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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 10.04.2025, RV/7100281/2025

Keine Wiederaufnahme auf Antrag, wenn dem Antragsteller die Tatsachen bewusst waren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Sebastian Pfeiffer, LL.M., den Richter Alexander Zeiler, LL.M., sowie die fachkundigen Laienrichter Hermann Greylinger und Mag. Andrea Prozek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch PWB Steuerberatungs GmbH, Wolfholzgasse 1, 2345 Brunn/Gebirge, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme Körperschaft- und Umsatzsteuer 2017 und 2018 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Romana Schuster zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom stellte die beschwerdeführende Partei (in der Folge die Bf.) ua den Antrag auf Wiederaufnahme betreffend Bescheide Körperschaft- und Umsatzsteuer 2017 und 2018. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Bf. erziele Einkünfte aus gewerblicher Vermietung. Es würden neben betrieblich und hoheitlich genutzten Gebäuden auch zahlreiche Wohnungen vermietet. Die Mieter dieser Wohnungen hätten Baukostenbeiträge zu leisten, die entsprechend der jährlichen Verwohnung abgeschrieben und dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 10% unterworfen würden. Die Bf. habe ab 2013 begonnen, Wohnungen zu verkaufen, wobei auch solche Wohnungen betroffen waren, für die die Mieter Baukostenbeiträge entrichtet hätten. Durch den Verkauf der Wohnungen endete das Mietverhältnis, die noch nicht verwohnten Baukostenbeiträge seien an die Mieter zu refundieren gewesen und schieden aus der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Verwohnung aus. Es hätte damit ein niedrigerer Betrag gebucht werden müssen. Dies erfolgte aber irrtümlich nicht. Für die streitgegenständlichen Jahre 2017 und 2018 werde ein Antrag auf Wiederaufnahme gestellt, weil neue Tatsachen hervorgekommen seien.

Mit entsprechend Bescheiden wies die belangte Behörde diese Anträge ab. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, § 303 BAO diene der Berücksichtigung bisher unbekannter, aber entscheidungswesentlicher Sachverhaltselemente. Da bereits 2013 mit dem Verkauf von Wohnungen begonnen worden sei, hatte die Bf. ab diesem Zeitpunkt Kenntnis der Tatsachen. Eine Wiederaufnahme habe nicht den Zweck, Versäumnisse der Bf. zu sanieren.

Im Rahmen der Beschwerde verweist die Bf. im Wesentlichen darauf, die belangte Behörde verkenne den tieferen Zweck der Wiederaufnahme. Dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit sei Vorrang gegenüber der Rechtsbeständigkeit einzuräumen. Es sei willkürlich, dass für die gegenständlichen Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide keine amtswegige Wiederaufnahme erfolge, weil für die Jahre 2019 und 2020 eine Aufhebung nach § 299 BAO möglich war und in der Begründung der dortigen Bescheide auf die Rechtswidrigkeit und nicht bloß geringfügige Auswirkungen hingewiesen wurde. Das BFG habe zudem ausgesprochen, eine Tatsache sei aus Sicht der Behörde als neu zu qualifizieren (RV/7100341/2011). Die Bf. stellte zudem - wie auch in den ursprünglichen Anträgen - den Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat.

Mittels Beschwerdevorentscheidung wurden diese Beschwerden als unbegründet abgewiesen und unter Rückgriff auf VwGH-Rechtsprechung ausgeführt, für die Wiederaufnahme sei der Kenntnisstand der Verfahrenspartei maßgebend, die die Wiederaufnahme begehre. Es lägen damit keine neuen Tatsachen vor.

Im Vorlageantrag verweist die Bf. darauf, die von der belangten Behörde referenzierte Rsp des VwGH sei zu anderen Sachverhalten ergangen. Es sei der Rechtsrichtigkeit Vorrang gegenüber der Rechtsbeständigkeit einzuräumen. Für die Jahre 2019 und 2020 sei das im Lichte des Verfahrenstitels nach § 299 BAO auch möglich gewesen. Die Wiederaufnahme sei amtswegig möglich gewesen. Die Entscheidung über die Wiederaufnahme sei eine Ermessensentscheidung, die zu begründen sei. Eine Begründung der Ermessensübung, die zur Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme der gegenständlichen Bescheide geführt habe, sei nicht vorhanden. Dies stelle insoweit einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften dar, weil für die Jahre 2019 und 2020 eine amtswegige Wiederaufnahme erfolgte.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am vorgelegt. Am fand die beantragte mündliche Senatsverhandlung statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. ist im Bereich der gewerblichen Vermietung tätig. Sie hob von ihren Mietern einen Wohnkostenbeitrag ein, der entsprechend der jährlichen Verwohnung abgeschrieben wurde. Diese Wohnkostenbeiträge wurden umsatzsteuerlich dem ermäßigten Steuersatz von 10% unterworfen.

Ab dem Kalenderjahr 2013 wurden Wohnungen durch die Bf. verkauft, wobei damit das entsprechende Mietverhältnis endete. Dabei wurden auch solche Wohnungen verkauft, für die ein Wohnkostenbeitrag eingehoben wurde. Im Rahmen des Verkaufs wurde der verbleibende Rest an Wohnkostenbeitrag an die Mieter refundiert.

Die Bf. hat in den Streitjahren 2017 und 2018 jedoch vergessen, die refundierten Wohnkostenbeiträge aus der Berechnung der Verwohnung, also der Abschreibung dieser Wohnkostenbeiträge, zu entfernen und die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer zu mindern.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung mit den Parteien kontradiktorisch erörtert. Das Bundesfinanzgericht geht im Rahmen der freien Beweiswürdigung von der Richtigkeit dieses Sachverhalts aus.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des VwGH hat ein Antrag auf Wiederaufnahme - bei Geltendmachung des Wiederaufnahmetatbestandes der neu hervorgekommenen Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem derartigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (vgl. , Rn 23; folgend , Rn 15; , Ro 2022/15/0011, Rn 41). Weiters führt der VwGH aus: "Tatsachen, die der Revisionswerberin schon immer bekannt gewesen sind [...], deren steuerliche Berücksichtigung sie aber unterlassen hat, eröffnen ihr daher keinen Antrag auf Wiederaufnahme. Die Kenntnis eines Rechtsvertreters ist dabei der antragstellenden Person zuzurechnen" (, Rn 41).

Umgelegt auf den vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich daher, dass den Anträgen auf Wiederaufnahme kein Erfolg beschieden werden kann: Die Bf. führt in den Anträgen auf Wiederaufnahme selbst aus, die Berücksichtigung der refundierten, verwohnten Baukostenbeiträge im Zuge der Verkäufe der Wohnungen erfolgte irrtümlich nicht. Diese Tatsachen, also der Verkauf der Wohnungen und die Refundierung der verwohnten Baukostenbeiträge, waren der Bf. bekannt. Die Bf. hat es lediglich irrtümlich unterlassen, diese Tatsachen steuerlich zu berücksichtigen.

Sofern die Bf. mehrfach darauf hinweist, in den nachfolgenden Jahren 2019 und 2020 seien die Bescheide gemäß § 299 BAO aufgehoben worden und dies habe mittels Wiederaufnahme in den streitgegenständlichen Jahren ebenso zu erfolgen, ergibt sich ein Unterschied hinsichtlich der Verfahrenstitel. Die Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide 2019 und 2020 wurden von der belangten Behörde auf Antrag gemäß § 299 BAO aufgehoben. § 299 BAO sieht die Möglichkeit vor, amtswegig oder auf Antrag einen Bescheid aufzuheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Zwar ist der Bf. zuzustimmen, dass auch § 299 BAO eine Ermessensentscheidung ist. Jedoch stellt § 299 BAO, anders als § 303 BAO, nicht auf neu hervorgekommene Tatsachen ab, sondern lediglich auf die Unrichtigkeit des Bescheidspruchs. Auf neu hervorgekommene Tatsachen kommt es bei § 299 BAO daher nicht an.

Sofern die Bf. auf die fehlende Ermessensbegründung verweist, ergibt sich hierzu, dass sich ein Ermessen der Behörde erst ergeben kann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Wiederaufnahme überhaupt erfüllt sind. Liegen - wie hier - bereits keine neu hervorgekommenen Tatsachen vor, kann sich für die Behörde auch kein Ermessen für die Wiederaufnahme ergeben, das zu begründen wäre.

Sofern die Bf. eine amtswegige Wiederaufnahme begehrt, kann von Seiten des erkennenden Senats auf die ständige Rechtsprechung des VwGH hingewiesen werden, wonach auf eine amtswegige Wiederaufnahme kein subjektiv öffentliches Recht besteht (bspw , Rn 15 mwN).

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision )

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des VwGH (vgl. ; , Ro 2022/15/0011). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
SAAAF-79724