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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.03.2025, RV/7101955/2023

1. Studienberechtigungsprüfung - keine Vorbereitung auf letzte Prüfung im beschwerdegegenständlichen Zeitraum 2. Berufsausbildung - Studium am Kolleg ist kein Studium im Sinne des § 3 StudFG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Monate Mai 2021 bis November 2021 für das Kind ***Ki***, Ordnungsbegriff ***Zahl***:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert: Die Rückforderung wird auf den Zeitraum Mai 2021 bis August 2021 eingeschränkt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Gewährung der Familienbeihilfe für Ihren Sohn ***Ki*** ab Jänner 2022. Zusätzlich zum Antrag legte die Bf. dem Finanzamt am eine Schulbesuchsbestätigung für den Zeitraum von bis des Vereins "***Verein***" für die Ausbildung zum Assistenten für Sozialpädagogik vor, ein Semesterzeugnis für das Schuljahr 2021/22 (das zweite Semester) des Kollegs der Bildungsanstalt für Sozialpädagogik für Berufstätige dieses Vereins sowie eine Rechnung über Semestergebühren für das dritte Semester des Lehrgangs Sozialpädagog*in und Fachkraft für Sozialpädagogik (Lehrgangsdauer: -) als Nachtrag zum Antrag vor.

Am verlangte das Finanzamt mittels Vorhalt einen Nachweis über abgelegte Prüfungen an der Volkshochschule sowie einen Einkommensnachweis.

In der Vorhaltsbeantwortung vom gab die Bf. bekannt, dass ihr Sohn die letzte Prüfung der Studienberechtigungsprüfung (SBP) im November 2022 habe, dem Finanzamt bereits ein Einkommensnachweis vorliege und das Prüfungszeugnis nach der abgeschlossenen Prüfung übermittelt werde.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Familienbeihilfe vom für den Zeitraum ab Jänner 2022 ab, weil der Sohn der Bf. als außerordentlicher Student gemeldet sei.

Zeitgleich mit dem Abweisungsbescheid erging am der hier verfahrensgegenständliche Rückforderungsbescheid betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Mai 2021 bis November 2021. Begründet führte das Finanzamt aus, dass die Vorbereitungszeit für die Ablegung der SBP als Zeit der Berufsausbildung gelte, wobei jedoch in Anbetracht des zeitlichen Aufwands der Prüfungsvorbereitung maximal für zwei Semester Familienbeihilfe gewährt werden könne.

Am erhob die Bf. Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid und führte aus, dass ihr Sohn am zur SBP angemeldet gewesen sei, jedoch aus beruflichen Gründen nicht zur Prüfung antreten konnte und der nächste Termin erst im März 2023 stattfinde. Die Bf. bat um Aufhebung des Abweisungsbescheides sowie des Rückforderungsbescheides und Gewährung des Antrages auf Familienbeihilfe vom .

Am ergänzte die Bf. ihre Beschwerde und fügte hinzu, dass für die Absolvierung der SBP gewisse Voraussetzungen notwendig seien, wie ein Mindestalter von 20 Jahren und vier Jahre Ausbildung. Die formale Zulassung und die letzte Prüfung (Wahlfach am Kolleg) habe ihr Sohn erst nach seinem 20. Geburtstag erlangen können.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid ab. Zusammenfassend begründete das Finanzamt die Abweisung damit, dass die Ausbildung zum Assistenten für Sozialpädagogik als außerordentlicher Hörer nicht als Ausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) gelte und die Familienbeihilfe für den Zeitraum der SBP bereits im maximalen Ausmaß von einem Jahr gewährt wurde.

Der Vorlageantrag langte am ein. Ergänzend führte die Bf. aus, dass ihr Sohn die formale Zulassung zur SBP und die letzte Prüfung (Wahlfach am Kolleg) erst nach seinem 20. Geburtstag (***April 2021***) erlangen konnte. Beginn des 1.Semesters am Kolleg sei der gewesen. Es sei ihrem Sohn daher nicht möglich gewesen, die SBP innerhalb der zwei Semester (1 Jahr) zu absolvieren. Die Bf. übermittelte weitere Unterlagen, wie diverse Auskünfte der Volkshochschule ***Bezirk***.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt. Das Finanzamt beantragte die Abweisung, weil für die Vorbereitung zur SBP bereits die maximal zulässige Zeit Familienbeihilfe für den Sohn der Bf. bezogen worden sei, die Ausbildung zum Assistenten für Sozialpädagogik als außerordentlicher Hörer keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 darstelle und dem Kind eine Berufsausübung neben dem Besuch der Bildungseinrichtung möglich gewesen sei.

Am teilte die Bf. dem Bundesfinanzgericht telefonisch mit, dass ihr Sohn 2021/22 nicht - wie in der Beschwerdevorlage angeführt - Vollzeit beschäftigt war, sondern ab Februar 2021 einer 30h-Beschäftigung nachgegangen sei und ihr Sohn vor dem 20. Geburtstag noch zu jung für die SBP gewesen sei.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache der Gerichtsabteilung (GA) 1078 abgenommen und der GA 1004 zur Erledigung zugewiesen.

Mit Vorhalt vom forderte das Bundesfinanzgericht die Bf. auf, Unterlagen zur SBP sowie zum Studium am Kolleg vorzulegen sowie diverse Fragen zu beantworten.

Die Bf. legte zahlreiche Unterlagen vor und antwortete, dass die Zulassung zur SBP am beantragt worden sei, dass ihr Sohn das Skriptum für die Wahlfachprüfung am erhalten habe, sich im Zeitraum Mai 2021 bis November 2021 nicht auf das Wahlfach vorbereitet habe und im Herbst 2021 erstmalig zur Wahlfachprüfung antreten hätte können. Zum Studium am Kolleg führte die Bf. aus, ihr Sohn habe je nach Anwesenheit pro Woche im Kolleg zusätzlich ca. 10 bis 20 Stunden für Vorbereitung, Prüfungen, Hausaufgaben etc. aufgewendet, Gesamtzeit rund 40 Stunden pro Woche.

Das Finanzamt äußerte sich mit Eingabe vom zu den vorgelegten Unterlagen und Antworten der Bf. Das Finanzamt teile die Ansicht des Bundesfinanzgerichts, dass es sich beim Kolleg der Bildungsanstalt für Sozialpädagogik für Berufstätige um keine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung handle.

Während des Zeitraums Mai 2021 bis August 2021 sei der Sohn der Bf. an keiner Bildungsanstalt angemeldet gewesen und habe auch keinen Kurs oder Lehrgang besucht. Nach Angabe der Bf. habe der Sohn sich in diesem Zeitraum auch nicht auf die letzte noch ausstehende SBP vorbereitet. Im Zeitraum Mai bis August 2021 habe sich der Sohn der Bf. somit in keiner Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 befunden.

Zum September 2021 führte das Finanzamt aus, dass laut vorgelegtem Stundenplan der Unterricht am Kolleg erst am begonnen habe. Im September 2021 habe der Sohn der Bf. laut Stundenplan Unterrichtseinheiten im Ausmaß von 20 Stunden absolviert. Selbst unter Zugrundelegung des von der Bf. behaupteten zusätzlichen Arbeitsaufwandes von 10 bis 20 Stunden pro Woche ergäben sich für den gesamten September Arbeitsstunden im Ausmaß von höchstens 40 Stunden. Im Hinblick auf die Judikatur des VwGH (u.a. ), wonach es darauf ankomme, ob im jeweiligen Kalendermonat in quantitativer Hinsicht die volle Arbeitskraft gebunden war, könne im September 2021 somit jedenfalls (noch) keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorliegen.

Für den Zeitraum Oktober 2021 bis November 2021 führte das Finanzamt aus, dass unter den Begriff der Berufsausbildung nach ständiger Rechtsprechung des VwGH "alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird", fallen würden. Der Sohn der Bf. sei bereits seit Februar 2021 berufstätig im Ausmaß von 30 Wochenstunden gewesen in jenem Berufsfeld, für das ihn nach Angaben der Bf. die absolvierte Ausbildung erst qualifizieren sollte. Von einer Berufsausbildung könne daher nicht gesprochen werden. Darüber hinaus habe der Sohn der Bf. im Oktober sowie November am Kolleg laut Stundenplan jeweils insgesamt 50 Stunden absolviert. Heruntergerechnet auf 4,5 Wochen im Monat ergäben sich dadurch 11,11 Stunden Unterrichtseinheiten pro Woche. Unter Zugrundelegung des von der Rechtsprechung entwickelten Richtwertes einer zeitlichen Intensität für eine Berufsausbildung von zumindest 30 Stunden pro Woche hätte der Sohn der Bf. in diesem Monat zumindest 19 Stunden wöchentlich für Hausübungen, Vorbereitungen, etc. aufwenden müssen. Dies decke sich nicht mit der Aussage der Bf., wonach die Vorbereitungszeit wöchentlich etwa 10 bis 20 Stunden (somit im Schnitt weniger als 19 Stunden) in Anspruch nahm und sich insgesamt ein wöchentlicher Arbeitsaufwand von 40 Stunden ergeben hätte. Gehe man von der Angabe der Bf. aus, wonach ihr Sohn ca. 10 bis 20 Stunden Zeit neben der Anwesenheit investiert hätte, ergebe sich eine zeitliche Intensität von durchschnittlich etwa 25 Stunden pro Woche, was nicht der vollen Arbeitskraft des Kindes entspreche. Der Sohn der Bf. habe auch im Zeitraum Oktober bis November keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 absolviert.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Bf. die Eingabe des Finanzamtes weitergeleitet und Fragen zum übermittelten Stundenplan und zum Zertifikat für den aufbauenden Lehrgang "Assistent*in für Sozialpädagogik und Sozialwesen" übermittelt.

Die Antwort der Bf. vom umfasste weitere Ausführungen zum Unterricht am Kolleg und zum Zertifikat, eine E-Mail der Leiterin des Kollegs, sowie die Kopie eines aufgefüllten Bogens zur Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe vom Februar 2021.

Das Finanzamt hielt den Antrag auf Abweisung der Beschwerde aufrecht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn der Bf. ist geboren am ***April 2001***.

Er besuchte die dreijährige Fachschule für Elementarpädagogik und absolvierte die Ausbildung zum Pädagogischen Assistenten.

Von bis arbeitete der Sohn der Bf. als pädagogischer Assistent mit Gruppenführung im Ausmaß von 30 Wochenstunden und bezog dafür im Jahr 2011 ein Einkommen in Höhe von 13.506,38 €.

1.1. Zur Studienberechtigungsprüfung

Der Sohn der Bf. fasste den Entschluss, die SBP für das Kolleg für Sozialpädagogik abzulegen. Das Mindestalter für die SBP liegt bei 20 Jahren, wenn eine formale Ausbildung abgeschlossen und anschließend eine Weiterbildung absolviert wird und beides insgesamt vier Jahre dauert.

Die dreijährige Ausbildung zum Pädagogischen Assistenten zählte als formale Ausbildung im Ausmaß von drei Jahren. Zur Ablegung der SPB fehlte dem Sohn der Bf. daher noch ein Jahr an (Weiter-)Bildung. Als Weiterbildung gelten auch Vorbereitungslehrgänge zur SBP.

Am beantragte die Bf. für ihren Sohn die Gewährung der Familienbeihilfe ab für den Studienberechtigungslehrgang Sozialpädagogik und legte eine Anmeldebestätigung der VHS ***Bezirk*** vom für den Vorbereitungslehrgang von bis vor. Die Familienbeihilfe wurde ab April 2020 ausbezahlt.

De Sohn der Bf. besuchte vier Vorbereitungslehrgänge der VHS ***Bezirk*** und zwar:

  • Den Kurs SBP Englisch 2 für Sozialpädagogik in der Zeit von bis

  • Den Kurs SBP Mathematik 1 für Sozialpädagogik in der Zeit von bis

  • Den Kurs SBP Aufsatz für Sozialpädagogik in der Zeit von bis

  • Den Kurs SBP Biologie in der Zeit von bis

Er legte Prüfungen in allen vier Lehrgängen ab und zwar:

  • Die Prüfung Mathematik 1 für Sozialpädagogik im Zeitraum bis (schriftlich und mündlich, vier Termine)

  • Die Prüfung Aufsatz für Sozialpädagogik am (schriftlich)

  • Die Prüfung Biologie am (mündlich)

  • Die Prüfung Englisch 2 für Sozialpädagogik am und (schriftlich und mündlich)

Der Sohn der Bf. wurde am ***April 2021*** 20 Jahre alt.

Am gab die VHS ***Bezirk*** eine Empfehlung zum Antrag auf Zulassung zur Studienberichtigung am Kolleg ***Kolleg*** ab. Feststellungen zum Kolleg und zum Studium am Kolleg finden sich unter Punkt 1.2.

Die SBP für Sozialpädagogik an diesem Kolleg umfasst folgende Prüfungen:

- Deutsch: Aufsatz über ein allgemeines Thema (schriftliche Prüfung)
- Lebende Fremdsprache Englisch 2 (schriftliche und mündliche Prüfung)
- Mathematik 1 (schriftliche und mündliche Prüfung)
- Biologie und Umweltkunde (mündliche Prüfung)
- Wahlfach Philosophische Einführung (mündliche Prüfung)

Die Wahlfachprüfung stellt die abschließende Prüfung der SBP dar und wird direkt am Kolleg mündlich abgelegt. Die Prüfungswerber erhalten hierfür nach der Anmeldung ein Skriptum zum Selbststudium per E-Mail zugeschickt und können sich zu einem Prüfungstermin anmelden.

Am meldete sich der Sohn der Bf. für das Wahlfach "Einführung in die Sozialpädagogik" an. Am erhielt er die Skripten, die für das Fach benötigt werden. Am wurde ein Prüfungszeugnis über die bestandene Abschlussprüfung für das Wahlfach "Einführung in die Sozialpädagogik" ausgestellt. Am sucht der Sohn der Bf. um Zulassung zur SBP an und wurde mit zur SBP zugelassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sohn der Bf. bereits alle fünf erforderlichen Prüfungen abgelegt.

Im Zeitraum von Mai 2021 bis November 2021 lernte der Bf. nicht für die SBP und nahm an keinen Kursen teil.

1.2. Zum Studium am Kolleg

Am wurde dem Sohn der Bf. die Aufnahme an der ***Kolleg Name 2***, als außerordentlich Studierender bestätigt und wurde folgende Übersicht der Lehrgangsdauer angeführt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Assistent*in für Sozialpädagogik
-
-
Diplomierte*r Sozialpädagog*in
-
-

Die Aufnahmebestätigung wurde unterzeichnet von ***Dir***, Direktorin. ***Verein*** ist ein Verein, der vollständige Name lautet ***Verein Name***. Das Kolleg wird unter der Bezeichnung "***Kolleg***" geführt. Der Name, der auf den Zeugnissen (Semesterzeugnis, Diplomprüfungszeugnis) aufscheint, lautet:

Bildungsanstalt für Sozialpädagogik - Kolleg für Berufstätige des Vereins
"***Verein Name***"

Es handelt sich um eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht gemäß Bescheid des BM für Bildung vom ***Bescheid***, Schulkennzahl: ***Zahl***.

Unterrichtet wird nach dem Lehrplan des Kollegs für Bildungsanstalten für Sozialpädagogik für Berufstätige, BGBl. II Nr. 239/2017 idgF (Änderungen BGBl. II Nr. 395/2019, BGBl. II Nr. 250/2021).

Das Kolleg dauert vier Semester und schließt mit einer Diplomprüfung ab.

Nach zwei erfolgreich bestandenen Semestern wird vom "Leitungsteam ***Verein***" ein Zertifikat für den aufbauenden Lehrgang "Assistent*in für Sozialpädagogik und Sozialwesen" erstellt, nach weiteren zwei erfolgreich bestandenen Semestern wird ein Zertifikat für den aufbauenden Lehrgang "Fachkraft für Sozialwesen" erstellt.

Mit begann der Sohn der Bf. die Ausbildung zum Assistenten für Sozialpädagogik als außerordentlich Studierender. Das erste Semester dauerte von bis .

Die erste Lehrveranstaltung fand am Donnerstag, , statt. Donnerstag war der fixe Unterrichtstag. Darüber hinaus gab es unregelmäßig Einheiten an Freitagen und Samstagen.

Die Unterrichtseinheiten (inklusive vorgegebenen Freiarbeitszeiten und Wahlfächern) pro Kalenderwoche im Zeitraum September 2021 bis November 2021 waren wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Unterrichtseinheiten á 45 min
Stunden
KW 36
10
7,5
KW 37
10
7,5
KW 38
10
7,5
KW 39
10
7,5
KW 40
20
15
KW 41
30
22,5
KW 42
10
7,5
KW 43
0
0
KW 44
30
22,5
KW 45
10
7,5
KW 46
20
15
KW 47
15
11,25

Je nach Anwesenheit pro Woche im Kolleg wandte der Sohn der Bf. zusätzlich circa 10 bis 20 Stunden für Vor- und Nachbereitung sowie Lernzeit auf.

Daraus ergibt sich ein zeitlicher Aufwand im Rahmen von 27,5 Stunden bis 32,5 Stunden pro Woche. Eine Ausnahme bildet die KW 43, die unterrichtsfrei war.

Der Sohn der Bf. absolvierte im ersten Semester 12 Unterrichtsfächer im Ausmaß von 39,7 Semesterwochenstunden mit positiver Beurteilung. Zwei verbindliche Übungen im Ausmaß von zwei Semesterwochenstunden wurden mit "teilgenommen" beurteilt. Es wurde kein Fach negativ bewertet.

Die Ausbildungsinhalte des ersten Lernjahres haben eine Wertigkeit von 65 ECVET-Punkten (European Credit System for Vocational Education and Training), vergleichbar mit 65 ECTS-Punkten. Dies entspricht 1.625 Echtstunden.

Der Sohn der Bf. schloss das Kolleg nach vier Semestern ab.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, den von der Bf. vorgelegten Unterlagen und E-Mails, insbesondere der Volkshochschule und des Kollegs "***Kolleg***", aus der Einsichtnahme in den elektronischen Beihilfenakt sowie aus folgender Beweiswürdigung.

2.1. Zur Studienberechtigungsprüfung

Der Zeitpunkt des Antrags und der formalen Zulassung zur SBP ist der im Akt aufliegenden Entscheidung der Studienberechtigungskommission des oben angeführten Kollegs entnommen. Es gibt unterschiedliche Angaben, wann die formale Zulassung beantragt wurde. Es wird das im offiziellen Dokument des Kollegs angeführte Datum als wahrscheinlichstes angenommen.

Die Feststellung, dass der Sohn der Bf. im Zeitraum von Mai 2021 bis November 2021 nicht für die SBP lernte und an keinen Kursen teilnahm, ergibt sich aus der Vorhaltsbeantwortung der Bf. vom .

2.2. Zum Studium am Kolleg

Die Feststellungen zur Privatschule und zum Lehrplan ergeben sich aus dem vorgelegten Semesterzeugnis.

Die Angaben zu den stattgefundenen Unterrichtseinheiten ergeben sich aus dem von der Bf. vorgelegten Stundenplan, der bereits eine Änderung beinhaltete, und der Klarstellung der Leiterin des Kollegs, dass der Donnerstag als fixer Unterrichtstag vorgesehen war. Daher kann als am wahrscheinlichsten angenommen werden, dass im September am Donnerstag Unterricht und in den Monaten danach der Unterricht wie im Stundenplan ausgewiesen stattfand.

Dass eine Unterrichtseinheit 45 Minuten dauert, ergibt sich aus den Zeitangaben im Stundenplan. Daher erfolgte eine Umrechnung auf "Echtstunden".

Die Angaben zum zusätzlichen Zeitaufwand pro Woche ergeben sich aus der Vorhaltsbeantwortung der Bf. vom . Es ist nachvollziehbar, dass eine genaue Angabe der Vor- und Nachbereitungszeit bzw. Lernzeit im Nachhinein schwer möglich ist und auch nicht mehr näher erläutert werden kann. Die Bf. bezeichnete es als Zeit für Vorbereitung, Prüfungen, Hausaufgaben etc. Glaubwürdig ist, dass ein Schüler in Wochen mit höherer Anwesenheit weniger Zeit für Lernen zu Hause aufwenden kann, als in Wochen mit geringerer Anwesenheit. Ein Lern-Zeitrahmen von 10 bis 20 Stunden pro Woche für einen berufsbegleitenden Lehrgang erscheint realistisch und auch noch neben einer Erwerbstätigkeit im Ausmaß von 30 Wochenstunden umsetzbar. Dabei wird auch berücksichtigt, dass der Sohn der Bf. Unterrichtsfächer im Ausmaß von 39,7 Semesterwochenstunden mit positiver Beurteilung bestanden hat. Die tatsächliche vom Kolleg bekanntgegebene bzw. im Stundenplan ausgewiesene Unterrichtszeit lag darunter. Daher kann im konkreten Einzelfall ein höherer Anteil an Lernzeit zu Hause angenommen werden.

Der Gesamtaufwand ergibt sich durch den Ansatz der Echtstunden aus Unterricht und dem Lern-Zeitrahmen von 10 bis 20 Stunden. Ein Gesamtaufwand in Höhe von rund 40 Stunden pro Woche, wie von der Bf. errechnet, konnte nicht festgestellt werden, ebenso wenig ein Aufwand von nur 25 Stunden, wie vom Finanzamt berechnet.

Die Angaben zur Wertigkeit des Studiums sind der Homepage des Kollegs entnommen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

3.1.1. Zur Studienberechtigungsprüfung

Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Auch das Ablegen der SBP kann eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstellen.

Nach der Verwaltungspraxis werden für die SBP maximal zwei Semester als Vorbereitungszeit auf die SBP gewährt. Dabei soll die Vorbereitungszeit im Regelfall mit dem der Zulassung folgenden Monatsersten beginnen (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 43).

Im vorliegenden Fall wurde Familienbeihilfe für die Vorbereitung auf die SBP bereits für Zeiträume vor der formalen Zulassung gewährt. Die Bf. bezog von April 2020 bis April 2021 Familienbeihilfe für die Vorbereitung auf die SBP und ihr Sohn absolvierte auch alle vier Vorbereitungslehrgänge an der VHS.

Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Fortgang der Berufsausbildung an, diese Ausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (siehe mit zahlreichen Nachweisen). Diese Judikatur ist auch auf den Fall der SBP anzuwenden.

Im streitgegenständlichen Zeitraum war nur noch eine Prüfung der SBP offen. Der Sohn der Bf. meldete sich am für das Wahlfach Einführung in die Sozialpädagogik an. Am erhielt er die Skripten, die für das Fach benötigt werden. Diese Zeiträume liegen außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraumes.

Korrekt ist, dass der Sohn der Bf. die SBP formal erst ab dem 20. Lebensjahr abschließen und die Wahlfachprüfung praktisch erst ab Beginn des außerordentlichen Studiums am Kolleg (also ab Herbst 2021) ablegen konnte. Dies ändert jedoch nicht daran, dass sich der Sohn der Bf. im Zeitraum von Mai 2021 bis November 2021 nicht auf die Prüfung aus dem Wahlfach vorbereitet hat, er verfügte noch nicht einmal über die notwendigen Skripten. Im Zeitraum von Mai 2021 bis November 2021 nahm die SBP daher nicht die von der Judikatur geforderte "volle Zeit" des Kindes in Anspruch. Daher lag keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 vor.

3.1.2. Zum Studium am Kolleg

Davon unabhängig ist zu prüfen, ob das Studium am Kolleg einen Anspruch auf Familienbeihilfe begründet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist die Gewährung der Familienbeihilfe einerseits nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt, sondern ist Familienbeihilfe auch (etwa nach Abschluss einer Berufsausbildung) im Rahmen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen bei einer weiteren Berufsausbildung zu gewähren. Andererseits kommt es für die Qualifikation einer Berufsausbildung nicht darauf an, ob eine schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Dies lässt eine Berufsausbildung neben der Ausübung eines Berufes zu. Bei bereits berufstätigen Personen ist demnach zwischen einer Berufsausbildung (für einen anderen als den ausgeübten Beruf) und einer Fortbildung im erlernten Beruf zu unterscheiden (vgl. zu alldem , mwN).

Der Sohn der Bf. besuchte die dreijährige Fachschule für Elementarpädagogik und absolvierte die Ausbildung zum Pädagogischen Assistenten. Mit der hier beschwerdegegenständlichen Ausbildung strebte er die Ausbildung zum Assistenten für Sozialpädagogik und anschließend zum diplomierten Sozialpädagogen an, welche er in späterer Folge auch abschloss.

Die Berufe der Elementarpädagogik und der Sozialpädagogik sind schon von der Ausbildung her getrennte Berufsfelder, siehe etwa die Trennung in Bildungsanstalten für Elementarpädagogik (§ 67 lit. d Schulorganisationsgesetz) und Bildungsanstalten für Sozialpädagogik (§ 67 lit. e Schulorganisationsgesetz), jeweils mit der Option Kollegs als Sonderform der Bildungsanstalt zu führen (§ 79 Abs. 1 Z 2 Schulorganisationsgesetz bzw § 81 Abs 1 Z 2 Schulorganisationsgesetz). Es handelt sich daher auch um keine Fortbildung im bereits erlernten Beruf.

Auch die Berufstätigkeit während des Kollegs als pädagogische Assistent im Ausmaß von 30 Wochenstunden ist für sich betrachtet noch kein Ausschlusskriterium.

Beim Kolleg handelt es sich um eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht und damit um keine in § 3 Studienförderungsgesetz 1992 genannte Einrichtung. Die besonderen Regelungen für ein Studium an der Universität oder Hochschule im Sinne des § 3 Studienförderungsgesetz 1992 kommen daher nicht zur Anwendung. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Sohn der Bf. als ordentlicher oder außerordentlicher Studierender angemeldet war. Damit reicht aber auch die Zulassung zum Studium nicht aus, um einen Anspruch zu begründen.

Es kommt daher die allgemeine Regelung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zur Anwendung: Es besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Fortgang der Berufsausbildung an, diese Ausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa , , ; ; ; und ).

Das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang ist im vorliegenden Fall aus der positiven Absolvierung aller vorgesehen Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 39,7 Semesterwochenstunden erkennbar.

Was unter "volle Zeit" zu verstehen ist, ist weder im Gesetz geregelt noch trifft die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich eine klare Aussage. Die Lehre geht von einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dann aus, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt (vgl Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 2 FLAG Rz 40).

Zwar wird diese von der Lehre entwickelte Grenze im vorliegenden Fall nicht durchgehend erreicht, dennoch ist im vorliegenden Einzelfall die quantitative Komponente gegeben. Dies leitet sich aus mehreren Aspekten ab.

Der zeitlichen Gestaltung und Verteilung einer Ausbildung einschließlich der erforderlichen Vorbereitungs- und Lernzeit kommt Indizwirkung für die zeitliche Inanspruchnahme zu. Auch ein neben einer Vollzeitbeschäftigung betriebenes Studium kann im Einzelfall eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 darstellen (vgl zu einem Studium an einer ausländlichen Hochschule neben einer 40 Stunden Vollzeitbeschäftigung). Es ist auf das Kalendermonat abzustellen (vgl. ). Die Unterrichtseinheiten fanden mit einer Ausnahme wöchentlich statt, sodass in jedem Anspruchsmonat Unterrichtseinheiten stattfanden. Die Vor- und Nachbereitungszeit und Lernzeit variierte und war davon abhängig, wie viele Unterrichtseinheiten in der jeweiligen Woche stattfanden. So ergab sich ein Zeitaufwand von 27,5 Stunden bis 32,5 Stunden pro Woche (mit Ausnahme der unterrichtsfreien KW 43).

Auch die positive Absolvierung aller im Lehrplan vorgesehen Unterrichtsfächer ist zu beachten (vgl. , zu einem zur Gänze besuchten Universitätslehrgang und einer daneben ausgeübten eingeschränkten Erwerbstätigkeit). Laut dem der Ausbildung zugrundliegenden Lehrplan gilt für das Kolleg für Berufstätigte dieselbe Stundentafel wie für das allgemeine Kolleg für Sozialpädagogik und haben die beiden Formen daher gleich viele Wochenstunden. Gemäß dem Lehrplan kann die Ausbildungsdauer von Kollegs für Berufstätige um bis zu zwei Semester verlängert werden; in diesem Fall wären die Gesamtwochenstunden auf fünf bzw. sechs Semester aufzuteilen. Da die Ausbildung am Kolleg "***Kolleg***" vier Semester dauert, wurde von dieser Möglichkeit offensichtlich nicht Gebrauch gemacht. Im ersten Semester wurden 39,7 Semesterwochenstunden positiv beurteilt. Auch die Wertigkeit des ersten Studienjahres des Kollegs mit 65 ECVET, entsprechend 65 ECTS entspricht einem vollwertigen Lehrgang.

Letztlich ist auch zu beachten, dass der Sohn der Bf. im Jahr 2021 ein Einkommen in Höhe von 13.506,38 € erzielte und dieses damit jedenfalls unter der Grenze des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 in Höhe von 15.000 € lag.

Das Kolleg hat daher die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch genommen und stehen die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die beschwerdegegenständlichen Monate September 2021 bis November 2021 zu.

Im Ergebnis war daher spruchgemäß zu entscheiden und konnte der Beschwerde nur hinsichtlich der Monate September 2021 bis November 2021 stattgegeben werden. Für die Monate Mai 2021 bis August 2021 erfolgte die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zurecht.

[...]

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die hier gegenständlichen Rechtsfragen zur SBP und zur Berufsausbildung am Kolleg wurden anhand der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelöst. Die Frage, ob eine Berufsausbildung vorlag, war eine Sachverhaltsfrage, welche in freier Beweiswürdigung nach § 167 Abs. 2 BAO zu beantworten war. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
CAAAF-79725