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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.04.2025, RV/2100615/2021

Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten eines Alleinstehenden mit Besuchsrecht seines minderjährigen Kindes in Ungarn

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf), ungarischer Staatsbürger, beantragte am in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 unter anderem das Pendlerpauschale in Höhe von 372,00 Euro, den Pendlereuro in Höhe von 13,04 Euro, Kosten für Familienfahrten in Höhe von 3.672,00 Euro, die Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 1.560,00 Euro, den halben Familienbonus Plus und die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs 4 EStG.

In der Beantwortung des Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom führte der Bf aus, er arbeite im Schichtbetrieb, wobei die Vormittagsschicht von 4:00 -12:30 Uhr dauere und die Nachmittagsschicht von 12:30-21:00 Uhr. Zum Nachweis seiner Angaben übermittelte er ein unausgefülltes Formular L 34a 2019, einen google maps-Ausdruck für die Strecke ***1*** - ***2*** über 332 km und Fahrdauer 3 h 17 min., ein "Fahrtenbuch" über die "Familienheimfahrten" Ungarn - Österreich, die Mietvertragsbestätigung zum Wohnsitz in ***1***, Dokumente zum Wohnsitz in Ungarn in ungarischer Sprache und eine Arbeitgeberbestätigung zur Beschäftigung in Österreich über den Zeitraum - .

Mit Einkommensteuerbescheid vom berücksichtigte das Finanzamt das Pendlerpauschale in der beantragten Höhe und den Pendlereuro in Höhe von 24,00 Euro. Nicht gewährt wurde der Familienbonus Plus, die Kosten für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten. Begründend führte das Finanzamt aus, es sei bisher mangels eines Antrages auf Familienbeihilfe keine Überprüfung der Familienbeihilfe möglich gewesen. Ohne positive Erledigung über den Anspruch auf Familienbeihilfe könne der Familienbonus Plus nicht berücksichtigt werden. Die Kosten für die Familienheimfahrten von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz seien nicht als Werbungskosten berücksichtigt worden.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 erhob der Bf am Beschwerde. Er begehrte die Genehmigung der wöchentlichen Familienheimfahrten, denn er könne das Besuchsrecht für sein minderjähriges Kind (geb. 2014), das bei der Mutter lebe, nur in Ungarn ausüben.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt aus, es würden keine Gründe für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes vorliegen. Die Besuchsfahrten zu nicht haushaltszugehörigen Kindern aus einer geschiedenen Ehe seien keine Begründung für die Absetzbarkeit von Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten, da davon auszugehen sei, dass der Bf seinem Besuchsrecht nachkomme. Die beantragten Kosten seien nichtabzugsfähige Aufwendungen gemäß § 20 EStG 1988 und daher nicht zu berücksichtigen.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung stellte der Bf am den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) mit der Begründung, er habe aufgrund der gerichtlichen Vereinbarung die Pflicht mit dem Kind regelmäßigen Kontakt zu halten und es an bestimmten Tagen in der Heimat zu betreuen. Dem Kind sei es nicht möglich und für die Mutter unzumutbar nach Österreich zu fahren. Aus diesen Gründen seien die Kosten der Familienheimfahrten absetzbar und der Bescheid diesbezüglich zu ändern.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Bf ist ungarischer Staatsbürger und erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Österreich. Im beschwerdeggst. Zeitraum war er mit Hauptwohnsitz in Ungarn, ***2*** und mit Nebenwohnsitz in ***1*** gemeldet (ZMR-Abfrage, OZ 8; Mietvertragsbestätigung, OZ 7). Die Kosten der Unterkunft in ***1*** betrugen 120 Euro monatlich (Vorhaltsbeantwortung , Mietvertragsbestätigung und Mietvertrag, OZ 7). Der Nebenwohnsitz war vom Beschäftigungsort 5,5 km entfernt. Die Entfernung vom Nebenwohnsitz zum Hauptwohnsitz in Ungarn beträgt ca. 330 km und entspricht einem zeitlichen Aufwand von ca. 3 Stunden 15 Minuten (Vorhaltsbeantwortung , Routenplaner, OZ 7). Der Beschwerdeführer war bereits seit mehreren Jahren in Österreich mit Nebenwohnsitz gemeldet (ZMR Auskunft).

Der Bf hat laut eigenen Angaben gerichtlich vereinbarte Besuchsrechte, wodurch er zu bestimmten Zeiten verpflichtet ist, sein minderjähriges Kind, welches bei der getrennt vom Beschwerdeführer lebenden Mutter in Ungarn wohnt, zu besuchen und zu betreuen (Vorlageantrag des Bf vom ). Aus diesem Grund fuhr der Bf in der Regel einmal wöchentlich (in Summe 88 x 332 km) von ***2*** (Ungarn) nach ***1*** (Österreich) (Vorhaltsbeantwortung , Fahrtenbuch, OZ 7).

Strittig ist, ob die Kosten für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Der Sachverhalt ergab sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den widerspruchsfreien Angaben der Parteien.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 16 Abs 1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) idgF sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Werbungskosten eines Arbeitnehmers sind Aufwendungen oder Ausgaben, die beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen oder Ausgaben
- objektiv im Zusammenhang mit einer nichtselbständigen Tätigkeit stehen und
- subjektiv zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen geleistet werden oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen und
- nicht unter ein Abzugsverbot des § 20 fallen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt von Steuerpflichtigen und für den Unterhalt ihrer Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Kosten der doppelten Haushaltsführung abzugsfähig, sofern sie beruflich veranlasst sind.

Die doppelte Haushaltsführung ist dann als beruflich veranlasst anzusehen, wenn die Gründung des zweiten Hausstandes einen objektiven Zusammenhang mit der Berufstätigkeit aufweist. Die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursache insbesondere in der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen oder in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Ehegatten haben ().

Familienheimfahrten sind die Fahrten zwischen Berufs- und Familienwohnsitz, also zwischen zwei Wohnungen. Es liegt sohin ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen wäre. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten nur dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit e gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird (vgl. Jakom/Ebner EStG17, § 16 Rz 56).

Der Familienwohnsitz ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. ; , 96/15/0006). Bei alleinstehenden Steuerpflichtigen ist es jener Ort, wo der Steuerpflichtige seine engsten persönlichen Beziehungen hat und einen eigenen Hausstand hat (§ 4 Abs 1 Pendlerverordnung, BGBl II 2013/276).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert sich die Unzumutbarkeit einer täglichen Rückkehr bei der doppelten Haushaltsführung an einer Kilometerzahl von etwa 80 km und Fahrtzeiten von mehr als einer Stunde (vgl. , mwN). Bei kürzeren Fahrtzeiten kann auch eine höhere Kilometerzahl erforderlich sein (vgl. , mwN). Je nach Verfügbarkeit einer Autobahn kann man sich daher an Strecken zwischen 80 und 100 Kilometern als Grenze für die Zumutbarkeit einer täglichen Rückkehr orientieren. ().

Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektiven Gewicht ergeben. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. , mwN). Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (, 2005/15/0079). Die Frage, ob bzw. wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines (Familien-)Wohnsitzes zumutbar ist, kann nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraums abhängig gemacht werden; vielmehr sind die Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen (). Je länger die doppelte Haushaltsführung besteht, umso eher ist dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes zuzumuten. Nach der Verwaltungspraxis ist bei allein Stehenden eine Frist von 6 Monaten in der Regel ausreichend (LStR 346).

Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er das Aufgeben des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ().

Im vorliegenden Fall ist die tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz angesichts der Entfernung von ca. 315 km unstrittig unzumutbar.

Zur Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung brachte der Bf vor, dass er aufgrund einer gerichtlichen Vereinbarung berechtigt und verpflichtet ist, das Besuchsrecht zum minderjährigen Kind in Ungarn auszuüben.

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung kann die Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar sein, wenn minderjährige unterhaltsberechtigte Kinder im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz wohnen (). Dazu wurde wiederholt judiziert, dass die Erziehung und Betreuung der minderjährigen Kinder und die Bewahrung des familiären Umfeldes für diese Kinder gewichtige Gründe darstellen können (vgl. ; , 2007/15/0297). Bejaht wurde die steuerliche Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung bei einem zweifachen Vater, der die elterlichen Pflichten aufgrund der Berufstätigkeit der Mutter tatsächlich, kontinuierlich, intensiv und in ähnlicher Weise wie ein Obsorgeberechtigter wahrgenommen hat ().

Eine derartige Sachverhaltskonstellation liegt jedoch im vorliegenden Fall nicht vor. Das vom Bf vorgebrachte bloße Besuchsrecht stellt für sich allein keinen Umstand von erheblichem objektiven Gewicht dar (). Darüber hinaus gehende Gründe, insbesondere eine regelmäßige intensive Betreuung wie sie für einen Obsorgeberechtigten typisch ist oder ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind, wurde vom Bf weder behauptet noch nachgewiesen. Im vorliegenden Fall kann der Bf - nach den Ausführungen im Vorlageantrag - das Kind in seinem Heimatland sehen und den väterlichen Verpflichtungen ("mit dem Kind den regelmäßigen Kontakt zu halten") nachkommen. Eine über das Besuchsrecht hinausgehende Obsorgeverpflichtung lässt sich aus diesem Vorbringen nicht ableiten.

Da der alleinstehende Bf bereits seit Mitte Mai 2018 in der Nähe des Beschäftigungsortes gemeldet war und somit bereits mehr als sechs Monate am Beschäftigungsort tätig war und auch sonst keine Umstände von erheblichem objektiven Gewicht releviert wurden, sind im Jahr 2019 die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten nicht beruflich sondern privat veranlasst. Die beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung und die Kosten der Familienheimfahrten können aus diesem Grund nicht als Werbungskosten gemäß § 16 EStG 1988 berücksichtigt werden.

Daher war wie im Spruch zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen, sondern hat sich auf diese sowie auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen gestützt.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
TAAAF-79715