Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.04.2025, RV/7101088/2023

Höhe des Schadens durch Veruntreuung eines GmbH-Geschäftsführers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache MV als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der Verlassenschaft nach Bf, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2016 bis 2018, Steuernummer ***3***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Im Zusammenhang mit einer Außenprüfung im Jahr 2018 bei einer Wohnungseigentumsgemeinschaft (WEG) wurde festgestellt, dass die gebuchten Aufwendungen für Müll und Kanal in den Buchhaltungskonten der WEG bei jeder Quartalsbuchung jeweils höher waren als auf den Rechnungen stand. Diese WEG wurde durch die X GmbH, Geschäftsführer R - kurz R - betreut. Zu den daraufhin an R gestellten Fragen wurde zuerst ausweichend geantwortet, eine weitere Aufklärung war durch den Verkehrsunfall des R leider nicht mehr möglich. Laut Auskunft einer Mitarbeiterin der WEG habe R die Buchungen selbst vorgenommen. Die Gattin des Verstorbenen hat eine Woche nach dem Tod ihres Gatten eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Unterschlagung gemacht. Es wurden daraufhin alle Buchhaltungen und Verrechnungen aller durch R betreuten Häuser durchgearbeitet und wurde der Schaden erhoben. Der ermittelte Schaden in Höhe von € 934.016 (inkludiert auch Prüfkosten) wurde durch die X GmbH durch Zahlungen an die betreuten WEG`s wieder behoben. Der X GmbH wurde dieser Schaden durch eine Vermögensschadenversicherung abgedeckt. Der Abgabenbehörde liegt weiters ein Bericht einer Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin vom an eine Hauseigentumsgemeinschaft vor, aus welchem im Detail die Malversationen in Höhe von € 520.341,26 betraglich und zeitlich aufgelistet sind. Dieser Bericht wurde - entsprechend anonymisiert - dem Verlassenschaftskurator übermittelt. Aus diesem Bericht geht auch eindeutig hervor, dass sich R diese Gelder angeeignet hat. Weiteres gibt es auch zu den anderen betreuten Einheiten entsprechende Auflistungen, welche ebenfalls anonymisiert übermittelt wurden. Diese Einzelauflistungen im Gesamtbetrag von € 358.382,62 liegen der Abgabenbehörde vor. Aus Datenschutzgründen wurden diese unter Schwärzung der zugrundeliegenden Objekte im BP-Bericht aufgelistet. Diese Daten dienten den Eigentümern der Häuser und WEG' s auch dazu, eine Selbstanzeige bei der Finanzverwaltung einzubringen, da seitens der einzelnen betreuten WEG`s überhöhte Aufwendungen geltend gemacht wurden. Aufgrund eines Auskunftsersuchens an das Landesgericht Wien wurde bekannt, dass im Verfahren 27 St 336/19d keine Anklageschrift eingebracht wurde sowie dass das Verfahren gemäß 18 Abs. 1 VbVG gegen die X GmbH beendet wurde, indem die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung des Verbandes abgesehen hat (Mail StA Wien vom ).

In der Beschwerde wurde eingewendet:

Die Behörde gehe bei Ermittlung des angeblich veruntreuten Betrages von nicht gesicherten Unterlagen bzw. von reinen Mutmaßungen aus. Auch sei nicht ersichtlich, wie und in welcher Form derartige Malversationen stattgefunden haben sollen. Die Abgabenbehörde habe es verabsäumt, selbst durch eigene Überprüfungen angebliche Malversationen zu verifizieren. Aber selbst wenn man von diesbezüglichen Malversationen ausginge, gilt nicht abschließend geklärt, dass sämtliche Beträge tatsächlich dem Verstorbenen zugekommen sind bzw. in welchem Jahr dies erfolgt ist. Auch kann eine Doppelerfassung der Veruntreuungen nicht ausgeschlossen werden sowie wurde der Bericht des Wirtschaftsprüfers geschwärzt übermittelt, was eine Überprüfung durch den Verlassenschaftskurator nicht ermöglichte.

Rechtswidrigkeit des Inhaltes:

Auch fehle es für die Zurechnung an den Verstorbenen an einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung, zumal das Verfahren gegen den Verband überhaupt eingestellt wurde. Im Übrigen stelle die zitierte Literatur auf unselbständige Dienstnehmer ab, nicht jedoch auf selbständige Tätigkeiten wie etwa eines Geschäftsführers einer GmbH. Durch die Schadensgutmachung durch eine Versicherung wäre dies regressberechtigt, damit würde den entnommenen Beträgen entsprechende Gegenforderungen gegenüberstehen.

Die abweisenden Beschwerdevorentscheidungen für die Streitjahre des zuständigen Finanzamts wurde wie folgt begründet:

"Die Erledigung weicht von Ihrem Begehren aus folgenden Gründen ab: 1. Vorweg ist anzumerken, dass durch den Antrag in der Beschwerde ("Das Bundesfinanzgericht wolle der vorliegenden Beschwerde vollinhaltlich Folge geben…..") nicht ausdrücklich ein Verzicht auf Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ausgesprochen wurde. § 262 Abs. 2 BAO ist nur anwendbar, wenn das Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung in der Bescheidbeschwerde gesondert und ausdrücklich gestellt werden (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 262 Tz 6 unter Hinweis auf RV/7103175/2016; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³, § 262 Anm.7). 2. Sachverhalt Im Zusammenhang mit einer Außenprüfung im Jahr 2018 bei einer Wohnungseigentumsgemeinschaft, kurz WEG wurde festgestellt, dass die gebuchten Aufwendungen für Müll und Kanal in den Buchhaltungskonten der WEG bei jeder Quartalsbuchung jeweils höher waren als auf den Rechnungen stand. Diese WEG wurde durch die X GmbH, Geschäftsführer R - kurz R - betreut. Zu den daraufhin an R gestellten Fragen wurde zuerst ausweichend geantwortet, eine weitere Aufklärung war durch den Verkehrsunfall des R leider nicht mehr möglich. Laut Auskunft einer Mitarbeiterin der WEG habe R die Buchungen selbst vorgenommen. Die Gattin des Verstorbenen hat eine Woche nach dem Tod ihres Gatten eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Unterschlagung gemacht. Es wurden daraufhin alle Buchhaltungen und Verrechnungen aller durch R betreuten Häuser durchgearbeitet und wurde der Schaden erhoben. Der ermittelte Schaden in Höhe von € 934.016 (inkludiert auch Prüfkosten) wurde durch die X GmbH durch Zahlungen an die betreuten WEG`s wieder behoben. Der X GmbH wurde dieser Schaden durch eine Vermögensschadenversicherung abgedeckt. Der Abgabenbehörde liegt weiters ein Bericht einer Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin vom an eine Hauseigentumsgemeinschaft vor, aus welchem im Detail die Malversationen in Höhe von € 520.341,26 betraglich und zeitlich aufgelistet sind. Dieser Bericht wurde - entsprechend anonymisiert - dem Verlassenschaftskurator übermittelt. Aus diesem Bericht geht auch eindeutig hervor, dass sich R diese Gelder angeeignet hat. Weiteres gibt es auch zu den anderen betreuten Einheiten entsprechende Auflistungen, welche ebenfalls anonymisiert übermittelt wurden. Diese Einzelauflistungen im Gesamtbetrag von € 358.382,62 liegen der Abgabenbehörde vor. Aus Datenschutzgründen wurden diese unter Schwärzung der zugrundeliegenden Objekte im BP-Bericht aufgelistet. Diese Daten dienten den Eigentümern der Häuser und WEG' s auch dazu, eine Selbstanzeige bei der Finanzverwaltung einzubringen, da seitens der einzelnen betreuten WEG`s überhöhte Aufwendungen geltend gemacht wurden. Aufgrund eines Auskunftsersuchens an das Landesgericht Wien wurde bekannt, dass im Verfahren 27 St 336/19d keine Anklageschrift eingebracht wurde sowie dass das Verfahren gemäß 18 Abs. 1 VbVG gegen die X GmbH beendet wurde, indem die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung des Verbandes abgesehen hat (Mail StA Wien vom ). 3. a) Beschwerdepunkte Mangelhaftigkeit des Verfahrens Die Behörde gehe bei Ermittlung des angeblich veruntreuten Betrages von nicht gesicherten Unterlagen bzw. von reinen Mutmaßungen aus. Auch sei nicht ersichtlich, wie und in welcher Form derartige Malversationen stattgefunden haben sollen. Die Abgabenbehörde habe es verabsäumt, selbst durch eigene Überprüfungen angebliche Malversationen zu verifizieren. Aber selbst wenn man von diesbezüglichen Malversationen ausginge, gilt nicht abschließend geklärt, dass sämtliche Beträge tatsächlich dem Verstorbenen zugekommen sind bzw. in welchem Jahr dies erfolgt ist. Auch kann eine Doppelerfassung der Veruntreuungen nicht ausgeschlossen werden sowie wurde der Bericht des Wirtschaftsprüfers geschwärzt übermittelt, was eine Überprüfung durch den Verlassenschaftskurator nicht ermöglichte. b) Rechtswidrigkeit des Inhaltes Auch fehle es für die Zurechnung an den Verstorbenen an einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung, zumal das Verfahren gegen den Verband überhaupt eingestellt wurde. Im Übrigen stelle die zitierte Literatur auf unselbständige Dienstnehmer ab, nicht jedoch auf selbständige Tätigkeiten wie etwa eines Geschäftsführers einer GmbH. Durch die Schadensgutmachung durch eine Versicherung wäre dies regressberechtigt, damit würde den entnommenen Beträgen entsprechende Gegenforderungen gegenüberstehen. 4. Beurteilung durch die Abgabenbehörde Seitens der Abgabenbehörde wurden die streitgegenständlichen Feststellungen nicht aufgrund ungesicherter Unterlagen bzw. aufgrund von reinen Mutmaßungen getroffen, sondern es liegt sowohl ein Bericht einer Wirtschaftsprüferin vor sowie auch Schuldeingeständnisse seitens der Immobilienverwaltung X GmbH. Der Bericht der Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin Ulrike Riha vom beinhaltet die von Bf bewirkten Malversationen - dieser Bericht wurde an Dr. Anzböck übermittelt und beinhaltet eine sehr genaue Darstellung der unterschiedlichen Vorgangsweisen (Überweisungen an Bf-Fremd-Bankkonten, Barauszahlungen, Überweisungen an Firmen, die für den Verstorbenen privat gearbeitet haben, etc). Die in diesem Bericht vorgenommenen Schwärzungen sind hinsichtlich Nachvollziehbarkeit der Malversationen in keinster Weise hinderlich. Die Höhe der veruntreuten Beträge wurde seitens der Immobilienverwaltung X GmbH bekanntgegeben (siehe Schreiben des Notgeschäftsführers *** vom ). Auch aufgrund der Schadenswiedergutmachung durch die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung der Immobilienverwaltung X GmbH ist jedenfalls als gesichert anzusehen, dass der Schaden durch sehr umfangreiche und sorgfältige Überprüfungen festgestellt wurde. Weitere Überprüfungen durch die Abgabenbehörde wurden durch die jeweiligen Insolvenzverwalter nicht ermöglicht - siehe dazu die detaillierte Auflistung der vorgenommenen Kontaktaufnahmen im BP-Bericht sowie zB das Schreiben von Dr. Anzböck vom : "Trotz mehrfacher Urgenzen habe ich weder durch den vormaligen Verlassenschaftskurator noch durch den vormaligen Notgeschäftsführer der Bf GmbH *** wie immer geartete Unterlagen erhalten." Zum Fehlen einer Verurteilung ist auf die Ausführungen in Ritz/Koran, BAO, 7. Auflage, § 116, Rz 14 hinzuweisen - demnach besteht nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Bindung der Abgabenbehörden und des Bundesfinanzgerichts im Falle rechtskräftiger verurteilender Entscheidungen eines Strafgerichts, einer Finanzstrafbehörde oder des Bundesfinanzgerichts nach einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren an die Tatsachenfeststellungen, auf denen der Schuldspruch beruht, wozu auch jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt (vgl zB Ra 2018/16/0043; , Ra 2018/16/0210; , Ro 2018/16/0001). Bei Freisprüchen besteht keine solche Bindung (zB 2005/16/0091; , 2008/15/0045; , 2007/15/0227; , 2007/13/0152; 22.3.2018, Ra 2017/15/0044; , Ra 2020/15/0043), nichts anderes kann für einen Einstellungsbeschluss gelten ( Ra 2020/15/0043). Nicht zutreffend ist weiters, dass die gesamte zitierte Literatur auf unselbständige Dienstnehmer abstellt und nicht auf selbständige Tätigkeiten wie etwa eines Geschäftsführers einer GmbH. So wird zB im Erkenntnis vom , 95/14/0043, hinsichtlich der Veruntreuung des Geschäftsführers der Wirtschaftsbetriebe eines Vereines ebenfalls der Ansatz von Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit bestätigt."

Dagegen brachte der Verlassenschaftskurator für die jeweiligen Jahre Vorlageanträge ein, die keine weitere Begründung erhielten.

Am brachte der Masseverwalter eine Ergänzung der Beschwerde mit folgendem Inhalt ein:

"Mit dem angesprochenen BP-Bericht vom wurden die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gegenüber der Verlassenschaft nach Bf mit € 227.680,34 (für das Jahr 2016), € 178.563,54 (für das Jahr 2017) und € 556.1 18,58 (für das Jahr 2018) festgesetzt. Dies mit der wesentlichen Begründung, dass Herrn R ein strafgesetzwidriges Verhalten im Hinblick auf ein Vermögensdelikt vorzuwerfen sei. Dieses Vermögensdelikt sei zwar strafrechtlich nie aufgeklärt worden, weil im Verfahren zur Geschäftszahl 27 St 336/19d der StA Wien niemals eine Anklageschrift eingebracht worden ist und auch das gegen den Verband der Firma Bf GmbH nach den Bestimmungen des VbVG geführte Verfahren beendet und von der Verfolgung des Verbandes abgesehen wurde. Dennoch - so die Abgabenbehörde in eigener strafrechtlicher Beurteilung - würde "das deliktische Fehlverhalten des Steuerpflichtigen (...) zu Einkünften (führen), sofern die Auslösung der Verhaltenskomponente der beruflichen Sphäre zuordenbar" sei. Zu den steuerpflichtigen Einkünften gehören auch Einkünfte, die sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers - etwa durch Veruntreuung oder Untreue - verschafft; für andere Einkunftsarten würde Entsprechendes gelten. Auf Basis des vorliegenden Sachverhalts, sei für die Abgabenbehörde (so der Prüfungsbericht auf Seite 4 oben) nachgewiesen, dass sich R in seiner Funktion als Geschäftsführer an der Firma X GmbH - strafrechtlich relevant - bereichert habe, die strafrechtlichen Malversationen seiner beruflichen Sphäre zuzurechnen seien und Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit vorliegen würden. Diese Beurteilung ist (strafrechtlicher Unfug:

1. Eine Einsichtnahme in die historischen Daten des Unternehmens (Firmenbuchauszug zu FN: ***1*** des HG Wien) zeigt, dass der verstorbene R bereits am zum Alleingesellschafter der Firma X GmbH wurde, indem er den gesamten Betrag der damaligen Stammeinlage von € 35.000 in seiner Hand vereinigt hat. Mit Generalversammlungsbeschluss vom wurde dann eine Kapitalerhöhung um € 65.000 auf insgesamt € 100.000 beschlossen und der verstorbene R war fortan und bis zu seinem Ableben alleiniger Gesellschafter der GmbH. Erst mit Wirksamkeit Jänner 2020 hat Frau ***2*** sämtliche Gesellschaftsanteile übertragen erhalten. Hieraus folgt: Über den gesamten Prüfungszeitraum der Jahre 2016 bis 2018 war der (mutmaßliche) Täter der von den Abgabenbehörden vorgeworfenen strafrechtlichen Malversationen auch einziger Eigentümer des (vermeintlichen) Opfers, der Firma X GmbH. In dieser Konstellation ist eine strafrechtlich relevantes Fehlverhalten undenkbar: Das Strafrecht anerkennt zwar die Rechtssubjektivität von Kapitalgesellschaften; sowohl dem Abgabenrecht als auch dem Strafrecht ist aber gemeinsam, dass die streng formale Betrachtungsweise einer "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" zu weichen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Begehung eines strafrechtlichen Vermögensdeliktes gegenüber einer GmbH durch den einzigen Gesellschafter derselben GmbH denkunmöglich. Diese Rechtsprechung sollte zumindest seit der Libro-Entscheidung des Obersten Gerichtshofes bekannt sein, erstmals judiziert wurde sie bereits viel früher. Im Bereich der Untreue einschlägig sind jene Rechtssätze, die im RIS zur Rechtssatznummer RS 0094723 zusammengefasst sind. Demnach ist zwar grundsätzlich bei einer Untreue zu Lasten einer GmbH nicht der Schaden der Gesellschafter maßgebend, sondern stets jener der Gesellschaft als eigenen Rechtssubjekt. Der einzige Gesellschafter einer GmbH kann aber nie als Täter einer zu Lasten derselben GmbH begangenen Untreue in Betracht kommen (ständige Rechtsprechung seit 10 Os 170/80; zuletzt 11 Os 56/22b). Eine vergleichbare Judikatur existiert auch im Bereich der Veruntreuung und Unterschlagung. Das Vermögen der GmbH ist für den alleinigen Gesellschafter derselben GmbH schlichtweg kein "fremdes Vermögen" im Sinne strafrechtlicher Vermögensdelikte. Die strafrechtliche Beurteilung der Abgabenbehörde, Herr R habe Veruntreuung oder Untreue gegenüber der GmbH zu verantworten, ist falsch und vermag einen abgabenrechtlichen Bescheid niemals zu begründen. 2. Nach dem Inhalt des Prüfungsberichts soll die Gattin des Verstorbenen eine Woche nach dem Tod ihres Ehegatten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Unterschlagung gemacht haben. Aus den oben angeführten Erwägungen kann die Gattin des Verstorbenen gar nicht Opfer allfälliger Malversationen zu Lasten der GmbH sein (wie auch immer diese ausgesehen haben mögen). Für den hypothetischen Fall, dass die Witwe tatsächlich Opfer (vermeintlicher) strafrechtlicher Handlungen des R wäre, ist § 166 StGB einschlägig, wonach die dort genannten Vermögensdelikte (selbst dann, wenn der Schaden hoch oder die Straftat qualifiziert wäre) dahingehend privilegiert sind, dass es sich nurum sogenannte Privatanklagedelikte (§ 166 Abs. 3 StGB) mit minimaler Strafdrohung handelt. Der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers sei der Nebensatz gestattet, dass sie bereits die Anwendung der Judikatur hinsichtlich strafrechtlich delinquenter Arbeitnehmer auf Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit für rechtswidrig hält. Gänzlich unbekannt ist bislang aber, dass ein strafrechtlich als Privatanklagedelikt privilegiertes Vermögensdelikt im Familienkreis eine Steuerpflicht auslösen würde, weil die Grundsätze des "Vorteiles aus dem Dienst - oder Arbeitsverhältnisses" anwendbar wären. Auch vor diesem Hintergrund kann die Steuervorschreibung gegenüber der Verlassenschaft nur falsch sein. 3. Wenn sich die Abgabenbehörde schon zur Begründung einer Abgabenpflicht auf strafrechtliche Umstände stützen möchte, diese strafrechtlichen Umstände aber in einem rechtstaatlich geordneten Strafverfahren überhaupt nie geklärt wurden, so sind (spätestens) bei der Steuerbemessung dieselben strafrechtlichen und strafprozessualen Grundsätze anzulegen. Dies mit der zwingenden Konsequenz, dass der Verlassenschaft sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nur Abgaben vorgeschrieben werden dürfen, denen mit der im Strafverfahren notwendigen Sicherheit oder einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ein Sachverhalt zugrundeliegt, der die Steuerpflicht auslöst. Wenn demnach strafrechtliche Malversationen die Grundlage für eine Abgabenvorschreibung bilden sollen, aber eine Bindungswirkung eines verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisses nicht vorliegt (weil es ein solches nie gegeben hat), dann müssen die steuerrechtlichen Feststellungen strafrechtlichen Grundprinzipien genügen, unter anderem der Unschuldsvermutung (einfach gesetzlich normiert im § 8 StPO) und dem Grundsatz "in dubio pro reo. Das gegenständlich die Abgabenbehörde nach diesen Prinzipien vorgegangen wäre, ist durch den vorliegenden Prüfungsbericht (der die Begründung der Abgabenbescheide in der Hauptsache darstellt) geradezu widerlegt: Die Prüfer haben offenbar nur ein "Kameralverfahren" geführt, haben nichts anderes getan als zugespielte und teilweise geschwärzte Unterlagen ausgewertet und daraus die für den Fiskus bestmöglichen "Feststellungen" getroffen. Das ist unzulässig. Um einen Steuerbescheid auf strafrechtliche Überlegungen zu gründen, muss das strafrechtliche Günstigkeitsprinzip angewendet werden; alles, was sich nicht lückenlos klären lässt (und zwar in einem Verfahren, das strafrechtlichen Prinzipien standhält) ist stets zu Gunsten Beschuldigten anzunehmen. Und: die Feststellungen zur Höhe des Anspruches wurden im Schätzungswege nach § 184 BAO getroffen. Den Finanzbehörden sollte zwischenzeitig bekannt sein, dass Feststellungen im Schätzungswege grundsätzlich nicht einmal im "eigenen finanzstrafrechtlichen Verfahren" eine ausreichende Grundlage bilden. Gegenständlich kommt noch hinzu, dass die Prüfer (unter anderem) darüber ausfuhren, dass bestimmte Schadensfälle nicht zugeordnet werden konnten und aus verfahrensökonomischen Gründen aliquote Zurechnungen vorgenommen worden sind. Derart pauschale "Daumen-mal-Pi"- Feststellungen halten strafrechtlichen Grundsätzen niemals Stand"

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Da im Vorlageantrag keine weiteren Ausführungen enthalten sind, hat das Finanzamt im Vorlagebericht auf die Begründung zur BVE, der sich auch das Bundesfinanzgericht anschließt, verwiesen:

Seitens der Abgabenbehörde seien die streitgegenständlichen Feststellungen nicht aufgrund ungesicherter Unterlagen bzw. aufgrund von reinen Mutmaßungen getroffen, sondern es liege sowohl ein Bericht einer Wirtschaftsprüferin vor sowie auch Schuldeingeständnisse seitens der Immobilienverwaltung X GmbH. Der Bericht der Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin Ulrike Riha vom beinhalte die von Bf bewirkten Malversationen - dieser Bericht wurde an Dr. Anzböck übermittelt und beinhaltet eine sehr genaue Darstellung der unterschiedlichen Vorgangsweisen (Überweisungen an Bf-Fremd-Bankkonten, Barauszahlungen, Überweisungen an Firmen, die für den Verstorbenen privat gearbeitet haben, etc).

Das Bundesfinanzgericht vertritt (übereinstimmend mit dem Finanzamt) die Ansicht, dass die in diesem Bericht vorgenommenen Schwärzungen hinsichtlich Nachvollziehbarkeit der Malversationen in keinster Weise hinderlich sind. Die Höhe der veruntreuten Beträge wurde seitens der Immobilienverwaltung X GmbH bekanntgegeben (siehe Schreiben des Notgeschäftsführers *** vom ). Auch aufgrund der Schadenswiedergutmachung durch die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung der Immobilienverwaltung X GmbH ist jedenfalls als gesichert anzusehen, dass der Schaden durch sehr umfangreiche und sorgfältige Überprüfungen festgestellt wurde. Weitere Überprüfungen durch die Abgabenbehörde wurden durch die jeweiligen Insolvenzverwalter nicht ermöglicht - siehe dazu die detaillierte Auflistung der vorgenommenen Kontaktaufnahmen im BP-Bericht sowie zB das Schreiben von Dr. Anzböck vom : "Trotz mehrfacher Urgenzen habe ich weder durch den vormaligen Verlassenschaftskurator noch durch den vormaligen Notgeschäftsführer der X GmbH *** wie immer geartete Unterlagen erhalten."

Zum Fehlen einer Verurteilung ist auf die Ausführungen in Ritz/Koran, BAO, 7. Auflage, § 116, Rz 14 hinzuweisen - demnach besteht nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Bindung der Abgabenbehörden und des Bundesfinanzgerichts im Falle rechtskräftiger verurteilender Entscheidungen eines Strafgerichts, einer Finanzstrafbehörde oder des Bundesfinanzgerichts nach einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren an die Tatsachenfeststellungen, auf denen der Schuldspruch beruht, wozu auch jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt (vgl zB ; , Ra 2018/16/0210; , Ro 2018/16/0001). Bei Freisprüchen besteht keine solche Bindung (zB ; , 2008/15/0045; , 2007/15/0227; , 2007/13/0152; , Ra 2017/15/0044; , Ra 2020/15/0043), nichts anderes kann für einen Einstellungsbeschluss gelten ().

Nicht zutreffend ist auch, dass die gesamte zitierte Literatur auf unselbständige Dienstnehmer abstellt und nicht auf selbständige Tätigkeiten wie etwa eines Geschäftsführers einer GmbH. So wird zB im Erkenntnis vom , 95/14/0043, hinsichtlich der Veruntreuung des Geschäftsführers der Wirtschaftsbetriebe eines Vereines ebenfalls der Ansatz von Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit bestätigt.

Außerdem ist anzumerken, dass durch den Antrag in der Beschwerde ("Das Bundesfinanzgericht wolle der vorliegenden Beschwerde vollinhaltlich Folge geben…..") nicht ausdrücklich ein Verzicht auf Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ausgesprochen wurde.

§ 262 Abs. 2 BAO ist nur anwendbar, wenn das Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung in der Bescheidbeschwerde gesondert und ausdrücklich gestellt werden (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 262 Tz 6 unter Hinweis auf ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³, § 262 Anm.7).

Zu der Beschwerdeergänzung vom wird (übereinstimmend mit der Abgabenbehörde) Folgendes erwidert:

Einleitend wird festgehalten, dass für die Festsetzung im Rahmen eines abgaberechtlichen Verfahrens die Einhaltung der strafrechtlichen Grundprinzipien laut Strafprozessordnung (StPo) nicht anwendbar sind. Dies wurde auch schon vom VwGH mehrmals festgehalten, indem dieser im Zusammenhang mit freisprechende Strafurteilen festhält, dass eine Bindung der Abgabenbehörden an ein freisprechendes Strafurteil schon wegen der anders gearteten Beweisregeln nicht besteht (VwGH-Erkenntnis vom , 95/14/0043 mit Verweis auf das Erkenntnis vom , 97/13/0173) Die abgabenrechtlichen Grundsätze ergeben sich vielmehr aus der Bundesabgabenordnung (BAO).

Im konkreten Fall lagen der Abgabenbehörde detaillierte Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass sich Herr Bf im Zeitraum 2016 - 2017 Gelder angeeignet hat, welche in den abgegebenen Einkommensteuererklärungen nicht berücksichtigt wurden. Dies wurde laut vorliegender Beweismittel unter anderen mittels überhöhter Betriebskostenabrechnung, Nichtweiterleitung von Gutschriften an die jeweiligen Wohnungseigentumsgemeinschaften (WEG) und Einbehaltung von Kautionen bewirkt. Weiters liegen auch Hinweise vor, dass entsprechende Geldzuflüsse auch im Jahr 2018, in denen die Abgabenerklärung nicht abgegeben wurde, vorliegen. Diese Beweismittel (§ 166 BAO) waren im Rahmen des Abgabenverfahrens zu würdigen und sind auch im Rahmen des Parteiengehörs (§ 115 Abs. 2 BAO) vorgehalten worden. Zu diesen vorgelegten Unterlagen konnten im Abgabeverfahren keine weiteren Unterlagen oder Beweise vorgelegt werden, welche die in den Unterlagen dargestellten Geldzuflüsse an Herrn R widerlegen würden.

Weiters wurden auch keine Unterlagen im Zusammenhang mit den Einnahmen aus der Geschäftsführertätigkeit im Jahr 2018 vorgelegt, weshalb hier im Rahmen des § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen war. All dies geht aus dem Prüfungsbericht vom hervor. Zu den einzelnen Punkten wird ergänzend ausgeführt: 1) Zum Zeitpunkt des Zuflusses hatte die X GmbH keinen Vermögensnachteil. Diese hatten mit den betreuten Wohnungseigentumsgemeinschaften (WEG) die Kunden der X GmbH.

Weiters ist festzuhalten, dass es sich bei der X GmbH trotzdem um ein eigenes Steuersubjekt gemäß § 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) handelt. Die Versteuerung erfolgt im Rahmen des Trennungsprinzips getrennt vom Eigentümer R. Es war somit im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 21 BAO) herauszuarbeiten, wem genau die zusätzlich vereinnahmten Geldbeträge zuzurechnen sind. Laut vorliegenden Unterlagen waren diese Herrn R zurechenbar. Es ist zwar richtig, dass der Geldmittelzufluss mithilfe der GmbH (Weiterleitung an Bankkonten und Barabhebungen vom Bankkonto der GmbH) erfolgte, diese hatte jedoch keinen unmittelbaren Vermögensnachteil, da die Gelder für die jeweiligen Kunden vereinnahmt wurden. Aus diesem Grund konnte es sich im vorliegenden auch um keine verdeckte Ausschüttung gemäß § 8 Abs. 2 KStG handeln. In Anlehnung an die im Prüfungsbericht zitierte Rechtsprechung (siehe Rechtliche Beurteilung im Prüfungsbericht vom ) handelt es sich hierbei um selbständige Einkünfte gemäß § 22 EStG. Ob die GmbH als strafrechtliches Opfer anzusehen ist, ist im Rahmen des Abgabenverfahrens nicht zu beurteilen.

2) Im Prüfungsbericht wurde die Anzeige der Gattin bei der Staatsanwaltschaft wegen Unterschlagung im Sachverhalt erwähnt. Es geht jedoch nicht hervor, ob diese nun Opfer allfälliger Malversationen zu Lasten der GmbH wurde. Wie unter Punkt 1 schon ausgeführt, hatten zum Zeitpunkt des Geldflusses die einzelnen Wohnungseigentümergemeinschaften den finanziellen Nachteil zu Gunsten von Herrn R. Eine steuerliche Hinzurechnung aufgrund einer Opferstellung allfälliger Malversationen zu Lasten der GmbH ergibt sich nicht. Die Frage, ob die Gattin als strafrechtliches Opfer anzusehen ist, wurde im Rahmen des Abgabenverfahrens nicht beurteilt.

3) Wie anfangs bereits ausgeführt, ergeben sich die abgabenrechtlichen Grundsätze aus der Bundesabgabenordnung. Aus dieser geht hervor, dass gemäß § 184 BAO zu schätzen ist, wenn die Abgabenbehörde die Grundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann (Abs. 1) und Bücher oder Aufzeichnungen nicht vorgelegt werden, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat. (Abs. 3) Im konkreten Fall wurden keine Unterlagen im Zusammenhang mit der Geschäftsführertätigkeit 2018 vorgelegt, weshalb die Einkünfte zu schätzen waren. Auch die aliquoten Zurechnungen sind durch § 184 BAO gedeckt, da zu schätzen ist, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind. (Abs. 2).

Die Nichtanwendbarkeit einer Schätzung aufgrund strafrechtlicher Grundprinzipien im Rahmen eines Strafverfahrens geht aus der Bundesabgabenordnung nicht hervor. Dies würde zudem auch der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gemäß § 114 BAO widersprechen, wenn Beschuldigte im Strafverfahren anderen abgabenrechtlichen Regeln unterworfen wären als die übrigen Steuerpflichtigen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Würdigung der Sachverhalte im Rahmen des Abgabenverfahrens durchgeführt wurde und nicht in Rahmen eines Strafverfahrens. Auch wenn sich Feststellungen auf ein strafgesetzwidriges Verhalten stützen, gelten im Abgabeverfahren andere Beweisregeln als im Strafverfahren. Es wurde vielmehr der Sachverhalt - unabhängig der strafrechtlichen Würdigung - ermittelt und anhand der vorliegenden Beweismittel im Abgabeverfahren festgesetzt. Die abgabenrechtlichen Grundsätze, welche sich aus der Bundesabgabenordnung ergeben, wurden im konkreten Verfahren eingehalten.

Es wird zusätzlich auf die Ausführungen im Prüfungsbericht vom , die Beschwerdevorentscheidung vom und den Vorlagebericht vom verwiesen.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
ZAAAF-79713