin kann damit nicht erbracht werden. Damit kann höchstens aufgezeigt werden, dass aus der türkischen Gesellschaft Geldbeträge entnommen wurden. Der vorgelegte Kreditvertrag wurde zwischen der türkischen Gesellschaft und der Bf. geschlossen. Der Kreditvertrag wurde erst am , zwei bis drei Monate nach der Entnahme der Geldbeträge abgeschlossen. Es liegt kein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Entnahme aus dem Betrieb und einer späteren Hingabe als Darlehen vor.
c) Des Weiteren wurden Passkopien mit amtlichem Siegel der Ausreise vorgelegt.
Bf., Ausreise am (Datum der Ausreise nicht leserlich)
Ehemann der Bf., Ausreise am
***12***, Ausreise am
***13***, Ausreise am
Die vorgelegten Passkopien belegen höchstens eine Ausreise an dem jeweiligen Tag. Ob an diesem Tag Geld nach Österreich mitgeführt wurde, kann damit nicht belegt werden.
Laut Kreditvertrag wurden folgende Beträge am zur weiteren Übergabe an die Bf. an folgende Personen übergeben:
9.900,00 €, Übergabe an die Bf., Ausreise am
9.520,00 €, Übergabe an den Ehemann der Bf., Ausreise am
9.500,00 €, Übergabe an ***11***, Ausreise am
9.500,00 €, Übergabe an ***12***, Ausreise am
840,00 €, Übergabe an ***13***, Ausreise am
39.260,00 €
Das Geld wurde jedenfalls nicht am von der türkischen Firma (Dahlehensgeberin) an oben angeführte Überbringer übergeben, da das Geld ja bereits am , am und am an Frau ***5*** und Herrn ***16*** ausbezahlt wurde.
In weiterer Folge wurden dann nachstehende Beträge in die Kassa eingelegt:
9.900,00 €
9.520,00 €
9.500,00 €
9.500,00 €
840,00 €
39.260,00 €
Die Geldbeträge wurden laut Angaben der Bf., nachdem sie nach Österreich verbracht wurden, zu Hause aufbewahrt. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Verbringen der Geldbeträge im September und der Einlage zwischen und ist auch hier nicht gegeben.
2. Zu einem Darlehensvertrag in Höhe von 52.200,00 € wurden folgende Unterlagen vorgelegt:
a) Vereinbarungen mit ***5***, dem Ehemann der Bf., ***12***, ***17***, ***18***. In diesen Vereinbarungen steht geschrieben, dass Geldbeträge in der Absicht, diese der Bf. an bestimmten Tagen auszufolgen, nach Österreich mitgeführt wurden. Diese Vereinbarungen sind von der Firma ***1*** gezeichnet und den "Überbringern".
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b) Des Weiteren wurden unleserliche Kontoauszüge und Kontobewegungen der Bank mit folgenden Erläuterungen vorgelegt:
8.585,00 €Eingezahlter Betrag an ***5***
9.240,00 €Eingezahlter Betrag an ***19*** (Geschäftsführer der Fa. ***20***)
7.430,00 €Eingezahlter Betrag an ***21***
11.950,00 €Eingezahlter Betrag an ***21***
15.450,00 €Eingezahlter Betrag an ***21***
52.655,00 €
Die Kontobewegungen belegen höchstens, dass Geldbeträge an ***5*** und ***21*** einbezahlt wurden. Darlehensgeberin ist die türkische Gesellschaft. Ein Zusammenhang, insbesondere ein Geldfluss von der Darlehensgeberin zur Darlehensnehmerin kann damit weder belegt noch glaubhaft gemacht werden.
c) Passkopien mit amtlichen Siegel der Ausreise:
***5***, Ausreise am
Ehemann der Bf., Ausreise am
***17***, Ausreise am
***18***, Ausreise am
***12***, Ausreise am
Die vorgelegten Passkopien belegen höchstens eine Ausreise an dem jeweiligen Tag. Ob an diesem Tag Geld nach Österreich mitgeführt wurde, kann damit nicht belegt werden. Laut Angaben der Bf. befand sich das Geld zwischen dem Verbringen nach Österreich und der Bareinlage in dem Betrieb zu Hause.
In weiterer Folge wurden nachstehende Beträge in die Kassa eingelegt:
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9.900,00 € | |
9.800,00 € | |
9.800,00 € | |
9.800,00 € | |
9.900,00 € | |
3.000,00 € | |
52.200,00 € |
Es fallen die Einlage in den Betrieb mit dem vorangegangenen Überbringen auseinander. Es ist unüblich, sich Darlehensbeträge schon bevor das Geld benötigt wird, auszahlen zu lassen."
Das Finanzamt hat den im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellten Sachverhalt in der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO und im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO vom wie folgt gewürdigt:
"Die Abhebungen vom Bankkonto der türkischen Gesellschaft, das spätere Überbringen und die tatsächlichen Bareinzahlungen in das Einzelunternehmen fallen zeitlich auseinander. Die Abhebungen bei der ***1*** erfolgten bereits am 2.6., am 5.7. und am 7.7., mehr als zwei Monate vor dem Abschluss des Vertrages und der Übergabe an die Geldboten. Die Einfuhr nach Österreich erfolgte lt. Vereinbarungen zwischen dem 4.9. und dem 11.9. Die Einlage in die Kassa erfolgte aber erst am 1.10. und am 16.11.
Auch die im Dezember erfassten Darlehenshingaben wurden bereits in den Monaten September bis November in der Türkei vom Konto behoben.
Ein Zusammenhang der Bankabhebungen vom Konto der türkischen Firma und einem späteren Darlehen ist weder belegt noch glaubhaft gemacht worden.
Der vorgelegte Darlehensvertrag zwischen der ***1*** und der Bf. wurde erst am abgeschlossen, zwei bis drei Monate, nachdem das Geld vom Firmenkonto behoben wurde. Der vorgelegte "Vertrag" enthält keine Vereinbarungen betreffend die Laufzeit und Besicherung. Auch beinhaltet er keine Kündigungsmodalitäten. Da diese Vereinbarungen fehlen, ist davon auszugehen, dass diese zwischen fremden Personen so nie vereinbart worden wären.
Zu einem Betrag in Höhe von 52.200,00 € gibt es keinen Darlehensvertrag.
Es gibt keine Anmeldungen beim Zoll, da die angeblich eingeführten Geldbeträge unter dem meldepflichtigen Betrag lagen.
Es ist fremdunüblich, Darlehensbeträge bar aus der Türkei nach Österreich zu verbringen, spätere Rückzahlungen aber über die Bank zu tätigen, auch wenn das damit begründet wird, dass Banküberweisungen von der Türkei nach Österreich relativ teuer sind.
Es konnte insbesondere im Hinblick auf das Angehörigenverhältnis (Darlehensgeberin ist ***1***, deren Hauptgesellschafterin die Schwiegermutter der Darlehensnehmerin ist) und des vorliegenden Auslandssachverhaltes weder nachgewiesen noch glaubhaft dargelegt werden, dass die Geldbeträge tatsächlich nach Österreich geflossen sind.
Wird ein Vermögenszuwachs festgestellt, den der Abgabepflichtige nicht aufklären kann, ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser aus nicht erfassten Einnahmen des Betriebes stammt. Ohne diese bar einbezahlten Geldbeträge entstehen Fehlbeträge in der Kassa.
Die als Darlehenszuflüsse der ***1*** gebuchten Beträge werden daher als Erlöse zu den bisher erklärten Umsätzen hinzugeschätzt.
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Oktober | 19.420,00 € | Ungeklärter Vermögenszuwachs |
16.183,67 € | Umsatzzuschätzung 20% | |
3.236,67 € | USt | |
November | 10.340,00 € | Ungeklärter Vermögenszuwachs |
8.816,67 € | Umsatzzuschätzung 20% | |
1.723,33 € | USt | |
Dezember | 61.700,00 € | Ungeklärter Vermögenzuwachs |
51.416,67 € | Umsatzzuschätzung 20% | |
10.283,33 € | USt |
Der steuerliche Vertreter der Bf. nahm mit Schriftsatz vom zu den obig wiedergegebenen Prüfungsfeststellungen wie folgt Stellung:
"Tz 1 Darlehen ***1*** (ungeklärter Vermögenszuwachs)
Stellungnahme zu den Prüfungsfeststellungen
1. Feststellung Prüfer:
Bis zur Vorbesprechung am wurde behauptet, dass es weder schriftliche Darlehensverträge noch sonstige Vereinbarungen gibt.
Stellungnahme:
Der Betriebsprüfer hat sämtliche Auskünfte von Herrn ***6*** (= Gatte der Bf.) erhalten.
Herr ***6*** teilt mir mit, dass er dem Prüfer lediglich gesagt habe, dass er sich nicht sicher sei, ob es Kreditverträge geben würde.
Welche Angaben die Auskunftsperson ***6*** dem Prüfer nun tatsächlich gegeben hat, ist allerdings unerheblich. Denn Fakt ist, dass dem Prüfer 2 Kreditverträge vorgelegt worden sind, die von der Kreditnehmerin (der Bf.) und vom Kreditgeber (***1***) unterzeichnet worden sind. Und sollte die Vermutung des Prüfers zutreffen, dass diese Kreditverträge nachträglich erstellt worden sind, so hätte der Kreditgeber mit diesen Verträgen bestätigt, dass er Gelder an die Bf. ausbezahlt hat. Diese Feststellung der Betriebsprüfung ist somit für die Klärung der Frage, ob Gelder aus der Türkei nach Österreich verbracht worden sind, ohne Bedeutung.
2. Feststellung Prüfer:
Die Abhebungen bei der Bank in der Türkei (44.535,00 €), das spätere Überbringen (39.260,00 €) und die tatsächlichen Bareinzahlungen in das Einzelunternehmen fallen zeitlich auseinander. Die Abhebungen bei der ***1*** erfolgten bereits am 2.6., am 5.7. und am 7.7., mehr als 2 Monate vor dem Abschluss des Vertrages und der Übergabe an die Geldboten. Die Einfuhr in Österreich erfolgte zwischen dem 4.9. und dem 11.9. Die Einlage in die Kassa erfolgte aber erst am 1.10. und am 16.11. Auch die im Dezember erfassten Darlehenshingaben wurden bereits in den Monaten September bis November in der Türkei vom Konto behoben.
Stellungnahme:
a. Nachweis der vorhandenen Barmittel beim Kreditgeber - zeitliche Differenzen:
Der Steuerpflichtigen ist es grundsätzlich unmöglich, den Nachweis zu erbringen, wie der Kreditgeber (***1***) die finanziellen Mittel zur Kreditvergabe aufgebracht hat. Mit den vorgelegten Kontoauszügen konnte jedoch zumindest glaubhaft gemacht werden, dass dem Kreditgeber entsprechende Barmittel zur Verfügung standen. Der Vollständigkeit halber ist aber ausdrücklich festzuhalten, dass von der Steuerpflichtigen eine unmögliche Beweisführung nicht verlangt werden kann. Zudem besteht keine Beweislastumkehr.
b. Kreditauszahlung, Einlage in Betrieb - zeitliche Differenzen:
Der Steuerpflichtigen steht es frei, zu welchem Zeitpunkt Bareinlagen in den Betrieb erfolgen. Üblicherweise erfolgt die Bareinlage zu einem Zeitpunkt, in dem Finanzbedarf besteht. Die von der Betriebsprüfung festgestellten zeitlichen Differenzen sind somit für die Klärung der Frage, ob Gelder aus der Türkei nach Österreich verbracht worden sind, ohne Bedeutung.
3. Feststellung Prüfer:
Die vorgelegten "Verträge" enthalten keine Vereinbarungen betreffend die Laufzeit und Besicherung. Auch beinhalten sie keine Kündigungs-, Tilgungs- und Zahlungsmodalitäten. Da diese Vereinbarungen fehlen, ist davon auszugehen, dass diese zwischen fremden Personenso nie vereinbart worden waren."
Stellungnahme:
In den Kreditverträgen sind zumindest der Rückzahlungstermin und der Zinssatz geregelt.
Auch wenn diese Kreditverträge nicht vollumfänglich fremdüblich gestaltet sind, ist dies kein Beleg dafür, dass die genannten Kreditbeträge nicht geflossen sind.
Die von der Betriebsprüfung festgestellte fremdunübliche Gestaltung der Kreditverträge ist somit für die Klärung der Frage, ob Gelder aus der Türkei nach Österreich verbracht worden sind, ohne Bedeutung.
4. Feststellung Prüfer:
Des Weiteren ist ungewöhnlich, dass die Geldbeträge bar nach Österreich gebracht wurden, obwohl spätere Rückzahlungen durch Banküberweisungen in die Türkei erfolgten. "
Stellungnahme:
Dem Prüfer wurde erklärt, dass Banküberweisungen von der Türkei nach Österreich relativ teuer sind. Um diese Kosten zu sparen, wurde das Geld bar nach Österreich transferiert.
5. Feststellung Prüfer:
Es gibt keine Anmeldungen beim Zoll.
Stellungnahme:
Die Steuerpflichtige hat dem Prüfer bereits erklärt, dass Bartransfers aus der Türkei nach Österreich von unter 10.000,00 € nicht meldepflichtig sind.Daher wurden auch keine Zollanmeldungen durchgeführt.
6. Schlussfolgerung Prüfer:
Aus den oben angeführten Gründen ist insbesondere im Hinblick auf das Angehörigenverhältnis (Darlehensgeberin ist ***23***, deren Haupt- oder Alleingesellschafterin die Schwiegermutter der Darlehensnehmerin ist) und des vorliegenden Auslandssachverhalts der Nachweis, dass die Geldbeträge tatsächlich nach Österreich flossen, nicht erbracht.
Stellungnahme:
Die Steuerpflichtige hat Kreditverträge, Bankkontoauszüge des Kreditgebers und weitere diverse Bestätigungen vorgelegt, aus denen ersichtlich sein sollte, dass Gelder nach Österreich transferiert worden sind. Unter Punkt II wird weiters das Kreditorenkonto des
Kreditgebers vorgelegt.
Die "Schlussfolgerung" des Prüfers, dass keine Geldbeträge nach Österreich geflossen sind, resultiert zum Teil aus dafür untauglichen Feststellungen (siehe Punkte I.1-3) und unter Ausblendung der dem Prüfer erteilten Auskünfte (siehe Punkte 1.4-5) und zum Teil aus
unterlassenen Sachverhaltsermittlungen (Anmerkung: Der Prüfer ist zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Wenn er nun Zweifel am Geldtransfer aus der Türkei nach Österreich hat, so wäre es zumindest angebracht, die "Geldboten" über dieUmstände des Geldtransfers zu befragen. Dies wurde bis dato unterlassen).Damit ist eine einseitig belastende Beweiswürdigung des Prüfers gegeben.
Die "Schlussfolgerung" des Prüfers ist somit lediglich eine Behauptung.
Nachreichung von Unterlagen:
Anbei das vom Steuerberater der ***23*** unterzeichnete Kreditorenkonto "***24***" (Bf.).Dieses Kreditorenkonto stimmt mit der Buchhaltung der Bf. überein und ist somit ein weiterer Nachweis über den Geldfluss nach Österreich.
Umsatzzuschätzung 20%:
Feststellung Prüfer:
Wird ein Vermögenszuwachs festgestellt, den der Abgabepflichtige nicht aufklären kann, ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser unaufgeklärte Vermögenszuwachs aus nicht erfassten Einnahmen des Betriebes stammt. Die als Darlehenszuflüsse der ***23*** gebuchten Beträge werden als Erlöse zu den bisher erklärten Umsätzen hinzugeschätzt.
Stellungnahme:
Dass kein "ungeklärter Vermögenszuwachs" gegeben ist, wurde unter Punkt I erläutert.
Bemerkenswert ist, dass sich der Prüfer offenbar keine Gedanken darüber gemacht hat, ob die Steuerpflichtige überhaupt in der Lage ist, "nicht erfasste (Bar-)Einnahmen" in Höhe von EUR 91.460,00 zu generieren.
Mehrere Umstände sprechen dagegen:
Es werden beinahe ausschließlich Unternehmer beliefert.
(Inländische) Unternehmer verlangen vor der Zahlung entsprechende Ausgangsrechnungen.
(Inländische) Unternehmer zahlen derart hohe Beträge in der Regel nicht bar.
Es wird eine "registrierte Registrierkasse'' geführt.
Auch hat der Prüfer in keinster Weise berücksichtigt, dass über 70% der Gesamtumsätze aus nicht steuerbaren Ausfuhrlieferungen resultieren. Wie kann es dann sein, dass der behauptete Vermögenszuwachs zur Gänze aus umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen resultiert?"
Das Finanzamt nahm in der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO und im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO vom zur Stellungnahme des steuerlichen Vertreters der Bf. mit Schriftsatz vom wie folgt Stellung:
"Zu Punkt 1:
Der Betriebsprüfer hat sämtliche Auskünfte von Herrn ***6*** (=Gatte der Bf.) erhalten.
Der Behauptung ist entgegenzuhalten, dass die Bf. bei den Besprechungen immeranwesend war, Herr ***25*** aber als "Dolmetscher" für seine Gattin fungierte.
Zu Punkt 2:
Im Hinblick auf das Naheverhältnis zwischen Darlehensgeberin und Darlehensgeber ist es der Darlehensnehmerin sehr wohl zumutbar, den Geldfluss (Abfluss der Darlehensbeträge) vom Firmenkonto der Darlehensgeberin nachzuweisen. Mit den vorgelegten Kontoauszügen konnte höchstens glaubhaft gemacht werden, dass der Kreditgeber Geldbeträge von seinem Konto entnommen hat. Ein direkter Geldfluss von den Konten der Darlehensgeberin zum Darlehensnehmer konnte jedenfalls nicht erbracht werden (Abhebung bei der Bank in der Türkei zwei bis drei Monate vor der Übergabe an die "Geldboten", der Darlehensvertrag wurde erst drei Monate nach Abhebung erstellt)
Zu III. Umsatzzuschätzung 20%:
Bisher wurden 70% der Gesamtumsätze aus nicht steuerbaren Ausfuhrlieferungen erwirtschaftet.
Ein Umsatz kann nur unter bestimmten Voraussetzungen (Ausfuhrnachweis, Buchnachweis) steuerfrei belassen werden.Deshalb wird die gesamte Zuschätzung mit 20% versteuert."
Das Finanzamt folgte den im Rahmen der Betriebsprüfung getätigten Feststellungen und erließ am entsprechende Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 10-12/2017.
In der gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für 10-12/2017 fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde ein Unterbleiben der Umsatzzuschätzung, die unmittelbare Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Begründend wurde ausgeführt, die Bf. habe im Prüfungszeitraum von der in der Türkei ansässigen "***26***" (nachfolgend kurz "***1***") Darlehensbeträge in Höhe von insgesamt 91.460,00 € erhalten. Die "***1***" sei eine Kapitalgesellschaft mit insgesamt 20.000 Aktien. An dieser Gesellschaft sei Frau ***27***, die Schwiegermutter der Bf., mit 19.999 Aktien und Frau ***7***, die Schwägerin der Bf., mit 1 Aktie beteiligt. Zur Darlehensgeberin "***1***" bestehe somit ein familiäres Naheverhältnis. Die Geldübergabe sei in der Türkei erfolgt und sei folglich als Bargeld nach Österreich verbracht worden. Strittig sei, ob die Bf. tatsächlich 91.460,00 € von der "***1***" erhalten habe oder ob statt dessen ein ungeklärter Vermögenszuwachs vorliege.
Laut Niederschrift über die Schlussbesprechung vom sei der Nachweis, dass die Geldbeträge nach Österreich geflossen seien, nicht erbracht worden. Somit läge ein ungeklärter Vermögenszuwachs vor, der als umsatzsteuerpflichtiger Umsatz zu behandeln sei.
1. Zum behaupteten ungeklärten Vermögenszuwachs
Zu diesen Prüfungsfeststellungen sei ausführlich Stellung genommen worden. Ergänzend sei dazu festzuhalten, es liege in der Natur einer Bargeldtransaktion, dass eine derartige Transaktion nur von unmittelbar beteiligten Personen nachgewiesen werden könne. Im gegenständlichen Verfahren sei eine Nachweisführung bzw. Glaubhaftmachung dieser Bargeldtransaktionen gegenüber der Abgabenbehörde aus folgenden Gründen unmöglich:
Die Abgabenbehörde spreche den von den beteiligten Personen vorgelegten buchmäßigen Nachweisen (Kreditverträge, Bankkontoauszüge, schriftliche Bestätigungen) die Glaubwürdigkeit per se ab.
Die Abgabenbehörde habe die vorgelegten Buchnachweise erst gar nicht gewürdigt. So sei dem Prüfer am aus der Buchhaltung der "***1***" das Kreditorenkonto der Bf. vorgelegt worden (Beilage IV). Auf diesem Kreditorenkonto seien alle an die Bf. übergebenen Bargeldbeträge gebucht.
Die Abgabenbehörde lasse in ihrer Beweiswürdigung die gebotene Gesamtschau des Sachverhalts unberücksichtigt. So wäre das Einzelunternehmen der Bf. ohne die materielle Unterstützung durch die "***1***" zahlungsunfähig. Die materielle Unterstützung sei durch das familiäre Naheverhältnis bedingt. Aus dem beiliegenden Kreditorenkonto "***1***" (Beilage VII) sei ersichtlich, dass die "***1***" Lieferforderungen von knapp 400.000,00 € gegenüber der Bf. habe. Die Bf. erhalte somit von der "***1***" Warenkredite in unüblicher Höhe. Dass diese Lieferungen durchgeführt worden seien, sei zolltechnisch nachweisbar. Wenn nun die "***1***" derart hohe Warenkredite gewähre, erscheine es durchaus auch als glaubwürdig, dass die "***1***" die Bf. auch mit Geldmitteln unterstütze.
Die Abgabenbehörde unterlasse notwendige Sachverhaltsermittlungen. Wenn die Abgabenbehörde die tatsächliche Durchführung der Bargeldtransaktionen bezweifle, so wäre die Einvernahme der namentlich bekannten Geldboten geboten gewesen. Eine Einvernahme habe jedoch nicht stattgefunden.
Die Abgabenbehörde würdige den Sachverhalt nicht schlüssig. So werde in der Niederschrift in der abschließenden Würdigung auf das zeitliche Auseinanderfallen zwischen der Bargeldbehebung des Darlehensgebers, der Geldübergabe an den Darlehensnehmer und der abschließenden Einlage in den Betrieb hingewiesen und dies als Indiz für die nicht erfolgte Bargeldtransaktion gewertet. Wenn dann allerdings kein zeitliches Auseinanderfallen gegeben sei (vgl. Pkt 2a, 2b der Niederschrift), dann werde dies nicht als Indiz für die erfolgte Bargeldtransaktion gewertet, sondern eine fadenscheinige Behauptung für das Nichtvorliegen der Bargeldtransaktion aufgestellt ("Die Kontobewegungen belegen höchstens, dass Geldbeträge an ***5*** (Anmerkung: Die quasi 100%ige Gesellschafterin des Darlehensgebers) und ***16*** (Anmerkung: Der Geschäftsführer des Darlehensgebers) einbezahlt wurden. Darlehensgeber ist die türkische Gesellschaft. Ein Zusammenhang, insbesondere der Geldfluss von der türkischen Darlehensgeberin zur Darlehensnehmerin kann damit weder belegt noch glaubhaft gemacht werden).
Wer solle denn das Geld für die Gesellschaft beheben, die Gesellschaft selbst?
Da die Abgabenbehörde überzogene Anforderungen an die Nachweisführung stelle, sei eine Nachweisführung bzw. Glaubhaftmachung der Bargeldtransaktionen gegenüber der Abgabenbehörde unmöglich.
Die "Schlussfolgerung" des Prüfers, wonach keine Geldbeträge nach Österreich geflossen seien, resultiere zum Teil aus dafür untauglichen Feststellungen (siehe Punkte I.1-3 der Beilage IV), unter Ausblendung der dem Prüfer erteilten Auskünfte (siehe Punkte I.4-5 der Beilage IV; keine Würdigung des vorgelegten Kreditorenkontos (Beilage IV) und zum Teil aus unterlassenen Sachverhaltsermittlungen (Anmerkung: Der Prüfer ist zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Wenn er Zweifel am Geldtransfer aus der Türkei nach Österreich habe, wäre es zumindest angebracht, die "Geldboten" über die Umstände des Geldtransfers zu befragen. Dies wurde bis dato unterlassen). Damit sei eine einseitig belastende Beweiswürdigung des Prüfers gegeben. Die "Schlussfolgerung" des Prüfers sei somit lediglich eine Behauptung und daher zu verwerfen.
2. Zur umsatzsteuerpflichtigen Umsatzzuschätzung
Dass kein ungeklärter Vermögenszuwachs vorliege, sei bereits erläutert worden. Bemerkenswert sei, dass sich der Prüfer offenbar keine Gedanken darüber gemacht habe, ob die Bf. überhaupt in der Lage sei "nicht erfasste (Bar-)Einnahmen" in Höhe von 91.460,00 € zu generieren. Folgende Umstände sprächen dagegen:
Von der Bf. würden beinahe ausschließlich Unternehmer beliefert.
Inländische Unternehmer würden vor der Zahlung entsprechende Ausgangsrechnungen verlangen.
Inländische Unternehmer würden derart hohe Beträge in der Regel nicht bar zahlen.
Es werde eine "registrierte Registerkasse" geführt.
Auch habe der Prüfer nicht berücksichtigt, dass über 70% der Gesamtumsätze aus nicht steuerbaren Ausfuhrlieferungen resultierten. Wie könne es dann sein, dass der behauptete Vermögenszuwachs zur Gänze aus umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen resultiere?
In seiner Stellungnahme im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt zu den Umsatzzuschätzungen aus, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei dann, wenn in einem mängelfreien Verfahren ein Vermögenszuwachs festgestellt werde, den der Abgabepflichtige nicht aufklären könne, die Annahme gerechtfertigt, dass der unaufgeklärte Vermögenszuwachs aus nicht bekannten Einkünften stamme. Das Vorliegen eines unaufgeklärten Vermögenszuwachses löse die Schätzungsbefugnis der Behörde nach § 184 Abs. 2 BAO aus, wobei eine solche Schätzung in einer dem ungeklärten Vermögenszuwachs entsprechenden Zurechnung zu den vom Abgabepflichtigen erklärten Einkünften zu bestehen habe (vgl. , und die dort angeführten Verweise). Ebenso lösten unaufgeklärte Kassafehlbeträge die Schätzungsberechtigung aus; diese stellten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine sachliche Unrichtigkeit der Bücher im Sinne des § 184 Abs. 3 BAO dar (vgl. ).
Der steuerliche Vertreter der Bf. halte den vom Prüfer vorgenommenen Hinzurechnungen im Wesentlichen entgegen, es liege in der Natur einer Bargeldtransaktion, dass eine derartige Transaktion nur von den unmittelbar beteiligten Personen nachgewiesen werden könne. Im gegenständlichen Verfahren sei eine Nachweisführung bzw. Glaubhaftmachung der Bargeldtransaktionen unmöglich gewesen. Die Abgabenbehörde habe die von den beteiligten Personen vorgelegten buchmäßigen Nachweisen (Kreditverträge, Bankkontoauszüge, schriftliche Bestätigungen) per se die Glaubwürdigkeit abgesprochen und vorgelegte Buchnachweise erst gar nicht gewürdigt. Zudem lasse die Abgabenbehörde in ihrer Beweiswürdigung die gebotene Gesamtschau des Sachverhalts unberücksichtigt und habe auch notwendige Sachverhaltsermittlungen wie die Einvernahme der Geldboten unterlassen.
Überdies sei der Sachverhalt nicht schlüssig gewürdigt worden. Die Schlussfolgerung des Prüfers, dass keine Geldbeträge nach Österreich geflossen seien, resultiere zum Teil aus dafür untauglichen Feststellungen und unter Ausblendung der dem Prüfer erteilten Auskünfte sowie aus unterlassenen Sachverhaltsermittlungen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass von der Bf. insbesondere im Hinblick auf das Angehörigenverhältnis und die im Zusammenhang mit Auslandssachverhalten bestehende erhöhte Mitwirkungspflicht, die auch eine Beweismittelbeschaffungs- und Vorsorgepflicht umfasse (vgl. Ritz, BAO6 § 115, Tz 10), Nachweise für den Geldfluss vorgelegt hätten werden müssen. Eine Glaubhaftmachung sei gemäß § 138 Abs. 1 BAO dann ausreichend, wenn dem Abgabepflichtigen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden könne. Eine Unzumutbarkeit der Beweisführung über die Herkunft der in den Betrieb eingelegten Mittel sei jedoch nicht erkennbar. Stammten diese Geldmittel tatsächlich von der ***1***, könne nicht nachvollzogen werden, weshalb es der Bf .nicht möglich gewesen sein sollte, den Geldfluss lückenlos nachzuweisen oder allenfalls die Geldtransaktion in nachvollziehbarer Weise bankmäßig abzuwickeln. So seien die Rückzahlungen des "Darlehens" bankmäßig abgewickelt und nicht bar in die Türkei verbracht worden.
Im gegenständlichen Fall seien die Darlehensbeträge zunächst in der Türkei abgehoben, in einigen Fällen schon Monate vor der Erstellung des Darlehensvertrags. Diese Beträge seien dann an ein oder mehrere Geldboten übergeben worden (zum Teil erst Monate nach der Abhebung), die diese Barmittel nach Österreich verbracht hätten. Den Geldboten sei jeweils nur ein Betrag von unter 10.000,00 € übergeben worden, sodass eine Anmeldung der Barmittel beim Zollamt nicht erforderlich gewesen sei. Die Darlehen, die auf über 10.000,00 € gelautet hätten, seien entsprechend gestückelt worden. Die Geldboten hätten das Bargeld anschließend an die Bf. übergeben.
Die Einlage der Barbeträge in den Betrieb sei nicht zum Zeitpunkt der Übergabe der Barmittel an die Bf. erfolgt, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. In der Zwischenzeit seien die Geldbeträge zu Hause aufbewahrt worden. Ein zeitlicher Zusammenhang sei also zum Teil weder zwischen der Auszahlung und der Übergabe an die Geldboten erkennbar, noch zwischen der Ausreise dieser Geldboten und der Einlage in die Kasse.
Als Nachweis für das Verbringen des Geldes nach Österreich hätten lediglich Passkopien mit Ausreisestempel der Geldboten sowie undatierte "Vereinbarungen" über die Absicht der einzelnen Geldboten, das Geld nach Österreich mitzuführen und es der Bf. zu übergeben, vorgelegt werden können. Die Anmeldungspflicht beim Zollamt für Barmittel über 10.000,00 € sei absichtlich umgangen worden, in dem die höheren Beträge gestückelt und jeweils nur Beträge unter 10.000,00 € nach Österreich verbracht worden seien. Die Geldbehebung in der Türkei habe durch Bankbelege nachgewiesen werden können, diese stünden zum Teil aber weder in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe an die Geldboten noch mit der Einlage in das Unternehmen der Bf.
Die Bf. habe den Geldfluss damit nicht lückenlos nachweisen können und sei ihrer Beweismittelbeschaffungs- und Vorsorgepflicht nicht nachgekommen.
Aufgrund des somit nicht aufgeklärten Vermögenszuwachses habe eine Schätzungsverpflichtung gemäß § 184 Abs. 2 BAO bestanden und der ungeklärte Vermögenszuwachs sei den erklärten Umsätzen hinzuzurechnen gewesen.
Bezüglich des Umsatzsteuersatzes habe die Bf. vorgebracht, dass 70% der Gesamtumsätze aus nicht steuerbaren Ausfuhrlieferungen resultiert hätten.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 seien Ausfuhrlieferungen steuerfrei (und nicht, wie von der Bf. vorgebracht, nicht steuerbar).
Nach § 7 Abs. 1 UStG 1994 liege eine Ausfuhrlieferung iSd § 6 Abs. 1 unter anderem dann vor, wenn der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördere oder versende (Z 1) oder der Unternehmer das Umsatzgeschäft, das seiner Lieferung zugrunde liege, mit einem ausländischen Abnehmer abgeschlossen habe und der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittland befördert oder versendet habe, ausgenommen die unter Z 3 genannten Fälle (Z 2).
Gemäß § 7 Abs. 4 UStG 1994 müsse über die erfolgte Ausfuhr ein Ausfuhrnachweis erbracht werden. Der Ausfuhrnachweis als solcher sei keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit, das Vorliegen der Ausfuhr sei jedoch im Falle eines fehlenden oder mangelhaften Ausfuhrnachweises jedenfalls durch andere Unterlagen zweifelsfrei nachzuweisen (vgl. Melhard in Melhard/Tumpel, UStG2, § 7 Tz. 64). Im gegenständlichen Fall habe die Bf. weder einen Ausfuhrnachweis vorlegen können noch andere Unterlagen, durch die die Ausfuhr zweifelsfrei nachgewiesen werden könne.
Die Steuerfreiheit könne daher nicht gewährt werden. Die Umsätze seien daher mit dem Normalsteuersatz von 20% zu versteuern gewesen.
In der Folge wurden am ein Umsatzsteuerbescheid für 2017 sowie Einkommensteuerbescheide für 2017 und 2018 erlassen. In der Begründung des Umsatzsteuerbescheides 2017 wurde auf die im Rahmen der Außenprüfung getroffenen umsatzsteuerlichen Feststellungen sowie auf den Betriebsprüfungsbericht vom verwiesen. Im Einkommensteuerbescheid 2017 wurde begründend ausgeführt, die laut Betriebsprüfungsbericht vom getroffenen Feststellungen (ungeklärter Vermögenszuwachs) seien einkommensteuerlich als Einnahmen in Ansatz zu bringen. Im Einkommensteuerbescheid 2018 wurde begründend dargelegt, dass laut Aktenlage bzw. laut Vorjahresbescheiden zum kein Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 zur Verfügung stünde.
In der gegen den Umsatzsteuerbescheid 2017 sowie die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde zwecks Ermöglichung der gemeinsamen Bearbeitung mit der Beschwerde gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für 10-12/2017 wiederum die unmittelbare Vorlage dieses Rechtsmittels an das Bundesfinanzgericht beantragt. Weiters wurde begehrt, dass die Umsatz- bzw. Erlöshinzuschätzung im Jahr 2017 unterbleiben solle und der in der Einkommensteuererklärung 2018 erklärte Verlustvortrag erklärungskonform angesetzt werde.
Begründend wurde unter Bezugnahme auf die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für 10-12/2017, mit denen vereinnahmte Darlehensbeträge in Höhe vom insgesamt 91.460,00 € als ungeklärter Vermögenszuwachs gewürdigt und als umsatzsteuerpflichtiger Umsatz behandelt worden seien (Erlöszuschätzung von 76.216,66 € netto) ausgeführt, im Umsatzsteuerbescheid 2017 sei der Darlehensbetrag unverändert als umsatzsteuerpflichtiger Umsatz mit 76.216,66 € netto angesetzt worden. Im Einkommensteuerbescheid 2017 seien die erklärten negativen Einkünfte aus Gewerbetrieb (-38.122,16 €) um die Erlöshinzuschätzung von 76.216,66 € (=Darlehensvertrag netto) erhöht und abzüglich dem Grundfreibetrag von 3.900,00 € mit 34.194,51 € angesetzt worden. Im Einkommensteuerbescheid 2018 sei der erklärte Verlustvortrag des Jahres 2017 von -38.122,16 € nicht berücksichtigt worden. Auf die Ausführungen in der Stellungnahme zu den Prüfungsfeststellungen sowie in der Beschwerde gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für 10-12/2017 werde verwiesen.
In seiner Stellungnahme im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt unter Bezugnahme auf die beim BFG anhängige, am vorgelegte Beschwerde gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für 10-12/2017 aus, sofern ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides trete, gelte die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gelte auch dann, wenn der frühere Bescheid (Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide 10-12/2017 vom ) einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende (Umsatzsteuerjahresbescheid 2017 vom ) umfasse.
Da in der Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Umsatzsteuerbescheid 2017 sowie die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 kein weiteres Vorbringen erstattet worden sei, werde auf die Stellungnahme zur Beschwerdevorlage vom betreffend die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für 10-12/2017 verwiesen.
Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. betrieb in den Streitjahren im Inland ein Einzelunternehmen mit dem Betriebsgegenstand "Erzeugung von Textilien und Textilwaren".
Im Zeitraum bis wurden auf dem Konto 3813 (Darlehen ***1***) Darlehenszuflüsse in Höhe von insgesamt 91.460,00 € und im Zeitraum bis Darlehensrückzahlungen in Höhe von insgesamt 70.440,00 € verbucht.
Als Darlehensgeberin scheint die ***2*** auf, eine - laut Auszug des Handelsregisteramtes ***3*** - Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in der Türkei, deren Gesellschaftskapital 1.000.000,00 TRY (Türkische Lira) beträgt. Gesellschafterinnen dieser Gesellschaft sind mit 19999 Anteilen (999.950,00 TRY) ***5***, die Schwiegermutter der Bf., und mit 1 Anteil (50 TRY) ***4***, die Schwägerin der Bf.
Die Darlehensaufnahme erfolgte dergestalt, dass zunächst insgesamt 43.535,00 € an Barbeträgen vom Bankkonto der türkischen Gesellschaft (***2***) behoben wurden. Die Auszahlungen erfolgten am in Höhe von 12.890,00 € an den Geschäftsführer der türkischen Gesellschaft sowie am in Höhe von 15.955,00 € und am in Höhe von 14.690,00 € an die Hauptgesellschafterin und Schwiegermutter der Bf.
Laut Kreditvertrag vom , abgeschlossen zwischen der türkischen Gesellschaft und der Bf., wurde der Bf. am ein Betrag in Höhe von 39.260,00 € übergeben, welcher bis zum ohne Zinsen zurückzuzahlen war. Aus dem gegenständlichen Kreditvertrag geht allerdings weiters hervor, dass der Bf. lediglich ein Betrag von 9.900,00 € unmittelbar ausgehändigt wurde, der restliche Kreditbetrag von 29.360,00 € wurde in Barbeträge von unter 10.000,00 € aufgeteilt und die Teilsummen dritten Personen (dem Ehemann der Bf. ein Betrag von 9.520,00 €, der Schwägerin der Bf. ein Betrag von 9.500,00 € sowie zwei weiteren Familienmitgliedern des Ehemannes der Bf. 9.500,00 € und 840,00 €) in bar in der Türkei ausgehändigt, welche diese der Bf. im Inland übergaben. Begründet wurde diese Vorgangsweise mit den hohen Überweisungskosten von Geldern aus der Türkei nach Österreich.
Mittels Vorlage von Passkopien wurden auch Ausreisen der Geldboten aus der Türkei bestätigt, wobei die Ausreisen der Bf. und ihres Ehemannes sowie eines weiteren Familienmitglieds laut Ausreisestempeln am erfolgten, die Ausreise der Schwägerin der Bf. am und die eines weiteren Familienmitglieds des Ehemannes der Bf. am .
In die Kassa des Einzelunternehmens der Bf. wurden die Gelder zu folgenden Zeitpunkten eingelegt:
9.900,00 €
9.520,00 €
9.500,00 €
9.500,00 €
840,00 €
39.260,00 €
Laut Angaben der Bf. wurden die Gelder nach Verbringung ins Inland zunächst zu Hause aufbewahrt.
Als Nachweis für die Übergabe einer weiteren Darlehenssumme von insgesamt 52.200,00 € wurden zwischen der türkischen Gesellschaft (***2***) und den Geldboten (bei diesen handelt es sich wiederum um die Schwiegermutter der Bf., ihren Ehemann, ihre Schwägerin sowie zwei weitere Familienmitglieder des Ehemannes der Bf.) abgeschlossene Vereinbarungen vorgelegt, laut denen die Geldboten die nachfolgend angeführten, erhaltenen Barbeträge von unter 10.000,00 € nach Österreich mitführen, um sie der Bf. auszuhändigen.
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Mittels Vorlage von Passkopien wurden wiederum auch die Ausreisen der Geldboten aus der Türkei bestätigt, wobei die Ausreise der Schwiegermutter der Bf. am erfolgte, die Ausreise des Ehemannes der Bf. am , die Ausreisen von ***17*** und ***18*** am sowie die Ausreise der Schwägerin der Bf. am .
In die Kassa des Einzelunternehmens der Bf. wurden die Gelder zu folgenden Zeitpunkten eingelegt:
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9.900,00 € | |
9.800,00 € | |
9.800,00 € | |
9.800,00 € | |
9.900,00 € | |
3.000,00 € | |
52.200,00 € |
In einem weiteren, mit datierten schriftlichen Kreditvertrag, dessen Vertragspartner die gegenständliche türkische Gesellschaft und die Bf. sind, wurde festgehalten, dass die am bestehenden Schulden in Höhe von 29.860,00 € am ohne Verzinsung zurückgezahlt werden.
Die Darlehensrückzahlungen erfolgten per Überweisung in die Türkei.
2. Beweiswürdigung
Grundlage für diese Feststellungen sind die seitens des Finanzamtes übermittelten Akten, insbesondere der mit datierte Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung sowie die ebenfalls mit datierte Niederschrift über die Schlussbesprechung einschließlich des Arbeitsbogens des Betriebsprüfers.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
In Streit steht, ob es sich bei als Darlehen deklarierten Zahlungseingängen um einen ungeklärten Vermögenszuwachs handelt.
Vorab ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (siehe dazu z.B. ; , 2009/15/0164), wonach ein Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für bestimmte Kalendermonate zwar in vollem Umfang anfechtbar ist, aber insoweit einen zeitlich begrenzten Wirkungsbereich hat, als er durch die Erlassung eines Umsatzsteuerjahresbescheides, der den gleichen Zeitraum (mit)umfasst, außer Kraft gesetzt wird, sodass er ab der Erlassung des Veranlagungsbescheides keine Rechtswirkungen mehr entfalten kann.
Im Beschwerdefall wurde am ein Umsatzsteuerbescheid für 2017 erlassen, wodurch die am erlassenen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für 10-12/2017 außer Kraft gesetzt wurden.
§ 253 BAO bestimmt, dass, sofern ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet gilt. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid - wie im Beschwerdefall - einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.
Somit gilt die am gegen die am erlassenen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für 10-12/2017 erhobene Beschwerde als Beschwerde gegen den an deren Stelle tretenden Umsatzsteuerbescheid für 2017 vom und der als Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2017 bezeichnete Schriftsatz vom ist als Beschwerdeergänzung zur ursprünglichen Beschwerde vom zu werten (siehe dazu z.B. ; , 95/13/0264; , 2006/15/0085, jeweils zu § 274 aF)
In materieller Hinsicht ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass in der Regel zwar die Abgabenbehörde die Feststellungslast für alle Tatsachen trägt, die vorliegen müssen, um einen Abgabenanspruch geltend machen zu können, dieser Grundsatz die Partei jedoch nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht befreit (siehe dazu z.B. ; , 2001/14/0187; , 2007/15/0292). Sofern Sachverhaltselemente ihre Wurzeln im Ausland haben, besteht aufgrund der gewöhnlich geringeren behördlichen Ermittlungsmöglichkeiten überdies eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen, die eine Beweismittelbeschaffungspflicht und eine Vorsorgepflicht beinhaltet (; , 2008/15/0046).
Eine erhöhte Mitwirkungspflicht besteht weiters, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (z.B. ; , 99/15/0250; , 2002/13/0091; , 2004/17/0105), die nur der Abgabepflichtige aufklären kann, oder wenn die Behauptungen des Abgabepflichtigen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stehen (; , 95/15/0049; , 2004/16/0061). Aber auch der Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen sind Grenzen gesetzt durch die Notwendigkeit (Erforderlichkeit), Verhältnismäßigkeit, Erfüllbarkeit und Zumutbarkeit der Mitwirkung (siehe dazu z.B. z.B. ). Zudem ist die Mitwirkungspflicht keine Beweislast (siehe dazu z.B. Ritz/Koran, BAO7 § 115 BAO Rz 9, die wiederum aus Stoll, BAO, 1279, 1562 und 1756 sowie Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 115 Anm 14, verweisen).
Eine besondere Situation in Bezug auf die Beweiswürdigung ergibt sich im Zusammenhang mit Rechtsgeschäften zwischen nahen Angehörigen, die sich durch die fehlenden Interessensgegensätze von Geschäftsbeziehungen mit Fremden unterscheiden und zugleich zu einer Einschränkung der behördlichen Ermittlungsmöglichkeiten im Familienverband führen (z.B. Zeugenentschlagungsrechte). Zur Verhinderung von Missbrauch hat die höchstgerichtliche Rechtsprechung deshalb basierend auf der in § 21 BAO normierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise besondere Kriterien für die steuerliche Anerkennung derartiger Vereinbarungen entwickelt, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu beachten sind (siehe dazu z.B. ; ; ). Die betriebliche Veranlassung von Vereinbarungen bzw. Leistungsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen setzt demnach kumulativ voraus, dass sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären.
Wie unter Pkt. II.1. festgestellt wurde, sind die Gesellschafter jener in der Türkei ansässigen Kapitalgesellschaft, die "Darlehensverträge" mit der Bf. abgeschlossen hat, deren Schwiegermutter und deren Schwägerin, sodass zu prüfen ist, ob der Angehörigenjudikatur standhaltende Vereinbarungen vorliegen.
Dass der dem Finanzamt bekannt gegebene Darlehensvertrag über eine Darlehenssumme von 39.260,00 € mit datiert ist, die Bargeldabhebungen vom Konto der in der Türkei ansässigen Kapitalgesellschaft jedoch mehr als zwei Monate vor diesem Zeitpunkt erfolgten, spricht nach Auffassung des BFG nicht gegen ein tatsächliches Zustandekommen dieses Vertrages. Vielmehr lässt diese Vorgangsweise den Schluss zu, das die Darlehenshingabe zunächst mündlich vereinbart wurde und am eine schriftliche Fixierung erfolgte.
In diesem schriftlichen, von den Vertragspartnern unterzeichneten Vertrag wurden die Darlehensgeberin, die Darlehensnehmerin, die Darlehenssumme, der Rückzahlungsbetrag sowie der Rückzahlungstermin angeführt und es wurde festgehalten, dass keine Zinsen verrechnet werden. Überdies wurden in diesem Vertrag die Übergabemodalitäten der Darlehenssumme von der Darlehensgeberin an die Darlehensnehmerin festgelegt (siehe dazu unter Pkt. II.1.). Aus der Sicht des BFG weist die Darlehensvereinbarung somit auch einen klaren und eindeutigen Vertragsinhalt auf.
Dies gilt aus der Sicht des Finanzgerichtes auch für die von der türkischen Gesellschaft dem Einzelunternehmen der Bf. zugewendete weitere Darlehenssumme vom 52.200,00 €, da auch diesbezüglich die Übergabemodalitäten der Darlehenssumme von der Darlehensgeberin an die Darlehensnehmerin schriftlich festgehalten wurden und in einem mit datierten schriftlichen Vertrag überdies festgehalten wurde, dass die am bestehenden Schulden in Höhe von 29.860,00 € am ohne Verzinsung zurückgezahlt werden (siehe dazu wiederum unter Pkt. II.1.).
Auch wenn ein Darlehensvertrag im Unterschied zu einem in § 988 ABGB geregelten Kreditvertrag zivilrechtlich gemäß § 984 Abs. 1 ABGB zinsenlos sein kann - im Beschwerdefall wird allerdings sowohl der Terminus "Darlehensvertrag" als auch der Terminus "Kreditvertrag" verwendet - ist die zinsenlose Zurverfügungstellung einer Geldsumme ohne Besicherung im Regelfall als fremdunüblich zu bewerten. Im Beschwerdefall ist allerdings zu berücksichtigen, dass die in der Türkei ansässige Kapitalgesellschaft der Bf. bereits erhebliche Warenkredite eingeräumt hat, sodass zwecks Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Vertragspartners nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch fremde Dritte kurzfristig (die vereinbarte Laufzeit betrug ein halbes Jahr) zinsenlos und unbesichert Geldmittel zur Verfügung stellen würden.
Gegenständlich ist nach Auffassung des BFG überdies zu beachten, dass nicht primär zu klären ist, ob die Vertragsgestaltung fremdüblich war, sondern ob die in der Türkei ansässige Kapitalgesellschaft der Bf. tatsächlich kurzfristig benötigte Gelder zur Verfügung gestellt hat, oder ob es sich bei diesen als Darlehen deklarierten Zahlungseingängen um einen ungeklärten Vermögenszuwachs handelt.
Der im Abgabenverfahren gemäß § 167 Abs. 2 BAO bestehende Grundsatz der freien Beweiswürdigung, der stets dann zum Tragen kommt, wenn keine gesetzliche Beweislast besteht (wie beispielsweise gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988) gilt auch bei "Familienverträgen" (siehe dazu Ritz/Koran, BAO8 § 167 BAO Rz 9). Freie Beweiswürdigung bedeutet, dass nach erfolgter Beweisaufnahme unter Heranziehung aller in Betracht kommenden, grundsätzlich gleichwertigen Beweismittel der innere Wahrheitsgehalt des Ergebnisses des Beweisverfahrens dafür ausschlaggebend zu sein hat, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist (siehe dazu Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 167 Anm 6). Dabei genügt es nach ständiger Rechtsprechung, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (z.B. ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).
Im Beschwerdefall hat die Darlehenshingabe bzw. die Rückzahlung des Darlehens nicht nur in der Buchhaltung der Bf. einen Niederschlag gefunden, sondern auch auf dem Kreditorenkonto der in der Türkei ansässigen Kapitalgesellschaft. Dass die in der Türkei ansässige Kapitalgesellschaft überdies wirtschaftlich in der Lage war, der Bf. die beschwerdegegenständlichen Gelder zur Verfügung zu stellen, wurde durch die seitens der Hauptgesellschafterin sowie des Geschäftsführers der türkischen Gesellschaft nachgewiesenen Geldabhebungen (siehe dazu unter Pkt. II.1.) bzw. Überweisungen ausreichend dokumentiert. Das BFG erachtet die tatsächliche kurzfristige Verleihung der beschwerdegegenständlichen Geldmittel durch die vorgelegten Vereinbarungen zwischen den Geldboten und der türkischen Gesellschaft über die Aushändigung der gegenständlichen Barbeträge, ihre Verbringung nach Österreich sowie ihre Ausfolgung an die Bf. auch als hinreichend erwiesen. Es teilt auch nicht die Auffassung der Abgabenbehörde, dass der Umstand des zeitlichen Auseinanderfallens der getätigten Abhebungen der Gelder vom Bankkonto der türkischen Gesellschaft, des Aushändigens der Gelder an die Geldboten, ihrer Einfuhr nach Österreich sowie der Einlage der Gelder in die Kassa des Einzelunternehmens der Bf. (siehe dazu unter Pkt. II.1.), gegen die kostenlose Zurverfügungstellung der Gelder spricht. Aus der Sicht des BFG lässt dieser Umstand vielmehr die Schlussfolgerung zu, dass anstehende Verwandtenbesuche in der Türkei für die Geldtransfers genutzt wurden, um so die hohen Überweisungskosten von Geldern aus der Türkei nach Österreich zu umgehen. Dass die als Geldboten eingesetzten Familienmitglieder zu den benannten Zeiträumen tatsächlich in der Türkei waren, wurde durch Ausreisestempel in den vorgelegten Passkopien bewiesen.
Gesamthaft kommt das BFG deshalb im Rahmen der Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass die Herkunft des Betrages von insgesamt 91.460,00 € hinreichend geklärt wurde und deshalb keine Schätzungsbefugnis der Abgabenbehörde gemäß § 184 BAO bestand.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob es sich bei als Darlehen deklarierten Zahlungseingängen um einen ungeklärten Vermögenszuwachs handelt und deshalb eine Schätzungsbefugnis besteht, ist auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Derartige nur für den Einzelfall bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen sind einer (ordentlichen) Revision grundsätzlich nicht zugänglich.
Gesamthaft war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 184 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.1100517.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
MAAAF-80934