Einverständniserklärung für gemeinnützige Leistungen, danach aber längerer ungeplanter Auslandsaufenthalt, Widerruf des Strafaufschubes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Finanzstrafsache gegen Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Stefan Errath, Mariahilfer Straße 89A Tür 34, 1060 Wien, über die Beschwerde des Bestraften vom (Datum des Poststempels) gegen den Bescheid über den Widerruf des Strafaufschubes des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, Geschäftszahl *VZ-1* zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Frist für die Erbringung der gemeinnützigen Leistungen wird gemäß § 3a StVG bis erstreckt.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Mit Bescheid über den Widerruf des Strafaufschubes des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom zu Steuernummer ***BF1StNr1***, Geschäftszahl *VZ-1*, wurde der zur Erbringung gemeinnütziger Leistung gewährte Aufschub des Vollzuges der über Herrn ***Bf1*** zu obgenannter Geschäftszahl verhängten Ersatzfreiheitsstrafe widerrufen und als Begründung ausgeführt:
"Gemäß § 179 Abs. 3 Finanzstrafgesetz (FinStrG) hat der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe zu unterbleiben, wenn der Bestrafte gemeinnützige Leistungen (§ 3a StVG) erbringt. Gemäß § 178 Abs. 1 FinStrG iVm § 3a Abs. 4 StVG ist der Aufschub zu widerrufen und die Freiheitsstrafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte die gemeinnützigen Leistungen nicht oder nicht vollständig erbringt; bereits erbrachte Leistungen sind entsprechend zu berücksichtigen.
Sie wurden mit Schreiben vom , zugestellt am , aufgefordert, die Ersatzfreiheitsstrafe von 89 Tagen und 6 Stunden innerhalb eines Monats ab Zustellung anzutreten. Aufgrund der Mitteilung über die Herstellung des Einvernehmens mit einer geeigneten Einrichtung zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Ausmaß von 357 Stunden innerhalb eines Zeitraumes von maximal 36 Wochen galt der Vollzug dieser Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 179 Abs. 3 FinStrG iVm § 3a Abs. 2 StVG als aufgeschoben.
Laut Abschlussbericht des Verein Neustart leisteten Sie 0 Stunden gemeinnützige Leistung, welche auf die zu vollziehende Ersatzfreiheitsstrafe angerechnet werden. Somit wurde die (ergänzt: gemeinnützige) Leistung nicht vollständig erbracht und der Strafaufschub war zu widerrufen.
Sie sind deshalb verpflichtet, die Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 87 Tagen und 9 Stunden unverzüglich bei der Justizanstalt anzutreten, widrigenfalls wird Ihre zwangsweise Vorführung veranlasst.
Den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe können Sie abwenden, in dem Sie den Strafbetrag in Höhe von € 33.985,67 auf das unten angeführte Bankkonto unter Angabe der Strafkontonummer einzahlen." (Zustellung am ; Beginn der Abholfrist; abgeholt am )
Mit Eingabe vom (Datum der Eingabe vom ) wurde dagegen Beschwerde eingebracht und wie folgt ausgeführt:
"1. Gegen den Bescheid des "Amts für Betrugsbekämpfung" vom , zur Geschäftszahl *VZ-1* wird nachfolgende BESCHWERDE erhoben und der Antrag gestellt, den Widerruf des Strafaufschubs zu beheben.
2. Der Beschwerdeführer war im Zeitraum - ortsabwesend. Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit seiner Rückkehr, die erhobene Beschwerde ist somit rechtzeitig.
2. Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben des Vereins Neustart (datiert vom ) zur Kontaktaufnahme zur Regelung der Durchführung der gemeinnützigen Leistungen aufgefordert.
Der Beschwerdeführer war zu dieser Zeit jedoch nicht in Österreich, da er am zur Regelung dringender familiärer Angelegenheiten nach **P** reiste und erst am zurückkehrte
Beweis: Flugbuchungen, Boarding Card, Grenzkontrollstempel
3. Erst am 13. November erfuhr er vom Schreiben des Vereins Neustart, da während seiner Abwesenheit ein Bekannter die Post kontrollierte. Noch am selben Tag übermittelte er ein Mail an den Verein, wonach er erst Anfang Dezember nach Österreich zurückkehre.
Beweis: Mail an Verein Neustart
4. Der Beschwerdeführer war aufgrund dringend zu regelnden familiären Angelegenheiten gezwungen (Ehegattin schwer erkrankt), Österreich zu verlassen.
Er ist aber nach wie vor bereit und willig die gemeinnützigen Leistungen anstelle der Ersatzfreiheitsstrafe zu erbringen.
5. In Anbetracht der obigen Ausführungen werden folgende Anträge gestellt:
1. Das Amt zur Berufsbekämpfung möge im Zuge einer Beschwerdevorentscheidung den bekämpften Bescheid selbst beheben
2. bzw. die Beschwerde dem Gericht vorzulegen, wobei dieses - allenfalls nach Durchführung einer Verhandlung - ersatzlos aufheben möge. […]"
Festzuhalten ist, dass die angebotenen Beweise wie Flugbuchungen, Boarding Card, Grenzkontrollstempel die Angaben des behaupteten Auslandsaufenthaltes bestätigen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Festgestellter Sachverhalt:
Mit Erkenntnis des Spruchsenates vom , zugestellt am , wurde der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 35.000,00 € (90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Nachdem die Finanzstrafbehörde am festgestellt hat, dass die Geldstrafe iHv € 34.720,00 uneinbringlich war, wurde eine Aufforderung zum Strafantritt erlassen (zugestellt am ). In dieser wurde darauf hingewiesen, dass der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt, wenn der Beschwerdeführer gemeinnützige Leistungen im Ausmaß von 357 Stunden innerhalb eines Zeitraums von längstens 36 Wochen erbringt UND sich dazu innerhalb eines Monats ab Zustellung dieser Aufforderung schriftlich gegenüber der Finanzstrafbehörde bereit erklärt UND innerhalb eines Monats ab der Abgabe dieser Erklärung der Finanzstrafbehörde eine Vereinbarung mit einer geeigneten Einrichtung über die Erbringung der gemeinnützigen Leistung vorlegt.
Der Beschwerdeführer erklärte sich fristgerecht mit Schreiben vom (Poststempel vom ) gegenüber der Finanzstrafbehörde ausdrücklich bereit, die erforderlichen gemeinnützigen Leistungen zu erbringen.
Festzuhalten ist, dass diesem Schreiben (oder einem Schreiben vor oder unmittelbar nach der Abreise) kein Hinweis darauf zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer unmittelbar danach für längere Zeit ins Ausland reisen würde.
Am wurde die Einverständniserklärung von der Finanzstrafbehörde dem Verein Neustart übermittelt.
Anstelle einer Mitteilung über das Einvernehmen mit einer geeigneten Einrichtung durch den Bestraften nach § 3a Abs. 2 StVG, wurde vom Verein Neustart Wien ein mit datierter Abschlussbericht übermittelt, in dem sinngemäß ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer keine Einvernahme mit einer geeigneten Einrichtung binnen eines Monats ab Abgabe der Einverständniserklärung herstellen konnte bzw. eine Vermittlung zur gemeinnützigen Leistung nicht durchgeführt werden konnte, weil sie weder ihn noch dessen Rechtsanwalt erreichen konnten.
Infolgedessen wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom (zugestellt durch Hinterlegung am ) der zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen gewährten Aufschub des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe widerrufen.
In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom (Datum des Poststempels ) wurde vom Beschwerdeführer erstmals eingewendet, dass er zur Zeit der Versuche der Kontaktaufnahme durch den Verein Neustart nicht in Österreich, sondern in **P** war (konkret -), er am von einem Kontaktschreiben des Verein Neustart Kenntnis erlangte und am selben Tag dem Verein Neustart mittels E-Mail mitgeteilt habe, erst Anfang Dezember 2024 nach Österreich zurückzukehren.
Allerdings war der Beschwerdeführer im Zeitraum - ortsabwesend.
Beweiswürdigung:
Die dargestellten Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers bzw. den entsprechenden Aktenteilen und sind nicht strittig. Die angebotenen Beweise wie Flugbuchungen, Boarding Card, Grenzkontrollstempel können die Angaben über die Abwesenheit nachträglich bestätigen.
Rechtslage:
Gemäß § 179 Abs. 3 FinStrG hat der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe zu unterbleiben, wenn der Bestrafte gemeinnützige Leistungen (§ 3a StVG) erbringt. Darüber ist er in der Aufforderung zum Strafantritt zu informieren, wobei ihm auch das Ausmaß der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen mitzuteilen ist. Eine Gleichschrift dieser Mitteilung darf auch einer in der Sozialarbeit erfahrenen Person (§ 29b des Bewährungshilfegesetzes, BGBl. Nr. 146/1969) übermittelt werden. § 3a Abs. 1 bis 4 StVG und § 29b Bewährungshilfegesetz sind mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an Stelle des Gerichtes die Finanzstrafbehörde tritt. Die Vermittlung gemeinnütziger Leistungen hat nur über Ersuchen des Bestraften zu erfolgen.
§ 3a Abs. 1 StVG: Gemeinnützige Leistungen sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung (§ 202 StPO) zu erbringen, mit der das Einvernehmen herzustellen ist. Vier Stunden gemeinnütziger Leistungen entsprechen einem Tag der Freiheitsstrafe. Nach vollständiger Erbringung gilt die Strafe als vollzogen. Der Vermittler erarbeitet gemeinsam mit dem Verurteilten den für die Erbringung der gemeinnützigen Leistung benötigten Zeitraum, wobei auf eine gleichzeitige Aus- und Fortbildung, eine Berufstätigkeit oder eine Verpflichtung aus einer Arbeitsvermittlung Bedacht zu nehmen ist, und unterstützt ihn bei den erforderlichen Eingaben bei Gericht. Der Zeitraum für die Erbringung der gemeinnützigen Leistungen darf nicht länger bemessen werden, als der Verurteilte bei wöchentlich zehn Arbeitsstunden benötigen würde. § 202 Abs. 1 letzter Satz sowie Abs. 3 bis 5 StPO gilt sinngemäß. Die Erbringung gemeinnütziger Leistungen bei Freiheitsstrafen, die neun Monate oder länger dauern, ist nicht zulässig.
Gemäß § 3a Abs. 4 StVG ist der Aufschub zu widerrufen und die Freiheitsstrafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte die gemeinnützigen Leistungen nicht oder nicht vollständig erbringt; bereits erbrachte Leistungen sind entsprechend zu berücksichtigen. Weist der Verurteilte nach, dass er an der vollständigen Erbringung der gemeinnützigen Leistungen durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse gehindert war, so hat das Gericht den Aufschub für die notwendige und angemessene Dauer zu verlängern.
Rechtliche Beurteilung:
Zunächst ist festzustellen, dass die belangte Behörde aufgrund des Wissens zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung gesetzeskonform verpflichtet war, den Aufschub zu widerrufen, da laut Bericht des Vereins Neustart der Verurteilte die gemeinnützigen Leistungen nicht erbracht hat.
Weist der Verurteilte nach, dass er an der vollständigen Erbringung der Leistungen durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse gehindert war, hat das Gericht den Aufschub für die notwendige und angemessene Dauer zu verlängern. Unvorhersehbar ist ein Ereignis, dessen Eintritt aus der subjektiven Perspektive des Betroffenen nicht zu erwarten war. Unabwendbarkeit liegt vor, wenn sich ein Ereignis nach den objektiven Verhältnissen auch für eine normative Vergleichsfigur nicht verhindern lässt (Lewisch in WK StPO § 364 Rz 19). In Betracht kommen neben Unfall und Krankheit alle Fälle höherer Gewalt und Umstände, die zumindest nicht in der Einflusssphäre des Verurteilten liegen, siehe Pieber in Höpfel/Ratz, WK2 StVG § 3a Rz 37 (Stand , rdb.at).
Der Verurteilte hat den Nachweis zu erbringen, dass er an der vollständigen Erbringung der vereinbarten Leistungen durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis gehindert war und ihn am Eintritt dieses Ereignisses kein grobes Verschulden trifft; siehe Pieber in Höpfel/Ratz, WK2 StVG § 3a Rz 39 (Stand , rdb.at).
Für das Bundesfinanzgericht ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung maßgebend und hat dabei auch Tatsachen zu berücksichtigen, die ihm während des Rechtsmittelverfahrens bekannt geworden sind (vgl. ; ; ).
Durch die in der Beschwerde erfolgte Nachreichung von Informationen über ein aus Sicht des Beschwerdeführers unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis, wonach er sich aufgrund einer schweren Erkrankung seiner Frau kurzfristig ab bis einschließlich im Ausland aufgehalten hat, wobei die Beweise über Flugbuchungen, Boarding Card, Grenzkontrollstempel die Angaben bestätigen, ist ein unvorhersehbares Ereignis im Sinne des § 3a Abs. 4 StVG gegeben, sodass der Beschwerde stattzugeben war.
Durch die Aufhebung des Widerrufs des Strafaufschubes bleibt dieser weiter aufrecht, sodass nach wie vor die Möglichkeit der Ableistung von gemeinnützigen Leistungen besteht.
Um dem Bestraften die Möglichkeit der Ableistung von gemeinnützigen Leistungen offenzuhalten, wird die Frist für die Leistungserbringung bis insoweit erstreckt, als der Beschwerdeführer bis zu diesem Datum dem Amt für Betrugsbekämpfung als belangte Behörde eine bereits erreichte Einigung mit dem Verein Neustart über die Erbringung der gemeinnützigen Leistungen mitzuteilen hat, andernfalls der Strafaufschub zu widerrufen und die Freiheitsstrafe zu vollziehen sein wird.
Sollte der Bestrafte neuerlich kurzfristig ins Ausland reisen müssen, ist dies unverzüglich der Finanzstrafbehörde und dem Verein Neustart mitzuteilen, um einen weiteren Widerruf des Strafaufschubes zu vermeiden.
Absehen von der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG ist über Beschwerden nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, die Beschwerde ist zurückzuweisen oder der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben, das Verfahren einzustellen oder es ist nach § 161 Abs. 4 vorzugehen.
Da der angefochtene Bescheid schon aufgrund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG von der zudem nur in eventu beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Somit wäre ohnehin nur bei Verneinung des Primärantrages auf den Eventualantrag Bedacht zu nehmen.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 3a Abs. 4 StVG, Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 § 3a Abs. 2 StVG, Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7300014.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
NAAAF-79730