Bindung an schlüssige Gutachten des Sozialministeriumservice
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom zu Ordnungsbegriff ***1***, mit denen die Anträge vom auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung (Eigenanträge) abgewiesen wurden, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Formblättern Beih 100 und Beih 3 beantragte die Beschwerdeführerin am die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe (Eigenantrag).
In der daraufhin vom Finanzamt eingeholten Bescheinigung des Bundessozialamtes (Sozialministeriumservice) vom wird ein Grad der Behinderung von 60 % ab und eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ab dem selben Zeitpunkt bescheinigt.
Das Finanzamt wies mit Bescheiden vom die Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe (Grundbetrag) und des Erhöhungsbetrages ab, da die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei (§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967).
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , in der die Nachreichung weiterer Unterlagen angekündigt wurde. Im Zeitraum von 06/1998 bis 08/2006 hätten psychotherapeutische Sitzungen und psychiatrisch-ärztliche Betreuungen beim Verein ***2*** stattgefunden. Die Unterlagen müssten beim Verein jedoch erst aus dem Archiv ausgehoben werden.
Das Finanzamt forderte daraufhin eine weitere Bescheinigung des Sozialministeriumservice an. In der Bescheinigung vom wurden die selben Feststellungen getroffen wie in der Bescheinigung vom .
Daraufhin wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen vom die Beschwerde gegen die Bescheide vom als unbegründet ab.
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Darin wurde zusammengefasst bemängelt, dass bei der am durchgeführten Untersuchung umfangreiche Nachweise (für den Zeitraum 1984 bis 1994 vom Jugendamt MA 11 und für den Zeitraum 2002 bis 2010 vom Verein ***2***) vorgelegt worden seien, die aber bei der anschließenden Gutachtenserstellung nicht berücksichtigt worden wären. Die Zuweisung zum Verein ***2*** sei im Zuge einer Unterbrechung der Lehre 2002 aufgrund einer gerichtlichen Anordnung aufgrund Missbrauches von Suchtmitteln erfolgt. Auch habe die Beschwerdeführerin nicht neun Jahre durchgehend in einer Apotheke gearbeitet, wie dies in der Sozialanamnese festgehalten worden sei. Die längste durchgehende, wenn auch problembehaftete Anstellung habe ca. drei Jahre gedauert und sei aufgrund ihrer psychischen Situation gekündigt worden.
Dem Vorlageantrag wurden die vom Sozialministeriumservice erstellten Sachverständigengutachten, ein Sozialversicherungsauszug, umfangreiche Unterlagen vom Verein ***2***, Unterlagen des Jugendamtes MA 11, ein Clearingbericht der Volksanwaltschaft und ein Patientenbrief des Therapiezentrums ***3*** angeschlossen.
Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, die in der Beschwerde angekündigten Unterlagen, einen vollständigen Versicherungsdatenauszug und Nachweise für eine allfällige nach Vollendung des 21. Lebensjahres betriebene Berufsausbildung vorzulegen.
Dazu gab die Beschwerdeführerin am bekannt, dass sie keine Berufsausbildung nach dem 21. Lebensjahr betrieben habe. Ferner wurden ein Versicherungsdatenauszug, Unterlagen des Vereins ***2***, Patientenbriefe, sowie Unterlagen des Jugendamtes vorgelegt.
Am erfolgte eine weitere Nachreichung von Unterlagen zum Vorlageantrag. Diese umfassten eine chronologische Auflistung aller Behandlungen beim Verein ***2***. Ferner wurde ein Beschluss des BG ***4*** vom vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass eine Anzeige gegen die Beschwerdeführerin wegen Suchtmittelvergehen vom Bezirksanwalt für eine Probezeit von zwei Jahren unter der Auflage zurückgelegt wurde, dass sich die Beschwerdeführerin einer psychosozialen Betreuung (beim Verein ***2***) unterzieht. Eine gleichlautende Zurücklegung war bereits am ebenfalls unter derselben Auflage und ebenfalls wegen eines Suchtmitteldeliktes erfolgt.
Im Anschluss an diese Unterlagenvorlage veranlasste das Finanzamt eine neuerliche Untersuchung der Beschwerdeführerin durch das Sozialministeriumservice. Dieses kam in der Bescheinigung vom zum selben Ergebnis wie die beiden Vorgutachten.
Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.
Das Bundesfinanzgericht brachte der Beschwerdeführerin mit Vorhalt vom das Sachverständigengutachten vom zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis, und bot ihr Gelegenheit, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung (diese erfolgte am ) zum Gutachten Stellung zu nehmen.
Eine solche Stellungnahme wurde von der Beschwerdeführerin nicht abgegeben.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ***Bf1*** wurde am ***x***.1.1984 geboren. In den Akten scheinen verschiedene weitere Familiennamen der Beschwerdeführerin auf: ***5*** (Geburtsname), ***6*** (Name des leiblichen Vaters), ***7*** (Pflegeeltern).
Nach den Feststellungen des Sozialministeriumservice im Gutachten vom (OZ 16, Beilage zum Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom ) wuchs die Beschwerdeführerin nur in den ersten drei Lebensmonaten bei den drogenabhängigen leiblichen Eltern auf, und lebte ab dem dritten Lebensmonat bis zur Volljährigkeit bei ihren Pflegeeltern.
Nach Abschluss der Pflichtschule begann die Beschwerdeführerin eine pharmazeutisch-kaufmännische Lehre in einer Apotheke. Im zweiten Lehrjahr hat sie diesen Lehrplatz verloren, nachdem ihr Diebstahl und Missbrauch/Handel von "schmerzstillenden Substanzen, Benzodiazepinen" aufgeflogen war (am nachgereichter Bericht des Vereins ***2***, OZ 9). Aufgrund der oben angeführten Suchtmittelvergehen war die Beschwerdeführerin beim Verein ***2*** in psychosozialer Betreuung (Auflage für die Zurücklegung der Anzeigen).
Die Lehre wurde von der Beschwerdeführerin anschließend in einer anderen Apotheke fortgesetzt, und die Lehrabschlussprüfung am , somit vor Vollendung des 21. Lebensjahres erfolgreich abgelegt (OZ 17). Weitere Berufsausbildungen absolvierte die Beschwerdeführerin nicht (Stellungnahme vom ).
Laut dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Versicherungsdatenauszug (OZ 8) war sie von bis (mit einer krankheitsbedingten Unterbrechung vom bis ) bei der ***8*** KG (***9*** Apotheke) beschäftigt. Diese Daten stimmen mit den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Lohnzetteldaten überein. Danach sind im Versicherungsdatenauszug nur mehr kurzzeitige Beschäftigungen ausgewiesen. Seit dem Jahr 2010 bezog die Beschwerdeführerin nur mehr Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Krankengeld.
Die Beschwerdeführerin war von 2004 bis 2006 verheiratet.
Im ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurden sämtliche bereits vorgelegenen und auch die von der Beschwerdeführerin zur Untersuchung mitgebrachten relevanten Befunde und sonstigen Unterlagen berücksichtigt. Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurde festgestellt:
In diesem Gutachten wurde in Übereinstimmung mit den beiden Vorgutachten festgestellt, dass die Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist, der Eintritt dieser Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres aber nicht festgestellt werden könne. Diese könne erst ab 08/2006 angenommen werden. Begründend führte der Gutachter aus:
Es ist eine Betreuung der Jugendhilfe durch die Familiensituation (AW lebte seit 5/1984 in einer Pflegefamilie, konfliktbelastete Besuche mit den Eltern beschrieben) in die Kindheit zurückreichend dokumentiert. Es liegen aber keine Befunde vor und lässt sich auch aus der Anamnese nicht nachvollziehen, dass daraus eine behinderungsbedingte Funktionseinschränkung in einem solchen Ausmaß vorlag, dass daraus eine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ am allgemeinen Arbeitsmarkt eingetreten ist. Eine Betreuung in der Suchtberatung ab dem 19. LJ (bei beschriebenem passagerem Drogenkonsum 2002) ergibt hier kein anderes Bild. Die rückwirkende Anerkennung ist ab der im Verlauf auftretenden Verschlechterung mit Diagnose einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung ab 6/2006 nach den vorliegenden fachspezifischen Befunden nachvollziehbar bzw. kann eindeutig ab Bezug Rehabgeld (anamnestisch ab 2014) bestätigt werden.
Die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin ist somit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten.
2. Beweiswürdigung
Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen ().
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (z.B. ; und 2009/16/0310, mwN).
Wurden von der Abgabenbehörde bereits solche Sachverständigengutachten eingeholt, erweisen sich diese als schlüssig und vollständig und wendet der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen ().
Im ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde übereinstimmend mit den vorangegangenen Gutachten ausgeführt, dass der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht festgestellt werden könne. Die für diese Feststellung oben wörtlich zitierte Begründung des Gutachters ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes schlüssig. Die Beschwerdeführerin, der das Gutachten zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden war, trat den Feststellungen des Gutachters auch nicht entgegen und zeigte keine Unschlüssigkeit seiner Feststellungen auf. Tatsächlich liegen keine ärztlichen Befunde für den Zeitraum vor dem ***x***.1.2005 (Vollendung des 21. Lebensjahres) vor, aus denen gesichert auf eine bereits damals bestehende Erwerbsunfähigkeit geschlossen werden könnte. Es ist auch nicht unschlüssig, wenn der Gutachter zur Feststellung gelangt, dass die schwerwiegende psychiatrische Erkrankung ärztlich erstmals anlässlich des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in der psychiatrischen Abteilung des AKH Wien in der Zeit vom bis festgestellt wurde. Damals wurde laut vorliegendem und vom Gutachter auch zitierten Befund erstmals eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.3) (neben einem Zustand nach Polytoxikomanie (ICD 10: F 19.2) und einer Beinvenenthrombose) festgestellt.
Persönlichkeitsstörungen können erfahrungsgemäß unterschiedlich schwer ausgebildet sein und je nach Ursache unterschiedlichste Defizite und Symptome zeigen. Das Ausmaß der Defizite (Symptome) hängt nicht nur von der Ursache der Erkrankung ab, sondern auch von anderen Faktoren (therapeutische Interventionen, medikamentöse Behandlungen, soziales Lebensumfeld, Fördermaßnahmen). Damit kann die Schwere der Erkrankung und der Defizite immer nur im Zuge einer aktuellen umfassenden ärztlichen Untersuchung festgestellt werden. Fehlen derart umfassende Untersuchungen, kann regelmäßig nur der aktuelle Zustand beurteilt werden, rückwirkende Beurteilungen sind dann ausgeschlossen.
Dazu kommt, dass es bei Persönlichkeitsstörungen weder auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem sich die Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. dazu ). Angesichts dessen ist es für das Bundesfinanzgericht nicht unschlüssig, wenn eine rückwirkende Feststellung des Zeitpunktes des Eintrittes einer dauernden Erwerbsunfähigkeit für den medizinischen Sachverständigen erst ab dem Vorliegen entsprechender ärztlicher Befunde möglich ist.
Bei dieser Sachlage ist es daher schlüssig und nachvollziehbar, wenn der medizinische Sachverständige eine Persönlichkeitsstörung nur dann als Grund für eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt annimmt, wenn er dafür in medizinischen Befunden nachvollziehbar dokumentierte Anhaltspunkte findet, die er seinem Gutachten zugrunde legen kann; alles andere wäre Spekulation.
Können solche früheren ärztlichen Befunde nicht beigebracht werden, liegt insoweit ein Umstand vor, der im Ergebnis zu Lasten des Antragstellers geht. Das Beihilfenverfahren ist ein antragsgebundenes Verfahren. Für antragsgebundene Verfahren gilt, dass das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Antragsteller liegt. Die für antragsgebundene Verfahren geltenden Grundsätze sind auch bei Anträgen auf Gewährung von Beihilfen zu beachten (Stoll, BAO, 1275 mit Hinweis auf ).
Insgesamt gesehen wurde von der Beschwerdeführerin weder eine Unschlüssigkeit des Gutachtens des Sozialministeriumservice vom aufgezeigt, noch wurden neue Befunde vorgelegt, die es geboten hätten, eine Ergänzung des vorliegenden Gutachtens einzuholen.
Bei dieser Sachlage ist das Bundesfinanzgericht nach der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet, das Gutachten als mängelfreies Beweismittel seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 6 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) normiert auszugweisen (soweit für den gegenständlichen Beschwerdefall von Relevanz):
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie ...
d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).
§ 8 FLAG 1967 bestimmt in der seit geltenden Fassung des BGBl I Nr. 226/2022 auszugsweise:
(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich …
(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, ab und 138,30 €, ab um 150 €, ab um 152,90 €, ab um 155,90 €.
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Kosten für dieses ärztliche Sachverständigengutachten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen. Das ärztliche Sachverständigengutachten ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) gegen Ersatz der Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen an die antragstellende Person zu übermitteln, eine Übermittlung des gesamten ärztlichen Sachverständigengutachtens an das Finanzamt Österreich hat nicht zu erfolgen. Der Nachweis des Grades der Behinderung in Form der Bescheinigung entfällt, sofern der Grad der Behinderung durch Übermittlung der anspruchsrelevanten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, zur Ausstellung eines Behindertenpasses, nachgewiesen wird.
Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darauf ab, dass der Voll- oder Sozialwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Da sich das vorliegende ärztliche Gutachten, in dem in Übereinstimmung mit den Vorgutachten der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres verneint wurde, als schlüssig erweist (siehe oben die Ausführungen zur Beweiswürdigung), war es der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.
Damit fehlen im gegenständlichen Fall die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage war im gegenständlichen Fall nicht zu klären. Die Bindungswirkung schlüssiger Gutachten des Sozialministeriumservice entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Der im Rahmen der Beweiswürdigung zu klärenden Frage, ob in einem konkreten Fall die vorliegenden Gutachten schlüssig sind, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Ob die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ( mit Hinweis auf ).
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100474.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
HAAAF-79719